Fit for driving?

Die körperliche und geistige Fitness ist eigentlich unbedingte Voraussetzung für das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs. Doch beides ist oft nicht in der erforderlichen Qualität verfügbar oder wie man auch sagt: abrufbar. Dabei soll es nicht vordergründig um die Beeinträchtigung durch Alkohol(genuss?) gehen. Es gibt viele andere wirkungsvolle Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten (so vorhanden!) nicht komplett zur Entfaltung kommen zu lassen.

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Dabei wird ja gerade im Frühjahr mit allen Mitteln versucht, der gleichnamigen Müdigkeit mit dem entsprechenden Putz den Garaus zu machen (stammt übrigens von „gar aus!“, was im 15. Jahrhundert in Süddeutschland die Polizeistunde (!) ankündigte). Doch beim Autofahren bleibt dann meistens alles beim Alten. Keine spezielle „Fahrertüchtigungsübung“ nach einem harten (?) Winter, merkt man doch beim ersten richtigen Sonnentag, wie eingerostet viele Fähigkeiten, vor allem bei anderen, sind: Unfälle sprießen förmlich aus der Straße wie die Narzissen aus dem Boden.

So auch 2014 nach der gerade erschienenen Unfallstatistik aufgrund des besonders warmen und trockenen Frühlings, besonders Zweiradfahrer und Fußgänger waren betroffen. Bei Fahrradfahrern lag die Steigerung gegenüber 2013 sogar im zweistelligen Prozentbereich. Ja und der Montag nach der alljährlichen Zeitumstellung am letzten Sonntag im März zeigt regelmäßig auffällige Unfallhäufungen aufgrund von Schlafmangel und fehlender Konzentration, nach drei Tagen soll das aber vergessen sein (mal ganz abgesehen von den Milchkühen, die anscheinend Wochen brauchen, um sich dem neuen Zeitrhythmus beim Melken anzupassen …).

Die Russen haben übrigens kürzlich einen Schlussstrich darunter gezogen. Anfang 2011 wurde vom damaligen Präsidenten Medwedew erst die ganzjährige Sommerzeit eingeführt, um letzten Sommer von Kremlchef Putin dann in eine „ewige Winterzeit“ überführt zu werden. Viele Bürger beklagten Probleme mit dem Aufstehen, was auch andere Gründe gehabt haben könnte … Einflüsse auf die Verkehrsunfallstatistik sind jedenfalls bisher nicht bekannt. Vielleicht ist dies aber ein Omen für die eiszeitliche Abkühlung in den Beziehungen zu Europa, Andeutungen eines neuen Kalten Krieges.

Bei der tatsächlichen „Fahrfitness“ muss man nun in der Tat noch eine paar genauere Unterscheidungen vornehmen. Die gröbste ist wohl die zwischen der „Fahrtüchtigkeit“ und der „Fahreignung“. Um allerdings eine Fahrerlaubnis zu bekommen, muss man (lediglich) die medizinische „Fahrtauglichkeit“ nachweisen und die Fahrprüfung bestehen. Die Fahreignung umfasst wesentlich mehr, nämlich zusätzlich die charakterliche Reife, die erst nach schweren Verstößen zum Untersuchungsgegenstand wird. Allerdings betritt man hier den Bereich der rechtlich nicht mehr ganz so genau abzugrenzenden Begriffe, also existiert einiger Interpretationsspielraum.

Im Gegensatz zur Fahreignung als grundsätzlicher Aussage über die Fähigkeit, ein Fahrzeug zu bedienen, ist die Fahrtüchtigkeit eine situationsabhängige Einschätzung des Vermögens, ein Fahrzeug jederzeit sicher zu führen. Nimmt man das wörtlich, ist diese eigentlich bei niemandem gegeben. Die aktuelle Diskussion über autonomes Fahren legt ja die hohen Anforderungen an ein solches System gerade bei „Vollautomatisierung“ gnadenlos offen. Denn dort möchte man prinzipiell das menschliche Verhalten nachahmen, findet aber so viele Situationen, die dann keine wirkliche Beherrschung zulassen. Ob es das Einfahren in eine Nebelwand oder das plötzliche Auftauchen von Wildtieren auf der Fahrbahn: Was heißt da „sicher führen“? Die Technik soll am Ende viel mehr können als der Mensch, aber eben auch da stößt man schnell an technische (und bei nicht vermeidbaren Unfällen: ethische) Grenzen.

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Ausgabe 2/2015

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Die Fahrtüchtigkeit kann nun auf verschiedene Art und Weise beeinträchtigt sein. Allen voran natürlich durch: Alkohol. Schon ab 0,3 Promille mit zusätzlichen weiteren Ausfallerscheinungen wie Torkeln, Lallen oder das Schlangenlinienfahren ist diese nicht mehr gegeben. Im Gegensatz zu dieser relativen Fahruntüchtigkeit ist die absolute ab 1,1 Promille gegeben (und relativ klar eine Straftat!), früher (60er-Jahre) lag dieser Wert bei sage und schreibe 1,5 Promille (bei Radlern heute noch bei 1,6 Promille, die Verkehrsminister wollen daran wohl auch weiterhin festhalten). Da gibt es nichts mehr zu diskutieren. Der Wert gilt übrigens auch für Kutscher und dreirädrige Krankenfahrstühle. Allerdings ist schon ab 0,5 Promille auf jeden Fall mit einem Fahrverbot von ein bis drei Monaten zu rechnen, als Ordnungswidrigkeit werden dann schnell bis zu 3.000 Euro fällig. Die Dunkelziffer der nicht entdeckten Alkoholfahrten ist trotz aller Strafen relativ wie absolut recht hoch. Sie liegt so bei 1:500 bis 1:600. Die Wahrscheinlichkeit, „erwischt“ zu werden, ist also relativ gering.

Aber es gibt ja auch noch andere „psychoaktive“ Mittelchen, mit denen man seinen Bewusstseinszustand ein wenig (oder eben mehr) eintrüben (oder erweitern?) kann. Bei illegalen Drogen, deren Einsatz eine Straftat ist, kann man eine ganze Horrorliste aufstellen, die im Laufe der Zeit zwangsläufig immer länger werden muss. Allen voran natürlich Cannabis (Haschisch/Marihuana), bei dem hauptsächlich „Tetrahydrocannabinol“ (THC) wirkt und für das es eine recht strikte Grenze von einem Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) gibt. Da kann auch schon mal Passivrauchen zum Verhängnis werden. Natürlich gehören auf die schwarze Liste auch Heroin, Kokain oder Methamphetamin, besser bekannt durch Crystal Meth und zentrales Thema der (Kult-)Serie „Breaking Bad“. Das Problem bei neuen Drogen ist eben, dass der Wirkstoff tatsächlich in der Anlage von § 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) aufgeführt sein muss.

Es gibt aber auch unverdächtige Auslöser herabgesetzter Fitness. Fast jedes fünfte zugelassene Medikament zeigt Wirkung jenseits der gewünschten Hilfe und kann somit zum Problem werden. Allerdings spielen Arzneimittel eine Sonderrolle und sollten daher gegenüber den sonstigen „Rauschmitteln“ gesondert gesehen werden. Ja alleine schon Fieber ist dabei überhaupt nicht zu unterschätzen.

Unverdächtig sind ebenfalls psychische Probleme wie Trennungsschmerz, Müdigkeit, Wut, Stress oder einfach Euphorie. Das ganze potenziert sich vielleicht noch durch die Anwesenheit einer streitbaren Person auf dem Beifahrersitz (so weicht man gezwungenermaßen dem grammatikalischen Genderproblem aus …). Messbar ist das alles nur schwer, aber bestimmt von fast gleicher Auswirkung. Man kann hochgepuschte gefühlsmäßige Zustände auch durch konventionelle Mittel wie den Rauch einer Zigarette oder überlautes Hören von Musik erzielen. Beides ist in entsprechenden Unfallsituationen von Gerichten schon negativ bedacht worden.

Aber auch rein körperliche Beeinträchtigungen sind dabei in Augenschein AUTOR zu nehmen. Ob durch Amputation oder Knochenbruch die Bedienfähigkeit herabgesetzt ist, bleibt am Ende fast unerheblich, hier muss nach aktueller Sachlage und Fähigkeit durch Ärzte entschieden werden. Ja sogar ein Muskelkater (vielleicht verursacht durch Trainingsmaßnahmen zur Erhöhung der Fitness) kann deutliche Einbußen bei der Reaktionszeit zur Folge haben. Es gibt natürlich auch besondere Grenzfälle wie beispielsweise Epilepsie. Dort ist die Feststellung einer anfallsfreien Zeit von entscheidender Bedeutung für die Fahreignung. Bei einem einmaligen Anfall zum Beispiel sechs Monate, bei der Diagnose „Epilepsie“ mindestens ein Jahr.

Wie ein Damoklesschwert schwebt jedoch über all jenen, denen schließlich dann doch die Fahrerlaubnis entzogen wurde und die diese dann gerne zurück hätten, die Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU), im Volksmund kurz „Idiotentest“ genannt. Jährlich müssen fast 100.000 (ehemalige) Führerscheininhaber zu einer solchen Begutachtung, rund die Hälfte wegen Alkoholvergehen. Heutzutage fallen nur noch ein Drittel der Kandidaten (aufgrund gewissenhafterer Vorbereitung) durch (vor einigen Jahren noch jeder Zweite!). Tröstlich ist, dass man die Untersuchung beliebig häufig wiederholen kann. Allerdings bei einem Gesamtpreis für Vorbereitung und Durchführung von 1.000 bis 2.500 Euro bleibt die Anzahl der Versuche durchaus im Rahmen.

Dieses radikale Mittel gibt es seit 1954 und es ranken sich viele Mythen darum. Fest verwurzelt scheint die Geschichte mit dem Gutachter, der den Prüfling bittet, doch mal drei Kugeln übereinander zu stapeln. Ich kenne noch die Sage, der Gutachter würde einem beim Betreten des Raumes einen Ball zuwerfen und bei erfolgreichem Fangen hätte man bestanden. Auch in Musik und Literatur finden sich Spuren. So sang Jim Pansen (schöner Name, heißt aber eigentlich Florian Sump) „Du, du – du musst zur MPU“ (bei You- Tube noch anzuschauen) für die Cannabis-Gemeinde und Kim Fischer hat in ihrem Buch „Im Namen der Jungfrau“ ihre Erfahrungen mit der MPU dargestellt, die ihr aufgrund von sagenhaften 236 Park-Knöllchen aufgebrummt wurde. So schafft man es also auch!

Doch so einfach wie mit den Bällen stellt sich das heute nicht mehr dar (obwohl – drei Bälle stapeln …). Eine ganze „Schulungsindustrie“ hat sich zur Vorbereitung auf eine mögliche MPU etabliert. Ab 1,6 Promille ist die Untersuchung Pflicht, unterhalb davon gibt es unterschiedliche Regelungen in den verschiedenen Bundesländern. Neben Alkohol bieten Drogen, mehr als sieben Punkte oder sonstige Auffälligkeit bei Straftaten Anlass zu einer MPU. Die Untersuchung selbst umfasst Tests zur Reaktionsfähigkeit, Konzentration und Aufmerksamkeit, medizinische Analysen zum Beispiel der Blut- und Leberwerte sowie als absoluten Höhepunkt das psychologische Gespräch.

Unmengen von Tipps zur Vermeidung von Fehlern dabei kursieren im Internet. Mit entsprechenden Programmen wird auch eine Menge Geld verdient. Wichtig scheint vor allem zu sein, sich nicht verteidigen zu wollen, für welche Tat auch immer, sondern den totalen Neuanfang zu proklamieren (ohne große Redepausen). Man sollte wahrscheinlich immer das Gegenteil von dem sagen, was man gerade (oder eigentlich) meint.

Immer wieder wird schließlich der Altersaspekt sehr kontrovers ins Feld (oder besser auf die Straße) geführt. International ganz unterschiedlich gehandhabt, wird die Fahreignung in unterschiedlichen Zeitabständen überprüft, bei uns bis heute eigentlich gar nicht. Allerdings gibt es wohl keine klaren Belege dafür, dass regelmäßige Führerscheintests die Verkehrssicherheit positiv beeinflussen.

Da werden Statistiken herbeizitiert mit entsprechenden positiven wie negativen Argumenten. Ab 75 Jahren scheint jedenfalls das Unfallrisiko deutlich anzusteigen. Davor ist von langjähriger Erfahrung die Rede im Zusammenspiel (vor allem zukünftig) mit Assistenzsystemen und entsprechend vorsichtiger, vorausschauender Fahrweise, was häufig einfach langsam fahren bedeutet.

Mich hat unlängst die niederländische Polizei mit dem Argument angehalten, ich sei zu langsam (60 anstatt erlaubter 80 km/h) gefahren und das sei schließlich gefährlich (mit unserem Jüngsten war ich mir nicht über die einzuschlagende Route im Klaren, „belangt“ worden bin ich deshalb jedoch nicht). Also gibt es anscheinend doch zusätzliche Gefahr durch Langsamfahrer (zumindest jenseits der niederländischen Grenze). Böse Zungen behaupten, genau aus diesem Grunde fahren die Niederländer bei uns so schnell …

In der Zukunft werden aber die autonomen „Vollauto(trau)matisierten“ immer voll fit an den Start gehen beziehungsweise fahren und alle Verkehrsregeln hundertprozentig einhalten. Aber halt, was ist denn dann mit den ganzen klammen Kommunen, die die zu erwartenden Knöllchengelder schon in den Haushalt eingestellt haben und nun leer ausgehen? Wie immer wird den Politikern dafür bestimmt eine Lösung einfallen. Wie wäre es beispielsweise mit einer „Gebühr“ für übertriebene Korrektheit

 

AUTOR

PROFESSOR DR. MICHAEL SCHRECKENBERG, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Onlineverkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein- Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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