Im Grenzbereich
Sie fahren sich wie Pkw, doch das Fahrverhalten von Transportern ist völlig anders. In Fahrsicherheitstrainings schulen Experten die Fahrer, wie sie in Extremsituationen richtig reagieren.

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Reagieren die Fahrer wirklich richtig, wenn plötzlich ein Kind auf die Straße rennt? Und kennen sich die Mitarbeiter tatsächlich mit der Ladungssicherung aus, weil sie nicht nur das entsprechende Equipment, sondern auch die dazugehörige Einweisung erhalten haben? Kommt es zu Unfällen mit Transportern, schauen die Behörden ganz genau hin. Stellt sich heraus, dass mangelnde Ladungssicherung oder auch eine mangelnde Einweisung mit für den Unfall verantwortlich sind, sitzt der Chef wie auch der verantwortliche Fuhrparkleiter schnell in der Haftungsfalle.
Damit Unternehmer und Fuhrparkleiter auf der sicheren Seite sind, können sie ihr Team auf spezielle Fahrsicherheitstrainings schicken. Eine Alternative ist auch der Lehrgang als Firmentraining, bei dem nicht nur der einzelne Mitarbeiter, sondern gleich das ganze Team aufs Fahrsicherheitsgelände darf, um für mehr Verkehrssicherheit und eine bessere Ladungssicherung zu üben – was so mancher Unternehmer auch direkt als Firmenevent inszeniert. Durchaus mit Hintergedanken: Denn das Training erfüllt zum Teil die Unterweisungspflicht nach den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (BGV).
Komplett anderes Fahrverhalten
Das Problem gerade im Transporterbereich: Sie lassen sich oft tatsächlich fahren wie ein Pkw – und die Autoindustrie wird nicht müde, dies auch zu betonen. Der entscheidende Unterschied zum Pkw ist aber: Das Fahrverhalten unterscheidet sich deutlich in ganz vielen Punkten. Den ersten Punkt merkt schon jeder, der nur hinter dem Steuer Platz genommen hat. Je nach Fahrzeugtyp gibt es nicht mehr die Bewegungsfreiheit, weil der Sitz hinten auf einmal durch eine Trennwand nicht weiter zurückgeht. Dazu kommt die eingeschränkte Sicht. Wer einen verblechten Kastenwagen fährt, kann nach vorne, rechts und links schauen, nach hinten gibt es nichts. Immerhin hilft hier die Autoindustrie bei Einparksituationen durch Rückfahrkameras, die aber in der Regel teure Extras sind. Und der tote Winkel gestaltet sich anders. Gerade bei den größeren Transportern kann sich schon in der 3,5-Tonnen-Klasse rechts unter dem Spiegel ein Radfahrer verbergen, ohne dass der Fahrer eine Chance hat, ihn zu erkennen.
Hinzu kommt generell das Fahrverhalten auf der Straße. Schon durch seine Größe reagiert ein Kastenwagen ganz anders auf Seitenwind. Und es macht einen deutlichen Unterschied aus, ob der Fahrer den Wagen in leerem Zustand oder voll beladen über die Straße bewegt. Mit der Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining werden die Fahrer für dieses Fahrverhalten sensibilisiert. Mehr noch: Sie lernen in Extremsituationen, wie sich das Fahrzeug verhält und was die Technik tatsächlich an Unterstützung leisten kann – selbst bei einem voll beladenen Transporter.
Technik hilft
Das beweisen zum Beispiel Übungen wie die Ausweichbremsung. Ähnlich wie beim Pkw-Training wird ein plötzlich auftauchendes Hindernis simuliert. Der Fahrer muss gleichzeitig eine Vollbremsung hinlegen und versuchen, um das Hindernis herumzulenken. Diese Ausweichbremsung funktioniert vor allem dank technischer Hilfsmittel wie ABS und ESP, die das Fahrzeug auch in solchen kritischen Situationen noch beherrschbar machen. Sie können – darauf legen sämtliche Trainer unabhängig vom Anbieter größten Wert – nicht die Physik aushebeln, aber Unfallschäden minimieren. Anders formuliert: Wer wie ein Henker fährt, hat trotzdem in kritischen Situationen keine Chance. Daher legen die Trainings generell einen Schwerpunkt auf das vorausschauende Fahren.

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Aufgebaut sind die Trainings in der Regel nach dem gleichen Schema. Es gibt eine theoretische Einweisung in die Themen Fahrsicherheit und Ladungssicherung, anschließend gilt es, das theoretisch Erarbeitete in der Praxis auf den Fahrgeländen umzusetzen. Nicht selten erweitert der Baustein „Ökologisches Fahren“ das Spektrum.
Im theoretischen Teil geht es oft auch um die Grundsätze der Ladungssicherung: Wie lade ich das Material so, dass es sicher verstaut ist? Neben den beiden Möglichkeiten, Ladegut kraft- oder formschlüssig zu verstauen, werden die klassischen Hilfsmittel vorgestellt. Wer einmal mit einer Federwaage getestet hat, wie sich unterschiedliche Untergründe auf das Rutschverhalten auswirken, wird kaum noch auf eine Antirutschmatte verzichten wollen. Sie hemmt schon deutlich den Bewegungsdrang von unverzurrtem Material bei Bremsungen, Beschleunigungen oder Kurvendurchfahrten.
Schnell und richtig reagieren
Nach dem theoretischen Teil geht es in die Praxis. Neben einer schnellen Reaktion kommt es auch auf die richtige Maßnahme an. Tauchen plötzlich Hindernisse auf, reicht ein sanfter Tritt aufs Bremspedal nicht. Stattdessen muss ein Bremsschlag erfolgen, bei dem mit ganzer Kraft das Bremspedal getreten wird. Nur so kommt die volle Bremsleistung sofort bei den Rädern an – die kostbaren Sekunden lassen sich nicht mehr durch Nachtreten oder festeres Auftreten aufholen. In mehreren Übungen vermitteln so die Trainings das notwendige fahrerische Know-how.
Zuschüsse für Trainings
Nicht selten gibt es auch Unterstützung für die Fahrsicherheitsprogramme. So können Arbeitgeber wie auch interessierte Arbeitnehmer selbst bei ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse anklopfen. Voraussetzung dafür ist aber in der Regel, dass die Teilnehmer beruflich mit den Fahrzeugen unterwegs sind. Auch andere Institutionen unterstützen die Durchführung von Sicherheitstrainings. Dazu zählen Versicherer wie etwa HDI, aber auch Autohersteller – allerdings nur für Kunden. Mercedes-Benz etwa tourt mit seinem „Transportertraining on Tour“ durch das ganze Bundesgebiet und bietet seinen Kunden eine kostenlose Teilnahme an.
Eine Teilnahme bietet gleich mehrere Vorteile: So sensibilisieren diese Trainings nicht nur für mehr Fahrsicherheit, sondern legen oft noch einen Fokus auf Spritspartraining. Manchmal rechnet sich das Training auch schon deshalb, weil manche Versicherer unter Umständen Rabatte bei den Prämien einräumen. Letztlich entlässt ein Fahrsicherheitstraining zwar nicht den Fuhrparkleiter oder den Chef aus seiner Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter, aber es bannt die Gefahr, wegen mangelnder Einweisung im Falle des Falles mit in die Haftung zu geraten.

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