Kampf gegen die Physik

Der Reifen ist eines der zentralen Teile an einem Fahrzeug. Denn er stellt die einzige Verbindung zwischen Auto und Straße her und ist somit für die Beschleunigung, das Bremsverhalten, den Kraftstoffverbrauch und das Handling eines Fahrzeugs zuständig, und das bei unterschiedlichsten Wetterlagen. Um diese Herausforderungen möglichst gut zu bewältigen, kämpfen die Entwickler der schwarzen Pneus ständig gegen einen unbesiegbaren Gegner: die Physik.

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Der ideale Reifen kann in jeder Situation Höchstleistung abrufen und ist dabei kraftstoffsparend, leise und günstig. Leider wird dieser Reifen eine Idealvorstellung bleiben. Denn bei der Entwicklung von Reifen ergeben sich eine Menge Zielkonflikte, die sich nicht vollständig lösen lassen. So müssen bei den geforderten Leistungseigenschaften zum Teil gegensätzliche Techniken eingesetzt werden. Moderne Reifen versuchen diese Widersprüche mit hoch entwickelter Technologie zu relativieren, unter anderem mithilfe des sogenannten Silica. Flottenmanagement schildert die Herausforderungen in der Entwicklung von Reifen anhand der drei grundsätzlichen Zielkonflikte. Es gibt darüber hinaus natürlich noch weitere Faktoren, die Einfluss auf die Qualität von Reifen haben. So betrachten Fahrzeug- und Reifenhersteller etwa 50 Leistungskriterien bei einem Reifen. Aber wesentlich scheint das Verhältnis von Rollwiderstand, Nasshaftung und Abrieb zu sein.

Rollwiderstand
Der Rollwiderstand hemmt, neben anderen Faktoren wie dem Luftwiderstand, dem Steigungswiderstand und dem Masseträgheitsgesetz, die Bewegung des Fahrzeugs. Der Rollwiderstand entsteht vor allem durch Verformung des Reifens dort, wo der Pneu Kontakt mit der Straße hat. Dies geschieht durch das Zusammendrücken des Gummis an der Aufstandsfläche, im Fachjargon auch „walken“ genannt. Die entstehende Verformung absorbiert Energie und bremst so das Fahrzeug ab. Je stärker ein Reifen zusammengedrückt wird, umso größer wird durch den geringeren Radius und die Verformungsarbeit der Rollwiderstand.

Um diesem Prozess entgegenzuwirken, haben rollwiderstandsoptimierte Reifen unter anderem eine geringere Profilstruktur. Somit wird die Kontaktfläche mit der Straße reduziert, anders als bei einem Winterreifen, bei dem sich das Profil mit der Fahrbahn idealerweise verzahnt (siehe Grafik 1). Mit wenig Profil kommen auch sportliche Pneus aus. Diese sind allerdings breiter als rollwiderstandsoptimierte Reifen und in Sachen Nasshaftung weniger gut.

Darüber hinaus ist die Reifenmischung sowohl bei sportlichen als auch bei rollwiderstandsoptimierten Pneus etwas härter, um die angesprochenen Verformungen zu verhindern. Generell gilt: Je geringer der Rollwiderstand bei einem Reifen ist, desto kraftstoffsparender kann das Fahrzeug bewegt werden. Vorausgesetzt natürlich der Luftdruck des Reifens wird wie vorgeschrieben eingehalten. Der richtige Luftdruck in den Reifen hat erhebliche Auswirkungen auf das Fahrverhalten, die Haltbarkeit und den Spritverbrauch (siehe Grafik 2). Angesichts dieser Zahlen ist die Einführung von Reifendruck- Kontrollsystemen im letzten Jahr eine sinnvolle Sache.

Nasshaftung
Weniger Kontaktfläche und geringere Anpassungsfähigkeit des Pneus sind auf trockener Fahrbahn ideal, um mit möglichst wenig Energieaufwand das Auto fortzubewegen. Wenn die Straße durch einen plötzlichen Regen nass ist, kehren sich diese positiven Eigenschaften in Nachteile um. Denn bei Nässe sollte der Reifen möglichst viel Kontakt mit der Fahrbahn haben, um ein sicheres Fortkommen zu gewährleisten. Dass der Unterschied zwischen trockenen und nassen Belag durchaus gravierend ist, sieht man unter anderem im Motorsport. Meist unmittelbar nach Ausbruch des Regens werden bei einem Rennen spezielle Regenreifen aufgezogen, um annähernd die vorherige Geschwindigkeit halten zu können. Im Pkw- Bereich besteht diese Möglichkeit nicht. Dort findet ein Reifenwechsel höchstens saisonal statt. Im Falle von Ganzjahresreifen sogar erst nach Ende der Nutzungsdauer.

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Daher müssen die Reifenhersteller immer den Zielkonflikt zwischen Nasshaftung und Rollwiderstand lösen. Dies ist einer der Gründe, warum viele Autoreifen heutzutage laufrichtungsgebunden sind. Das Profil ist hier entscheidend, denn es sorgt im besten Fall für einen Wasserabtransport nach außen. Bei Winter- oder Geländereifen besitzt der Reifen darüber hinaus viele kleine Lamellen. Diese winzigen Einschnitte sorgen dafür, dass sich der Reifen mit dem Untergrund möglichst gut verzahnt. Der Zielkonflikt zwischen Nasshaftung und Rollwiderstand kommt in der Konzeption eines Ganzjahresreifens oder auch Allwetterpneus am deutlichsten zum Tragen. Einen guten Ganzjahresreifen zu produzieren, kann somit durchaus als Königsdisziplin angesehen werden.

Abrieb
Warum sind Reifen eigentlich schwarz? Weil sie so am besten zu jeder Wagenfarbe passen? Der eigentliche Grund ist, dass der Reifenmischung Ruß hinzugesetzt wird, um den Abrieb der Reifen zu verringern und die Laufleistung zu erhöhen. Ruß dient hier als Füllstoff, um die Konsistenz des Reifens zu erhalten. Viele Jahre wurde ausschließlich Ruß dem Reifen hinzugesetzt. Mittlerweile wird immer häufiger Silica als Ersatz oder Zusatzmittel zum Ruß verwendet. Silica, auch als Kieselsäure bekannt, schafft es, den Zielkonflikt zwischen Rollwiderstand und Nasshaftung zu relativieren. Außerdem vermindert der Zusatzstoff den Abrieb des Reifens und verlängert so die Haltbarkeit.

Doch das verbesserte Leistungsniveau durch Silica ist auch mit mehr Aufwand in der Produktion verbunden. Die herkömmliche reine Rußmischung kann durch einfaches mechanisches Vermischen bei der Reifenherstellung zugesetzt werden. Bei einer Reifenproduktion mit einer Kieselsäuremischung laufen verschiedene chemische Reaktionen ab. Dies macht einen präzisen Prozessablauf beim Zusammenfügen der Substanzen für die Gummimischung notwendig. Nur wenn Ruß und Kieselsäure zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Verhältnis dem Kautschuk beigemischt werden, können die beschriebenen Vorteile des Silica-Reifens erreicht werden.

Fazit
Ein Reifen ist mehr als nur schwarz und rund. Er ist eine hoch entwickelte Technologie, die in einem unscheinbaren Gewand daherkommt. Mehrere tausend Arbeitsstunden und über 30 verschiedene Inhaltsstoffe stecken in einem Pneu. Ein Reifen ist immer auch eine Entscheidung für eine Gewichtung der einzelnen Fähigkeiten. Bei der Kaufentscheidung soll das EU-Reifenlabel dem Kunden helfen. Dieses unterscheidet drei Kategorien: Nasshaftung, Rollwiderstand und Außengeräuschemission. Auch wenn dies drei wichtige Punkte sind, so gibt es weitaus mehr Faktoren, die einen guten Reifen ausmachen, beispielsweise das Bremsverhalten auf trockener Fahrbahn. Eine Beratung und Nutzerprofilanalyse erscheinen daher unerlässlich.

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