Achtung, Wild!

Statistisch gesehen geschieht alle zwei Minuten ein Wildunfall auf Deutschlands Straßen (Quelle: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV)). Laut der Wildunfall-Statistik 2015/2016 des Deutschen Jagdverbands (DJV) gab es allein 228.550 Unfälle mit Rehwild, Schwarzwild, Damwild und Rotwild. Dabei sind kleinere Wildtiere wie Füchse, Hasen und Waschbären bislang ausgeschlossen, das heißt, dass die Zahl inklusive der Kleinwildunfälle noch um einiges höher sein muss. Für die Autofahrer bedeutet dies, wachsam zu sein, besonders jetzt, wenn es abends schneller dunkel und morgens später hell wird. Flottenmanagement hat sich damit beschäftigt, welche Ursachen, Vorsorgemöglichkeiten und Richtlinien es bei Wildunfällen gibt und was die Versicherung im Falle eines Unfalls übernimmt.

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Wildunfälle sind besonders arglistig, weil man die Tiere meist viel zu spät sieht, die Vorgabe hat nicht auszuweichen und die Hemmschwelle, ein größeres Tier einfach umzufahren, groß ist. Die Autofahrer in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen meldeten in den Jahren 2015/2016 die meisten Wildunfälle. Bayern steht mit 55.330 Unfällen auf Platz eins, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 29.080 und Niedersachsen mit 28.050 Wildunfällen. Doch warum passieren so viele Wildunfälle auf den deutschen Straßen? Zum einen hat die Zahl der Wildtiere zugenommen und zum anderen nimmt der Verkehr immer weiter zu. Obwohl das ganze Jahr über Wildunfälle vorkommen, geschehen im Herbst besonders viele. Das liegt laut ADAC und DJV daran, dass die Felder in dieser Zeit bereits abgeerntet wurden und die Tiere aus diesem Grund auf eine intensivere Nahrungssuche gehen müssen. Was neben mehr Nahrung allerdings ebenfalls fehle, sei eine bessere grüne Infrastruktur. Gäbe es mehr Grünbrücken oder Erdtunnel für die dämmerungsaktiven Tiere, könnte man jährlich fünf Prozent der Wildunfälle verhindern (Quelle: DJV). Auch Warnschilder zum Wildwechsel wurden vielfach auf den deutschen Straßen installiert, aber sie werden bisher zu wenig beachtet. Die Schilder findet man besonders oft an Straßen, die durch Wälder, Felder oder dicht bewachsene Gegenden führen. Ziel ist es, dass die Autofahrer dort aufmerksamer und nach Richtgeschwindigkeit fahren. Das Bundesland Sachsen-Anhalt hat es sich laut Mitteldeutschem Rundfunk nun zur Aufgabe gemacht, gegen Wildunfälle vorzugehen, und möchte Störsignale einsetzen und blaue Planken am Straßenrand installieren. Da die Farbe Blau nicht zum natürlichen Farbspektrum der Rehe gehört, führt dies zu einer Störung im Sehfeld und könnte die Tiere davon abhalten, näher an die Straße zu kommen. Eine Studie unter dem Zusammenschluss von ADAC, DJV und dem Landesjagdverband Schleswig-Holstein (LJV) sowie weiteren Projektträgern konnte die Wirksamkeit dieses Vorgehens in den Jahren 2011 bis 2016 bestätigen. Dort hat man durch das Anbringen von blauen Reflektoren und Duftzäunen nachweisen können, dass an stark betroffenen Test-Straßenabschnitten die Wildunfälle bis zu 80 Prozent reduziert werden konnten (Quelle: DJV).

Verläuft sich das Wildtier trotzdem auf die Straße, haben Autofahrer bei einem ausreichenden Abstand noch die Möglichkeit, das Tier durch Hupen zu verscheuchen. Gleichzeitig können Betroffene bereits bremsen und das Lenkrad so halten, dass das Auto sicher auf der Spur bleibt und nicht ins Schleudern gerät. Das Fernlicht ist zum Verscheuchen weniger geeignet, weil die Tiere dadurch weniger sehen können und eine Flucht unter diesen Umständen schwieriger ist. Wie schon erwähnt, ist überdies von Ausweichmanövern abzuraten, weil damit noch schlimmere Unfälle verursacht werden können. Und im Fall eines Ausweichmanövers muss der Fahrzeuginhaber nachweisen, dass es ein Wildunfall war, was schwierig werden kann, wenn das Tier weggelaufen ist. Auch wenn es komplex erscheint, ist es wichtig, auf seinen Hintermann zu achten; Ist das Wild zu klein und man bremst, sodass ein Auffahrunfall passiert, muss der Unfallfahrer mit einer Teilschuld rechnen, weil dies als grobe Fahrlässigkeit gilt.

Nach dem Unfall heißt es Ruhe bewahren und am Unfallort bleiben, denn alle Wildunfälle mit Großwild müssen gemeldet werden. Verlässt der Unfallfahrer den Tatort, kann ihm zudem die Verletzung des Jagdausübungsrechts und, falls das Tier noch lebt, sogar die Verletzung des Tierschutzgesetzes vorgeworfen werden. Sobald man die Polizei alarmiert, kümmert sich diese in der Regel auch darum, den verantwortlichen Jagdpächter oder Förster hinzuzuziehen. Die Polizei empfiehlt, das Warnblinklicht anzumachen und ein Warndreieck aufzustellen, damit der folgende Verkehr, wie bei jedem anderen Unfall auch, gewarnt wird. Zum Schutz des Tieres und der nachfolgenden Autofahrer sollte ein totes Tier mit Handschuhen von der Straße an den Rand gezogen werden; die Empfehlung, Handschuhe zu tragen, ist deshalb so wichtig, weil das Wild Tollwut haben könnte. Lebt das Tier noch, sollte man diesem nicht zu nahekommen und es liegen lassen, weil die Gefahr zu groß ist, dass es aufschreckt, panisch wird und weitere Unfälle verursacht oder den Fahrer gar angreift. Nach dem ersten Schock heißt es also gut überlegt zu handeln, damit die Situation zufriedenstellend endet. Und selbst wenn sich das Gericht „Hirschmedaillons in Cognac-Pfeffersoße zu Herzoginkartoffeln“ lecker anhört, das Tier darf auf keinen Fall mit nach Hause genommen werden, weil man sich damit der Wilderei strafbar machen würde. Dank der Digitalisierung können Smartphone-Besitzer zur Sicherstellung des Unfallhergangs auch fotografisch festhalten, was passiert ist. Die Fotos können dann als Beweismaterial für die Polizei oder die Versicherung geltend gemacht werden.

Falls zugegen, hat man die Möglichkeit, sich eine Unfallbescheinigung vom Jagdpächter oder Förster ausstellen zu lassen, da man diese der Versicherung vorlegen muss. Denn hat man diese nicht, bleibt der Unfallfahrer oder das zuständige Unternehmen des Fahrers allein auf den Unfallkosten sitzen. Was die Versicherung nun übernimmt, hängt davon ab, ob man eine Teilkasko- oder Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug besitzt. Bei der Teilkaskoversicherung übernimmt die Versicherung unter Abzug der Selbstbeteiligung Aufprallschäden mit Kleinwild, Haarwild, Schwarzwild und, für diejenigen, die im Norden wohnen, Seehunde. Anders sieht es bei Ausweichmanövern mit Kleinwild aus; hier haftet der Fahrer beziehungsweise die Firma. Mit einer Vollkaskoversicherung werden alle Schäden mit jeglichen Tieren übernommen; auch dann, wenn man den Wildunfall nicht mehr nachweisen kann.

Anhand einer Grafik des GDV (siehe Abbildung) kann man den Verlauf der Wildunfälle in Relation zu den Versicherungsleistungen vergleichen und kommt zu dem Schluss, dass nicht nur die Anzahl der Wildunfälle steigt, sondern diese anscheinend auch immer schwerer ausfallen, da die Ausgaben bis zu 653 Millionen Euro gestiegen sind und das Verhältnis in den Vorjahren deutlich geringer war. Eine seltene Ausnahme bei der Haftung mit Wildunfällen bietet die Haftpflichtversicherung. Die kann man aber nur dann in Anspruch nehmen, wenn Dritte während eines Wildunfalls bei einem Ausweichmanöver in Mitleidenschaft gezogen wurden oder man eine Art „Tierschadenklausel“ inklusive hat, wie es bei beispielsweise bei der Versicherungsgruppe AXA der Fall ist.

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Letzten Endes können Menschen und Autofahrer gegen den Wildwechsel insofern nichts machen, weil sie diesen nicht direkt beeinflussen, sondern den Tieren nur neue Wege durch eine grüne Infrastruktur anbieten können, die man ihnen mit dem Bau von vielen Straßen genommen hat. Sich jedoch auf die Versicherungsleistungen zu verlassen, wäre leichtsinnig. Achtsamkeit und volle Konzentration tragen dazu bei, dass Autofahrer das Wild früher wahrnehmen und dementsprechend handeln. Zu beobachten ist ebenso, dass sich Verbände und Politik über die Situation der ansteigenden Wildunfälle im Klaren sind und Wege suchen, die Zahl zu verringern. Erst Ende Juli hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) einen Leitfaden für das Erbauen einer grünen Infrastruktur herausgegeben. Ob und wann diese Maßnahmen jedoch Erfolge zeigen, weiß man erst in einigen Jahren.

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