Schadensrecht aktuell: Wann ist eine Beilackierung ersatzfähig?

Bei der Schadenregulierung stellt sich regelmäßig die Frage, wann der Schädiger beziehungsweise dessen Kfz-Haftpflichtversicherer die Kosten für die Beilackierung nicht beschädigter Fahrzeugteile zu tragen hat.

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Weitgehend unproblematisch ist der Fall, in dem ein Sachverständiger im Rahmen eines Gutachtens die Beilackierung nicht beschädigter Fahrzeugteile für erforderlich hält und es dann nicht bei der fiktiven Abrechnung verbleibt, sondern die Beilackierung auch tatsächlich ausgeführt wurde. In der Regel kann ein Geschädigter also den Ersatz der Kosten einer Beilackierung dann vom Schädiger – beziehungsweise dessen Versicherer – beanspruchen, wenn sich diese Beilackierung bei einer konkret durchgeführten Reparatur tatsächlich als notwendig erwiesen hat und der Geschädigte die Beilackierungskosten dann auch konkret geltend macht (vgl. LG Essen, Beschluss vom 03.09.2014, Az. 10 S 234/14; AG Brandenburg, Urteil vom 08.01.2016, Az. 31 C 111/15). Im Wege der konkreten Schadenabrechnung kann der Geschädigte grundsätzlich auch abgerechnete Kosten für eine Beilackierung geltend machen, wenn damit der Schaden vollständig und fachgerecht behoben wurde.

Schwierigkeiten ergeben sich meist im Zusammenhang mit der fiktiven Schadenabrechnung auf Gutachtenbasis oder auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags, also immer dann, wenn die Beilackierung eigentlich gar nicht ausgeführt wird. Die Erstattungsfähigkeit der Beilackierung rein auf Gutachtenbasis ist in der Rechtsprechung umstritten.

Während eine Reihe von Gerichten für eine fiktive Erstattung der Beilackierung ist (statt vieler: OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2012, Az. I-1 U 139/11; LG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.09.2012, Az. 2-23 O 99/12; AG München, Urteil vom 11.06.2015, Az. 332 C 9334/15), votieren andere dagegen (OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az. 4 U 61/13; LG Essen, Urteil vom 03.09.2014, Az. 10 S 234/14; LG Berlin, Urteil vom 23.08.2012, Az. 44 O 262/11).

Für eine fiktive Abrechenbarkeit spricht nach allgemeinen Schadengrundsätzen, dass auch die Kosten für eine Beilackierung grundsätzlich im Rahmen der fiktiven Schadenkostenabrechnung ersatzfähig sein können. Dagegen spricht nicht, dass sich bei dieser Position möglicherweise bei der konkreten Reparaturmaßnahme herausstellen könnte, dass diese nicht erforderlich ist. Vielmehr liegt es gerade im Wesen der fiktiven Schadenkostenabrechnung, dass diese mit gewissen Unsicherheiten belegt ist. Bei sämtlichen Positionen könnte die Erforderlichkeit infrage gestellt werden, da es theoretisch möglich ist, dass der Sachverständige den Schaden nicht vollständig überblickt hat und daher eine gegebenenfalls kostengünstigere Reparaturvariante bei der tatsächlichen Schadenbehebung festgestellt wird. Dementsprechend obliegt es zunächst dem Geschädigten, darzulegen, welche Kosten aus der Sicht eines objektiven Dritten erforderlich sein werden. Dieser Pflicht kommt der Geschädigte in der Regel durch die Vorlage eines entsprechenden Gutachtens nach. Legt der Geschädigte ein entsprechendes Gutachten eines Sachverständigen vor, der von einer Erforderlichkeit einer entsprechenden Beilackierung im konkreten Einzelfall ausgeht, obliegt es dann dem Schädiger, vorzutragen, weshalb im konkreten Fall Zweifel bestehen, dass die geltend gemachten Kosten anfallen werden. Nicht ausreichend ist es, allgemeine Erwägungen zu den entsprechenden Schadenpositionen anzustellen (AG Hannover, Urteil vom 12.08.2016, Az. 406 C 528/16).

Daher kann auch der Hinweis im Sachverständigengutachten ausreichen, dass Farbabweichungen aus unterschiedlichen Chargen des Lacks, der Einstellung des Spritzdruckes und der Umgebungsbedingungen resultieren, sodass Farbtondifferenzen nahezu nicht verhindert werden könnten. Deshalb kann auch die Beilackierung der Parksensoren zweckmäßig und eine fach- und sachgerechte Reparatur darstellen, sodass diese Kosten ebenfalls fiktiv abgerechnet werden können (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 01.07.2015, Az. 4 C 1052/14). Es kann dem Geschädigten als (lackiertechnischem) Laien ja nicht zugemutet werden, die von dem Sachverständigen kalkulierten Reparaturschritte einer kritischen Erforderlichkeitsprüfung zu unterziehen, zumal nicht zuletzt im hier streitgegenständlichen Bereich der Beilackierung selbst die Auffassungen der Fachbetriebe bisweilen weit auseinanderliegen (AG Aachen, Urteil vom 03.02.2016, Az. 115 C 395/15).

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Gegen eine fiktive Abrechenbarkeit der Beilackierung wird vielfach eingewendet, diese sei nur erforderlich, wenn sich bei Durchführung der Reparatur herausstellen sollte, dass der Farbton von der übrigen Lackierung des Fahrzeugs tatsächlich abweicht, was jedoch vor Durchführung der Reparatur „offensichtlich“ nicht feststellbar sei. Der Lackierer entscheide daher erst vor Ort bei Durchführung der Reparatur, ob eine Farbanpassung unbeschädigter Teile durch Beilackierung notwendig ist oder nicht. Der Abzug der kalkulierten Beilackierung sei aber nicht unbillig, denn dem Geschädigten stehe ja offen, nach erfolgter Reparatur zur konkreten Schadenabrechnung überzugehen.

Verweigert der Schädiger die Erstattung der fiktiven Beilackierungskosten, ist es alsdann Sache des Geschädigten, darzulegen, wie sich die Situation beim konkret betroffenen Fahrzeug darstellt und weshalb es im konkreten Fall aus der Ex-ante-Sicht eines objektiven Dritten dennoch geboten erscheint, eine Beilackierung vorzunehmen (beispielsweise bei Metallic-Lacken und Sonderlackierungen eher als bei Standard-Uni-Lacken).

Eine andere Alternative ist es, wenn der Geschädigte den Schaden tatsächlich und vollständig beseitigen lässt, inklusive der Beilackierung. Dann kann er den Schaden zwar nicht mehr fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens, sondern nur nach dem tatsächlich angefallenen Kostenaufwand abrechnen. Es versteht sich in diesem Fall von selbst, dass dann nur auf der Grundlage der tatsächlichen (eventuell sogar preiswerteren) Reparatur abzurechnen ist (BGH, Urteil vom 03.12.2013, Az. VI ZR 24/13). Der Geschädigte darf sich nicht durch Schadenersatz „bereichern“. Auch dann, wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll er an dem Schadenfall nicht noch „verdienen“.

Deshalb beläuft sich auch im Rahmen einer zunächst fiktiv erfolgten Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich nur angefallenen Bruttokosten der Reparatur, wenn der Geschädigte seinen Kraftfahrzeugsachschaden später sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der Sachverständige für notwendig gehalten hat, und die von der beauftragten Kfz-Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten unterschreiten.

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