Sauberer Diesel?!
Dieselgate und Fahrverbote – zwei Wörter, welche die letzten Wochen und Monate geprägt haben und es sogar in die Debatten rund um die Bundestagswahl geschafft haben. Doch ist der Diesel ein Auslaufmodell? Sicher noch nicht, und Biodiesel sowie synthetische Dieselkraftstoffe könnten jedoch für eine neuerliche Renaissance beim Selbstzünder sorgen.

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Wir alle wollen saubere Luft atmen, das dürfte sowohl für Menschen gelten, die Fahrverbote fordern, als auch für die, die eine flächendeckende Mobilität nur mit Verbrennungsmotor für möglich halten. Aber ist eine der Forderungen die einzig Wahre? Fahrverbote können punktuell die Emissionen senken. Die Betonung liegt dabei auf „punktuell“, denn derzeit beschränken sich die Forderungen auf Großstädte, welche die Grenzwerte der nationalen Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie) übersteigen. Dabei werden die fünf wichtigsten Schadstoffe in Europa berücksichtigt: Das sind Feinstaub mit einem aerodynamischen Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5), Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxide (NOx) und flüchtige organische Verbindungen (außer Methan) sowie Ammoniak (NH3). Während sich die Feinstaubbelastung für 2016 laut der Messdaten (Stand 23.1.2017) des Umweltbundesamtes (UBA) auf dem niedrigsten Wert seit dem Jahr 2000 befand, ging die Stickstoffdioxidbelastung seit 2000 nur wenig zurück und konnte erstmals an städtisch verkehrsnahen Standorten den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter unterschreiten. In Stuttgart und München überstieg der Jahresmittelwert mit 82 Mikrogramm pro Kubikmeter beziehungsweise 80 Mikrogramm pro Kubikmeter in der bayrischen Landeshauptstadt den EU-Grenzwert jedoch deutlich. Daher ist in diesen Städten auch mit Fahrverboten für Dieselmodelle zu rechnen, da diese laut UBA mit 72,5 Prozent für den Hauptteil der NO2-Emissionen verantwortlich sind.
Doch wie sollte ein solches Fahrverbot aussehen? Es bleibt fraglich, ob es sinnvoll ist, nur eine Gruppe auszuschließen – die älteren Diesel, welche den hohen Anforderungen der Euro-6-Abgasnorm nicht entsprechen. Dies könnte nur zu einer Verlagerung des Problems führen, da die Besitzer eines älteren Dieselmodells angehalten werden, auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen oder sich neuere umweltschonende Fahrzeuge zuzulegen. Dies würde einen enormen Wertverlust der Altfahrzeuge zur Folge haben, wodurch diese Fahrzeuge am Ende nur noch dem Schrott zugeführt oder ins Ausland exportiert werden könnten, da in Deutschland dafür kein Absatzmarkt mehr wäre. Ein Horrorszenario für alle Halter eines alten Diesel-Pkws. Eine weitere Frage stellt sich auch bei der Durchführung: Werden auch Lkw und Transporter durch das Fahrverbot aus den Städten verbannt? Dies hätte einschneidende Folgen für den Logistikbereich, die KEP-Branche und die Servicebetriebe, da nicht alle Fahrzeuge aus den Flotten – bedingt durch ihr Alter – den höchsten Anforderungen der Euro 6 genügen. Abhilfe könnten hier nur Sonderregelungen schaffen, wodurch der Sinn eines Fahrverbots wiederum angezweifelt werden würde.
Das Für und Wider eines Fahrverbots für Dieselfahrzeuge zeigt, dass man sich in der Politik auf keinen Fall zu einem Schnellschuss verleiten lassen darf. Ohne Zweifel müssen Entscheidungen getroffen werden, aber mögliche Folgen müssen berücksichtigt werden. Doch was ist mit der am Anfang angesprochenen zweiten Seite? Den Menschen, die eine flächendeckende Mobilität nur mit Verbrennungsmotor für möglich halten? Der Einsatz eines Dieselmotors in einem Serienfahrzeug feiert 2022 sein 100-jähriges Jubiläum. In dieser Zeit hat sich der Selbstzünder nicht nur, was die Leistungsdaten angeht, verbessert, sondern auch bei der Sauberkeit. So wurde beispielsweise 1985 der erste Dieselpartikelfilter in der Mercedes- Benz S-Klasse (Baureihe W 126) verbaut, was entscheidend zur Reduzierung der Partikel in den Dieselabgasen beitrug. Doch der Filter hatte einen großen Nachteil: die Haltbarkeit; weshalb sich der Einsatz auf wenige Modelle beschränkte und ein Durchbruch der Technologie erst mit dem Wandstromfilter mit additivunterstützter Regeneration aus dem PSA-Konzern eintrat. Auch bei der Einspritztechnik hat sich über die Jahre vieles getan, um am Ende neben einer Effizienzsteigerung auch eine vollständige Verbrennung sicherzustellen.
Wie bekommt man einen modernen Diesel sauberer? Neben der Abgasnachbehandlung wäre ein schlüssiger Ansatz die Lösung beim Kraftstoff zu suchen. In den vergangenen zwei Jahren haben Technologien wie Biodiesel, synthetischer Diesel und zuletzt der synthetische Biodiesel viel Aufsehen erregt. Doch wie erfolgsversprechend sind diese Technologien
Biodiesel
Das Konzept des Biodiesels ist nicht neu: Bereits 1900 wurde auf der Weltausstellung in Paris ein Dieselmotor demonstriert, der auf Wunsch der französischen Regierung mit Erdnussöl betrieben wurde. Jedoch führte der Einsatz reiner Pflanzenöle aufgrund der gegenüber dem Diesel höheren Viskosität (Anm. d. Red.: Viskosität ist die Zähflüssigkeit von Flüssigkeiten und Gasen) zu motortechnischen Problemen, da die verminderte Kraftstoffzerstäubung erhöhte Rußablagerungen verursachte. Aufgrund der leicht erschließbaren Rohölvorkommen in der Nachkriegszeit und der damit verbundenen hohen Verfügbarkeit sowie geringer Preise mineralischer Kraftstoffe geriet die Anwendung von Biodiesel sogar fast vollkommen in Vergessenheit. Erst im Zuge der Ölkrise der 1970er-Jahre rückte die Nutzung von Pflanzenölen als Kraftstoff wieder in den Fokus und feierte 1989 mit der ersten kommerziellen Biodieselanlage ihren Durchbruch in Europa.

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Ausgabe 5/2017

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Seit 2015 wird der Einsatz von Biodiesel über die Treibhausgasminderungsquote und die Dieselnorm DIN EN 590 geregelt. Dabei müssen kraftstoffvertreibende Unternehmen eine Quote von 3,5 Prozent erfüllen, was umgerechnet auf den Biodiesel ein Prozentsatz von sechs bis sieben Prozent bedeutet, der dem fossilen Kraftstoff beigemischt werden muss. An der Zapfsäule wird dies entsprechend mit dem ergänzenden Schriftzug „Enthält bis zu 7 % Biodiesel“ gekennzeichnet. Reiner Biodiesel (B100) kommt – wenn überhaupt – nur in Lastkraftwagen zum Einsatz. Der Grund dafür ist die Sedimentbildung: Die Sedimente lagern sich im Kraftstofftank und den kraftstoffführenden Leitungen ab und sammeln sich dort an. Biodiesel hat gute Lösungsmitteleigenschaften und kann daher im Dieselbetrieb entstandene Ablagerungen aus Tank und Leitungen lösen, die dann den Kraftstofffilter verstopfen können, wodurch es zu einer Beeinträchtigung des Einspritzsystems kommen kann. Gleichzeitig kann der Einsatz von reinem Biodiesel in einem nicht biodieseltauglichen Fahrzeug die Zersetzung der kraftstoffführenden Schläuche und Dichtungen zur Folge haben. Für höhere Beimischungen und reinen Biodieselbetrieb muss der Motor also biodieselfest sein, belegbar durch technische Freigaben der Fahrzeughersteller.
Synthetischer Diesel
Einen Schritt weiter als der Biodiesel geht man mit den synthetischen Kraftstoffen, die bei der Herstellung CO2 binden. Dabei soll das Treibhausgas zum Rohstoff werden und mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom der jeweils gewünschte Kraftstoff erzeugt werden. Im Detail wird in einer Hochtemperatur- Elektrolyse das zu Dampf erhitzte Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. In zwei weiteren Arbeitsschritten reagiert der Wasserstoff in Synthesereaktoren, erneut unter Druck und Temperatur, mit dem CO2. Das Resultat ist eine aus langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen bestehende Flüssigkeit, das sogenannte Blue Crude. Der Wirkungsgrad des Gesamtprozesses – vom erneuerbaren Strom bis zum flüssigen Kohlenwasserstoff – ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch. Ähnlich wie fossiles Rohöl lässt sich Blue Crude in einem Raffinerieprozess veredeln. Der dabei entstandene synthetische Kraftstoff ist frei von Schwefel und Aromaten, seine hohe Cetanzahl macht ihn zudem sehr zündwillig. Derzeit laufen unter anderem bei Audi Labortests zur Beimischung des synthetischen Kraftstoffes zu fossilem Diesel, aber auch zur Nutzung als alleiniger Kraftstoff.
Die Vorteile des synthetischen Diesels liegen unter anderem darin, dass die Kraftstoffe so designt wurden, dass sie praktisch rußfrei verbrennen, wodurch sich die Kosten der Abgasnachbehandlung reduzieren lassen. Noch viel wichtiger ist, dass das bestehende Tankstellennetz und das über die Jahrzehnte gewonnene Know-how bei der Verbrennungstechnik weiter genutzt werden können. Sprich auch alte Dieselfahrzeuge könnten vom Einsatz der synthetischen Kraftstoffe profitieren.
Synthetischer Biodiesel
Eine weitere vielversprechende Methode, den Diesel sauberer zu bekommen, ist die Herstellung eines Biokraftstoffes aus der gesamten Pflanzenmasse, einschließlich der Zellulose, Hemizellulose und des Lignins. Dabei wird im ersten Verfahrensschritt das Kohlenwasserstoffgerüst biogener Rohstoffe thermisch zu Synthesegas aufgeschlossen. Synthesegas ist ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Der zweite Verfahrensschritt nutzt das gereinigte Synthesegas zur chemischen Kraftstoffsynthese. Dabei kann die Synthese maßgeschneidert gefahren werden, um Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff oder Designerkraftstoffe für fortgeschrittene verbrauchs- und emissionsarme Motoren herzustellen. Die Umweltbilanz der Biokraftstoffe der zweiten Generation ist dabei durchaus beeindruckend: Im Vergleich zum Biodiesel aus Raps ist der Ertrag pro Hektar fast dreimal so hoch. Zudem lassen sich im Vergleich zu fossilem Diesel die CO2-Emissionen um über 80 Prozent mindern. Jedoch hat der synthetische Biodiesel zwei gravierende Nachteile: der hohe Bedarf an Biomasse für die Herstellung und die wenig erforschten Auswirkungen auf die aktuelle Dieselmotorgeneration.
Gerade im Hinblick auf die nicht abzuschätzenden Folgen eines Fahrverbotes scheinen die neuen Technologien zur Kraftstoffherstellung der bessere Ansatz zu sein, um auch in den Städten saubere Luft atmen zu können. Vielfach kann dabei sogar auf das bestehende Tankstellennetz sowie die derzeitige Motorentechnik zurückgegriffen werden. Kleiner Wermutstropfen: Die Auswirkungen der neuen Kraftstoffe im Einsatz in den aktuellen Motorengenerationen sind heute noch nicht vollkommen abzuschätzen.

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