Hätten Sie’s gewusst?

Eigentlich kennen wir uns alle gut aus im Straßenverkehr. 90 Prozent der Autofahrer geben in Umfragen regelmäßig an, dass sie sich selbst zu den zehn Prozent der besten Fahrzeuglenker zählen. Mathematisch ist das problematisch, außerdem ändern sich gelegentlich Verkehrsregelungen und die theoretische Prüfung ist ohnehin lange her. Die kleinen Gemeinheiten im Verkehrsrecht beleuchten wir regelmäßig in unserer Rubrik.

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WIE IST DAS EIGENTLICH MIT DER ANSCHNALLPFLICHT

Der Sicherheitsgurt ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Verkehrssicherheit, vergleichbar heute mit der Einführung des Airbags. Die Einbaupflicht für Pkw auf den Vordersitzen (Dreipunktgurte) erfolgte in Deutschland zum 1. Januar 1974, allerdings rückwirkend ab 1. April 1970 mittels Nachrüstung. Man bedenke, dass im Jahre 1970 der absolute Höchststand an Verkehrstoten (19.193) erreicht wurde, im Jahr der Einführung der Einbaupflicht 1974 waren es immerhin noch 14.614.

Die Einbaupflicht auf den Rücksitzen (Zwei-/Dreipunktgurte nur außen) folgte zum 1. Mai 1979/1. Januar 1988. Seit 1. Juli 2004 sind für alle Pkw-Sitzplätze Dreipunktgurte vorgeschrieben. Die Angurtpflicht (nur für Erwachsene) für die Vordersitze folgte allerdings erst zum 1. Januar 1976, für die Rücksitze zum 1. August 1984. Zu letzterem Datum wurde dann gleichzeitig das Missachten der bis dahin nicht sanktionsbewehrten Angurtpflicht für die Vordersitze mit einer Strafe (40 DM) belegt, für die Rücksitze folgte dies erst zum 1. Juli 1986.

Die Gurtpflicht wurde von heftigen Diskussionen begleitet. Der Staat könne die Insassen nicht zur „Selbstfesselung“ zwingen. Zudem könnten die Sicherheitsgurte bei einem Unfall (beispielsweise Brand) das Verlassen des Fahrzeugs erschweren oder sogar verhindern. Auch wurde auf mögliche Verletzungen durch die Gurte hingewiesen. Man brachte bei Frauen sogar die Entstehung von Brustkrebs damit in Verbindung. Unfallforscher konnten jedoch zeigen, dass die Zahl der tödlichen Unfälle halbiert wurden, ebenso die Zahl der schweren Verletzungen von Fahrer und Beifahrer (50–70 Prozent) und Kopfverletzungen konnten in drei von vier Fällen vermieden werden. Gurtunfälle spielen nur in 0,5 bis 1 Prozent eine Rolle.

Ein Unfall mit 30 km/h ohne angeschnallt zu sein, entspricht einem Fall aus vier Metern Höhe, bei 50 km/h wie aus zehn Metern Höhe. Daher ist selbst bei kurzen Fahrten das Anlegen einsichtig. Nach § 21 StVO (Personenbeförderung) Absatz 1 gilt: „In Kraftfahrzeugen dürfen nicht mehr Personen befördert werden, als mit Sicherheitsgurten ausgerüstete Sitzplätze vorhanden sind.“

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Was die Pflicht zur Benutzung von Sicherheitsgurten angeht, regelt § 21a StVO (Sicherheitsgurte, Schutzhelme) Absatz 1: „Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein.“ Doch zu jeder Regel gibt es Ausnahmen. Die erste bezieht sich auf langsame Fahrten mit vielen Halten. § 21a Absatz 1 Nr. 2 sagt dazu, dass keine Anschnallpflicht besteht für „Personen im Haus-zu-Haus-Verkehr, wenn sie im jeweiligen Leistungsoder Auslieferungsbezirk regelmäßig in kurzen Zeitabständen ihr Fahrzeug verlassen müssen“. Das ist schön schwammig ausgedrückt. Darf man dann auch jedes dritte, ja zehnte Haus anfahren? Egal ist jedenfalls, was man macht und wie lange das dauert. Das gilt also für den Lieferverkehr, aber auch für Dienstleister wie den Schornsteinfeger.

Interessant ist, dass die Pflicht ebenso aufgehoben ist für: „Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit wie Rückwärtsfahrten, Fahrten auf Parkplätzen.“ Damit sind auch verkehrsberuhigte Bereiche („Spielstraßen“) gemeint. Wichtig ist, dass die Infrastruktur zum Schritttempo zwingt (auf Parkplätzen allerdings nicht immer gegeben) oder beispielsweise das Rückwärtsfahren (da gibt es auch unrühmliche Ausnahmen). Nicht gilt dies aber für langsame Fahrten aufgrund hohen Verkehrsaufkommens. Fast unbemerkt wurde eine Ausnahmeregelung wieder zurückgenommen, nämlich dass auch Taxi- und Mietwagenfahrer von der Anschnallpflicht befreit sind. Diese Befreiung basierte auf der Angst vor gewalttätigen Übergriffen und sollte die Reaktionsfähigkeit erhöhen. Es gab seinerzeit einige Überfälle mit Todesfolge und das Konzept (wie in England) mit teuren Trennscheiben brachte die Taxiunternehmer auf und bewährte sich nicht. Doch durch die Überwachung mittels moderner Fernübertragung ist das Überfallrisiko deutlich gesunken. Per Beschluss von 2014 wurde daher die Anschnallpflicht für die Fahrer wieder eingeführt.

Eine weitere Ausnahme betrifft Oldtimer, für die zulassungsrechtlich keine Sicherheitsgurte vorgesehen sind. Dieses kann sich aber eigentlich nur auf Fahrzeuge beziehen, die vor April 1970 zugelassen wurden und die weitgehend im Originalzustand belassen worden sind. Sind später mal Sicherheitsgurte eingebaut und in die Fahrzeugpapiere eingetragen worden, so sind sie natürlich zu benutzen. Sind sie nur „vorhanden“, besteht keine Anschnallpflicht.

Individuelle Ausnahmen sind selten. Lediglich Schwerbehinderte können diese geltend machen, allerdings ist dann eventuell auch die Fahreignung betroffen. Daher kommt dies eigentlich nur für schwerbehinderte Beifahrer infrage.

In § 21 Absatz 1a steht auch, dass Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr, die kleiner als 150 Zentimeter sind, nur mit Rückhalteeinrichtungen befördert werden dürfen, also nicht nur mit Sicherheitsgurten. In Nahverkehrsbussen mit Stehplätzen (maximal 60 km/h) muss man sich nicht angeschnallen, allerdings in Reisebussen schon. Der Fahrer haftet nicht bei nicht angeschnalltem Beifahrer, Ausnahme sind alkoholisierte Mitfahrer, Kinder und Familiengehörige, hilflose oder ältere Personen. Hier besteht die Garantenpflicht für den Fahrer. Die Kosten für das Nichtanschnallen liegen übrigens bei 30 Euro.

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