Aus den Augen aus dem Sinn?
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

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Der Vorwurf der Verkehrsunfallflucht kann jeden Verkehrsteilnehmer treffen. Viele Autofahrer sind der irrigen Ansicht, dass überhaupt nur derjenige Autofahrer eine strafbare Unfallflucht begehen kann, der den Unfall auch verursacht und verschuldet hat. Dieses Halbwissen kann in der Praxis aber recht verhängnisvoll werden. Wer einen Unfall verursacht und sich danach berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt, etwa weil er einen Verletzten ins Krankenhaus bringt, der muss nachträglich gegenüber Unfallbeteiligten oder der Polizei seine Personalien angeben. Wer dies versäumt, macht sich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort strafbar und riskiert bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Der Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung zur Unfallflucht.
Neues aus Karlsruhe: das Bundesverfassungsgericht und die Unfallflucht
Unlängst hat sich das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 19. März 2007 mit der Strafvorschrift des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB befasst (BVerfG, Beschluss vom 19.03.2007, Az. 2 BvR 2273/06). Der Bundesgerichtshof und ihm folgend die Strafgerichte der unteren Instanzen haben in jahrelanger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, dass auch derjenige wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu bestrafen sei, der sich vorsatzlos entfernt habe, weil er den Unfall zunächst nicht bemerkt hat. Bisher machte sich nach der BGHRechtsprechung also auch strafbar, wer zunächst unabsichtlich weiterfährt, dann aber – nachdem er den Unfall bemerkt hat – nicht unverzüglich die Feststellung seiner Personalien ermöglicht. Dagegen wandte sich ein vom Amtsgericht Herford verurteilter Angeklagter, der vor dem Bundesverfassungsgericht klagte und gewann. Wer einen Unfall verursacht, ohne dies zunächst zu bemerken, dann aber später darauf aufmerksam gemacht wird, darf – so die Karlsruher Verfassungsrichter – künftig nicht mehr wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort bestraft werden. Wer sich „berechtigt oder entschuldigt“ vom Unfallort entferne, handele unter ganz anderen Voraussetzungen als derjenige, der das mangels Kenntnis des Unfallgeschehens tue. Die Verfassungsrichter waren der Ansicht, dass bei einer Bestrafung in diesen Fällen der Wortlaut des einschlägigen § 142 StGB unzulässig ausgedehnt werde und damit gegen das sogenannte „Bestimmtheitsgebot“ im Grundgesetz verstoße. Damit hat das Bundesverfassungsgericht die langjährige BGH-Rechtsprechung zur Fahrerflucht gekippt.
Versicherungsrechtliche Folgen:
Unfallflucht kostet den Versicherungsschutz

Aktuelles Magazin
Ausgabe 5/2007

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Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Ein Fuhrparkleiter kommt nicht umhin, sich mit der Strafvorschrift der Unfallflucht zu befassen. Der Grund hierfür liegt nicht ganz offen auf der Hand, da der Fuhrparkleiter seine Arbeit regelmäßig vom Schreibtisch aus erledigt und üblicherweise mit dem eigentlichen Unfallgeschehen nichts zu tun hat. Das Stichwort lautet hier Schadensprävention beziehungsweise Schadensmanagement, zu dem auch eine entsprechende Aufklärung und Belehrung der Fahrer und Dienstwagennutzer gehört. Angesichts der möglicherweise erheblichen negativen wirtschaftlichen Folgen einer Unfallflucht sind Präventionsmaßnahmen durchaus angebracht. Denn die unbedachte Unfallflucht eines Handelsvertreters kann den Arbeitgeber den Versicherungsschutz kosten.
Nach § 6 Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 Satz 4 der Allgemeinen Bedingungen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen (AKB) muss die Versicherung nicht leisten, wenn der Versicherungsnehmer eine Unfallflucht begangen hat. Mit einer Unfallflucht verletzt der Versicherte seine versicherungsvertraglichen Pflichten. Wird der Unfall zu spät gemeldet, hat die Versicherung nicht mehr die Möglichkeit, die die Haftung ausschließenden Gründe zu überprüfen, ob beispielsweise der Fahrer grob fahrlässig handelte oder ob etwa Alkohol im Spiel war.
Dazu ein gängiges Beispiel aus der Praxis: Ein für ein Unternehmen tätiger Handelsvertreter hatte nach einem Verkehrsunfall Unfallflucht begangen und sich erst am nächsten Tag bei der Polizei gemeldet. Die Versicherung verweigerte daraufhin die Schadensregulierung. Daraufhin verklagte die Firma ihre Vollkaskoversicherung auf Zahlung. Das Oberlandesgericht wies die Zahlungsklage in zweiter Instanz ab und gab der Versicherung Recht. Maßgeblich sei, dass der Handelsvertreter den Wagen ständig benutzt habe. Deshalb müsse sich die Firma als Versicherungsnehmer so behandeln lassen, als habe sie selbst pflichtwidrig gehandelt (OLG Koblenz, Urteil vom 22.12.2000, Az. 10 U 508/00). Ein Autofahrer, der Unfallflucht begeht, verliert also selbst dann den Schutz seiner Vollkaskoversicherung, wenn er den Unfall am folgenden Tag noch der Polizei meldet.
Das Verlassen der Unfallstelle stellt nach der Rechtsprechung stets eine Verletzung der Aufklärungs- und Obliegenheitspflicht in der Kaskoversicherung – ebenso wie in der Haftpflichtversicherung – dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird, auch bei eindeutiger Haftungslage. Der Versicherer hat ein schutzwürdiges Aufklärungsinteresse, da es in der Kaskoversicherung dem Versicherer darum geht zu prüfen, ob er von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden ist, weil der Versicherungsnehmer den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Die Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit entfällt in der Fahrzeugversicherung lediglich dann, wenn es sich um einen „Alleinunfall“ oder einen Unfall mit einem völlig belanglosen Fremdschaden handelt (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.09.2006, Az. 12 U 21/06).
Die Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlicher Verwirklichung der Unfallflucht kann auch nicht mehr im Nachhinein dadurch beseitigt werden, dass der Versicherungsnehmer in seiner Einspruchsschrift sein Bedauern ausspricht. Vielmehr muss in einem solchen Fall dargelegt werden, inwieweit das Verschulden als gering anzusehen ist. Andernfalls ist von einem erheblichen Verschulden auszugehen (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.06.2006, Az. 3 U 202/05). Der Grund für die Leistungsbefreiung zu Gunsten der Versicherung ist der Umstand, dass eine Unfallflucht generell geeignet ist, die Interessen der Versicherung ernsthaft zu gefährden.
Auch kann sich hier in letzter Konsequenz Schlamperei bei der Führerscheinkontrolle durch den Fuhrparkleiter auswirken: So kann insbesondere eine Fahrt ohne Führerschein mit einem Unfall und anschließender Unfallflucht teuer zu stehen kommen – vor allem natürlich den Unfallfahrer. Der Autofahrer hatte sich nach einem Unfall unerlaubt von der Unfallstelle entfernt. Er wollte dabei offenbar vertuschen, dass er nicht im Besitz eines Führerscheins war. Die Versicherung warf ihm im sich anschließenden Regressprozess auf Rückzahlung der geleisteten Versicherungssumme deswegen vor, gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen zu haben. Nach dem Urteil des Landgerichts Kaiserslautern musste der Unfallfahrer den Schaden des Unfallgegners bis zu einer Höhe von 10.000 Euro aus eigener Tasche zahlen, da die Auto- Haftpflichtversicherung des Unfallfahrers wegen dessen Pflichtverletzungen bis zu dieser Höhe leistungsfrei werde (LG Kaiserslautern, Az.: 3 O 621/04). Besonders relevant war aber folgendes: Nach geltendem Recht wird eine Kfz- Haftpflichtversicherung bis zu einem Betrag von 5.000 Euro leistungsfrei, wenn ein Versicherter Unfallflucht begeht. In diesem Fall verdoppelte sich der Betrag aber, da sich der Versicherte bereits vor dem Unfall vertragswidrig verhalten hatte, indem er ohne gültigen Führerschein gefahren sei.
Durch das ab dem 1. Januar 2008 geltende neue VVG wird sich hier zu Gunsten der Versicherten und der Fuhrparks vor allem der Wegfall des sogenannten Alles-oder-Nichts-Prinzips auswirken. Versicherte, die künftig ihre Aufklärungs-, Anzeige-, Obliegenheits- oder Sorgfaltspflichten aus dem Versicherungsvertrag grob fahrlässig verletzen, verlieren dann nicht mehr wie bisher automatisch alle Ansprüche auf die Versicherungsleistung. Die Folgen richten sich dann vielmehr nach der Schwere des jeweiligen Verschuldens, d.h. die Versicherungsleistungen können zukünftig nur noch entsprechend dem Verschuldensgrad gekürzt werden, was dann aber wohl für jeden Einzelfall konkret zu prüfen sein wird. Hier kann sich also künftig ein neues Streitpotenzial im Fuhrparkmanagement auftun.
Im Jahr 2006 wurde in Nordrhein-Westfalen alle 5 Minuten eine „Unfallflucht“ bekannt.
Im Prinzip ist es für das Fuhrparkmanagement also keine Frage, ob man überhaupt mit einer Unfallflucht konfrontiert wird, sondern eher eine Frage, wann dies geschieht. Dazu ein exemplarischer Blick auf die Verkehrsunfallstatistik 2006 der Polizei in Nordrhein-Westfalen als einem der größten Bundesländer: dort hat im Jahre 2006 die Zahl der Verkehrsunfälle mit „Flucht“ seit 2002 insgesamt um 8,1 % auf 107.065 Fälle zugenommen. Im Jahr 2006 stieg sie um 4,2 %. Die Aufklärungsquote stieg dabei von 41,3 % im Jahr 2002 auf 46,4 % im Jahr 2006. Im Jahr 2006 wurden immerhin 49.653 Fälle von Unfallflucht aufgeklärt. Die Aufklärungsquote bei Fällen von Unfallflucht bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden lag sogar bei 59 %, bei Unfällen mit Getöteten sogar 78 %. Für die übrigen Bundesländer sind im Schnitt durchaus ähnliche Zahlen und Tendenzen festzustellen.
Was muss der Fuhrparkleiter zur Aufklärung und Belehrung der Fahrer wissen
Der Fuhrparkleiter darf sich nicht auf die Empfehlung beschränken, dass nach einem Verkehrsunfall einfach das Autokennzeichen anzugeben und die Visitenkarten auszutauschen seien. Wer als Fahrer so vorgeht und alsdann seine Fahrt fortsetzt, riskiert trotzdem eine Anzeige wegen Unfallflucht. Und den Versicherungsschutz. Um als Fuhrparkmanager die Dienstwagennutzer hier über das richtige Verhalten am Unfallort zutreffend belehren zu können, ist ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen der Unfallflucht angebracht. Wann liegt eigentlich ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vor, wie wird eine Unfallflucht bestraft und welches sind die sonstigen Folgen einer Unfallflucht
So lautet das Gesetz:
§ 142 StGB Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
2. berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
(4) Das Gericht mildert in den Fällen der Absätze 1 und 2 die Strafe (§ 49 Abs. 1) oder kann von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Unfallbeteiligte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht (Absatz 3).
(5) Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Wann liegt ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort vor
Nach § 142 StGB wird derjenige bestraft, der sich als an einem Verkehrsunfall Beteiligter vom Unfallort entfernt, ohne zuvor den anderen Unfallbeteiligten die Feststellung seiner Personalien ermöglicht zu haben oder hierzu wenigstens eine angemessene Zeit gewartet zu haben, sowie derjenige, der sich zwar erlaubt vom Unfallort entfernt hat, die erforderlichen Feststellungen aber nicht nachträglich unverzüglich ermöglicht. Die Aufklärung von Unfällen im Straßenverkehr soll also nicht dadurch vereitelt werden, dass sich ein Unfallbeteiligter durch Entfernen vom Unfallort den erforderlichen Feststellungen entzieht. Sinn und Zweck dieser Strafvorschrift liegen also im Zivilrecht: der Straftatbestand dient allein der Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche sowie dem Schutz vor möglicherweise nicht entstandenen, unbegründeten bzw. unberechtigten Schadenersatzansprüchen. Dennoch ist die Norm für den juristischen Laien nicht ganz übersichtlich.
Wann liegt ein Unfall vor
Zunächst muss ein Unfall vorliegen. In Betracht kommt hier jedes plötzliche und unerwartete Ereignis, durch das entweder ein Mensch zu Schaden kommt oder ein nicht ganz belangloser Sachschaden verursacht wird. Der Sachschaden darf also nicht derart belanglos sein, dass vernünftigerweise von vornherein mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nicht zu rechnen ist. Die Grenze der Belanglosigkeit liegt nach der Rechtsprechung bei 25 Euro. Der berüchtigte Parkrempler mit „Streifschusskratzer“ im Lack, Beulen im Blech oder ein verkratzter oder abgebrochener Außenspiegel gehen heutzutage angesichts der deutlich höheren Reparaturkosten nicht mehr als belanglose Lappalie durch. Maßgeblicher Unfallort ist dabei stets die Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat bzw. die beteiligten Fahrzeuge zum Stehen gekommen sind einschließlich ihrer unmittelbaren Umgebung.
Was muss der unfallbeteiligte Fahrer tun
Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen des Einzelfalles zur Verursachung des Unfalles beigetragen, also eine Mitursache gegeben haben kann. Wer hier ohne angemessene Wartezeit einfach davonfährt, ohne Feststellungen über seine Unfallbeteiligung zu ermöglichen, begeht Unfallflucht macht sich strafbar. Ausnahmen gelten nur in Notfällen. Unfallbeteiligter ist man beispielsweise dann, wenn man wegen eines Tieres, das auf die Fahrbahn läuft, stark bremst und der Nachfolgende dann auffährt. Auch der Beifahrer, der Abfall oder eine leere Getränkedose achtlos aus dem Fenster wirft und dadurch einen Unfall verursacht kann ebenso Unfallbeteiligter sein wie der selbst im Auto mitfahrende Fahrzeughalter, der einem Betrunkenen das Auto überlässt. Für den im Auto mitfahrenden Fuhrparkleiter kann sich also eine Haftung z.B. aus einem Weisungsrecht gegenüber dem Fahrer ergeben. Hingegen ist ein Zeuge, der den Unfall lediglich beobachtet hat, kein Unfallbeteiligter.
Die Feststellungen sind durch Anwesenheit am Unfallort (sog. Feststellungsduldungspflicht) und durch die Angabe des Wartepflichtigen zu ermöglichen, dass er am Unfall beteiligt sei (sog. Vorstellungspflicht). Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass nach unserer Strafrechtsordnung niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten oder gar durch eigenes Verhalten zu einer gegen ihn selbst gerichteten ordnungs- oder strafrechtlichen Sanktion aus anderen Delikten wie z.B. Straßenverkehrsgefährdung, Sachbeschädigung, Körperverletzung beizutragen. Das Bundesverfassungsgericht hat längst die Verfassungskonformität des Straftatbestandes bejaht (BVerfGE 16, 191).
Was bedeuten die genannten Pflichten des Fahrzeugführers aber konkret
Was soll der Fuhrparkmanager den Fahrern bei der Fahrzeugübergabe mit auf den Weg geben
Hinweisen sollte man auf folgendes:
- Die Anwesenheit der eigenen Person ist notwendig;
- die Personalien sind anzugeben;
- auch das Kraftfahrzeug des (auch nur vermeintlichen) Schädigers muss für eine gewisse Dauer am Unfallort bleiben;
- eine generelle Verpflichtung, die Aufklärung des Unfallhergangs durch aktive Mitwirkung zu fördern, besteht nicht.
Das Gesetz verlangt vom Unfallbeteiligten nicht, dass er sich selbst als Unfallverursacher bezichtigt. Es genügt also, am Unfallort zu bleiben und seine Personalien anzugeben. Es ist dabei völlig ausreichend, dass der Unfallbeteiligte lediglich angibt, dass er an einem Unfall beteiligt sein kann. Mehr braucht man nicht zu sagen oder zu tun.
Dringend davor zu warnen ist, lediglich das Kfz-Kennzeichen anzugeben und Visitenkarten auszutauschen. So begeht beispielsweise ein Taxifahrer Unfallflucht, wenn er nur seine Taxinummer angibt. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg genügt ein unfallbeteiligter Taxifahrer seiner Mitwirkungspflicht an der Aufklärung des Unfalls regelmäßig nicht, wenn er dem Unfallgegner gegenüber nur die Taxinummer verbunden mit der Aufforderung angibt, sich mit dem Taxiunternehmer wegen der Schadensregulierung in Verbindung zu setzen. Die Richter verurteilten ihn wegen Unfallflucht. (OLG Nürnberg, Az. 2 St OLG Ss 300/06).
Bei einem Parkrempler ist es ebenfalls unzureichend, seine Visitenkarte oder einen Zettel mit Anschrift und Kennzeichen an die Windschutzscheibe des Geschädigten zu heften. Einerseits kann die Karte schon durch einen Windstoß verloren gehen und andererseits kann so die Art der Beteiligung später evtl. nicht mehr geklärt werden. Auch in solchen Fällen darf man sich also nicht einfach entfernen.
Wie weit darf man nach dem Unfall noch fahren
Eine konkrete Mindestentfernung für das Eingreifen des Straftatbestandes der Unfallflucht gibt es nicht. Die Rechtsprechung ist hier durchaus uneinheitlich. Einige Gerichte nehmen an, dass man bei einem geringen Sachschaden von unter 100 Euro unter Umständen auch noch 100 Meter weiterfahren dürfe. Demgegenüber soll man sogar 200 bis 250 Meter weiter fahren dürfen, wenn noch Sicht- und Rufkontakt mit dem Geschädigten besteht. Entscheidend ist also, ob sich der Fahrzeugführer in einer solchen Weise von der Unfallstelle abgesetzt hat, dass ein Zusammenhang mit dem Unfall nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist. Der Bundesgerichtshof hat hierzu bestätigt, dass ein bloßes Weiterfahren in den Grenzen des Bremsweges sowie das Ausrollen lassen des Fahrzeuges zulässig sind, wobei die Schrecksekunde natürlich zu berücksichtigen sei.
Keinesfalls sollte man sich zur Vermeidung eines Verkehrsstaus erst einmal einen geeigneten Parkplatz für sein Fahrzeug suchen, um dann wieder zu Fuß an die Unfallstelle zurückzukehren. Nicht selten ist dann der angeblich Geschädigte bereits weggefahren, um bei der Polizei Anzeige wegen „Verkehrsunfallflucht“ zu erstatten. Ist der Unfallgegner also nicht mehr auffindbar, spricht dies nicht automatisch dafür, dass der andere Unfallbeteiligte kein Interesse an Feststellungen zum Unfallgeschehen und seiner Regulierung mehr gehabt hätte. Besondere Vorsicht ist einem Unfall unmittelbar vor dem eigenen Firmengelände geboten: auch in solchen Fällen ist man für den Geschädigten nicht ohne weiteres erkennbar und erreichbar, wenn man „kurz“ in die Firma geht, um die Unfallregulierung zu veranlassen oder einen Anruf zu tätigen. Streng genommen darf man also nicht einmal ins nahe gelegene Büro zurück gehen, um Stift und Papier für die Unfallaufnahme zu holen – es sei denn, man hätte den Geschädigten zuvor hierüber informiert und dieser wäre damit einverstanden. Auch kurzzeitiges Entfernen ist grundsätzlich mit Strafe bedroht, kann aber gerechtfertigt sein, wenn man zum Beispiel von einer Telefonzelle die Polizei verständigt oder Hilfe herbeiholt. Vorsicht ist im Übrigen auch bei einer Veränderung des Standorts des Kraftfahrzeuges geboten, jedenfalls wenn diese für die anschließende Unfallursachenermittlung von Bedeutung sein kann. Ansonsten ist auch ein seitliches Abstellen des verunfallten Wagens bzw. dessen Entfernen aus dem fließenden Verkehr durchaus zulässig.
Die Einhaltung der Mindestwartezeit ist unumgänglich
Die entscheidende Frage, wie lange man an der Unfallstelle warten muss, wenn – insbesondere während der Nachtzeit – keine feststellungsbereiten Personen vorhanden sind, kann leider nicht generell beantwortet werden. Das Gesetz fordert hier eine nicht näher definierte Wartepflicht, was bedeutet, der Unfallbeteiligte muss an der Unfallstelle auf das Eintreffen einer feststellungsbereiten Person warten und dann seinen weiteren Pflichten nachkommen. Die Wartepflicht selbst ist gesetzlich nicht normiert und wird von den Gerichten im Einzelfall bestimmt. Maßgeblich ist „eine den Umständen des Einzelfalles angemessene Zeitspanne“. Hierher gehört der typische Fall, dass jemand nachts von der Fahrbahn abkommt und eine Leitplanke beschädigt. Die Dauer der „angemessenen“ Wartezeit hängt im Wesentlichen von der Art und der Höhe des Fremdschadens ab. Jedenfalls beträgt aber die Mindestwartezeit nach einem Unfall, bei dem der Geschädigte nicht unmittelbar vor Ort ist, 15 Minuten, je nach der Höhe des Fremdschadens. Hiervon gibt es grundsätzlich keine Ausnahmen, es sei denn, man hat sich berechtigt oder entschuldigt kurz entfernt, um dann nachträglich alles unverzüglich nachzuholen. So wird bei einem nächtlichen Unfall auf kaum befahrener Straße bei geringem Schaden eine Wartezeit von mindestens 30 Minuten verlangt, die sich bei größeren Schäden bis zu 90 Minuten verlängern kann. Die Rechtsprechung ist sehr uneinheitlich. In Gerichtsentscheidungen kann man Wartezeiten von 10 Minuten bis zu mehreren Stunden finden. Im Zweifelsfall sollte jedoch mindestens 30 Minuten lang gewartet werden.
Nach Ablauf der Wartezeit – Mitteilung an die Polizei
Selbst wer nach Ablauf der Wartezeit oder berechtigterweise die Unfallstelle verlässt, bleibt nur dann straffrei, wenn er unverzüglich die erforderlichen Feststellungen nachträglich ermöglicht. Dazu gehört, dass er dem Geschädigten oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist. Er muss ferner seine Anschrift, seinen Aufenthaltsort, das Kennzeichen und den Standort des beteiligten Fahrzeugs bekannt geben. Unverzüglich bedeutet aber nicht „sofort“. Wie lange man mit der Benachrichtigung warten darf, um sich nicht dem Vorwurf der Unfallflucht auszusetzen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei einem Unfall am Tag muss die Benachrichtigung spätestens bis zum Abend nachgeholt sein. Bei einem nächtlichen Unfall soll bei klarer Haftungslage selbst bei erheblichem Schaden eine Benachrichtigung des Geschädigten oder der Polizei am nächsten Morgen noch ausreichen.
Nur 24 Stunden? Tätige Reue und nachträgliche Ermöglichung von Feststellungen
Gelegentlich wird die Meinung geäußerte, ein Unfallbeteiligter habe 24 Stunden Zeit, um sich bei der Polizei zu melden. Das ist leider grundfalsch und beruht auf einem landläufigen Irrtum. Hat man nämlich erst einmal die Unfallstelle unerlaubt verlassen, ist die Straftat der Unfallflucht verwirklicht. Es besteht dann lediglich die Chance, bei Gericht durch „tätige Reue“ eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe zu erreichen, wenn man sich innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei oder dem Geschädigten meldet. Diese Möglichkeit der „Nachmeldung“ besteht aber nach § 142 Abs.4 StGB nur in ganz bestimmten Fällen, nämlich
- wenn sich der Unfall nicht im fließenden Verkehr ereignet hat (z.B. Beschädigung eines parkenden Autos
- wenn keine Person verletzt worden ist
- wenn der Unfallschaden nicht bedeutend ist, d.h. derzeit ca. 1.300 Euro nicht überschreitet;
- wenn dies freiwillig geschieht, d.h. zum Zeitpunkt der Nachmeldung darf der Täter der Polizei noch nicht bekannt sein.
Wenn die Polizei erst einmal vor der Tür steht, ist alles zu spät. Üblicherweise wird eine erhebliche Geldstrafe verhängt. Hinzu kommen 7 Punkte in der Verkehrszentralkartei und der Entzug der Fahrerlaubnis für mindestens 6 Monate. Selbst wenn das Gericht von Strafe absieht, bleibt es übrigens bei einem Eintrag von Punkten in der Verkehrssünderkartei.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
Rechtsprechung zur Unfallflucht
Keine Fahrerflucht, wenn Unfallverursacher 20 Minuten am Unfallort verbleibt und die Polizei unverzüglich nachträglich informiert
Bleibt ein Versicherter nach einem von ihm verursachten Unfall mit lediglich Sachschaden an Leitplanken ca. 20 Minuten am Unfallort, um seinen Wagen aus der Gefahrenzone zu bringen und herumliegende Fahrzeugteile zu entfernen, so genügt er damit seiner Wartepflicht nach § 142 StGB. Meldet er dann den gegen 20 Uhr verursachten Schaden am nächsten Morgen der Polizei, so ist diese Meldung unverzüglich im Sinne des § 142 StGB. Sein Verhalten stellt sich dann nicht als Unfallflucht dar und verstößt damit auch nicht gegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB). (AG Homburg, Urteil vom 31.05.2006, Az. 7 C 327/05)
Keine Unfallflucht nach bloßem Touchieren der Leitplanke
Eine Kfz-Vollkaskoversicherung kann sich nicht darauf berufen, gem. § 6 Abs. 3 VVG i.V.m. § 7 I. Abs. 2 S. 3 AKB leistungsfrei geworden zu sein, weil der Versicherte vertragliche Aufklärungsobliegenheiten verletzt habe, wenn dieser lediglich minimal mit seinem Fahrzeug eine Leitplanke gestreift und sich vom „Unfallort“ entfernt hat. Bei einem Leitplankenschaden unter 80 Euro fehlt es insofern am Tatbestand der Unfallflucht nach § 142 StGB bzw. an einer Aufklärungspflichtverletzung. (AG Lahr, Urteil vom 10.06.2005, Az. 2 C 76/04)
Verlässt der Geschädigte die Unfallstelle vor dem Schädiger, so entfällt für diesen die Wartepflicht Nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich nicht strafbar, wer nach einem Unfall eine Unterredung über den Schadenausgleich barsch beendet, dann aber länger am Unfallort verbleibt, als der Unfallgegner. In diesen Fällen scheidet auch eine Strafbarkeit gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus, da keine Wartepflicht mehr besteht, wenn der feststellungsberechtigte Unfallgegner bereits die Unfallstelle verlassen hat. (AG Kerpen, Urteil vom 05.04.2005, Az. 22 C 369/04)
17 Monate zurückliegende Unfallflucht rechtfertigt noch keine Zweifel an der Kraftfahreignung
Eine Unfallflucht, die bereits 17 Monate zurückliegt, rechtfertigt nicht die Anordnung der Durchführung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Dies allein begründet jedenfalls keine Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs in einem Maß, das die Begutachtung vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechtfertigt. (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.07.2006, Az. 1 W 33/06)

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Ausgabe 5/2007

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