Aktuelles Schadensrecht: Einziehung unfallbedingter Mietwagenkosten durch ein Mietwagenunternehmen?

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Die Frage nach dem Ersatz von Mietwagenkosten stellt sich nach einem Verkehrsunfall regelmäßig dann, wenn ein verunfallter Dienstwagen in einer Werkstatt zu reparieren ist und während der Reparaturdauer ein Ersatzfahrzeug benötigt wird.
Normaltarif oder Unfallersatztarif?
Ein ständiger Streitpunkt in diesem Zusammenhang ist zunächst die Frage der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mietwagenkosten, weil die Schadensersatzvorschrift des § 249 Abs. 2 BGB nur den Ersatz der erforderlichen Kosten beinhaltet. Hier wird in der Praxis meist der Rat erteilt, zur Vermeidung eines überteuerten Unfallersatztarifs vor der Anmietung eines Ersatzwagens zumindest drei Vergleichsangebote einzuholen, um dann das im Vergleich günstigste daraus auszuwählen. Der Geschädigte hat grundsätzlich bei Anmietung eines Kraftfahrzeugs Anspruch auf Ersatz nach dem Normaltarif. Ein höherer Unfallersatztarif kann aber dann ersatzfähig sein, wenn bewiesen ist, dass dem Geschädigten eine Anmietung zu diesem Tarif unter zumutbaren Bedingungen nicht möglich war (vgl. LG Aachen, Urteil vom 28.02.2014, Az. 6 S 138/13). Dies liegt daran, dass wegen der Besonderheiten der Situation bei Anmietung eines Unfallersatzwagens bei den Mietwagenkosten beim Unfallersatztarif meist ein Aufschlag von rund 20 Prozent auf den Normaltarif vorgenommen wird. In der Schadensregulierungspraxis wird daher häufig mit dem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer des Unfallverursachers um diese Position gestritten. Ein Kontrollkriterium für die Angemessenheit der Mietwagenkosten ist in diesem Zusammenhang, ob der Geschädigte den Mietwagen auch dann zu den entsprechenden Kosten angemietet hätte, wenn er diese Kosten letztlich selbst zu tragen hätte.
Geltendmachung der Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen?
In der Praxis hat es sich als üblich eingebürgert, dass sich Mietwagenunternehmen die Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten auf Erstattung der Mietwagenkosten abtreten lassen und dann diese abgetretenen Ansprüche selbst gegenüber dem gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer geltend machen.
Der Bundesgerichtshof (BGH-Urteil vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11) hat inzwischen klargestellt, dass ein Mietwagenunternehmen aufgrund einer Abtretungsvereinbarung aktiv legitimiert sein kann, also mit anderen Worten berechtigt ist, die abgetretene Forderung geltend zu machen. Dass dies nicht mehr verständlich ist, ergibt sich aus den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Nach der BGH-Rechtsprechung ist eine solche Abtretung aber nicht gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 1 ff. RDG nichtig. So ist die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Hierbei handelt es sich – so der BGH – um eine erlaubnisfreie Rechtsdienstleistung des Mietwagenunternehmers. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Haftung dem Grunde nach oder die Haftungsquote streitig ist – also die darüber hinausgehende Rechtslage komplex ist – oder Schäden geltend gemacht werden, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehen.
Schwacke-Liste oder Fraunhofer-Liste?
Hinsichtlich der Höhe der nach § 249 BGB zu erstattenden Mietwagenkosten kann das Mietwagenunternehmen den ortsüblichen Normaltarif geltend machen. Hierzu hat sich kürzlich das Landgericht Bonn (LG Bonn, Urteil vom 15.01.2014, Az. 5 S 48/13) geäußert und darauf hingewiesen, dass dieser Tarif im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln ist. Als Schätzgrundlagen sind nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich sowohl der sogenannte Schwacke-Mietpreisspiegel als auch die Fraunhofer-Liste geeignet. Dabei hat der BGH die generelle Eignung beider Tabellenwerke zur Schadensschätzung betont und auch eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel der beiden Markterhebungen als rechtlich zulässig erachtet.

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Die Eignung von Mietwagenlisten bedarf nur dann der Klärung durch einen Sachverständigen, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken. Dies war im Fall des LG Bonn nicht gegeben. Dennoch zeigte die Entscheidung, mit welchen Einwänden des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers des Unfallschädigers man heutzutage zu rechnen hat.
So hatte der Unfallschädiger Internetangebote dreier Autovermieter vorgelegt. Nach Ansicht des LG Bonn genügen diese aber nicht, um auszuschließen, dass die Werte des Schwacke- Mietpreisspiegels bei der Ermittlung der erforderlichen Kosten jedenfalls auch – neben den Werten der Liste des Fraunhofer-Instituts – herangezogen werden können. Aus den vorgelegten Angeboten ergab sich nach Ansicht des Gerichts nämlich nicht hinreichend, dass die jeweiligen Unfallgeschädigten ein vergleichbares Fahrzeug einschließlich Vollkaskoversicherung und ersatzfähiger Nebenleistungen zu den dort genannten Preisen hätten anmieten können. Der Schädiger hat keine vollständigen Angebote einschließlich Nebenleistungen vorgelegt. Die Bedingungen der Vollkaskoversicherung und die Höhe der Selbstbeteiligung waren zudem teilweise unklar. Bei einem Angebot lag die Selbstbeteiligung bei 850 Euro und damit oberhalb derjenigen, die in den Werten der Schwacke-Liste 2012 eingepreist ist. Die Werte der Schwacke-Liste enthalten eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 500 Euro.
Die Angebote spiegelten ferner die konkrete Anmietsituation nicht ausreichend wider und bezogen sich zudem auf einen Zeitpunkt, der einige Monate nach dem tatsächlichen Anmietzeitpunkt lag. Ihnen ließ sich – so das LG Bonn – weder entnehmen, dass zu dem maßgeblichen tatsächlichen Anmietzeitpunkt ein Fahrzeug der gewünschten Kategorie mit der gewünschten Ausstattung zur Verfügung gestanden hat, noch ob eine Vorbuchungsfrist hätte gewahrt werden müssen. Auch die konkreten Mietbedingungen der jeweiligen Anbieter waren nicht aufgeführt, sodass nicht in ausreichendem Umfang überprüfbar war, ob die Angebote mit denen, die der Bewertung in der Schwacke-Liste zugrunde liegen, annähernd vergleichbar sind.
Nachdem die Parteien im vorliegenden Fall keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargetan hatten, dass die Schwacke-Liste oder die Fraunhofer- Liste so schwerwiegende Mängel aufweist, dass diese ihre Heranziehung als Schätzgrundlage ausschließen würden, hielt das LG Bonn es für angemessen, die gemäß § 249 BGB zu ersetzenden erforderlichen Kosten durch Bildung des arithmetischen Mittelwerts aus den Werten dieser beiden Tabellenwerke zu ermitteln.
Checkpunkt Schaden: Tankfüllung als Schadensposition in der Unfallabrechnung
Hätten Sie es gewusst? Im Rahmen der Unfallschadensregulierung eines total beschädigten Dienstwagens kann auch die letzte Tankfüllung als Schadensersatzposition geltend gemacht werden. Je nachdem, wie lange die letzte Betankung zurücklag, kann diese Position sich durchaus innerhalb der Schadensabrechnung merklich auswirken.
Bei dieser Schadensposition kommt es in der gerichtlichen Praxis häufig vor, dass der Anspruch deshalb nicht durchsetzbar ist, weil der Geschädigte weder zum Inhalt des Tanks zum Zeitpunkt des Unfalls noch zur Höhe der Kosten hinreichend substantiiert vorträgt. Voraussetzung für die Schadensregulierung ist deshalb ein vernünftiges Dienstwagenmanagement, bei dem anhand der Quittung der letzten Betankung sowie des Durchschnittsverbrauchs und der weiteren Fahrleistung seit dem letzten Tankvorgang ermittelt werden kann, wie groß
der Tankinhalt zum Unfallzeitpunkt noch war. Auch kann ein Gericht Schadensersatz für eine anteilige Tankfüllung bei Totalschaden im Wege der Schätzung zusprechen. Dies setzt allerdings voraus, dass hinreichende Schätzgrundlagen vorhanden sind. Sofern ein eingeholtes Sachverständigengutachten zur Tankfüllung keinerlei Aussagen enthält, setzt eine gerichtliche Schätzung nach § 287 ZPO voraus, dass Anhaltspunkte für eine Schätzung vorhanden sind. Hieran fehlt es dann, wenn ein Beleg in Bezug auf die letzte Tankung des Fahrzeugs fehlt (vgl. AG Weilburg, Urteil vom 01.10.2013, Az. 5 C 56/13 (54)). Insoweit kann sich die Nutzung eines Tankkartensystems für Dienstwagen im Rahmen der Schadensregulierung positiv auswirken, weil die benötigten Daten für eine Schadensschätzung dort regelmäßig hinreichend erfasst werden.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
Autor
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht, unter anderem in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“, „Der Kfz- Sachverständige“ und „autorechtaktuell.de“. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.

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