Durchs ganze Jahr
Zunehmend stellt sich die Frage, ob der Wechsel von Winter- zu Sommerreifen und umgekehrt überhaupt noch zeitgemäß ist oder ob Ganzjahresreifen diesem nicht ein Ende bereiten könnten. Doch sind die auch als Allwetterreifen bezeichneten Pneus wirklich Alleskönner, die sowohl bei verschneiter als auch trockener und warmer Straße für bestmögliche Sicherheit sorgen, oder doch nur ein Kompromiss? Flottenmanagement wirft einen Blick auf die Vor- und Nachteile der Ganzjahresreifen.

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Aktuell verzeichnet die Reifenbranche eine starke Nachfrage nach Ganzjahresreifen. Dabei sind warme Winter oder Trends, wie die zunehmende Urbanisierung, nur zwei Beispiele für die Treiber dieser Entwicklung. Eine Vielzahl von Reifenherstellern rechnet daher in den nächsten Jahren weiter mit hohen Wachstumsraten für dieses Segment – teilweise im zweistelligen Bereich. Wesentlich bei der Kaufentscheidung für den Kunden sind Sicherheitsaspekte sowie die Leistung innerhalb eines breiten Spektrums sehr gegensätzlicher Witterungsbedingungen wie Hitze, Kälte, Regen und Schnee. Daraus leiten sich wiederum komplexe Material- und Produktanforderungen ab, die seitens der Reifenhersteller ein hohes Maß an technischem Know-how und Innovationskraft erfordern.
Komplexität bei der Entwicklung
Der Reifen als einzige physische Verbindung zwischen Fahrzeug und Straße hat von vornherein schon eine entscheidende Bedeutung für die Sicherheit von Fahrer und Beifahrern. Innerhalb der ohnehin schon komplexen Anforderungen an die Reifenindustrie erfordert die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen Ganzjahresreifens aufgrund seiner Allroundeigenschaften zusätzliches Know-how: „Im Spannungsfeld der Witterungsbedingungen die optimale Balance zwischen unterschiedlichsten Anforderungen zu erreichen, erfordert ein hohes Maß an Expertise und Innovationskraft, besonders wenn es darum geht, auch echte Wintereigenschaften zu gewährleisten“, erklärt David Anckaert, Direktor Entwicklung bei Goodyear in Deutschland. Zwar zeigen Vergleichstests zwischen Winter-, Allwetter- und Sommerreifen, wie der der GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung), klare Vorteile des reinrassigen Winterpneus bei Schnee auf, jedoch kann der Allrounder aufgrund seiner technischen Nähe zum Winterreifen, die sich in einer weichen Gummimischung, den Lamellen und dem Laufflächenprofil äußert, insbesondere für Wechselunwillige eine Alternative sein. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass sich der Ganzjahresreifen in keiner Disziplin, egal ob auf trockener, nasser oder winterlicher Fahrbahn, die Blöße geben muss.
Ganzjahresreifen = Winterreifen
Im Grunde genommen sind Ganzjahresreifen, die mit einer M+S-Kennzeichnung versehen sind, eigentlich Winterreifen, die aber auch im Sommer gefahren werden können und dürfen. Die Kennzeichnung mit dem M+S-Symbol ist dabei jedoch nicht gesetzlich geschützt, wodurch der Käufer eigentlich keinen Anhaltspunkt für die Wintertauglichkeit des Reifens erhält. Ein Schneeflockensymbol auf der Flanke dürfen hingegen nur Pneus tragen, die eine vereinheitlichte Prüfung mit definierten Kriterien durchlaufen haben, bei der der Reifen mit einem standardisierten Reifen verglichen wird. Erreichen die Testkandidaten eine Mindesttraktion auf Schnee und Eis, erhalten sie das Schneeflockensymbol. Diese haben somit die optimalen Eigenschaften für winterliche Wetterverhältnisse und beschleunigen beziehungsweise verzögern auf Schnee sowie Eis etwa zehn Prozent besser als Reifen ohne diese Kennzeichnung. Um im Sinne der Straßenverkehrsordnung als Winterreifen zu gelten, ist aber allein die Kennzeichnung „M+S“ maßgeblich, die sich auch auf zulässigen Ganzjahresreifen wiederfindet.
Bedeutet das, dass Allwetterreifen im Winter erlaubt sind? Es kommt darauf an. Wie auch in der Straßenverkehrsordnung sieht der Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG vor, dass ein Kraftfahrzeug bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte nur mit Reifen gefahren werden darf, „bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem in Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen“. Diese Voraussetzung erfüllen die vom Fachhandel verkauften Winter- und Ganzjahresreifen mit M+S-Kennzeichnung. Gleichzeitig genügen sie damit auch den Anforderungen, die hinsichtlich des Versicherungsschutzes im Falle eines Unfalls zu beachten sind.
Wo liegt nun der Unterschied zu Winterreifen? Im Vergleich zu den reinrassigen Winterpneus behalten Ganzjahresreifen auch bei sommerlichen Temperaturen ihre Steifigkeit und sind annähernd so leistungsfähig wie ein herkömmlicher Sommerreifen. Gleichwohl sorgt die optimierte Laufflächenmischung der Allwetterpneus auch dafür, dass sie im Gegensatz zu Sommerreifen bei Kälte nicht verhärtet, sondern fast so elastisch wie ein Winterreifen bleibt.

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Schon aus dem Begriff Ganzjahresreifen lässt sich ein großer Vorteil ableiten: Der Wechsel zwischen Winter- und Sommerpneu entfällt. Daraus lässt sich wiederum eine Fülle an weiteren Vorteilen ableiten, wie beispielsweise das Entfallen der Kosten für Montage und Einlagerung der saisonalen Reifen oder die nicht mehr benötigte Kalibrierung des Reifendruckkontrollsystems. Zugleich sind die Anschaffungskosten über das Jahr gesehen im Vergleich zu saisonalen Reifen geringer. Da aber die Leistung der Allwetterreifen auf Matsch und Schnee nicht ganz auf dem Niveau der Winterreifen liegt und zugleich die Bodenhaftung bei Aquaplaning nicht an die eines Sommerreifens heranreicht, ist der Ganzjahresreifen kein Modell für Vielfahrer. Allerdings wurde in den letzten Jahren die Performance der Allzweckwaffe deutlich erhöht, weswegen sie unter Umständen auch für Autofahrer, die viel unterwegs sind, eine Alternative sein kann. Ein weiteres Manko der Ganzjahresreifen ist allerdings die schnellere Abnutzung der Reifen, die zum einen durch den Kompromiss zwischen Sommer- und Winterreifen entsteht, bei der die weichere Gummierung zu einem erhöhten Abrieb führt, aber zum anderen auch der längeren Nutzung über das ganze Jahr geschuldet ist.
Fazit
Insbesondere bei der Frage, wann ein Ganzjahresreifen infrage kommt und worauf Verbraucher beim Kauf achten müssen, herrscht Informations- und Beratungsbedarf. Individuelle Mobilitätsparameter wie Motorisierung des Fahrzeugs, Fahrleistung oder Wohngegend sind mit ausschlaggebend dafür, ob ein Allwetterreifen die richtige Wahl ist. So kann ein Ganzjahresreifen für Fahrer, die in einer wärmeren Region wie Norddeutschland leben oder in einem schneearmen Ballungsgebiet häufig kurze Strecken zurücklegen, ein guter Partner sein. Für diejenigen hingegen, die in einer Region ihr Auto bewegen, in der viel Schnee fällt, oder die häufig lange Strecken unter winterlichen Verhältnissen fahren, ist es allein schon der Sicherheit wegen zu empfehlen, auch weiterhin zwischen Sommer- und Winterbereifung zu wechseln.

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