Ladenhüter?

Die jüngsten Entwicklungen in der Dieseldebatte setzen die Hersteller immer mehr unter Druck und stellen Autokäufer vor komplizierte Fragen: Lohnt sich die Investition in einen Diesel noch? Sollte man lieber warten, bis die neuen Euro-6-Motoren auf den Markt kommen, welche die strengere Euro- 6d-Norm erfüllen? Wird es Fahrverbote in Großstädten geben? Ist ein Restwertverfall zu befürchten? Wir haben die Auswirkungen der Diskussion um den Diesel auf den Neufahrzeug- und Gebrauchtwagenmarkt analysiert.

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Neuzulassungen
Die Anteile von Benzin- und Dieselmodellen auf dem deutschen Gesamtmarkt sind jahrelang fast gleich verteilt gewesen. Seit einigen Monaten geht die Schere zwischen den Absatzzahlen von Dieseln und Benzinern allerdings auseinander. Den Neuzulassungszahlen der Schwacke GmbH zufolge war diese Veränderung im Juli 2017 so deutlich wie nie zu erkennen: Mit einem Anteil von 56 Prozent legten die Benzinmodelle insgesamt um 11,2 Prozent zu. Gleichzeitig verloren die Diesel 12,7 Prozent am Gesamtmarkt. Ihr Anteil sank somit im Juli auf 40 Prozent. Die Benziner haben demnach größtenteils die Anteile des Diesels übernommen. Noch größer ist der Rückgang des Dieselabsatzes, wenn man nur den Privatmarkt betrachtet. Dem CAR-Institut an der Universität Duisburg-Essen zufolge entschieden sich im April nur noch 23,8 Prozent der Privatkunden für ein Dieselfahrzeug. Dies sei der schlechteste Wert seit Einführung der Abwrackprämie im Jahr 2009, die bekanntlich vor allem für benzingetriebene Kleinwagen eingeführt wurde. Einen Wechsel zu Erdgasantrieben oder Elektrofahrzeugen, wie er von vielen prognostiziert oder erhofft wurde, hat es indes nicht gegeben. Nur 265 erstmals zugelassene Erdgasfahrzeuge sprechen hier eine deutliche Sprache. Auch Elektrofahrzeuge werden nach wie vor eher verhalten nachgefragt.

Gebrauchtwagenmarkt
Doch lässt sich eine solche Verschiebung der Nachfrage von Diesel- zu Benzinmodellen, wie bei den Neuzulassungen der letzten Monate, auch im Gebrauchtwagenmarkt erkennen? Zunächst kann man diesen Eindruck gewinnen. Denn auch bei den Besitzumschreibungen ist der Dieselanteil im Juli 2017 verglichen mit dem Vorjahresmonat um rund sechs Prozent zurückgegangen, jedoch seit Mai dieses Jahres stabil geblieben. Gleichwohl haben auch die Zulassungen gebrauchter Benzinmodelle im Vergleich zum letzten Juni um rund 3,7 Prozent abgenommen. Hier kam es also zu keiner Verschiebung der Anteile, sondern insgesamt wurden weniger gebrauchte Fahrzeuge verkauft.

Wie bei allen Dingen lohnt es sich, das große Ganze in den Blick zu nehmen. Wenn man die Gesamtzahlen von Neuzulassungen, die Besitzumschreibungen, die Standtage, Angebotsmengen und Restwerte betrachtet, könnte man der eingangs geäußerten Vermutung eines Restwertverfalls von Dieselfahrzeugen zustimmen und meinen, der Diesel habe aktuell gegenüber dem Benziner das Nachsehen. Erhöhte Standtage von Dieselfahrzeugen im Durchschnitt implizieren überdies, dass die Gebrauchtwagenpreise der Selbstzünder weiter unter Druck stehen.

Restwertverfall?
Wenn man genauer hinschaut, zeichnet sich jedoch ein höchst unterschiedliches Bild. Demnach zeigt sich, dass sich die Restwerte von Diesel- wie Benzinfahrzeugen segmentabhängig, markenbezogen, modellspezifisch und regional uneinheitlich entwickeln. Beispielsweise gibt es Segmente im Pkw-Bereich, in denen die Restwerte von Dieselfahrzeuge wachsen und besser als die jeweiligen Äquivalente mit Benzinmotoren abschneiden (siehe Grafik). So ist der Restwert von kleinen und großen SUV, von Kompaktvans, Oberklassefahrzeugen, Modellen der Miniklasse und Geländewagen mit Dieselantrieb gestiegen.

Zwar kann man, wenn man einzelne Segmente ausblendet, von einem allgemein nachlassenden Interesse an Dieselfahrzeugen sprechen, jedoch ist dies mit Blick auf die Zulassungen der letzten Jahre kein neues Phänomen und demnach nicht allein der Debatte um die Dieselproblematik zuzuschreiben. Laut Schwacke gehen seit 2009 die Diesel-Neuzulassungen an private Endkunden (inklusive der Handels- und Herstellerzulassungen) aller Segmente ohne SUV zurück. Darüber hinaus schlägt sich die aktuelle Debatte zu den Fahrverboten bestimmter Dieselfahrzeuge in Städten noch nicht in den genannten Zahlen nieder. Die im Raum stehenden Verbote hätten, anders als die bisherigen Debatten über Umrüstungen und Ähnliches, weitreichende Folgen für eine größere Zahl der Bevölkerung. Die seit dem Frühjahr 2017 geführte Debatte könnte also stärkeren Einfluss auf den Restwert des Diesels haben als die Diskurse zuvor.

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Politische Reglementierungen sind in diesem Zusammenhang bislang jedoch nur zeitlich und regional begrenzt. Dennoch wirkt sich die für 2018 getroffene Entscheidung in Stuttgart auf die Diskussion um den Diesel und seine Zukunftschancen aus. Denn die Bevölkerung scheint durch die breite Berichterstattung und stetig neue juristische Themen stark involviert und teils verunsichert. Es entsteht also ein zusätzlicher negativer Aspekt bei der Beurteilung potenzieller Neu- und Gebrauchtwagenkaufentscheidungen. Ob Fahrverbote einen signifikanten Effekt auf den Wiederverkauf von Dieselfahrzeugen haben, hängt auch davon ab, inwieweit das Modell aus Stuttgart in Deutschland Schule machen und damit eine Art „kritische Masse“ erreicht wird. Auch eine bundesweite Regelung beispielsweise mit der Einführung einer blauen Plakette, die schon einmal im Raum stand, dürfte einen Restwertverfall bewirken. Doch dies sind derzeit allenfalls Spekulationen, denn in puncto Preisentwicklung kommt dem Faktor Fahrverbot Stand Ende August allenfalls eine lokale und sehr begrenzte Rolle zu. Auch die Experten in Sachen Fahrzeugbewertungen von Schwacke sehen keinen Grund zur Panik, wie sie vielleicht von manchen Medien propagiert wird. Auf Anfrage teilten uns die Restwertprofis mit: „Aufgrund der beschriebenen derzeitigen Situation gehen wir nicht von einer Erholung der Restwerte aus. Letztendlich wird sich das langfristig auch auf die Prognosen auswirken. Allerdings sehen wir auch aufgrund der gesunkenen Zulassungszahlen bei Dieseln eher eine stabilisierende Wirkung als einen starken Einbruch der Prognosewerte.“

Fazit
Was kann man also aus den Augustzahlen ablesen? Derzeit kann man von einem leichten Trend zum Benziner sprechen, der sich verstärken kann, wenn weitere äußere Faktoren, wie zum Beispiel staatliche Eingriffe oder Strategiewechsel der Hersteller, hinzukommen. Doch selbst dann wird der Diesel nicht ganz von der Bildfläche verschwunden sein, da Dieselmotoren in der Regel weniger CO2 emittieren als Benziner und somit für ein Erreichen der CO2-Flottenziele 2020 vermutlich notwendig sein werden. So ist ein bislang in den Debatten wenig beachteter Nebeneffekt der rückläufigen Dieselzahlen der Anstieg des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes. Zum ersten Mal seit Jahren steigen die Werte für den durchschnittlichen CO2-Ausstoß wieder auf aktuell 128,4 g/km im Mittel und damit um +0,4 Prozent an. Überdies braucht es eine Weile, bis alternative Modelle entwickelt, gebaut und auf den Markt gebracht werden können. Die meisten Automobilhersteller haben bisher nennenswerte Alternativen für 2020 bis 2025 angekündigt.

Der Diesel wird die Branche daher wohl noch eine Zeit lang beschäftigen, vermutlich aber ohne äußere Einflüsse nicht allzu bald drastisch an Berechtigung und Wert verlieren. Auch die Experten von Schwacke raten dazu nicht aufgrund der Debatten vom Diesel zum Benziner zu wechseln. „Grundsätzlich sollte für das eigene Nutzungsverhalten (beispielsweise gefahrene Kilometer) entschieden werden, ob ein Diesel oder Benziner in Frage kommt. Für Flotten wird nach wie vor der Diesel die erste Wahl sein aufgrund des Kostenvorteils (Verbrauch/Kraftstoffkosten, CO2-Besteuerung) gegenüber eines Benziners“, teilte Schwacke uns gegenüber mit. Das Ergebnis zeigt einmal mehr, dass pauschale Aussagen nur selten einer detaillierten Analyse standhalten.

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