Voller Energie
Interview mit Elke Temme und Stefan von Dobschütz, beide Senior Vice President eMobility bei innogy SE

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Flottenmanagement: Frau Temme, Herr von Dobschütz, im Herbst des vergangenen Jahres hat der Vorstand der innogy SE beschlossen, den Bereich Elektromobilität stärker zu forcieren. Welche Veränderungen ergaben sich dadurch in der Struktur von innogy? Inwieweit konnten die Bestrebungen bis heute umgesetzt werden
Elke Temme: Wir haben im vergangenen Jahr die Strategie für das Thema Elektromobilität noch einmal komplett neu definiert – nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und die USA. In Deutschland sind wir mit über 4.600 Ladepunkten derzeit größter Betreiber von öffentlicher Ladeinfrastruktur. Hinzu kommen 8.300 Wallboxen, die wir an Privathaushalte verkauft haben. Unser Ziel ist es, überall führender Anbieter für Ladeinfrastruktur zu werden – auch dort, wo wir es noch nicht sind. Deswegen haben wir uns vor ein paar Monaten auch mit Stefan von Dobschütz vertrieblich verstärkt. Er betreut als Senior Vice President eMobility alle vertrieblichen Belange, während ich die Bereiche Produktmanagement und Operations leite.
Stefan von Dobschütz: Sie kennen mit Sicherheit den Spruch „think like a start-up, act like a grown-up“ – und genau das finde ich hier bei innogy vor: Über die Fokussierung der Businessunit haben wir die Flexibilität eines Start-up-Unternehmens, aber verfügen zugleich über die Kompetenz eines gestandenen Unternehmens. Damit stellen sich auch nicht die Fragen, mit denen sich Start-ups auseinandersetzen müssen: Könnt ihr das europaweit und in den USA anbieten? Steht die nächste Finanzierung? Und so weiter und so fort. Dieses Zusammenspiel von Flexibilität und Kompetenz ist ein großer Vorteil für uns, was sich auch im Kontakt mit Kunden herauskristallisiert.
Flottenmanagement: Das Thema Elektromobilität hat auch heute noch mit Vorurteilen, wie geringer Reichweite oder teurer Anschaffung, zu kämpfen. Wie kann innogy als Energiekonzern dazu beitragen, diese Vorurteile abzubauen
Elke Temme: Was die Vorurteile der Reichweite sowie der Kosten beseitigen sollte, ist der Fortschritt in der Batterietechnologie. In den kommenden ein bis zwei Jahren verfügt der Großteil der Elektroautos über Reichweiten von 500 Kilometern. Zudem sinken die Batteriepreise aktuell dramatisch, was sich bei den Anschaffungskosten deutlich bemerkbar machen wird. Wir sehen heute bereits die ersten Modelle, die eine Kostenparität zu ihren Verbrennerkollegen aufweisen.

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Aber es gibt auch deutliche Vorteile der Elektromobilität: Mit der Beschleunigung kann kaum ein Verbrenner mithalten und zudem fällt der Motorenlärm weg. Damit kann Elektromobilität sofort punkten. Auf Dauer wird sie sich durchsetzen. Denn die Ruhe, die durch den Umstieg auf Elektromobilität entsteht, führt zu Entspannung. Das ist eine Steigerung der Lebensqualität. Gepaart mit dem Wegfall von Abgasen ist es ein Konzept für die Zukunft des Verkehrs.
Stefan von Dobschütz: In wenigen Jahren, das heißt deutlich vor den prognostizierten fünf beziehungsweise zehn Jahren, werden wir über sehr viel mehr Ladeinfrastruktur und auch Schnelllademöglichkeiten verfügen. So haben wir bis heute beispielsweise über hundert Tank & Rast-Standorte mit Ladesäulen ausgestattet. Das ist kein Einzelfall. Das Herstellerkonsortium, bestehend aus BMW, Daimler sowie dem Volkswagen Konzern mit seinen Töchtern Audi und Porsche, hat bis 2019 eine flächendeckende Versorgung mit Hochleistungsladestationen angekündigt. Daneben zeigt sich die bestehende Nachfrage auch im Förderprogramm der Bundesregierung. Es ist mehr als vierfach überzeichnet.
Nicht zuletzt sind es aber auch gesellschaftliche Bestrebungen, die die Entwicklung vorantreiben: So steigt beispielsweise das Interesse von Unternehmen an den Themen Nachhaltigkeit und Reduzierung des CO2-Footprints, die nur in Kombination mit Elektromobilität realisiert werden können. Auch innogy hat beschlossen, dass ab 2018 alle Führungskräfte sukzessive auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge umsteigen. Umgerechnet stellen wir damit über 1.000 Fahrzeuge in den nächsten vier Jahren um – verpflichtend und ohne Ausnahmen.
Flottenmanagement: Ein großer Vorteil der Elektromobilität ist die relativ unkomplizierte Versorgung mit „Kraftstoff“. Welche Möglichkeiten bieten Sie Unternehmen an, ihre batterieelektrische Flotte mit Strom zu versorgen, egal ob am Firmenstandort oder unterwegs
Stefan von Dobschütz: Für Privatkunden, ob sie Teil eines Unternehmens sind oder nicht, bieten wir unser B2C-Angebot an. Dies besteht aus einer Wallbox samt Installationsdienst und Stromflatrate. Der besondere Clou ist, dass der Strom für das Laden zu Hause eichrechtskonform abgerechnet und somit vom Arbeitgeber erstattet werden kann. Für den Arbeitsplatz bieten wir individuell angepasste Ladelösungen, die einfach in die bestehende Infrastruktur integriert werden können und so den Aufwand für das Unternehmen reduzieren. Interessant sind natürlich auch unsere Verrechnungssysteme. Sie funktionieren ähnlich wie eine Tankkarte und erlauben Unternehmen, bestimmte Parameter für das Laden festzulegen. Und wer unterwegs laden möchte, profitiert von unserem Angebot an öffentlicher Ladeinfrastruktur. Die nächste Ladesäule kann man sich ganz komfortabel in unserer App anzeigen lassen. Man sieht auf einen Blick, ob die Station frei oder besetzt ist, und bekommt viele weitere Informationen.
Elke Temme: Wir betreiben ein Partnernetzwerk mit über 150 Stadtwerken im gesamten Bundesgebiet, wo automatisch mit dem Autostromvertrag geladen werden kann. Ein kostenloses Roaming untereinander macht dieses Netz besonders attraktiv. Europaweit haben unsere Kunden die Möglichkeit, über die Roamingplattform Hubject entsprechende Ladeinfrastruktur zu nutzen. Dabei ist es für uns enorm wichtig, dass die Autofahrer nicht nur möglichst überall laden können, sondern auch dass der Ladevorgang so einfach wie möglich gestaltet ist: entweder über unsere App oder mit unserem smarten Ladekabel per Plug-and-charge. Deswegen haben wir zusammen mit einigen Fahrzeugherstellern auch die ISO 15118 auf den Weg gebracht. Sie erlaubt die Authentifizierung des Fahrzeugs und damit des Stromvertrags über das Ladekabel. Also einfach das Kabel einstecken und alles passiert automatisch.
Flottenmanagement: Neben der Bereitstellung von Ladepunkten sind Serviceleistungen ein wichtiges Kriterium für Unternehmenskunden. Welche Dienstleistungen bieten Sie Firmenkunden beispielsweise in Bezug auf die Abrechnung
Elke Temme: Was uns auszeichnet, ist eine ganzheitliche Lösung. Wir unterstützen unsere Kunden in jeder Lage – von der Planung über die Installation bis zum Betrieb. Entscheidend ist, dass der Kunde sich nicht mit den Details des Ladens beschäftigen muss. Deswegen sind unsere Elektromobilitätskonzepte einfach zu handhaben und leicht in bestehende Systeme zu integrieren. Denn am Ende geht es nicht darum, eine Ladeinfrastruktur zu installieren, sondern eine Gesamtlösung anzubieten. Und die beinhaltet beispielsweise auch ein effizientes Lastmanagement, wodurch sich zusätzliche Kosten vermeiden lassen. Unsere Grundmotivation ist, optimale Lösungen für jeden einzelnen Kunden anzubieten. Dabei können wir bereits auf zehn Jahre Erfahrung zurückblicken. Wie der Markt und dessen Technologie entwickeln wir uns dabei stetig weiter.
Flottenmanagement: Oftmals wird dem induktiven Laden eine vielversprechende Zukunft im Bereich der Elektromobilität vorhergesagt. Sind Straßen zum induktiven Laden von Elektrofahrzeugen aus Ihrer Sicht überhaupt realistisch? Oder wird das induktive Laden in Zukunft „nur“ die Ladesäule ersetzen können
Elke Temme: Aktuelle Studien zeigen, dass rund 85 Prozent der Ladevorgänge zu Hause oder am Arbeitsplatz stattfinden. Hinzu kommen fünf bis zehn Prozent an Schnellladestationen. Somit ist der Anteil von Ladevorgängen an öffentlichen Stationen eher gering. Das führt zu der Frage: Wo findet induktives Laden statt? Ich sehe das induktive Laden als Ergänzung zu den herkömmlichen Ladestationen. Ein Anwendungsbereich sind insbesondere Garagen. Den Einsatz auf öffentlichen Straßen halte ich hingegen in naher Zukunft für unrealistisch, da sich hier die Frage nach dem Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen stellen würde.
Stefan von Dobschütz: Ein Bereich, in dem wir aktuell einen großen Wandel erleben, sind Kurier-Express-Paket-Dienste, insbesondere wenn es um die letzte Meile geht. Grund dafür sind mögliche Fahrverbote in den Innenstädten. Das hat zur Folge, dass dieser Bereich schon sehr bald Lösungen braucht. Dabei geht es dann nicht um die herkömmlichen Formen der Strombetankung über Wallboxen oder Ladesäulen. Diese Fahrzeuge wollen von oben geladen werden oder im Hangar beispielsweise über induktives Laden. Dies erfordert aber eine Flexibilisierung der Energieleistung, sprich Demand Response, wo wir bereits entsprechende Lösungen entwickelt und parat haben. Insgesamt geht es für uns darum, dass wir dem Kunden ganzheitliche Lösungen aus einer Hand anbieten können, bei denen er sich quasi um nichts mehr selbst kümmern muss, sondern einfach, zuverlässig und nachhaltig die Elektromobilität nutzen kann. Dafür stehen wir als Businessunit eMobility, aber auch gesamt als innogy.

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