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Straßen und Brücken in marodem Zustand, Staus so weit das Auge reicht. Für den Dienstwagenfahrer bedeutet dieser Umstand oft einen enormen Zeitverlust. Keine Frage also, es muss etwas getan werden für die Infrastruktur in Deutschland, um diesem Problem ein Ende zu setzen. Die Brennpunkte auf den Bundesverkehrsstraßen sowie dem Schienennetz und den Wasserwegen sollen in den nächsten Jahren behoben werden. In einem neuen Bundesverkehrswegeplan wurden die größten „Baustellen“ entsprechend aufgelistet. Bis 2030 sollen so Lösungen geschaffen und die Infrastruktur auf die Anforderungen der Zukunft ausgelegt werden.

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Mit der Verabschiedung durch den Bundestag am 2. Dezember 2016 wurde die Grundlage für die Finanzierung und Realisierung des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) geschaffen. Über 2.000 Projekte wurden im Vorlauf geprüft, rund 1.000 davon sind in dem 182 Seiten umfassenden Strategiepapier aufgelistet. Mit der Realisierung sollen die deutschen Personen- und Güterverkehrsnetze durch die Beseitigung von Engpässen an den Knotenpunkten und Hauptachsen noch leistungsfähiger gemacht werden. Rund 270 Milliarden Euro können bis zum Jahr 2030 in die Modernisierung der Bestandsnetze sowie den Neu- und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen investiert werden. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde so viel Geld für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Der Bundesverkehrswegeplan 2003 war „nur“ mit umgerechnet 173,2 Milliarden Euro veranschlagt. Die genaue Verteilung der Gelder des BVWP 2030 entnehmen Sie der Tabelle auf der nächsten Seite.

Bei den beschlossenen Projekten gilt grundsätzlich das Motto: „Erhalt geht vor Neubau.“ So sollen knapp 70 Prozent aller Gelder in den Erhalt der Bestandsnetze fließen. Das ist durchaus sinnvoll, denn in Deutschland haben wir eine der besten Infrastrukturen weltweit. Mit Baumaßnahmen auf einer Länge von rund 2.000 Kilometern Straße und etwa 800 Kilometern Schiene sollen die verkehrspolitischen Weichen für die Zukunft gestellt werden. Für den Dienstwagenfahrer klingt das zunächst sehr positiv: Problembeseitigung an den besonders beanspruchten Knotenpunkten sowie die Schaffung einer Alternative mit der Schiene, um all jene Personen von der Straße zu bekommen, die auch wirklich auf Alternativen zurückgreifen können. Die Maßnahmen bedeuten aber auch eine Vielzahl von Baustellen bis zum Jahr 2030. Da vorzugsweise an ohnehin akuten Brennpunkten gebaut wird, muss sogar mit einer vorläufigen Verschlimmerung der Stauproblematik in Deutschland gerechnet werden. Die Dienstwagenfahrer kommen so im wahrsten Sinne vom Regen in die Traufe.

Wichtig ist bei der Planung der Projekte vor allen Dingen auch die Weitsicht, denn schließlich sollen die Maßnahmen die Infrastruktur auf das Verkehrsaufkommen im Jahr 2030 vorbereiten und dann entsprechend ihren Nutzen in der Praxis bringen. Um eine genauere Vorstellung von den Anforderungen an die jeweiligen Netze zu bekommen, hat das Bundesverkehrsministerium eine Verkehrsprognose 2030 erstellt. Auf Basis der Strukturdatenprognose 2030 und damit der ökonomischen und demografischen Entwicklung wurden die deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen des Güter- und Personenverkehrs ermittelt. Diese wurden auf die einzelnen Netze der Straßen, Schienen und Wasserwege „umgelegt“, um so das Verkehrsaufkommen und die Verkehrsleistung der einzelnen Streckenabschnitte zu erhalten. So lassen sich die größten Problemherde ermitteln. Insgesamt geht man laut der Studie bis zum Jahr 2030 von einer Steigerung der gesamten Verkehrsleistung im Personenverkehr um 12,2 Prozent aus. Als Referenzwert dient das Jahr 2010. Im selben Zeitraum soll die Transportleistung im Güterverkehr sogar um 38 Prozent ansteigen.

Doch wie realistisch sind diese Zahlen und welche Wirkung wird letztendlich mit den Baumaßnahmen erreicht? Denn schließlich kann Stand heute niemand wirklich prognostizieren, wie die Mobilität der Zukunft letztendlich aussieht. Entsprechend bietet der Blick in die Glaskugel, wie beispielsweise bei der Verkehrsprognose 2030, reichlich Raum für Diskussionen. Zu den Fürsprechern des BVWP gehören neben Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auch zahlreiche weitere Politiker. Ein Lob wurde unter anderem auch von der Straßenverkehrsinitiative Pro Mobilität ausgesprochen. Demnach setze der BVWP die richtigen Prioritäten. Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist mit der Verabschiedung der Pläne ein erster Schritt in Sachen Infrastruktur getan – auch wenn heute noch kein einziger Euro investiert wurde.

Doch scheint das Lager der Kritiker deutlich größer zu sein. Für den Bundesverband Fuhrparkmanagement relativiert sich grundsätzlich der große Investitionsbetrag durch die lange Laufzeit. So habe man kaum mehr Geld zur Verfügung als in den vergangenen Jahren. Zudem ist man der Überzeugung, der Straßenbau hinke hinterher und lebe von seiner Substanz. Entsprechend werden die Dienstwagenfahrer laut des Bundesverbandes Fuhrparkmanagement auch in naher Zukunft unter den „Versäumnissen der Vergangenheit“ leiden müssen. Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) spricht im Zuge des Bundesverkehrswegeplans zwar grundsätzlich von einem Schritt in die richtige Richtung, auch wenn man den Umfang der Projekte noch immer nicht für ausreichend hält. Nach einer eigenen Berechnung soll eine jährliche Investitionslücke von rund fünf Milliarden Euro entstehen. Eine ähnliche Meinung vertritt auch der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Jens Spahn von der CDU. Demnach wurde beim neuesten BVWP keine Baukostensteigerung einkalkuliert, obwohl diese im Zeitraum des vorangegangenen Plans zwischen 2003 und 2015 rund 26,8 Prozent betragen hatte. So erwartet man langfristig eine Verschlechterung der ohnehin schon angespannten Verkehrslage. Zumal auch nicht unbedingt ausgeschlossen werden kann, dass alle Projekte im vorgegebenen Kostenrahmen bleiben und so womöglich ohnehin Geld für die Realisierung fehlt. Somit könnte sich der BVWP in die Liste der ebenso prominenten Fehlplanungen wie des Flughafens BER, der Elbphilharmonie oder Stuttgart 21 einreihen.

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Viele Kritiker bemängeln auch die fehlende Weitsicht. Der BVWP reagiere demnach nur auf die heute akut bestehenden Brennpunkte, ohne den Blick eben in die Zukunft zu richten und vorausschauend zu planen. So würde man auch in der Zukunft der Zeit hinterherlaufen. Dabei ist der Schlüssel zum Erfolg für viele Experten, selbst zu agieren und die Zukunft aktiv mitzugestalten. Ein Beispiel, um selbst aktiv zu werden, sind unter anderem alternative Antriebe. Sie stellen in Form von Ladesäulen bei Elektrofahrzeugen eine besondere Anforderung an die Infrastruktur. Bereits heute kann ein wichtiger Schritt in diese Richtung unternommen werden. Zudem bleibt die Frage, wie sich das autonome Fahren weiterentwickelt, offen. Bis zum Jahr 2030 könnten die ersten Fahrzeuge teil- oder sogar vollautomatisiert fahren. Diese Trends sollten auch bei der Planung der Infrastruktur berücksichtigt werden.

Unter den Kritikern finden sich auch zahlreiche Umweltverbände, die an der Umsetzung einzelner Projekte zweifeln. Laut des Umweltbundesamtes ist man mit dem BVWP weit davon entfernt, die anspruchsvollen Umweltziele zu erreichen. Demnach sollen bis 2020 nur noch 1,9 Hektar freie Landschaft pro Tag für den Bau von Fernstraßen geopfert werden dürfen. Im Zuge der Realisierung der Projekte spricht das Umweltbundesamt allerdings von einer Bebauung von 2,9 Hektar. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht von einem „Anti-Klimaschutzplan“, mit dem sämtliche Umweltziele verfehlt werden. Bei keinem einzigen der Fernstraßenprojekte seien vernünftige Alternativen, obwohl gesetzlich vorgeschrieben, ausreichend „ermittelt, beschrieben und bewertet“ worden. Als Beispiel führt der BUND ein Neubauprojekt der A46 bei Menden im Sauerland an. Laut eigenen Berechnungen hätte eine Alternative in Form einer auf drei Spuren (inklusive einer Überholspur für beide Fahrtrichtungen) ausgebauten Landstraße ein deutlich besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Kapazitäten wären auch hier gegeben – bei nur einem Siebtel der Kosten eines Neubaus. Es ist nur ein Beispiel von vielen und so spricht der BUND von einer möglichen Einsparung zwischen sechs und sieben Milliarden Euro bei den zehn größten Autobahnprojekten in Deutschland. Nach dieser Feststellung kann also auch das ausgegebene Motto des Bundesverkehrsministeriums „Erhalt statt Neubau“ angezweifelt werden.

In Deutschland wird auf allerhöchstem Niveau über die Probleme der Infrastruktur gejammert. Doch obwohl Deutschland im europäischen und weltweiten Vergleich auf einem der vorderen Plätze liegt, scheint eine wichtige Berufsgruppe vergessen zu werden, die besonders mit den Problemen des Straßennetzes zu kämpfen hat: der Dienstwagenfahrer. So kann man nur hoffen, dass im Zuge des Bundesverkehrswegeplans durch ein sinnvolles Investment die akuten Krisenherde beseitigt werden können. Durch die Modernisierung der Straßen- und Schienennetze sowie der Wasserwege erwartet Alexander Dobrindt viele positive Effekte. Zahlreiche Experten kritisieren allerdings die Herangehensweise und zweifeln an der Kostenkalkulation sowie dem letztendlichen Nutzen einzelner Projekte. Entsprechend stellen sie sich die Frage, ob zu viel Geld in die falschen Projekte investiert wird. Dass der Bundesverkehrswegeplan in seiner Grundidee absolut richtig und notwendig ist, darüber sind sich allerdings auch die Kritiker einig.

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