Das Angebot wird größer
Was ist der Antrieb der Zukunft? Auf diese Frage suchen Experten und Forscher schon seit Jahren die Antwort. Gibt es hier überhaupt DIE Antwort? Dass die konventionellen Kraftstoffe keine dauerhafte Lösung sind, hängt nicht nur mit der endlichen Ressource Erdöl zusammen. Auch die Umwelt leidet unter ihnen. Inwieweit sind die alternativen Kraftstoffe tatsächlich eine Alternative? Haben die Mineralölgesellschaften ihr Angebot diesbezüglich schon erweitert? Wird die Zapfpistole an der Tankstelle bald durch den Ladestecker ersetzt? Flottenmanagement be-gab sich auf die Suche nach Antworten ...

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Eine treffende Zusammenfassung der Entwicklungen im Kraftstoffbereich der letzten Jahre findet sich in der Literatur: „Die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit vieler Staaten von der geologischen und politischen Verfügbarkeit der Ölvorkommen sowie die mit der Verbrennung fossiler Energieträger verbundenen Umweltauswirkungen haben die Nachteile der konventionellen Kraftstoffe in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Damit begann die Suche nach alternativen Kraftstoffen für den Straßenverkehr, die geeignet sind, die Kriterien Ökonomie, Ökologie und Verfügbarkeit in Einklang zu bringen“, heißt es im Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. Allerdings ist kein Kraftstoff aktuell in der Lage, diese Anforderungen gänzlich zu erfüllen. Daher sind es Kompromisse, auf die man sich (derzeit noch) einlassen muss.
Autogas/Erdgas
Im Bereich Autogas ist die Tankstelleninfrastruktur in Deutschland schon recht gut ausgebaut. Insgesamt gibt es bei knapp 6.700 Tankstellen die Möglichkeit, Autogas zu tanken (Quelle: Statista, Stand Februar 2017). Mit der Tankkarte der DKV Euro Service kann man bei rund der Hälfte (3.200) das sogenannte Liquefied Petroleum Gas (LPG) tanken. Europaweit sind es 12.000 Autogastankstellen, so Dirk Simon, Head of Product Management Fuel & Payment Authorisation beim DKV Euro Service.
Das Tanken von Erdgas gestaltet sich aufgrund einer schlechteren Infrastruktur etwas schwieriger. Insgesamt sind es in Deutschland circa 900 Tankstellen, die das Compressed Natural Gas (kurz CNG) anbieten. Die DKV Euro Service kann hierzulande ein Netz von rund 700 Erdgastankstellen vorweisen.
Andre Stracke, Leiter des Bereichs Tankstellen der Westfalen Gruppe, glaubt, dass „Erdgas und vor allem Autogas eine besondere Bedeutung als Brückentechnologie besitzen“. Er merkt allerdings an: „Seit Jahren ist die Absatzentwicklung bei autogasbetriebenen Fahrzeugen eher rückläufig. Der Steuervorteil wurde zwar verlängert, wird aber bis Ende 2022 sukzessive sinken und dann ganz entfallen. Eine deutlich steigende Anzahl autogasbetriebener Fahrzeuge ist daher aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich.“
Ähnlich kritisch betrachtet Stracke das Thema Erdgas. „Viele Stadtwerke kündigen bestehende Verträge für Erdgastankstellen an unseren Stationen wegen nicht vorhandener Wirtschaftlichkeit. Auch in der Automobilindustrie ist aus unserer Sicht kein wirkliches Interesse zu erkennen, diesen Kraftstoff zukunftsfähig zu machen, da immer weniger Fahrzeuge angeboten werden.“ Wer hier etwas Unverständnis aus den Aussagen herausliest, liegt wohl nicht ganz falsch.

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Ausgabe 5/2017

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Doch vielleicht hat Stracke in Bezug auf die Automobilindustrie nicht ganz recht. „Der Anteil an Erdgasfahrzeugen wird vermutlich bald zunehmen“, hält Ricardo Juppe, Manager Wasserstoff/Elektromobilität bei Total, dagegen. Dafür spricht: In den letzten Monaten gab es vor allem seitens des Volkswagen Konzerns Bestrebungen, wieder vermehrt auf Erdgas zu setzen. Zusammen mit Industriepartnern wie E.ON, Gazprom und Total haben die Wolfsburger eine CNG-Initiative ins Leben gerufen. Das Ziel: Bis 2025 soll sich die Zahl der Erdgasfahrzeuge hierzulande auf eine Million erhöhen, das entspräche einer Verzehnfachung des derzeitigen Bestands. Darüber hinaus soll sich die Anzahl der Erdgastankstellen auf rund 1.800 verdoppeln.
Was macht Erdgas für die Autoindustrie so interessant? Im Vergleich zu Benzin- beziehungsweise Dieselfahrzeugen stoßen Erdgasautos rund 20 Prozent beziehungsweise zehn Prozent weniger CO2 aus. Mit Biogas verbessert sich die Bilanz noch einmal merklich. Hinzu kommt, dass mit einem Erdgasfahrzeug keine Probleme hinsichtlich der Feinstaub- oder Stickoxidemissionen auftreten. Und die Politik hilft auch hier noch etwas nach. Der ursprünglich 2018 auslaufende Steuervorteil bei Erdgas wurde noch einmal bis 2026 verlängert.
Dr. Ralf Stöckel, Advisor New Energies/Sustainable Development bei Total, geht jedoch nicht davon aus, dass die weitere steuerliche Subvention der Gase deren relative Vorteilhaftigkeit erhöhen wird. Wichtiger sei, dass die Hersteller mitziehen und entsprechende Angebote schaffen, so Dirk Simon von der DKV Euro Service.
Wasserstoff
Von vielen Experten wird Wasserstoff als der mögliche Kraftstoff der Zukunft gehandelt. Und das hat Gründe: Denn aus Wasserstoff erzeugt die im Auto verbaute Brennstoffzelle emissionsfrei Strom, der Tankvorgang ist schnell und die Technik zudem effizienter (höherer Wirkungsgrad) als bei Benzinmotoren. Detlef Brandenburg, Pressesprecher bei der Aral AG, hat jedoch Zweifel: „Angesichts des sehr hohen Preises von Wasserstoffautos, des Fehlens einer großindustriellen Herstellung (...) und einer flächendeckenden Infrastruktur zur Betankung sowie des geringen Fahrzeugangebots ist aus derzeitiger Perspektive nicht absehbar, ob und inwieweit sich Wasserstoff als alternative Antriebsenergie zukünftig durchsetzen wird.“ Bei Total vermutet man, dass die Zukunft im Wasserstoff liegen könnte. „Wir betreiben bereits heute rund ein Dutzend Wasserstofftankstellen und sind Teil der Initiative H2 Mobility, die das Ziel hat, bis 2023 400 H2-Tankstellen in Deutschland (Anmerkung der Redaktion: Derzeit sind es 32) ans Netz zu bringen“, sagt Ricardo Juppe von Total.
Mit Mercedes-Benz wird nun ein weiterer Hersteller (neben Hyundai und Toyota) ein Wasserstoffauto in Europa anbieten, der GLC F-Cell feierte erst vor wenigen Wochen auf der IAA in Frankfurt seine Premiere. Überdies plant BMW für 2025 ein Brennstoffzellenfahrzeug. Und auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unterstützt die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Dabei soll das ressortübergreifende Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) zum einen die Kontinuität für Forschung und Entwicklung sicherstellen, zum anderen soll es die für eine Marktaktivierung notwendige Unterstützung erster Produkte adressieren. In einem ersten Schritt investiert das BMVI dafür 250 Millionen Euro im Zeitraum von 2017 bis 2019. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt äußerte sich wie folgt dazu: „Wir wollen die Elektromobilität stärker auf die Straße bringen. Schwerpunkt unseres ersten Förderaufrufs sind Brennstoffzellenfahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr und in gewerblichen Fahrzeugflotten. Damit machen wir gerade auch Fahrzeuge sauberer, die sich ständig im Stadtverkehr befinden.“
Interessant: Käufer von Wasserstoffautos können ebenfalls von der Umweltprämie der Bundesregierung in Höhe von 4.000 Euro profitieren. Momentan steht allerdings hier nur der Hyundai ix35Fuel Cell auf der Liste der förderfähigen Fahrzeuge. Der Basismodellpreis des Toyota Mirai liegt oberhalb der 60.000-Euro-Fördergrenze, daher wird bei ihm keine Kaufprämie ausgeschüttet.
Strom
Über E-Fahrzeuge und Hybride haben wir in vergangenen Ausgaben schon ausführlich berichtet. Doch wie haben die Mineralölkonzerne und Tankkartenanbieter das Thema „Strom tanken“ angenommen? Dr. Jörg Adolf von Shell berichtet: „Wir bieten den Strombezug über die Shell Card in Kooperation mit New Motion. Damit greifen Geschäftskunden auf das komplette Ladeinfrastrukturnetz von New Motion in 35 Ländern mit etwa 50.000 Ladepunkten zu.“ Auch mit den Tankkarten der DKV Euro Service und von XXImo kann an 5.800 beziehungsweise 9.000 Ladepunkten in Deutschland das Fahrzeug aufgeladen werden. Allerdings: Diese beiden Anbieter sind hier noch eher die Ausnahme. Bei der Westfalen Gruppe, die an etwas über 30 seiner Stationen Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge anbietet, und den rund zwei Dutzend Total-Tankstellen und -Autohöfen mit Ladesäulen ist zu erkennen, welches Potenzial hier noch schlummert.
Doch um dieses Potenzial auszuschütten, müssen die hinlänglich bekannten Schwächen von E-Autos beseitigt werden. Weiterentwicklungen in den Bereichen Reichweite der Fahrzeuge und Ladedauer der Akkus sind unabdingbar. Nur wenn sich die Absatzzahlen der E-Modelle in den kommenden Jahren signifikant erhöhen, werden auch die Mineralölkonzerne verstärkt aktiv werden.
Diesel
Das Thema Diesel fehlt derzeit in keiner Diskussion über Kraftstoffe. Die Verunsicherung am Markt ist erheblich, die Chance für andere Kraftstoffe vielleicht so groß wie noch nie. Carsten Pohl, Geschäftsführer der Deutschen Tamoil GmbH (HEM) glaubt allerdings, dass sich beim Diesel das Sprichwort „Totgesagte leben länger“ bewahrheiten wird.
Bei Shell erwartet man mittelfristig einen stabilen Dieselabsatz, vor allem aufgrund des immer wichtiger werdenden Straßengüterfernverkehrs, so Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt der Shell Deutschland Oil GmbH. „Neben dem Anstieg des Nutzfahrzeugbestands um mittelfristig mehr als 20 Prozent auf 3,5 Millionen Fahrzeuge wird auch die Straßengüterverkehrsleistung sowie die Fahrzeugfahrleistung in Deutschland bis 2040 um etwa 40 Prozent zulegen“, prognostiziert er.
Und auch die anderen befragten Unternehmen gehen nicht von einem massiven Einbruch der Dieselnachfrage in nächster Zeit aus. Ivo Faryna, Fuel Development Manager bei der Orlen Deutschland GmbH, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Aus ökonomischer Sicht spricht heute vieles dafür, dass der Diesel nicht disruptiv durch alternative Kraftstoffe ersetzt werden kann.“
CO2-Ausgleichsprojekte
Wer im „Kraftstoffdschungel“ den Überblick verloren hat und erst einmal weiter auf Diesel- oder Benzinfahrzeuge im Fuhrpark setzt, kann der Umwelt trotz oder gerade wegen des Kohlenstoffdioxidausstoßes im gleichen Moment etwas Gutes tun. Denn einige Mineralölkonzerne und Tankkartenanbieter haben in Eigenregie oder in Zusammenarbeit mit Partnern sogenannte CO2-Ausgleichsprojekte entwickelt. Rainer Klöpfer, Geschäftsführer der euroShell Deutschland GmbH & Co. KG, erläutert: „Kunden der Shell Card profitieren von einer entsprechenden Kooperation und können CO2-Emissionen über unseren Partner Arktik ausgleichen. Dabei unterstützt der Kunde ausgesuchte Klimaschutzprojekte und leistet einen Beitrag zum CO2-Ausgleich.“ Dabei werden die auf den Flottenkarten gebuchten Tankrechnungen (vom Tankkartenunternehmen oder dem Leasinggeber) beziehungsweise die Tankdaten (Kraftstoffmenge und Kraftstoffart) aus dem Fuhrparkmanagementsystem an Arktik übermittelt. Daraufhin berechnet das Unternehmen mittels eines TÜV-zertifizierten Verfahrens die CO2-Emissionen des jeweiligen Fuhrparks und gleicht diese durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten aus. Der Preis für den CO2-Ausgleich mit Gold Standard Zertifikaten ist abhängig vom Kompensationsvolumen und beginnt bei der kleinsten Abnahmemenge 15 Euro (netto) pro Tonne CO2. Zur Einordnung: 1.000 Liter Kraftstoff entsprechen circa drei Tonnen CO2.
Fazit
Letztlich kann derzeit nur darüber spekuliert werden, welcher Antrieb und somit auch Kraftstoff sich durchsetzt und ob es überhaupt die eine Lösung gibt. „Es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass die Antriebstechnologie, die als Erste die kritische Masse erreicht, Marktanteile der anderen Kraftstoffarten für sich beanspruchen könnte. Im Endeffekt spricht jedoch vieles dafür, dass wir einen Kraftstoffmix haben werden und nicht eine prädominante Alternative“, fasst Ivo Faryna von Orlen zusammen. Dem trägt die Branche jetzt schon Rechnung: Zunehmend können mit einer Tankkarten sämtliche verfügbaren Kraftstoffarten getankt und abgerechnet werden. Es ist zu erkennen, dass die Mineralölkonzerne und Tankkartenanbieter ihr Angebot sukzessive ausbauen beziehungsweise erweitern, gerade in den Bereichen Wasserstoff und Ladesäulen. Vielleicht muss hier auch an mancher Stelle noch etwas mehr Mut seitens der Anbieter bewiesen werden. Denn oftmals scheitert(e) ein Kraftstoff eben gerade an einer schlecht ausgebauten Infrastruktur.

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