Digitalisierung & Automatisierung

Eigentlich leben wir ja in einer tollen Zeit. So schnelle Wandlungen hat es in der „bewussten“ Menschheitsgeschichte noch nicht wirklich gegeben. Und zwar in jede Richtung, egal ob gut oder schlecht. Die Erde dreht sich weiter, ob als Kugel oder Scheibe. Und der Mensch bewegt sich weiter. Die schlichte Frage lautet nur: wie?

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Die Antwort darauf wird allerdings auch 2017 nicht zu bekommen sein. Wo bleiben die Stromer, die alles besser werden lassen sollen? Erst mal richtig tief durchatmen, und dann die radikalen Vorschläge aus Norwegen oder den Niederlanden verdauen, ab 2025 keine Diesel und Benziner mehr zulassen zu wollen, in Deutschland für 2030 andiskutiert, dann allerdings doch kurzfristig auf 2050 verschoben. Auch die anderen Länder haben sich zwischenzeitlich von ihren ambitionierten Plänen schon wieder restlos verabschiedet.

Wie dem auch sei, die Erfolgsgeschichte der „Elektros“ in Deutschland lässt weiter auf sich warten, ja es lassen sich sogar wahre Verschwörungstheorien daraus ableiten. Sind weltweit momentan etwas mehr als 1,3 Millionen elektrisch angetriebene Fahrzeuge unterwegs, so leistet Deutschland mit kaum mehr als 25.000 einen bescheidenen Beitrag dazu. Von den neu zugelassenen etwas über 12.500 Einheiten im Jahr 2015 verschwindet aber locker die Hälfte mal so. Bestand und Zulassung passen partout nicht zusammen.

Sie verschwinden einfach, nach Norwegen oder in die Niederlande oder sonst wo hin. In den ersten fünf Monaten der im Vergleich zu anderen Ländern wirklich nicht üppigen Prämie von 4.000 Euro für reine Stromer oder Brennstoffzeller (3.000 Euro für Plug-in-Hybride) hatten nur etwas mehr als 7.000 Kunden Lust auf das elektrische Angebot, hälftig verteilt auf Privatpersonen und Firmen. Mit der Million im Jahr 2020 muss man dann schon viel Fantasie haben (vielleicht hätte man direkt zwei Millionen sagen sollen). Aber die Bürger in den USA haben auch Donald Trump mit deutlich mehr als zwei Millionen Stimmen weniger als für Hillary Clinton gewählt …

Überhaupt scheint eine Art von „ADHS-Epidemie“ (Automobiles-Deutsches- Hysterie-Syndrom) ihr Unwesen zu treiben und Raum zu greifen. Ständig neue „Vorschläge“ verlassen in diesem Sinne das Bundesverkehrsministerium. Zuletzt wurden die Gigaliner „vorgeführt“, eine durchaus sinnige Vorstellung. Transportieren sie doch großvolumige Güter auf ausgewählten Strecken, dem sogenannten Positivnetz mit einer Länge von momentan 11.600 Kilometern, bei nicht höherer Last (44 Tonnen) und nur größerer Länge (25,25 Meter).

Allerdings sind sich auch hier wieder die 16 Bundesländer nicht einig über die Konditionen. Umso wichtiger ist daher jetzt ganz klar die Installation der „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“, die zumindest für die Autobahnen (und teilweise die Bundestraßen) alles zentral in die Hand nimmt und dem Ländergezwitscher ein Ende setzt, Föderalismus hin oder her. Es geht hier um bundesweite Interessen und eben nicht um unangebrachte Landesdünkel. Bei genauerem Hinsehen schwingt da dann auch noch der Geist der Privatisierung mit, das Endziel kann dabei nur lauten: Nutzerfinanzierung!

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Ausgabe 1/2017

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Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Schaut man sich aktuelle Prognosen an, so wird der Güter-Innenstadtverkehr der Zukunft von Vans dominiert. Immer mehr Bestellungen, über welchen Versender auch immer, sind schnell getätigt. Und schon gehen die (häufig kleinen) Päckchen auf die Reise, und das natürlich versandkostenfrei. Die Drohnen lassen vom Himmel hoch her grüßen!

Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten. Die „Ewiggestrigen“ mit persönlichem Besuch in einer Verkaufseinrichtung sterben langsam aus. Man muss dann ja auch alles selbst nach Hause transportieren. Mal abgesehen von der Parkplatzsuche mit standesgemäß dazugehöriger Knolle. Die kostet mittlerweile in Hochpreisregionen (Königsallee Düsseldorf) fast weniger als die Parkgebühren. Konzeptlos in die Zukunft scheint der Grundtenor dabei zu sein.

Zudem ist die Sache mit dem Ausstoß, insbesondere wieder in den Städten, sowieso so ein widersinniges Thema für sich. Die Kohlendioxid- (= Verbrauch) und Stickoxid-Emissionen stehen sich gegenseitig komplett im Wege, ihre gleichzeitige Reduktion schließt sich eigentlich praktisch aus, auch als „CO2- NOx-Tradeoff“ bekannt. Die Verminderung des einen bedeutet die Vermehrung des anderen und umgekehrt. Doch mit genauen Messungen muss man noch ein wenig warten, vielleicht sickert 2017 dann doch etwas von den Abgasen durch …

Eine Pirouette der Kanzlerin scheint ja bei einem Tänzchen mit EU-Chef Jean-Claude Juncker die so gnadenlos aus Bayern ersehnte Pkw-Maut straßenfähig gemacht zu haben. Doch schon brauen sich dunkelschwarze Wolken am Anrainer-Himmel zusammen: Wieso soll Deutschland mit den Endloskolonnen ausländischer Pkw auch noch Geld verdienen? Unter Ausschluss von Verkehrsminister Dobrindt wird nun hinter verschlossenen Türen ein Komplott geschmiedet. Doch dieser haut, nicht maul(t?)faul, einen Anwärter auf das (Un-)Wort des Jahres raus: „Maut-Maulerei“.

Die Idee einer „Staumaut“ war eigentlich gar nicht so dumm. Wer im Stau steht, zahlt. Geht irgendwie dann natürlich doch nicht, denn eigentlich müssten die zahlen, die nicht im Stau stehen. Die im Stau sind ja schon gestraft genug. Oder man verfolgt ganz neue innovative Konzepte. Gibt es Stau, müssen alle anhalten, die nicht aus der Region stammen. Damit die lokal Ansässigen fahren können. Muss man nicht für die Straße vor der Tür mit bezahlen? Wieso fahren Auswärtige an meiner Tür vorbei? Klingt ein wenig daneben, der Kern ist aber klar. Querdenken (und -fahren!) ist angesagt, dafür gibt es aber leider zu wenige Vertreter mit Mumm. Die bevorstehenden Wahlen in NRW und im Bund lassen keinen Spielraum mehr zu. Plan A3 (nicht die Autobahn, sondern Landtagswahl in Rheinland-Pfalz!) grüßt aus dem Hinterhalt!

Bei der Lkw-Maut gibt es aber dann doch Bewegung. Die so interessanten Informationen über die Lkw-Bewegungen (natürlich anonymisiert!) sind nicht mal in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 eingeflossen. Brücken werden für Lkws allerorten gesperrt, aber keiner weiß, wo sie stattdessen langfahren. Nun scheint zumindest der Wissenschaft der Zugang zu diesen wertvollen Daten, nämlich mit Quelle-Ziel-Beziehungen, gestattet zu werden. Ein Muss in Zeiten der Datentransparenz und Engpässe, nimmt doch der Lkw-Verkehr pro Jahr weiterhin, auch im Jahr 2017, um rund zwei Prozent zu.

Ein Thema überstrahlt bei Weitem aber alle anderen, und das wird 2017 nicht weniger werden, eher mehr. So ist es anscheinend nur noch eine Frage der Zeit, bis automatisierte Robotersysteme wesentliche Aufgaben unserer Gesellschaft übernehmen. Weniger wesentliche übernehmen sie ja heute schon. Ob der Rasen häckselklein Stunde um Stunde zerstückelt wird, ob vom häuslichen (Schwimmbad-)Boden jedwedes Staub-/Dreckkorn weggesaugt wird oder ob wir nur in der Küche und der Freizeit ständig zu gewissen Aktionen aufgefordert werden: Immer steckt dahinter ein System, eine (häufig simple) Software, erdacht und programmiert von Menschen für Menschen.

Ohne es wirklich zu merken, haben wir in vielen Situationen die „Verantwortung“, um die es ja eigentlich geht, bereits abgegeben. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Fragen der aktiven Sicherheit. Die Airbags schießen von allein bei einem Aufprall heraus, das Antiblockiersystem (ABS) greift in den Bremsvorgang ein oder das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) hält durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder das Auto unter Kontrolle. Neuerdings kommt jede Menge an Assistenzsystemen hinzu: Spurhalte- und Spurwechselassistent, Abstandsregler, Verkehrszeichenassistent und so weiter. Am weitesten geht da der Einparkassistent, der das Fahrzeug selbstständig in eine Lücke bugsiert.

Doch mit „autonom“ hat das alles wenig zu tun. Denn das bedeutet, dass das Fahrzeug ganz nach eigenen Regeln handelt, ohne jede Hilfe von außen. Es muss jeder Situation gewachsen sein. Doch da tun sich dann plötzlich Abgründe auf, besonders ethischer Natur, deren Tiefe gerade erst auszuloten begonnen wurde. Und da stößt man dann auch schnell auf den Begriff der „künstlichen Intelligenz“ (KI). Vor fast genau 60 Jahren wurde dieser zum ersten Mal auf einer Konferenz am Dartmouth College in Hanover (New Hampshire, USA) benutzt und seitdem in mehreren Wellen immer weiterentwickelt. Das Ziel ist einfach, menschliche Intelligenz (Dummheit?) künstlich nachzuahmen. Die Philosophen, nicht die Techniker, beschäftigen sich schon sehr lange mit solchen Problemen. Allerdings ohne greifbares Ergebnis. Hier wird noch viel zu diskutieren sein, weit über 2017 hinaus.

Doch der deutsche Autofahrer muss sich am Ende auf noch schwierigere Zeiten einstellen. In einer der bedeutendsten Entscheidungen der letzten Jahrzehnte hat das Verkehrsministerium verlauten lassen, dass die Rettungsgasse auf vierstreifigen Autobahnen nicht mehr in der Mitte (zwei Spuren links und zwei rechts), sondern direkt neben der äußerst linken Spur (wie in Österreich!) zu bilden ist. Damit betreten (befahren) wir bei uns wahrlich verkehrliches Neuland. Verlangt man dem gemeinen Verkehrsteilnehmer neben den Einschränkungen durch Sanierungsmaßnahmen damit dann doch nicht zu viel ab? Aber mal ehrlich: Die Rettungsgasse hat in Deutschland eigentlich noch niemanden wirklich interessiert. Also haben wir ihn endlich, den Sanierungsfall 2017!

 

AUTOR

PROFESSOR DR. MICHAEL SCHRECKENBERG, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Onlineverkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein- Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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