„Datenschutz soll technischen Fortschritt nicht verhindern“

Interview mit Peter Schaar, ehemaliger Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, über die Datensicherheit bei Fahrzeugen, das Datensammeln von Herstellern sowie den Umgang mit den eigenen Daten im Auto.

„Datenschutz soll technischen Fortschritt nicht verhindern“

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„Datenschutz soll technischen Fortschritt nicht verhindern“

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Flottenmanagement: Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Autohersteller Daten über das Fahrverhalten ihrer Kunden sammeln. Unter anderem würden Abstellpositionen der Fahrzeuge chronologisch gespeichert werden, so könnten theoretisch die gefahrenen Routen rekonstruiert werden. Alles im gesetzlichen Rahmen, versprechen die Hersteller. Also kein Grund zur Sorge, Herr Schaar

Peter Schaar: Den wenigsten Kfz-Nutzern ist wirklich bewusst, in welchem Umfang moderne Fahrzeuge Daten sammeln. Die meisten Hersteller halten sich mit detaillierten Informationen zurück, vielleicht deshalb, weil sie sich bewusst sind, dass die Kunden ansonsten sehr viele Fragen stellen würden. Inwieweit dabei jeweils der gesetzliche Rahmen beachtet wird, muss im Einzelfall überprüft werden. So habe ich große Zweifel daran, ob die Erfassung sämtlicher Abstellpositionen der Fahrzeuge datenschutzrechtlich in Ordnung ist. Dafür würde der Hersteller die Einwilligung der Halter benötigen. Und die Nutzer müssten bei vorliegender Einwilligung des Halters von diesem darüber informiert werden, dass die Standortdaten erfasst werden, für welchen Zweck diese Speicherung erfolgt und von wem sie unter welchen Umständen ausgewertet werden können.

Flottenmanagement: Man unterscheidet bei der Datenerhebung in einem Fahrzeug zwischen technischen und personenbezogenen Daten. Technische Daten dürfen, soweit verfügbar, ohne Zustimmung der Betroffenen eingeholt werden, die personenbezogenen Daten nicht. Hier greift das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ist überhaupt eine klare Trennung der beiden genannten Datenarten möglich

Peter Schaar: Ihre Frage trifft den wunden Punkt: Wo verlaufen die Grenzen zwischen personenbezogenen und nicht personenbezogenen Daten? Auch vordergründig technische Daten weisen häufig Personenbezug auf. Denken Sie etwa an das Telefon: Welche Nummer von welchem Anschluss angewählt wurde, ist zunächst einmal ein technisches Datum. Trotzdem würde heute niemand behaupten, bei diesen Verbindungsdaten handele es sich nicht um personenbezogene Angaben. Ähnlich ist es beim Autofahren. Technische Daten, die dem Halter oder Fahrer zugeordnet werden können und Aussagen über sein Verhalten ermöglichen, sind personenbezogen. Dem Hersteller ist es grundsätzlich möglich, technische Angaben über die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) dem Halter zuzuordnen. Damit werden etwa Angaben über das Brems- und Beschleunigungsverhalten, die Geschwindigkeit, die Drehzahlen und die Standorte der Fahrzeuge zu personenbezogenen Daten. Daneben gibt es auch technische Angaben, die keinen Bezug zum individuellen Verhalten aufweisen und die ausschließlich für datenschutzrechtlich unproblematische Zwecke, etwa zur Qualitätskontrolle und zum Signalisieren von Fehlfunktionen, gesammelt werden. Auch Daten, die vom Hersteller oder der Werkstatt nicht ausgelesen werden können, sind weniger problematisch. Aber angesichts der zunehmenden Vernetzung ist dies immer mehr die Ausnahme.

Flottenmanagement: Noch scheint derzeit unklar zu sein, welche Daten in einem Fahrzeug gesammelt sowie weitergegeben werden und was dann mit ihnen passiert. Verträge und AGB sind oftmals undurchschaubar und es ist nicht immer klar, welche Daten offline und welche Daten online (sprich auf einem Backend-Server) gespeichert werden. Muss hier die Politik tätig werden und mehr Transparenz seitens der Autobauer einfordern

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Peter Schaar: Ich halte es für falsch, hier nach dem Gesetzgeber zu rufen. Viel wichtiger erscheint es mir, möglichst bald zu einer Klärung der strittigen Auslegungsfragen der bestehenden Gesetze zu kommen. Hier sehe ich die Hersteller und ihre Verbände in besonderem Maße gefordert. Aber auch die Datenschutzaufsichtsbehörden haben hier noch einiges zu tun. Handlungsbedarf sehe ich sowohl bei der Abgrenzung personenbezogener von nicht personenbezogenen Daten als auch bei der Frage, wo die Grenzen der zulässigen Auswertung und Nutzung liegen. Die bisherigen Einlassungen der deutschen Autobauer, die immer wieder betonen, man halte sich an das Recht, müssen deutlich konkretisiert werden. Schließlich greifen bei vertragsrechtlichen Fragen die zivilrechtlichen Vorgaben. So unterliegen die AGB einer gerichtlichen Nachprüfung. Kein Halter muss sich unangemessene oder unerwartete Klauseln gefallen lassen. Hier gilt im Übrigen das Verbandsklagerecht. Nicht nur der einzelne Betroffene, sondern auch Verbraucherverbände können eine solche Überprüfung anstoßen.

Flottenmanagement: Wie kann sich der im Auto schützen? Inwieweit ist es für einen gewerblichen Fuhrpark hilfreich oder gar notwendig, seine Profile (gekoppeltes Smartphone, letzte Ziele im Navigationsgerät et cetera) auf dem Bordcomputer zu löschen? Was sind in Bezug auf den Datenschutz Besonderheiten bei Flottenfahrzeugen (Poolfahrzeugen), auf die geachtet werden muss

Peter Schaar: Da der Umstieg auf einen Oldtimer oder das Fahrrad wohl ausscheidet, verbleibt die zentrale Verantwortung bei den Herstellern. Sie müssen dafür sorgen, dass die mit immer mehr digitaler Technik ausgestatteten Fahrzeuge „datenschutzfreundlich“ betrieben werden können. Dies wird letztlich nur dann gelingen, wenn die Hersteller den Fragen der IT-Sicherheit und des Datenschutzes einen größeren Stellenwert einräumen. Hier würde es sicherlich helfen, wenn die Kunden, und dazu gehören insbesondere auch Unternehmen, die eine Vielzahl von Fahrzeugen beschaffen und betreiben, vor der Kaufentscheidung entsprechende Fragen stellen. Die Betreiber von Fahrzeugflotten haben darüber hinaus eine eigene datenschutzrechtliche Verantwortung gegenüber den Nutzern der Fahrzeuge. Sie müssen einerseits dafür sorgen, dass sich die von ihnen verarbeiteten Daten in den gesetzlichen Grenzen halten. Sie haben darüber hinaus für Transparenz hinsichtlich der von ihnen und durch die Hersteller gespeicherten Daten zu sorgen. Schließlich sollten sie die Nutzer daran erinnern, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, bestimmte Angaben zu löschen, etwa die im Navigationsgerät erfassten Fahrtziele.

Flottenmanagement: Daten über das (Fahr-) Verhalten von Menschen zu besitzen, ist für Unternehmen von großem Wert. Beispielsweise kann so deutlich gezielter auf die Bedürfnisse eingegangen werden. Zudem sind Probleme frühzeitiger erkennbar oder auch ganz zu vermeiden. Ist das dann nicht auch für die Kfz-Halter beziehungsweise -Nutzer vorteilhaft? Ab wann wird hier eine Grenze überschritten

Peter Schaar: Datenschutz soll den technischen Fortschritt nicht verhindern, er ist eher eine Leitplanke auf dem Weg in die Informationsgesellschaft. Der wichtigste datenschutzrechtliche Grundsatz ist die informationelle Selbstbestimmung. Soweit es wirklich darum geht, die Bedürfnisse der Betroffenen besser zu erfüllen, dürfte es den Unternehmen eigentlich leicht fallen, sie davon zu überzeugen, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen. Sofern die Verarbeitung personenbezogener Daten für den sicheren Betrieb eines Fahrzeugs erforderlich ist, dürfen sie im Rahmen von Vertragsverhältnissen ohnehin erhoben und verarbeitet werden. Darüber hinausgehende Datennutzungen, die man mit den Begriffen „Big Data“ oder „Smart Data“ beschreibt, sind durchaus datenschutzrechtlich zulässig, wenn dabei bestimmte Sicherheitsvorkehrungen beachtet werden. Dazu gehört etwa, dass die Daten anonymisiert werden. Für Big-Data- Anwendungen reicht es meist völlig aus, die entsprechenden Angaben so zu speichern, dass die Personen, von denen die Daten stammen, weder namentlich noch durch sonstige Identifikationsmerkmale reidentifiziert werden können.

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