AUTOmatisiert
Die Fragen und Schwierigkeiten, die das (voll) automatisierte Fahren mit sich bringt, wurden in unseren letzten Ausgaben bereits mehrfach beleuchtet. Jetzt soll es vielmehr um den aktuellen Stand in Deutschland und anderen Märkten, um bereits umgesetzte oder kurz bevorstehende nächste Schritte sowie um eine interessante Zukunftsthese gehen.

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Neue Nachrichten über das autonome Fahren gibt es fast täglich. Ob Unfälle, neue Teststrecken oder technische Fortschritte, das Thema bewegt im wahrsten Sinne des Wortes Mensch und Maschine. Auch die Politik hat sich das automatisierte Fahren auf die Fahnen geschrieben. Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, sagt: „Automatisierte Fahrsysteme setzen sich Schritt für Schritt durch. Der automatische Bremsassistent oder die digitale Technik sind heute schon Realität. In fünf Jahren werden wir hochautomatisierte Systeme serienmäßig haben, die unsere Autos digital über die Autobahn lenken. Wir wollen unsere Erfolgsgeschichte beim Automobil digital fortschreiben und die Wachstums- und Wohlstandschancen der Mobilität 4.0 nutzen. Mein Ziel ist, dass Deutschland Leitanbieter für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge ist und zum Leitmarkt wird.“
Dieses Ziel klingt durchaus ambitioniert, kommt aber nicht ganz unbegründet. Im vergangenen Jahr hat der Index „Automatisierte Fahrzeuge“ (AV Index) an die deutschen Autobauer bereits den Nummer-eins-Status vergeben. Der Index wurde zusammen von der Strategieberatung Roland Berger und der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen (fka) der RWTH* Aachen erhoben. „Die deutschen Premiumhersteller verfügen derzeit über eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Absicherung von hochautomatisierten Fahrzeugfunktionen“, schreiben die Autoren in ihrer Studie. Doch andere, teilweise auch branchenfremde Unternehmen beschäftigen sich intensiv mit dem automatisierten Fahren. In den USA würden „revolutionäre Entwicklungspfade“ verfolgt – vor allem bei Google und Apple, so der AV Index weiter.
Der asiatische Markt hat die Strahlkraft vom automatisierten Fahren ebenfalls unlängst erkannt. So kaufte der japanische Elektronikkonzern Panasonic in diesem Sommer die Berliner Softwarefirma Open Synergy. Was erst einmal wenig spektakulär klingt, hat einen interessanten strategischen Hintergrund. Das deutsche Unternehmen produziert Softwarelösungen für die Autobranche, wie zum Beispiel für Multimediasysteme oder Systeme für die Verknüpfung von Navigation und Fahrerassistenzsystemen. Insbesondere diese Lösungen sind ein entscheidender Faktor auf dem Weg zum autonomen Fahren. Durch die Übernahme will Panasonic somit seinen Automotivbereich weiter ausbauen. Der Konzern bezeichnet ihn als „wichtige Wachstumsbranche“. Man werde sich auf das autonome Fahren als Zukunftsthema konzentrieren, so die Japaner.
Gesetz auf dem Weg
Damit die deutsche Vorreiterrolle beim automatisierten Fahren erhalten bleibt, arbeitet das Bundesverkehrsministerium derzeit daran, ein Gesetz für hochautomatisierte Autos auf den Weg zu bringen. Ab dem kommenden Jahr soll der Fahrer bei „Stufe 3“-Fahrzeugen (aus dem bekannten Modell des Verbandes der Automobilindustrie e. V.) nicht mehr ständig die Hände am Steuer behalten müssen, unter der Voraussetzung, dass er jederzeit wieder die Kontrolle übernehmen kann. So heißt es in den bisher bekannten Passagen des Gesetzentwurfs, dass autonome Fahrsysteme generell zulässig sind, sofern sie dem Fahrer zu „erkennen geben und artikulieren“ können, wenn er die Fahrzeugführung wieder übernehmen muss. Doch wie schnell der Fahrer wieder eingreifen muss, ist noch unklar.
Dennoch ist das Gesetz ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zu „Stufe 5“, dem Fahren ohne Eingriffe des Fahrers. Die Autokonzerne warten schon seit längerer Zeit auf die neue Rechtsgrundlage. Denn so erhalten sie überhaupt erst die Möglichkeit, die Modelle mit voll automatisierten Fahrerassistenzsystemen für den Alltagsbetrieb zuzulassen.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 5/2016

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Keine Zukunft für den ÖPNV
Unabhängig von der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs gehen die Gedankenspiele mancher Branchenexperten schon etwas weiter. Der Vorsitzende vom „Netzwerk Intelligente Mobilität“ (NiMo), Michael Schramek, nimmt an, dass die selbstfahrenden Autos insbesondere den städtischen Verkehr bestimmen werden. Dadurch wird der öffentliche Personennahverkehr merklich an Bedeutung verlieren, erwartet er. Auf den meisten innerstädtischen Strecken von Haustür zu Haustür werden autonome Carsharing- Autos oder Kleinbusse der Zukunft schneller als herkömmliche Linienbusse sein, die jede Haltestelle anfahren müssten, so Schramek weiter. „Die Menschen (…) werden viele ÖPNV-Angebote gar nicht mehr nutzen. Ich glaube nicht, dass es viele Menschen gibt, die aus Begeisterung Straßenbahn fahren“, erklärt er gegenüber dem Behördenspiegel.
Dabei stünden die städtischen Verkehrsbetriebe vor einer schwierigen Entscheidung, wenn es um Neuanschaffungen mit fortschrittlicher Technik geht. Busse mit E-, Hybrid- oder Wasserstoffantrieb seien teuer und würden nur langfristig abgeschrieben. Die Entwicklung ginge aber immer schneller und so könnte „aus dem guten Willen von heute morgen womöglich eine Fehlinvestition werden“. Das gilt insbesondere für große Fahrzeuge, die in Zukunft durch flexible, autonome und kostengünstige Kleinbusse ersetzt werden könnten. Ob er mit seiner These recht behält, bleibt abzuwarten.
Fazit
Das automatisierte Fahren sorgt weltweit für einen Auf- und Umbruch. Hersteller und Dienstleister sind in einem Wettstreit um die Führungsposition. Neue Gesetze sind hierzulande zwingend nötig und müssen schnell kommen, um die Entwicklung nicht unnötig aufzuhalten. In welchen Bereichen die Politik in Deutschland noch verstärkt tätig werden muss, können Sie in unserem Interview mit Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann lesen. Wie bei jeder „Revolution“ wird auch das autonome Fahren Sieger und Verlierer hervorbringen. In jedem Fall heißt ein Sieger der Mensch, denn das Autofahren wird mit jedem weiteren Grad der Automatisierung sicherer. Dadurch wird die Anzahl der Unfälle und folglich auch die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten drastisch sinken.
„Die Letztverantwortung muss immer beim Menschen bleiben“
Flottenmanagement sprach mit Joachim Herrmann, Bayerns Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr, über das automatisierte Fahren und die Verantwortung der Politik bei diesem Thema. Der CSU-Politiker äußert seine Einschätzungen im Interview.
Flottenmanagement: Herr Minister Herrmann, Sie haben das automatisierte Fahren kürzlich auf einer Teststrecke in Bayern mit einem Audi A7 Konzeptfahrzeug persönlich getestet. Was sind Ihre ersten Eindrücke
Joachim Herrmann: Ich bin beeindruckt davon, wie weit deutsche Automobilhersteller schon in der Entwicklung sind. Von diesen neuen Technologien wird der weltweite Markt die nächsten Jahre zunehmend bestimmt werden. Ich verspreche mir davon nicht nur mehr Bequemlichkeit, sondern vor allem mehr Sicherheit, also weniger Verkehrsunfälle. Ich setze mich deshalb stark dafür ein, dass auf dem „Digitalen Testfeld“ auf der A 9 sämtliche Technologien unter realen Bedingungen erprobt werden können.
Flottenmanagement: Viele Schwierigkeiten beim automatisierten Fahren, wie die Haftung, der Datenschutz oder ethische Fragen, müssen noch ausgeräumt, beziehungsweise geklärt werden. Inwieweit kann oder muss die Politik hier eingreifen? In welchem Bereich sehen Sie den größten Handlungsbedarf
Joachim Herrmann: Wir haben die Digitalisierung beim Fahren nicht vor uns – wir befinden uns bereits mittendrin. Wichtig ist mir, dass beim automatisierten und vernetzten Fahren sensibel mit persönlichen Daten umgegangen wird. Datenschutz und Datensicherheit haben für mich oberste Priorität. Das gilt für den Schutz der persönlichen Daten der Autofahrer, das gilt aber auch für die Sicherheit automatisierter Kfz gegen Störangriffe von außen.
Flottenmanagement: Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg hin zum automatisierten Fahren? Wo wird die Politik hier verstärkt tätig werden
Joachim Herrmann: Bis das „Auto der Zukunft“ voll automatisiert auf den Straßen allein unterwegs sein kann, benötigt es nicht nur einen Innovationsschub in der Technik. Wir müssen auch unsere Gesetze überprüfen und ständig weiterentwickeln, wenn künftig Algorithmen in gefährlichen Verkehrssituationen entscheiden sollen. Die Letztverantwortung muss nach meiner Überzeugung aber immer beim Menschen bleiben.

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