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Interview mit Sylvia Lier (Vorsitzende der Geschäftsführung DB Rent)

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Flottenmanagement: Frau Lier, seit rund einem Dreivierteljahr sind Sie Vorsitzende der Geschäftsführung bei DB Rent. Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit geben? Welche Herausforderungen sind auf Sie zugekommen, wie sind Ihre Projekte angelaufen und was können wir in nächster Zeit erwarten
Sylvia Lier: Das Angebot der DB Rent zeichnet sich insbesondere durch die Vernetzung der einzelnen Produkte aus. So ist es für uns eine ständige Herausforderung, die einzelnen Mobilitätsprodukte zu professionalisieren und miteinander zu verknüpfen. Der Markt fordert heutzutage integrierte Produkte. Der Kunde erwartet beste Usability und intuitiv „erlernbare“ Angebote. Also alles aus einer Hand, und das bitte möglichst einfach!
Apropos Vernetzung: Wir intensivieren gerade die Zusammenarbeit mit dem Personenverkehr der Deutschen Bahn. Zukünftig sollen Flinkster und Call a Bike direkt über den DB Navigator nutzbar sein und zusätzlich wollen wir neue kombinierte Produkte anbieten.
Unser Geschäftsauftrag wurde vom Vorstand der Deutschen Bahn erweitert. Waren wir bislang überwiegend als Fleetmanager tätig, haben wir nun die Aufgabe, innovative Sharingprodukte für den Personenverkehr, insbesondere mit dem Nahund Fernverkehr, zu entwickeln. Beispiel für solch ein neues Produkt ist das „Mobilitätsbudget“.
Die Deutsche Bahn ist trotz einiger Imageprobleme der Mobilitätsanbieter Nummer eins und steht vor allem für Seriosität. Wir als DB Rent freuen uns natürlich sehr darüber, dass unser Mutterkonzern solch innovative Themenfelder angeht und uns damit betraut. Ich habe großes Zutrauen in zukünftige Perspektiven.

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Ausgabe 3/2015

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Flottenmanagement: Unternehmen sind vermehrt auf der Suche nach neuen Mobilitätsmöglichkeiten. Was sind ausschlaggebende Punkte für den Wandel? Wie wird sich die Mobilität in Unternehmensfuhrparks verändern
Sylvia Lier: Die Mobilität wird ad hoc und situativ sein müssen. Sie muss sich intelligent und einfach erklären sowie digital verfügbar sein. Es ist heute schon von elementarer Bedeutung, dass man sämtliche Mobilitätsprodukte über das Smartphone abrufen kann und das Ganze einfach und verlässlich ist. Darüber hinaus wird es meiner Ansicht nach so sein, dass Mobilität nicht immer nur zwangsläufig „Dienstwagen“ heißt. Aus Statistiken wissen wir, dass 50 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in den letzten 15 Jahren auf den Besitz eines persönlichen Fahrzeugs verzichtet haben. Da passiert etwas ganz Signifikantes. Die Menschen wachsen ohne Auto auf, haben aber gleichzeitig einen erhöhten Bedarf an Mobilität. Sie sind noch mobiler als frühere Generationen.
Und dabei wollen sie sich in der jeweiligen Situation das Mobilitätsprodukt aussuchen, das gerade passt. Sei es ein Mietfahrrad, ein Carsharingfahrzeug oder auf Langstrecken die Bahn, bei der sie die Zeit für sich nutzen können – zum Arbeiten oder einfach mal zum Entspannen.
Die zukünftige Mobilität verlangt spontan nutzbare Angebote und Alternativen zum Dienstwagen. Das ist unsere Stoßrichtung. Um es mit Zahlen aus Studien zu untermauern: Bis 2030 werden voraussichtlich 380.000 Carsharingfahrzeuge sechs Millionen private Pkw ersetzen.
Da ist Flexibilität gefragt. Flexibilität, die mit uns als Partner und mit unseren Produkten gewährleistet werden kann. Unsere integrierten Mobilitätsprodukte sind unser Alleinstellungsmerkmal.
Flottenmanagement: Die Deutsche Bahn bietet mit „Flinkster“ das flächenmäßig größte stationäre Carsharingnetz in Deutschland. Wie wird es von Unternehmen angenommen? Warum sollten sich Interessenten von Corporate Carsharing für Flinkster entscheiden
Sylvia Lier: Wir sind DER Carsharingpionier. 3.600 Fahrzeuge, 200 Städte, 1.000 Stationen, alle Fahrzeugklassen. Das ist unser umfassendes Carsharingangebot. In Unternehmen ist dieses Angebot mittlerweile angekommen. Wir verzeichnen eine erhöhte Aufmerksamkeit und Nachfrage. Ich denke, dass wir hier den Zenit allerdings noch längst nicht erreicht haben. Gerade die Möglichkeit des bundesweiten Einkaufs von Carsharingangeboten – von Travelmanagern oft eingefordert – unterscheidet uns von Mitbewerbern.
Carsharing ist meist günstiger als ein Mietwagen und zudem unbürokratisch nutzbar. „Keep it simple“ heißt hier die Devise. Und so können sie alle unsere Fahrzeuge mit einer App öffnen. Unser stationsbasiertes Carsharing ist auch günstiger als das Free Floating und man weiß, wo man das Fahrzeug findet.
Ein Argument für unser Corporate Carsharing ist sicherlich unsere Kopplung mit dem öffentlichen Flinkster-Netz. So kann ein Fahrer einen geschäftlichen und einen privaten Account für den Carpool haben. Damit hat er Zugriff auf die Firmenfahrzeuge und jedes Fahrzeug des Flinkster- Netzes. So wird aus etwas Kleinem etwas ganz Großes in puncto Mobilitätsversorgung.
Beim Corporate Carsharing platzieren wir einen Carpool vor Ort oder statten die vorhandenen Fahrzeuge mit Bordcomputern aus. Das führt zu einer Reduktion der Prozesskosten bei gleichbleibender Mobilität. Denn durch unsere Computertechnologie sehen wir, wie viele Fahrzeuge im Fuhrpark tatsächlich benötigt werden. Und sollten einmal Fragen oder Probleme auftreten, steht unser Kundenservice rund um die Uhr zur Verfügung.
Flottenmanagement: Kürzlich wurde bekannt, dass Flinkster ab Sommer 2015 mit car- 2go (Daimler) kooperieren wird. Wie wird diese Allianz aussehen? Was erhoffen Sie sich von dem Zusammenschluss mit einem Free-Floating-Anbieter und was kann er dem Kunden bieten
Sylvia Lier: Die technische Entwicklung ist bereits abgeschlossen. Es ist ein sehr komplexes Projekt. Zwei Buchungsplattformen, zum einen Moovel (car2go) und zum anderen unsere Flinkster- Buchungsplattform, müssen so miteinander verknüpft werden, dass beide Kundengruppen wechselseitig die Fahrzeuge des anderen nutzen können. Und das, ohne sich noch einmal extra registrieren zu müssen, mit gleichartigem Zugang und ohne zusätzliche Mühen oder andersartige Rechnungen.
Wir versprechen uns durch das gekoppelte Netz eine erhöhte Feinmaschigkeit. Je intensiver der Endnutzer mit Autos versorgt ist, desto höher ist die Akzeptanz. Wir wollen damit Kundennutzen generieren und schlussendlich natürlich Umsatz erzielen. Derzeit wachsen wir um 20 Prozent und es wird noch weiter nach oben gehen.
Flottenmanagement: Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen verändern sich stetig. Mit dem sogenannten Mobilitätsbudget verfolgt die Deutsche Bahn einen neuen Ansatz. Können Sie uns diesen näher erläutern? Was verbirgt sich hinter dem Begriff
Sylvia Lier: Das Mobilitätsbudget ist im Grunde die Alternative zu einem klassischen Leasingbudget. Typischerweise haben die Dienstwagenberechtigten ein Budget (Leasingrate) für ihr Fahrzeug, das sie nutzen dürfen. Wenn jemand das nicht möchte, weil er das Auto nicht zwingend zur Erbringung seiner dienstlichen Pflichten braucht, stellt sich die Frage, was man ihm alternativ anbieten kann.
Diese Frage hat die Deutsche Bahn für sich beantwortet und schon 2012 eine neue Mobilitätsrichtlinie für den Konzern verabschiedet. Anstelle des Dienstwagens kann der Mitarbeiter heute eine Bahncard, ein Carsharingbudget, ein Fahrradbudget und auch ein Mietwagenbudget auswählen. Nehmen wir beispielhaft den Betrag x, der einem Dienstwagenberechtigten für sein Fahrzeug im Jahr zur Verfügung steht. Dieser Betrag steht nun auch für andere Mobilitätsprodukte zur Verfügung. So kann sich der Mitarbeiter für die Bahncard 1. Klasse entscheiden und mit dem restlichen Betrag zum Beispiel Carsharingoptionen nutzen.
Nicht unproblematisch ist die Thematik aus steuerrechtlicher Sicht. Denn während die Versteuerung bei einem Dienstwagen über die 1-Prozent-Regelung klar definiert ist, sind die verschiedenen anderen Mobilitätsoptionen bei privater Nutzung (Beispiel Carsharingfahrzeug) nicht pauschal besteuerbar.
Derzeit nutzen bereits knapp 100 Führungskräfte der Deutschen Bahn dieses Pilotangebot. Dabei stellen wir zum Beispiel die Kosten in die Personalabrechnungssysteme der Bahn ein. Das ist noch reine Handarbeit, da bei unterschiedlicher Kostenbasis auch eine unterschiedliche Geldwertebasis steht. Das ist langfristig aber so nicht fortsetzbar.
Unsere Marktgespräche zeigen, dass die Kunden idealerweise einen pauschalen Steuersatz über alle Mobilitätsprodukte haben möchten. Dazu haben wir eine Steuerinitiative beim Bund und bei den Ländern gestartet. Unser Ziel ist, diese Art Mobilitätsprodukte als Flatrates zu betrachten. Sie werden von den Steuerbehörden nach einem festzulegenden Satz besteuert. Das Anrufungsverfahren läuft und wir hoffen, dass wir im Laufe des Sommers dazu eine Antwort bekommen.
Denn ich denke, wir sind uns einig: Vernetzte Mobilitätsprodukte stehen voll im Zeitgeist. Der Umweltaspekt wird berücksichtigt, die Komplexität reduziert. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind zufrieden. Im Grunde gewinnt jeder.
Sobald das Ergebnis des Verfahrens feststeht, werden wir konkret auf die Kunden zugehen. Im Moment heißt das: Jeder muss es auf Länderebene selbst klären. Wir haben eine Unterschriftenkampagne gestartet, bei der uns bereits einige große deutsche Wirtschaftsunternehmen unterstützen. Wir sammeln aber nach wie vor Unterschriften, um dem Ganzen noch mehr Nachdruck zu verleihen.

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