Handy, park schon mal den Wagen!
Etwa 46 Millionen Deutsche besitzen mittlerweile ein Smartphone. 2010 waren es nur etwa acht Millionen. Dieser Boom wird wohl auch weltweit noch etwas anhalten. Das Mobilfunkgerät übernimmt unzählige kleine Dienste im Alltag des modernen Menschen. Denn für fast alles gibt es eine App. Den eigenen Dienstwagen per Smartphone ein- und ausparken dürfte allerdings auch den technikaffinsten Kollegen ins Staunen versetzen.

PDF Download
Wer oft mit dem Auto in die Stadt fahren muss, wird das Problem kennen: Die Autos werden immer größer, nur die Parkplätze, insbesondere in Parkhäusern, wachsen nicht mit. Parkschäden sind so vorprogrammiert. Die Ingenieure von BMW scheinen dieses Problem erkannt zu haben und rüsten das neue Flaggschiff der Premiummarke mit einem besonderen Parkassistenten aus. Der 7er lässt sich ferngesteuert in enge Parklücken manövrieren, und das ohne einen Fahrer am Steuer. So kann der Fahrer den Wagen in Kopfparklücken oder Garagen hinein- und wieder herausfahren lassen und außerhalb des engen Stellplatzes bequem ein- und aussteigen. Dazu aktiviert er mit dem neu entwickelten BMW Display Schlüssel den Parkassistenten. Der Vorgang wird dann vom Fahrzeug teilautomatisiert ausgeführt, während der Fahrer auf Hindernisse achtet.
Auch Mercedes-Benz hat einen Parkassistenten entwickelt, mit dem der Fahrer den Parkvorgang von außen steuern kann. Hierzu muss der Fahrer auf einer Smartphone-App seinen Finger kontinuierlich kreisen lassen, um den automatischen Parkvorgang von außen zu leiten. Stoppt der Fahrer die Bewegung, stoppt auch das Fahrzeug. Dieser Remote Park-Pilot nutzt als technische Voraussetzung die Ultraschallsensoren des Park-Piloten Parktronic. Das von Mercedes-Benz neu entwickelte System ist in Verbindung mit den Sonderausstattungen Park-Pilot mit 360°-Kamera, Keyless-Go-System und Automatikgetriebe erhältlich.
Mehr als nur Parken!
Bereits 1997 steuerte der britische Geheimagent James Bond im Kinofilm „Der Morgen stirbt nie“ einen 7er per Handy durch ein Parkhaus. 18 Jahre später ist aus dieser filmischen Utopie Realität geworden. Denn heutzutage kann man tatsächlich ein Fahrzeug per Mobiltelefon frei bewegen, ohne dass wie im Film ein Stuntman hinter der Rückbank gekauert den Wagen mit einem langen Gestänge fernlenken muss. Ingenieure des in Großbritannien ansässigen Forschungs- und Entwicklungszentrums der beiden Premiummarken Jaguar und Land Rover stellten kürzlich einen Prototyp auf Basis eines Range Rover Sports vor, der sich tatsächlich per iPhone lenken lässt. Das Team entwickelt Technologien, die autonomes Fahren in der Zukunft vereinfachen können. So kann der Range Rover nicht nur per Handy gesteuert werden, sondern führt auch selbsttätig Wendemanöver durch. Die Smartphone-App des Prototyps erlaubt die Kontrolle über Lenkung, Gaspedal, Bremsen und das Untersetzungsgetriebe. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 4 Meilen pro Stunde (circa 6,4 km/h) kann der Pilot den Range Rover Sport bewegen, ohne dass er auf dem Fahrersitz Platz nimmt – beispielsweise um den Wagen aus schwierigen Situationen zu befreien oder anspruchsvolle Passagen zu meistern. Auch in der bereits geschilderten engen Parkplatzsituation macht die Fernsteuerung das Rückwärtsausparken deutlich einfacher.
Doch ein Range Rover ist nicht nur für den Großstadtdschungel gemacht, sondern vor allem in schwierigem Gelände zu Hause. Auch hier kann es von Vorteil sein, das Fahrzeug von außen zu steuern. Beispielsweise um den Geländewagen über ein Hindernis zu lotsen, ohne dass man mit dem Unterboden aufsetzt. Auf dem Beobachtungsposten außerhalb des Fahrzeugs hat der Pilot alles im Blick: den Wagen insgesamt und auf seinem Smartphone alle Daten wie Rampen- und Böschungswinkel. Das ermöglicht eine äußerst exakte Positionierung – nützlich zum Beispiel beim Überklettern von Felsen, beim Durchwaten eines Gewässers oder beim Passieren eines Geländeabschnitts, der beispielsweise durch Schlamm oder Schnee rutschig geworden ist. Die Bedienung mit dem Smartphone funktioniert dabei in einem Radius von zehn Metern um das Fahrzeug, sofern der Fahrer den passenden „Smart Key“ dabei hat. Wenn sich der Fahrer zu weit vom Fahrzeug entfernt, stoppt die Fernsteuerung automatisch.
Bereits im letzten Jahr wurde auf der IAA für Nutzfahrzeuge in Hannover der ZF Innovation Truck vorgestellt, der mit einem Tablet gesteuert werden kann. An diesem Prototyp lässt sich sehr gut erkennen, wie viele Prozesse ineinandergreifen müssen, um eine solche Fernsteuerung zu ermöglichen. Aus dieser Vernetzung von Einzelsystemen können so völlig neue Funktionen entstehen, wie der ZF Innovation Truck beweist: In diesem Lkw-Prototyp ist die Hybridversion des automatischen Getriebesystems TraXon mit der Überlagerungslenkung Servotwin von ZF Lenksysteme und Telematiklösungen von Openmatics kombiniert. So lässt sich der mehr als 25 Meter lange Lastzug (inklusive Auflieger) komfortabel und sicher via Tablet-Fernsteuerung rangieren – und das lokal emissionsfrei, weil dann ausschließlich der E-Motor des Hybridsystems aktiv ist. Diese Tablet-Steuerung ist beispielsweise beim Be- und Entladen an einer Laderampe von Vorteil. So ist es denkbar, dass der Fahrer des Lastzugs gar nicht mehr selbst den Truck zur Rampe manövriert und somit wertvolle Lenkzeit spart.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 6/2015

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Fazit
James Bond, Geländefahrten oder Schwerlasttransporter? Die beschriebenen Beispiele lassen vermuten, dass diese neue Technologie nur etwas für Spezialeinsätze ist. Doch das Smartphone stärker in automobile Abläufe zu integrieren ist angesichts der technischen Entwicklungen sowohl bei Fahrzeugen als auch bei der Mobiltelefonie durchaus sinnvoll. Hier sind viele Anwendungsszenarien denkbar: von Infotainment über Ladeprozessüberwachung bei Elektrofahrzeugen bis hin zu Fernsteuerung. Und die Schlüsselfernbedienung des Münchner Premiumherstellers oder die Remote Park-App von Mercedes- Benz zeigen, dass ferngesteuerte Autos gar nicht mehr so lange auf sich warten lassen. Die Prototypentwicklungen von Jaguar Land Rover und ZF stellen somit eine Vorstufe zum autonomen Fahren dar.
Bis jedoch dieses Ziel erreicht ist, werden wir mit selbstparkenden Autos vorlieb nehmen müssen. Wie Dr. Dirk Hoheisel, der verantwortliche Bosch-Geschäftsführer erläutert, wird „vollautomatisiertes Parken noch vor dem vollautomatisierten Fahren in Serie gehen“. Gemeinsam mit car2go und Daimler arbeitet der Zulieferer an einem neuartigen Parksystem für Parkhäuser.
Das Szenario für dieses Parksystem ist denkbar einfach: Mit dem Smartphone wird über car2go ein Fahrzeug gebucht. Sobald der Nutzer in der Pick-up-Zone des Parkhauses bereitsteht, fährt das Auto selbstständig vor und die Fahrt kann beginnen. Die Rückgabe erfolgt genauso unkompliziert. Der Kunde stellt das Fahrzeug in der Drop-Zone des Parkhauses ab und gibt per Smartphone das Fahrzeug wieder zurück. Vom intelligenten Parkhaussystem erfasst, wird das Auto gestartet und zu einem zugewiesenen Parkplatz geführt. Sollte dieses System in Serie gehen, könnte der Fahrer schon bald dem Smartphone via Sprachbefehl zuraunen: „Handy, park schon mal den Wagen.“

Aktuelles Magazin
Ausgabe 6/2015

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026
0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000