Eine Branche im Wandel
Interview bei der EUROPA SERVICE Autovermietung AG (kurz: ES) in Solingen mit Jens Erik Hilgerloh (Vorstandsvorsitzender) und Oliver M. Busch (Leiter Marketing)

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Flottenmanagement: Die EUROPA SERVICE Autovermietung AG arbeitet deutschlandweit mit rund 300 Lizenznehmern zusammen. Seit diesem Jahr steuern Sie Ihr überregionales Firmenkundengeschäft zentral. Was war der Grund für diesen Schritt? Worin liegen die Vorteile
Jens Erik Hilgerloh: Ein mittelständischer Autovermieter kann Großkonzerne aufgrund deren Zentralisierung des Vermietgeschäfts mittlerweile eigentlich nicht mehr bedienen. Die einzelnen Autovermieter sind nicht in der Lage, ihre Produkte deutschlandweit anzubieten, und haben zum Beispiel nicht die Möglichkeit eines Central Billings. Insofern haben wir das als ES zentral übernommen und das Geschäft aus der Partnerstruktur heraus aufgebaut. Dafür haben wir im Sommer unser Vertriebsteam deutlich verstärkt.
Flottenmanagement: Wie wird das Ganze von Ihren Partnern und Ihren Kunden angenommen? Gibt es bereits merkliche Auswirkungen
Jens Erik Hilgerloh: Den Schritt haben einige, aber nicht alle unsere Lizenznehmer gefordert. Manche Partner standen dem Geschäft auch zuerst kritisch gegenüber, da sie das Gefühl hatten, ihre Selbstständigkeit etwas aufgeben zu müssen. Der Austausch untereinander ist uns sehr wichtig, natürlich wird da auch hin und wieder kontrovers diskutiert. Letztlich profitieren aber alle unsere Partner, da sie ihren regionalen Kunden eine überregionale Dienstleistung zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten können. Zudem überprüft unser Lizenznehmer-Beirat unsere Margen und schaut, wie wir die Aufträge verteilen. Er ist das Bindeglied zwischen den Lizenznehmern und der ES.
Oliver M. Busch: Da wir bereits seit 2003 zentral als Mobilitätsdienstleister für Assistancen auftreten, konnten wir hier schon Erfahrungen sammeln, die wir jetzt ins Firmenkundengeschäft übertragen. Ob der Kunde einen Mobilitätsersatzwagen an der Werkstatt benötigt oder der Firmenkunde den Mietwagen vor Ort braucht, ist für uns der gleiche Prozess. Um hier einen reibungslosen Service garantieren zu können, haben wir ein 24/7/365-Callcenter und die Verknüpfung zu unseren Partnern.

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Flottenmanagement: Was sind die Alleinstellungsmerkmale der ES
Oliver M. Busch: Wir haben sämtliche Sonderfahrzeuge im Portfolio: vom Schwerlastverkehr mit beispielsweise Muldenkippern oder Sattelzügen über Kühlfahrzeuge, Sport- und Luxusfahrzeuge bis hin zu Leichenwagen sowie behindertengerechten Fahrzeugen. Damit decken wir alle Fahrzeugklassen ab, auch diejenigen, die der Wettbewerb vielleicht nicht so sehr im Fokus hat. Weiterhin punkten wir mit unserer Dienstleistungsbereitschaft und Erfahrung. Unsere Partner sind alles inhabergeführte, mittelständische Autovermieter, die serviceorientiert und nicht nach externen Zielvorgaben arbeiten. Der Kunde merkt so etwas sehr schnell. Unser Netzwerk besteht aus über 600 Stationen bundesweit, europaweit sind es fast 1.400, das ist einmalig.
Flottenmanagement: Bieten Sie besondere Konditionen für Firmenkunden an? Welche Dienstleistungen nehmen Geschäftskunden bei Ihnen besonders gerne wahr
Oliver M. Busch: Wir haben Rahmenverträge, die wir bundesweit anbieten. Kunden erwarten heutzutage Convenience und Fulltime Service. Bei uns kommt das Auto auf Wunsch zum Kunden, der Eigentümer ist direkt für den Kunden ansprechbar und geht häufig noch mit zum Auto. Besondere Modelle, beispielsweise ein Golf R oder ein Golf GTI, werden gerne gemietet.
Flottenmanagement: Welche Fahrzeugklassen und Marken stellen Sie für Ihre Kunden bereit? Sind alternative Antriebe im Mietwagengeschäft gefragt
Oliver M. Busch: 350 unterschiedliche Modelle von über 40 Herstellern zeigen, dass wir sehr breit aufgestellt sind. Alternative Antriebe sind häufig unser Door-Opener bei den Kunden. Der Mietwagenmarkt ist für jeden gleich, aber die Elektromobilität gibt es in dieser Vielfalt bei den Wettbewerbern nicht. Die Drive-CarSharing ist hier unsere starke Tochtergesellschaft, die viele interessante Angebote mit günstigen Einstiegspreisen, unter anderem die Schnuppermiete für E-Autos oder ein stationsbasiertes Carsharing-System ausschließlich mit alternativen Antrieben, offeriert. Sie bietet eine breite Palette an Elektrofahrzeugen, am meisten sind neben dem Tesla als „Spezialprodukt“ der BMW i3 und der Nissan Leaf gefragt. Die Schnuppermiete startet bereits ab einem Monat und ist bis zu 24 Monate möglich.
Derzeit ist das Hauptproblem beim Thema Elektrofahrzeuge sicherlich noch die Ladeinfrastuktur. Wir kooperieren aktuell mit Innogy, einer Tochtergesellschaft des Energieversorgers RWE, in einem großen Projekt. Dort möchten wir gemeinsam E-Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur aus einer Hand liefern. Derzeit betreibt Innogy ein bundesweites Ladenetz mit über 100 Stadtwerke-Partnern. Wir stellen für das Innogy eCarSharing dabei nicht nur die Fahrzeuge zur Verfügung, sondern übernehmen ebenfalls die Umsetzung mit Software, Website und diversen Dienstleistungen.
Flottenmanagement: Wohin wird sich der Markt Ihrer Ansicht nach hin entwickeln? Was sind die großen Herausforderungen
Jens Erik Hilgerloh: Sich in die Schlange bei einer Autovermieter-Filiale zu stellen, ist nicht mehr zeitgemäß. Carsharing ist die Gegenwart, Autovermietung schon fast die Vergangenheit. In der Zukunft werden ganz andere Mobilitätskonzepte benötigt.
Wenn es in zehn Jahren vollständig autonomes Fahren geben sollte, dann wissen wir, wie unser System aussehen muss. Ein Beispiel: Ein Auto steht in der Nähe der Autobahn auf einem Parkplatz, 100 Kilometer weiter sitzt jemand im Büro und informiert das Auto, dass es zum Kunden nach Düsseldorf fahren und ihn nach Frankfurt bringen soll. Dann bleibt der Wagen in Frankfurt stehen, wird einmal durchgecheckt und von dort aus weitervermietet. Aber dafür fehlt noch die Technik. Bei einer Softwarelösung bleibt immer die Frage: Ist die Software überhaupt in der Lage, aufgerüstet zu werden, oder fängt man lieber gleich ganz von vorne an? Da ist man finanziell schnell im siebenstelligen Bereich. Das ist die Herausforderung für uns und insbesondere für unsere mittelständischen Autovermieter.
Es ist eine wahnsinnig spannende Zeit. Als mittelständischer Betrieb müssen wir wachsam sein, um den Anschluss nicht zu verpassen. Denn unser Wettbewerber von morgen ist heute noch unser Lieferant – der Automobilhersteller. Und jeder kommt mit seinem eigenen Mobilitätskonzept, nicht nur aus der Autobranche. Dazu gesellen sich dann noch Reiseveranstalter, Onlineversandhäuser und natürlich Google sowie Apple, die uns womöglich aber auch als ihre Dienstleister brauchen.
Auch der Transportbereich und die Taxibranche werden sich wandeln. Lieferdienste arbeiten schon länger an fahrerlosen Lösungen. Das alles sind die Herausforderungen der Zukunft. All das fließt in die Autovermietung ein, künftig wird es nur noch „Mobilität“ heißen. Eine Mobilität, mit der man Waren von A nach B transportiert, insbesondere aber eine Mobilität in Form von komfortablen, mühelosen Reisen. Völlig egal, ob eine Taxifahrt von hier bis Solingen-Innenstadt oder von hier bis nach Südafrika geht. Dann wird man nur noch über eine Software informiert, was die schnellste und/oder günstigste Reisemöglichkeit ist.
Flottenmanagement: Welche Neuerungen dürfen wir 2017 von ES erwarten? Wie sehen Ihre mittel- und langfristigen Ziele mit und für ES aus
Jens Erik Hilgerloh: Wir haben viele Ideen, die jetzt aber noch nicht spruchreif sind. Ziel muss es sein, die Abrechnungssysteme aus der Autovermietung mit einer Carsharing-Technologie zu verbinden. Das heißt, dass die Fahrzeuge geortet werden und jederzeit überall abgegeben werden können. Dann werden wir nur noch über eine App informiert, wo das Fahrzeug steht, damit wir dieses abholen können. Langfristig wollen wir durch innovative und zeitgemäße Systeme weiterhin zu den führenden Marktakteuren zählen.

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