Elektronen teilen?!

Noch vor wenigen Jahren war die Wissenschaft der Meinung, dass sich Elektronen nicht teilen lassen. Doch ein internationales Wissenschaftlerteam vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Material und Energie beobachtete im Jahr 2012, wie sich diese Elementarteilchen in Teile aufspalten ließen. Auch fernab der Physik gewinnt das Teilen – das sogenannte „Sharing“ – von Elektroautos in den letzten Monaten zunehmend an Popularität. Welche Herausforderungen es hier zu bewältigen gibt und inwieweit E-Carsharing heute schon umsetzbar ist, untersucht Flottenmanagement in diesem Artikel.

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Zwei Phänomene prägen zunehmend das Stadtbild: zum einen kleine Flitzer, die sich nehmen kann, wer gerade ein Auto braucht. Zum anderen fast lautlos durch die Straßen gleitende Fahrzeuge, die zum „Tanken“ an sogenannte Ladesäulen müssen. Beide Konzepte verbindet ein wesentliches Element: der urbane Straßenverkehr.

Anstatt für die Mitarbeiter eine riesige Fahrzeugflotte bereitzuhalten, die im schlimmsten Fall ungenutzt auf dem Parkplatz einstaubt und Versicherungsbeiträge schluckt, optimieren seit einiger Zeit Unternehmen ihren Fuhrpark durch Carsharing: Braucht ein Angestellter ein Auto, um beispielsweise zum Kundentermin oder zum Flughafen zu gelangen, vertrauen sie auf Carsharing. Die Autos zum Mitnehmen werden per Smartphone oder am Computer gesucht, gebucht, am Straßenrand abgeholt und mit dem Handy oder einer Chipkarte gestartet. Mit dem Kurzstrecken-Leihwagen geht es dann zum gewünschten Ziel. Dort angekommen wird das Auto abgestellt und vom nächsten Mitarbeiter mitgenommen, der eins benötigt. Die gefahrenen Kilometer werden direkt über die Spesen oder das Reisekostenbudget des Unternehmens abgerechnet. Digital, ohne Belege und Tankquittungen zu sammeln.

Kostenoptimierung ist auch ein Punkt, bei dem Elektroautos punkten können, insofern sie bereits angeschafft oder geleast wurden. Muss hingegen erst noch ein E-Fahrzeug in die Flotte aufgenommen werden, sind die Gesamtkosten gegenüber einem gleichwertigen Verbrenner deutlich höher. Denn hier fließt neben dem Aufpreis für die Elektrovariante auch der zu erwartende Wertverlust mit ein. Betrachtet man hingegen allein die „Kraftstoffkosten“, kann das Elektrofahrzeug deutlich punkten: Beispielsweise reicht die Batterieleistung von 18,8 kWh des BMW i3 für eine maximale Reichweite von 190 Kilometern, umgerechnet etwa 10 kWh für eine Reichweite von 100 Kilometern. Legt man hier die Stromkosten von 30 Cent pro kWh zugrunde, kosten 100 Kilometer gerade einmal drei Euro – im Vergleich muss der Fahrer des wirklich spritsparenden Ford Fiesta 1,6 l TDCi ECOnetic (Platz 1 in der Sonderwertung „Kraftstoffverbrauch“ im Kostenvergleich Diesel-Kleinwagen Flottenmanagement 2/2015) für diese kurze Strecke fast vier Euro bezahlen.

Neue Herausforderungen
Sowohl das Carsharing als auch die Elektrofahrzeuge finden zunehmend Befürworter in Unternehmen, denn einmal angeschafft oder „gemietet“, vermögen beide Konzepte die laufenden Kosten des Fuhrparks zu senken. Daher liegt die Überlegung nicht fern, diese zu einem einzigen Konzept, dem „ECarsharing“, zu verbinden. Doch bei dieser Zusammenlegung treten zugleich neue Herausforderungen auf: Die systemimmanente, automatisierte Übergabe der Fahrzeuge ohne Dazwischenschalten von Servicepersonal des Anbieters setzt die Kenntnis beim Kunden voraus, wie ein Elektromobil zu fahren und zu laden ist. Dieses Wissen muss durch Vorabinformationen erreicht werden und macht ein Mitwirken der Kunden nötig. Gleichzeitig zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass Carsharingnutzer auf Dauer für Elektrofahrzeuge keine höheren Tarife als für Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben akzeptieren. Dies gilt umso mehr, wenn Fahrzeuge mit gleichem Nutzungsund Ausstattungskomfort verglichen werden.

Geteilte Fahrzeuge erreichen in Großstädten eine durchschnittliche zeitliche Auslastung von 25 bis 30 Prozent, in Einzelfällen und an den besonders nachgefragten Standorten auch darüber. Eine gute Auslastung ist eine wesentliche Voraussetzung für ein erfolgreiches betriebswirtschaftliches Gesamtergebnis. Während Fahrzeuge mit herkömmlichem Antrieb theoretisch ohne Pufferzeit von Nutzer zu Nutzer weitergereicht werden können, müssen bei Elektrofahrzeugen die Ladezeiten zusätzlich eingeplant werden; prinzipiell stehen höheren Anschaffungskosten also verminderte Nutzungszeiten gegenüber, in denen die Elektrofahrzeuge über die Vermietung Umsatz erzielen können. Des Weiteren müssen die Anbieter beim Einsatz von Elektroautos zur Aufrechterhaltung derselben Verfügbarkeit mehr Fahrzeuge einsetzen und entsprechend mehr Stellplätze anmieten, die zudem in innerstädtischen Lagen sehr knapp sind.

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Auch die Ladeinfrastruktur selbst stellt Anforderungen, die bei anderen Fahrzeugantrieben gar nicht erst entstehen und für die bislang keine einheitlichen und kostenneutralen Lösungen existieren. Das betrifft zum einen die Einrichtung der Ladestationen, welche angeschafft, aufgestellt, betreut und gewartet werden müssen und für die im öffentlichen Straßenraum (ebenso wie für die Fahrzeugstandorte selbst) im Übrigen erst noch eine rechtssichere und allgemein anwendbare Lösung gefunden werden muss.

Zum anderen erfordert die Steuerung und Überwachung der Ladevorgänge im Sinne einer möglichst kurzfristigen Fahrzeugverfügbarkeit spezifische Softwarelösungen, die bisher nicht notwendig waren und die mit hohem Aufwand geschaffen werden müssen. Zweckmäßigerweise als selbstlernendes System angelegt, sollte die jeweilige Software den noch ungeübten Nutzern maximale Unterstützung bieten und zugleich weitreichende Monitoringmöglichkeiten zur Ladekontrolle schaffen. Auch dies erhöht die Betriebskosten der Elektromobilität. Mit dem Forschungsprojekt Shared E-Fleet, welches unter anderem durch die Carano Software Solutions GmbH, das Fraunhofer- Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und die Siemens AG unterstützt wird, hat man sich als Ziel gesetzt, eine Konzeption und Umsetzung einer integrierten Cloud-basierten IKT-Lösung für den intelligenten Betrieb von gemeinsam genutzten Elektrofahrzeugflotten über Unternehmensgrenzen und Parteien hinweg zu forcieren. Nach Unternehmen in München und Stuttgart folgte Anfang März auch der Startschuss für diesen Modellversuch in Magdeburg als erster kommunaler Teilnehmer – auch auf Berliner Straßen wird dieses Projekt seit Mitte Mai erprobt.

Letztendlich stellt das Laden sowie die Nutzung selbst eine weitere Herausforderung dar: Zum einen gibt es eigentlich das Reichweitenproblem im Carsharing nicht, denn in der Regel stehen dem Kunden immer genügend Fahrzeuge mit ausreichender Reichweite zur Verfügung. Bei der Buchung des Wagens muss sich der Kunde jedoch vorab über die Fahrtenlänge klar sein. Davon hängt ab, ob ihm nur ein teil- oder vollgeladenes Elektroauto oder aber ein Diesel- oder Benzinfahrzeug angeboten wird. Es kommt auf die Erfahrung des Nutzers an, das für seine Fahrt richtige Antriebskonzept auszuwählen. Wünscht er ein Elektrofahrzeug, muss er wissen, dass unterschiedliche Wetterbedingungen und das Einschalten von stromverbrauchenden Aggregaten wie Heizung, Licht, Klimaanlage et cetera die Reichweite stark beeinträchtigen. Zugleich kommt es darauf an, dass der Betreiber dem Kunden hierbei so viel Unterstützung wie notwendig gewährt, ohne ihm das Gefühl von Bevormundung zu geben. Auch hier spielt die Buchungs- und Vermittlungssoftware vor Fahrtbeginn sowie die On-board-Technik während der Fahrt eine besondere Rolle. Zum anderen muss aber auch nach Abschluss der Fahrt das Fahrzeug wieder zuverlässig an die Ladestation angeschlossen werden. Wie bisher auch müssen die Kunden einen gewissen Eigenbeitrag leisten, damit die Fahrzeuge ohne Probleme vom Nachnutzer eingesetzt werden können. Da viele Carsharingkunden auf gewohnte, selbsterklärende Fahrzeugtypen zurückgreifen, sollten früh psychologische Hürden genommen werden: Die Angst vor Fehlbedienung abzubauen und das System so einfach und verständlich wie möglich zu gestalten, ist eine langfristige Aufgabe, der sich Carsharinganbieter mit Elektrofahrzeugen in besonderer Weise zu stellen haben.

Realität oder Zukunftsvision?
Bei all den Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, stellt sich mit Recht die Frage, ob ECarsharing ein Modell für die Zukunft oder doch schon Realität ist. Eine klare Antwort auf diese Frage gibt es nicht, denn auf der einen Seite ist das Teilen von Elektrofahrzeugen in vielen Städten schon Alltag, aber auf der anderen Seite ist es fraglich, ob sich diese Bestrebungen rein wirtschaftlich gesehen selbst tragen können.

Aus Sicht von Uwe Hildinger, Leiter Vertrieb und Marketing bei Alphabet Deutschland, ist E-Carsharing nicht nur der nächste logische Schritt, sondern bereits Realität: „Die Hochschwarzwald Tourismus GmbH stellt seit April Touristen und Einheimischen 25 BMW i3 mit Carsharingtechno zur Verfügung. Weitere Kunden haben ihr Interesse an unserem Corporate E-Carsharing bereits bekundet. Wir haben das Projekt von Anfang bis Ende durchdacht. Zum Beispiel ist in der automatischen Reservierungsplattform ein zeitlicher Puffer eingebaut, sodass der nächste Nutzer garantiert ein aufgeladenes Fahrzeug bekommt.“

Auch car2go beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit dem E-Carsharing. So sind über 1.200 der rund 12.500 Fahrzeuge starken Flotte mit einem batterieelektrischen Antrieb ausgestattet. Gerade für Free-Floating-Vermietungen, also dem stationsunbezogenen Carsharing, stellt die Ladeinfrastruktur eine zusätzliche Herausforderung dar, da hier genügend Ladepunkte vorhanden sein müssen, damit die Fahrzeuge überhaupt geladen werden können. Im vergangenen Jahr realisierte car2go für die 16 smart fortwo electric drive gemeinsam mit RWE ein Stationsnetz mit 204 Ladepunkten und kann daher auch beim E-Carsharing von einem „Free Floating“ sprechen.

Eine weitere Herausforderung ist das Laden des Fahrzeugs: Wie bekommt man den Nutzer dazu, sich um die Belange des Folgenutzers zu kümmern, sprich ihm genügend Reichweite für die nächste Fahrt zu ermöglichen? DriveNow, das Carsharingangebot von BMW und Sixt, schreibt dem Nutzer 20 Freiminuten auf das Konto gut – vorausgesetzt der Ladevorgang wird am Ende der Buchung gestartet und die Reichweite beträgt 25 Prozent oder weniger. Auf so eine Weise lassen sich schnell und unkompliziert Anreize schaffen.

Den ganzen positiven Entwicklungen zum Trotz gibt es noch einige Baustellen für ein nachhaltiges Wirtschaften im E-Carsharing-Angebot: „Die Fahrzeuge sind in der Anschaffung immer noch relativ teuer und die Ladeinfrastruktur ist noch nicht ausreichend. Ebenso müsste unseres Erachtens die Dauer der Zeit für die Aufladung erheblich verkürzt werden, um die Fahrzeuge im Carsharing wirtschaftlich betreiben zu können. Zudem ist die seit Jahren in Aussicht gestellte Sonderabschreibung für gewerbliche E-Fahrzeugflotten immer noch nicht realisiert. Das im Sommer in Kraft tretende ‚Elektromobilitätsgesetz‘ reicht bei Weitem nicht aus, weil keine verbindlichen Regelungen festgelegt sind“, fasst Prof. Dr. Andreas Knie, Bereichsleiter Intermodale Angebote bei DB Rent, die noch bestehenden Herausforderungen zusammen.

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