Die Spannung bleibt
Tankstelle anfahren, Spritsorte aussuchen und Rüssel rein. Nach abgeschlossenem Tankvorgang zur Kasse gehen und bar oder mit Karte bezahlen. Einfache Welt. Beim Elektroauto läuft das (noch) anders ab.

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Es grassiert eine Angst, wenn vom Thema Elektromobilität die Rede ist. Und zwar geht es um die Reichweiten-Angst. Das Fahren mit einem heute handelsüblichen Elektroauto, vollgeladen, ist in etwa vergleichbar mit einem herkömmlichen Fahrzeug, bei dem gerade die Tankreserve-Warnleuchte angesprungen ist. Kein Problem hier, schließlich kann der Fahrer eine der fast 15.000 Tankstellen anfahren und sein Auto wieder volltanken. Ein Vorgang, der wenige Minuten dauert und entweder mit Bargeld oder EC- respektive Kreditkarte abgegolten werden kann. Danach kann man wieder viele hundert Kilometer fahren, bis sich der gerade beschriebene Vorgang wiederholt. Klingt einfach, ist auch einfach. Falls das Elektroauto seinen Durchbruch erleben muss, dann ist die Praxistauglichkeit massiv zu erhöhen. Wer sich dennoch mit dem Gedanken trägt, ein Elektroauto anzuschaffen, kann damit – etwas Planung vorausgesetzt – dennoch durchaus klarkommen.
Fakt ist: Der heute gebräuchliche Lithium-Ionen-Akku wird nicht die letzte Batterietechnologie sein – gleichwohl erzielt man mit ihm heute schon passable Reichweiten. Mal abgesehen von Tesla mit seinen großen Batterie- Paketen können auch Brot- und Butter-Elektroautos inzwischen 150 bis 400 Kilometer weit kommen mit einer Akkuladung. Problem ist, dass der Akku – wenn er denn leer ist – nicht binnen weniger Minuten aufgefüllt werden kann. Also will die Ladestrategie sorgfältig geplant sein. Die Tatsache, dass es zig verschiedene Ladestecker gibt, soll den Kunden zunächst nicht verwirren. Denn in der Regel muss er sich ja ohnehin mit seinem individuellen Fahrzeug auseinandersetzen. Das Aufsuchen der Ladestationen ist zumindest kein Problem, da es jede Menge Verzeichnisse mit den relevanten Punkten gibt – und dann kann man sich mit dem Navigationssystem gleich zur Säule lotsen lassen. Auf dem Portal www.goingelectric.de beispielsweise gibt es nicht nur eine umfassende Auflistung der vorhandenen Ladesäulen, sondern auch eine Beschreibung. Die tut auch not, denn Ladesäulen sind nicht so einfach handzuhaben wie klassische Tankstellen.
Einfach bar oder wenigstens per Karte zahlen ist nicht. Meist muss man sich vorher beim Anbieter anmelden oder eine spezielle Karte haben, um an der auserkorenen Säule laden zu können. E-Auto-Fahrer, die häufig in einem einzigen Gebiet unterwegs sind, haben den Vorteil, dass sie nach einer gewissen Zeit genau wissen, welche Säule sie ansteuern können. Sprich: Bietet die Säule meinen Steckertypen? Kann ich dort mit der Karte meines Verbundes bezahlen? Wie sind die Öffnungszeiten? Fakt ist, dass man sein E-Fahrzeugmodell derzeit noch sehr stark an den eigenen Fahrbedürfnissen und Wegstrecken ausrichten muss. Das ist ein deutlicher Unterschied zum konventionellen Auto, bei dem die Reichweite keine Rolle spielt. Es ist ja auch keineswegs so, dass jedes Elektroauto eine gleich schnelle Ladegeschwindigkeit erlaubte. So sind beispielsweise die 22 kW-Schnelllader noch lange nicht bei jedem Fahrzeug-Modell nutzbar – im ungünstigen Fall muss man also mit einer Ladezeit von vielen Stunden rechnen, um wieder mit voller Batterie losfahren zu können, was je nach Bedürfnis auch kein Problem ist.
Das Problem der zerklüfteten Ladeinfrastruktur macht das E-Auto aktuell noch zum Planungsfall. Es gibt derzeit über 50.000 Ladepunkte mit jeweils mehreren Säulen – das klingt viel, doch die langen Ladezeiten gestalten es für den Vielfahrer schwierig, Elektromobilität uneingeschränkt zu nutzen. Der in Europa am weitesten verbreitete Steckertyp ist der so genannte Typ 2-Stecker, der an öffentlichen Säulen eine Ladeleistung von bis zu 43 kW zulässt – damit lassen sich binnen einer Stunde umgerechnet mehrere hundert Kilometer Reichweite nachfassen. Das auf den Namen CHAdeMO hörende Schnellladesystem japanischen Ursprungs ist in unseren Breiten zwar nicht so häufig, aber durchaus auch vorhanden. Es ist auf eine Ladeleistung von bis zu 100 kW ausgerichtet. In der Praxis kann hierzulande in der Regel nur mit der Hälfte geladen werden, was allerdings immer noch recht viel ist. Zahlreiche japanische Elektroautos unterstützen diesen Typen – und können bei uns immerhin mehrere tausend Ladepunkte vorfinden.
Doch so langsam tut sich etwas zur Vereinheitlichung des Ladens. Die so genannte Charging Interface Initiative – gegründet von den Marken des Volkswagen-Konzerns, Opel, Mennekes, Phoenix Contact und TÜV Süd – entwickelt das Combined Charging System. Dabei handelt es sich um ein international einheitliches Ladesystem, das sowohl einphasig mit Wechselstrom, dreiphasig mit Drehstrom und mit Gleichstrom laden kann. Welches Fahrzeug was benötigt – darum muss sich der Fahrer freilich nicht kümmern. Die Software regelt das schon. Es soll im wahren Sinne des Wortes Bewegung in das Lade-Thema kommen. Porsche möchte gerne ein 800 Volt- System in seine E-Vehikel installieren, das es erlaubt, den Strom mit bis zu 350 kW in die Zellen zu wuchten. Problem nur, dass der Akku unter solchen Bedingungen einem hohen Verschleiß unterliegt. Und es müssen überhaupt noch Zellen entwickelt werden, die dauerhaft derartige Ladetempi zulassen.

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Um Elektroautos für Vielfahrer interessant zu machen, muss die Ladeinfrastruktur nicht nur dichter, sondern vor allem einheitlich werden. Angesichts eines Gewirrs von über 100 verschiedenen Anbietern, bei denen man auch noch angemeldet sein muss, um überhaupt tanken zu können, sind die Käufer zurückhaltend. Und zwar nicht nur diejenigen, die mehr als 50.000 Kilometer pro Jahr abreißen. Eine einfache Zwischenlösung wäre: Wenn jede Ladesäule schlicht Kreditkarten akzeptierte – wie an einer Tankstelle eben auch. Für die Automobilhersteller ist die Situation derzeit auch nicht einfach. Denn niemand weiß ja derzeit, was sich am Ende durchsetzen wird. Könnte nicht doch die Brennstoffzelle das Rennen machen, falls sich ein Durchbruch bei der Batterietechnik als zu widerspenstig herausstellen sollte? Andererseits werden dennoch Milliardensummen in eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur investiert. Und dann wären da ja auch noch die E-Fuels, denen derzeit allerdings wenig Chancen eingeräumt werden. So kann man sagen: Die Spannung bleibt bestehen. Und zwar im wahren Sinne des Wortes.

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