Der Dienstwagen in der Rechtsprechung

Das Auto an sich ist ein emotionales Thema – warum sollte der Dienstwagen hier eine Ausnahme machen? Daher werden zur Klärung von teils erbitterten Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft auch die Gerichte hinzugezogen. Einige aktuelle Urteile zur eventuellen Vermeidung des Klageaufwands stellen wir hier vor.

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Nutzungsausfall bei Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens in Altersteilzeit
Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Privatnutzung eines Dienstwagens, ohne einen Widerrufsvorbehalt oder eine andere Rücknahmemöglichkeit zu regeln, um den Vertrag an die Teilzeitsituation anzupassen, so gilt die Dienstwagenvereinbarung auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit.

Der Arbeitnehmer hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bis zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber war nicht berechtigt, ihm in der Freistellungsphase der Altersteilzeit die Möglichkeit zu entziehen, den ihm zur Verfügung gestellten Dienstwagen für Privatfahrten zu nutzen. Im schriftlichen Arbeitsvertrag ist ein Anspruch des Mitarbeiters auf Benutzung eines gesellschaftseigenen Kraftwagens angemessenen Typs vereinbart worden. Zusätzlich wurde vereinbart, dass der Mitarbeiter den Dienstwagen auch für private Zwecke nutzen darf. Einen gesonderten Dienstwagenvertrag haben die Parteien nicht geschlossen. Im schriftlichen Altersteilzeitarbeitsvertrag findet sich keine Regelung zum Dienstwagen, insbesondere ist dort nicht geregelt worden, dass der Mitarbeiter den Dienstwagen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit herausgeben muss. Ein Widerrufsrecht findet sich weder im ursprünglichen Arbeitsvertrag noch im Altersteilzeitarbeitsvertrag.

Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Daraus, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, folgt nicht notwendig, dass der Arbeitgeber ihm keinen Dienstwagen mehr zum privaten Gebrauch überlassen muss. Im Blockmodell der Altersteilzeit tritt der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase mit seiner vollen Arbeitsleistung im Hinblick auf die anschließende Freistellungsphase in Vorleistung und erarbeitet hierdurch Entgelte, die nicht im Monat der Arbeitsphase ausgezahlt, sondern für die spätere Freistellungsphase zeitversetzt angespart werden. Vereinbaren die Parteien die Privatnutzung des Dienstwagens, ohne – wie hier – einen Widerrufsvorbehalt oder eine anderweitige Rücknahmemöglichkeit zu regeln, um den Vertrag an die Teilzeitsituation anzupassen, so gilt die Dienstwagenvereinbarung grundsätzlich bis zur Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.03.2015, Az. 5 Sa 565/14

Außerordentliche Kündigung wegen missbräuchlicher Nutzung des Geschäftswagens
Eine Kündigung wegen unzulässiger Privatnutzung des Dienstwagens bedarf einer vorherigen Abmahnung durch den Arbeitgeber, wenn ein klares Privatnutzungsverbot für Geschäftsfahrzeuge fehlt und der (schwerbehinderte) Mitarbeiter den Dienstwagen nach Geschäftsfahrten lediglich zur Heim- und Rückfahrt verwendet, wenn er seine Arbeit von zu Hause aus fortführen muss.

Die fristlos, hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochene außerordentliche Kündigung der Arbeitgeberin ist mangels wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Im Streitfall hätte eine Abmahnung als Reaktion der Arbeitgeberin ausgereicht, sodass eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin bestand für den Arbeitnehmer kein „klares Privatnutzungsverbot für Geschäftsfahrzeuge“, aufgrund dessen eine Hinnahme seiner Verfahrensweise bei der Nutzung des Geschäftsfahrzeugs offensichtlich – auch für ihn erkennbar – ausgeschlossen war.

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Der Arbeitnehmer hat gegen den Vorwurf der privaten Nutzung des Geschäftsfahrzeugs eingewandt, dass seiner Auffassung nach sämtliche Fahrten geschäftlich veranlasst gewesen seien. Er habe das Dienstfahrzeug lediglich zur Heimund Rückfahrt verwendet, wenn er seine Arbeit von zu Hause aus habe fortführen wollen beziehungsweise müssen. Aufgrund seiner Behinderung sei ihm der Transport der Arbeitsmaterialien in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich gewesen.

Die Nutzung des Geschäftsfahrzeugs durch den Mitarbeiter ist vonseiten der Arbeitgeberin zuvor zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden. Der Mitarbeiter hat die von der Arbeitgeberin beanstandeten Fahrten nicht verheimlicht, sondern offen im Fahrtenbuch dokumentiert. Eine besondere Einweisung des Mitarbeiters in die Führung des Fahrtenbuchs ist nicht erfolgt. Die Eintragungen im Fahrtenbuch wurden auch nicht überprüft. Soweit der Arbeitnehmer bezüglich der beanstandeten Fahrten behauptet hat, dass er hierfür eine Genehmigung des ehemaligen Standortleiters für die Nutzung des Geschäftswagens gehabt habe, musste die Arbeitgeberin sogar selbst einräumen, dass dies zutrifft. Unter den dargestellten Umständen war vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung des Arbeitnehmers nicht entbehrlich. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 03.11.2014, Az. 2 Sa 152/14

Fristlose Kündigung wegen Entziehung der Fahrerlaubnis?
Die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers stellt an sich einen geeigneten wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrags dar. Auch bei einem Außendienstmitarbeiter, dem ein Dienstfahrzeug überlassen wurde und der zumindest zu 50 % seiner Arbeitszeit im Außendienst unterwegs ist, kann der Entzug der Fahrerlaubnis an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis infolge einer privaten Trunkenheitsfahrt erfolgte.

Dass die Dinge auch anders liegen können, zeigt eine Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 03.07.2014, Az. 5 Sa 27/14; Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG eingelegt, Az. 2 AZN 694/14). Hier hatte das LAG die Auffassung vertreten, dass der vorstehende Grundsatz nicht übertragbar sei auf eine Maklerbetreuerin einer Versicherungsgesellschaft, selbst wenn dieser zwar ein Dienstfahrzeug für die Besuchsfahrten zu den Maklern zur Verfügung gestellt worden ist, der Nutzungsvertrag es jedoch zulässt, dass das Firmenfahrzeug von Dritten gefahren werden darf und die Arbeitnehmerin während der Sperrzeit angeboten hat, sich von einem Verwandten fahren zu lassen. Zur Überzeugung des Gerichts stand fest, dass die Maklerbetreuerin auf die Nutzung eines Pkw für die Ausübung ihrer Tätigkeit überhaupt nicht angewiesen ist. Der Entzug der Fahrerlaubnis sei somit auch nicht an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden.

Das LAG hat es in den Entscheidungsgründen dahingestellt gelassen, ob die Maklerbetreuerin mit einem Außendienstmitarbeiter vergleichbar und zumindest 50 % ihrer Arbeitszeit im Außendienst tätig ist. Das Gericht hatte indessen keinen Zweifel daran, dass die Tätigkeit einer Maklerbetreuerin Dienstreisen in nicht unerheblichem Umfang voraussetzt, was sich eindeutig aus der Stellenbeschreibung „Maklerbetreuerin“ ergebe. Bei der Stellenbeschreibung handelt es sich nicht nur um eine einseitige Festlegung der Arbeitsaufgaben, sondern um eine von beiden Vertragsparteien unterzeichnete Stellenbeschreibung, die somit Bestandteil des Arbeitsvertrags ist.

Zwar bestand zwischen den Arbeitsvertragsparteien keine Zusage für die Gestellung eines Dienstfahrzeugs im Arbeitsvertrag. Gleichwohl wurde die Überlassung eines Dienstfahrzeugs durch einen gesonderten Vertrag, nämlich einen Dienstwagenüberlassungsvertrag, vereinbart. Der Kraftfahrzeugnutzungsvertrag wies jedoch keine zwingende Verknüpfung von Dienstfahrzeug und Maklertätigkeit auf. Vielmehr war in § 4 Abs. 1 des Kraftfahrzeugnutzungsvertrags ausdrücklich geregelt, dass die Überlassung des Dienstfahrzeugs jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufbar ist. Der Arbeitgeber ging offenbar selbst nicht davon aus, dass die von der Arbeitnehmerin als Maklerbetreuerin geschuldete Tätigkeit nur unter Nutzung eines Kraftfahrzeugs erledigt werden kann. Die Entziehung der Fahrerlaubnis einer Maklerbetreuerin einer Versicherungsgesellschaft ist nicht an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung abzugeben, wenn der Arbeitnehmerin zwar ein Dienstfahrzeug für die Besuchsfahrten zu den Maklern zur Verfügung gestellt worden ist, der Nutzungsvertrag es jedoch zulässt, dass das Firmenfahrzeug von Dritten gefahren werden darf und die Arbeitnehmerin während der Sperrzeit angeboten hat, sich von einem Verwandten fahren zu lassen. Auch der Einwand des Arbeitgebers greift nicht durch, die Mitarbeiterin könne die ihr obliegenden Aufgaben nur dann innerhalb der Arbeitszeit erledigen, wenn sie die durchschnittlich geforderten sieben Fahrten zu den Maklern pro Woche konzentriert an zwei bis drei Tagen durchführe, um sodann noch genügend Zeit für die Aufbereitung im Homeoffice zu haben. Hierbei berücksichtigt der Arbeitgeber nicht, dass die Arbeitnehmerin bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumindest in der Eisenbahn am Laptop arbeiten und damit die Fahrtzeiten anders als im Auto sogar produktiv nutzen könnte.

Soweit der Arbeitgeber hiergegen datenschutzrechtliche Bedenken erhoben hat, sind diese bei Verwendung einer Sichtschutzfolie unbegründet. Dessen ungeachtet hat die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber unstreitig angeboten, sich bei etwaigen Kundenbesuchen gegebenenfalls auch von einem Verwandten fahren zu lassen. Gemäß § 7 des Kraftfahrzeugnutzungsvertrags darf das Dienstfahrzeug ausdrücklich auch von Familienangehörigen oder Lebensgefährten benutzt werden. Aufgrund dieser ausdrücklichen vertraglichen Regelung hätte mithin für die Arbeitnehmerin auch die Möglichkeit bestanden, sich – ohne nochmalige Zustimmung des Arbeitgebers – von einem Verwandten zu den einzelnen Maklern fahren zu lassen, wenn diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln zeitgerecht nicht zu erreichen gewesen wären. Zudem hat die Arbeitnehmerin unbestritten vorgetragen, dass der ganz überwiegende Teil der von ihr zu betreuenden Makler (80–85 %) in einer Stadt ansässig ist. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht an einem Tag mehrere in der gleichen Stadt ansässige Makler mit der Bahn und öffentlichen Nahverkehrsmitteln (U-Bahn, S-Bahn, Bus) von der Mitarbeiterin besucht werden können.

Das Gericht gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die Arbeitnehmerin für die Ausübung ihrer Tätigkeit überhaupt nicht auf die Nutzung eines Pkw angewiesen ist, weshalb der Entzug der Fahrerlaubnis in dem entschiedenen Fall auch keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bildet.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de

 

AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.

 

 

RECHTSPRECHUNG

BUSSGELD/OWI

Fahrverbot und saftige Geldbuße für Drängler auf Autobahn
Das OLG Bamberg bestätigte eine amtsgerichtliche Entscheidung, mit welcher ein Autofahrer wegen Drängelns auf der Autobahn zu einer Geldbuße von 320 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt wurde.

Der Betroffene hatte seinen Pkw auf der Autobahn auf der linken von drei Fahrspuren mit einer Geschwindigkeit von 116 km/h gesteuert, wobei er zum vorausfahrenden Fahrzeug nur einen Abstand von 16,43 m und damit von weniger als 3/10 des halben Tachowerts einhielt. Hierin sah das Gericht eine fahrlässige Unterschreitung des nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO gebotenen Sicherheitsabstands zum vorausfahrenden Fahrzeug.

Der hiergegen vorgebrachte Einwand, die Abstandsunterschreitung sei durch das gefahrvolle Auffahren des Führers des nachfolgenden Fahrzeugs verursacht worden, ist regelmäßig unbeachtlich, wenn auf der sogenannten Beobachtungsstrecke ein plötzliches Abbremsen oder ein unerwarteter Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugführers auszuschließen ist.

Soweit der Betroffene beanstandet, dass nicht näher belegt werde, weshalb – im Hinblick auf das hinter dem Betroffenen fahrende Fahrzeug – ein Abbremsen durch den Betroffenen nicht mehr gefahrlos möglich gewesen sei, ist dies für die Entscheidung ohne Bedeutung. Nach Ansicht des Gerichts sollte dieser nicht näher spezifizierte Vortrag darauf gerichtet sein, die Unterschreitung des Mindestabstands zum Vordermann durch den Betroffenen sei wegen Notstands gemäß § 16 OWiG zu rechtfertigen. Dies wäre aber selbst dann nicht der Fall, wenn im Zeitpunkt der Abstandsmessung bei einer Reduzierung der Geschwindigkeit des Betroffenen die Gefahr eines Auffahrunfalls im Hinblick auf den nachfolgenden Pkw bestanden hätte. Denn auch dann hätte der Betroffene in vorwerfbarer und pflichtwidriger Weise die Ursache für die Unterschreitung des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug gesetzt, nachdem innerhalb der Beobachtungsstrecke ein Abbremsen oder ein plötzliches Einscheren durch den Vordermann ausgeschlossen war.
OLG Bamberg, Beschluss vom 25.02.2015, Az. 3 Ss OWi 160/15

Verschlechterungsverbot steht Fahrverbot auch bei Herabsetzung der Geldbuße entgegen
Nach Aufhebung und Zurückverweisung eines den Betroffenen allein zu einer Geldbuße verurteilenden Erkenntnisses an das Tatgericht steht das Verschlechterungsverbot der Anordnung eines Fahrverbots auch dann entgegen, wenn die ursprüngliche Geldbuße herabgesetzt wird. Soweit das Amtsgericht gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt hat, hat es gegen das Verbot der Schlechterstellung verstoßen, was der Senat als Verfahrenshindernis von Amts wegen zu beachten hat.

Zwar gilt bei verschiedenen Rechtsfolgen grundsätzlich die sogenannte ganzheitliche Betrachtungsweise, sodass bei solchen Konstellationen die Frage, ob das Verschlechterungsverbot beachtet wurde, aufgrund eines Gesamtvergleichs des früheren und des neuen Rechtsfolgenausspruchs zu beurteilen ist. Allerdings gilt dies nicht im Verhältnis einer Geldbuße zu einem Fahrverbot, weil das Fahrverbot von vornherein die schwerwiegendere Sanktion darstellt und daher eine Kompensation des Übels, welches durch die Anordnung des Fahrverbots eintritt, durch eine Herabsetzung einer gleichzeitig verhängten Geldbuße ausgeschlossen ist. Deshalb stellt die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots selbst im Falle deutlicher Herabsetzung einer Geldbuße immer eine unzulässige Verschlechterung gegenüber dem bloßen Bußgeldausspruch dar.

Da das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 11.06.2014 allein auf eine Geldbuße erkannt, aber kein Fahrverbot verhängt hatte, war es, nachdem der Beschluss auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen aufgehoben worden war, dem Tatrichter nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V.m. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO verwehrt, die ursprüngliche Entscheidung in Art und Höhe der Rechtsfolgen zum Nachteil des Betroffenen zu ändern. Damit verbot sich die Verhängung eines Fahrverbots. Der Umstand, dass das Amtsgericht die ursprüngliche Geldbuße von 400 € auf 200 € reduziert hat, ändert hieran nichts.
OLG Bamberg, Beschluss vom 05.03.2015, Az. 3 Ss OWi 320/15

FAHRERLAUBNISRECHT

Keine Fahrerlaubnisentziehung bei mehrere Jahre zurückliegender Alkoholabhängigkeit
Von einer fehlenden Fahreignung ist insbesondere dann auszugehen, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

Entgegen der Ansicht der Behörde lässt das medizinisch- psychologische Gutachten nicht den Schluss darauf zu, dass der Betroffene ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Nach Ziffer 8.3 der Anlage 4 zur FeV lässt die Abhängigkeit von Alkohol die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfallen. Eine gegenwärtige Alkoholabhängigkeit konnte im medizinisch- psychologischen Gutachten jedoch nicht festgestellt werden.

Nach Ziffer 8.4. der Anlage 4 zur FeV besteht nach einer Entwöhnungsbehandlung wegen Alkoholabhängigkeit die Fähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn die Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Der Betroffene hat von Dezember 2010 bis Anfang März 2011 eine stationäre Entwöhnung durchlaufen. Dies geht aus dem ärztlichen Entlassungsbericht hervor. Dieser stellt dem Antragsteller eine positive Prognose aus. Es liegt weiter ein ärztliches Attest von September 2014 vor, in dem der behandelnde Hausarzt dem Antragsteller ebenfalls Abstinenz seit dieser Zeit bescheinigt. Auch hat der Betroffene in seinem medizinisch-psychologischen Begutachtungstermin angegeben, seit 2010 keinen Alkohol mehr zu sich genommen zu haben.

Allein daraus, dass Anlass für die weitere medizinisch- psychologische Begutachtung einer möglicherweise überwundenen Alkoholabhängigkeit des Betroffenen gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 e FeV besteht, folgt nicht, dass er bis zur Klärung dieser Frage als ungeeignet zu gelten hat. Auch die im Jahr 2011 laut ärztlichem Befundbericht nachweislich gegebene Alkoholabhängigkeit des Betroffenen führt allein nicht dazu, dass er deswegen auch mehr als drei Jahre später noch ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Denn der zwischen der letzten gesicherten ärztlichen Diagnose und der Entziehung der Fahrerlaubnis liegende Zeitraum ist derart lang, dass ohne weitere konkrete Anhaltspunkte nicht darauf geschlossen werden kann, dass der Antragsteller wegen Alkoholabhängigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. Solche konkreten Anhaltspunkte sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.
VG Stade, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 1 B 382/15

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