Schadenregulierung mit Versicherern: Obliegenheitsverletzungen und Kürzungsquoten

Schadenregulierung mit Versicherern: Obliegenheitsverletzungen und Kürzungsquoten
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Im Rahmen der Unfallschadenregulierung hat es der Fuhrparkverantwortliche nicht nur mit dem Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners zu tun, dessen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden soll. Sehr häufig spielt auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Kaskoversicherer im Rahmen der Teilkasko- oder der Vollkaskoversicherung eine nicht unerhebliche Rolle. In den allermeisten Fällen geht es dann um die Frage, ob der Versicherer wegen sogenannter Obliegenheitsverletzungen zu Leistungskürzungen berechtigt oder sogar gänzlich leistungsfrei geworden ist.

Versicherungsrechtliche Grundlagen: Anzeigepflicht und Obliegenheitsverletzung
Von besonderer Bedeutung für alle Versicherungsvertragsverhältnisse sind die im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelten Anzeigepflichten und andere Obliegenheiten sowie die Regelungen zur Gefahrerhöhung.

Nach § 19 VVG (Anzeigepflicht) hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.

Der Versicherungsnehmer darf nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten. Erkennt der Versicherungsnehmer nachträglich, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat, hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Tritt nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen ein, hat er die Gefahrerhöhung, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen; vgl. § 23 VVG.

Im Falle der Gefahr hat der Versicherer sogar die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen das Versicherungsverhältnis wegen der Gefahr zu kündigen, vgl. § 24 VVG. Alternativ kann er aber auch nach § 25 VVG an Stelle einer Kündigung ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung eine seinen Geschäftsgrundsätzen für diese höhere Gefahr entsprechende Prämie verlangen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Regelung des § 26 VVG, welche die Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung regelt. Eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr gilt aber nach § 27 VVG als mitversichert.

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Aktuelles Magazin

Ausgabe 5/2013

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Von besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit der bereits vor einigen Jahren zum 01.01.2008 erfolgten Reform des Versicherungsvertragsrechts die Aufgabe des genannten „Alles- oder-Nichts-Prinzips“ bei der Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer.

Dies ist für Fuhrparkbetreiber und Flottenmanager sicherlich die bedeutsamste Änderung im Verhältnis zu den vorher geltenden Regelungen. Nach dem überholten Alles-oder-Nichts-Prinzip hatte ein Versicherungsnehmer beispielsweise keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführte. Demgegenüber hatte er nur Anspruch auf volle Entschädigung, wenn ihm lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen war. Es galt also „0 oder 100 %“.

Nachdem seit Anfang 2008 geltenden Recht erhält der Versicherte auch dann anteilig Versicherungsschutz, wenn er zum Beispiel den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt. Verletzt der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss vertragliche Pflichten oder andere Obliegenheiten grob fahrlässig, bemessen sich die Folgen danach, wie stark sein Verschulden wiegt. Einfach fahrlässige Verstöße bleiben für den Versicherungsnehmer folgenlos. Bei grob fahrlässigen Verstößen des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten kann die Leistung entsprechend der Schwere des Verschuldens gekürzt, jedoch nicht mehr vollständig versagt werden. Bei vorsätzlichen Verstößen bleibt es aber dabei, dass der Versicherer von seiner Pflicht zur Leistung frei wird.

Flexible Reaktionsmöglichkeiten der Versicherer bei Obliegenheitsverletzung
Nach § 28 VVG, der die Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit regelt, bestehen flexible Reaktionsmöglichkeiten.

Auszug aus dem VVG
§ 28 Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit (1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit; vgl. § 28 Abs. 1 VVG.

Bei einer vorsätzlichen Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer; vgl. § 28 Abs. 2 VVG.

Abweichend hiervon ist der Versicherer aber zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich geworden ist, vgl. § 28 Abs. 3 VVG. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

Voraussetzung für die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers ist aber, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen haben muss. Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.

Beispiele aus der neueren Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 06.07.2011, Az. IV ZR 108/07) hatte bereits kurz nach der VVG-Reform – allerdings noch zum alten Recht – klargestellt, dass in der Kfz-Kaskoversicherung eine zu hohe Angabe vorhandener Fahrzeugschlüssel generell nicht geeignet sei, Interessen des Versicherers zu gefährden.

Zwar liege in der objektiv falschen Angabe zur Anzahl der vorhandenen Schlüssel eine Obliegenheitsverletzung i. S. von § 7 I (2) Satz 3 AKB. Die dem Versicherungsnehmer hiernach obliegende Aufklärung gebiete es, auf Fragen des Versicherers zutreffende Angaben zur Anzahl der Fahrzeugschlüssel zu machen. Rechtsfolge einer Verletzung dieser Obliegenheit ist gemäß § 7 V (4) AKB Leistungsfreiheit nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 VVG a. F.

Nach der Relevanzrechtsprechung des BGH setzt die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle einer zwar vorsätzlichen, aber folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ein erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers, dessen ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung sowie deren generelle Eignung, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, voraus.

Ein der Versicherung entstandener Nachteil durch die falsche Angabe ist aber nicht ersichtlich. Insbesondere sind die Aufklärungsmöglichkeiten des Versicherers, ob tatsächlich ein Versicherungsfall vorgelegen hat, durch die unzutreffende Angabe des Versicherungsnehmers nicht beeinträchtigt worden. Anders als bei zu niedriger Angabe der Anzahl der Schlüssel ist deren zu hohe Angabe in der Fahrzeugversicherung generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden. Denn in diesem Falle wird der Versicherer wegen des aus seiner Sicht fehlenden Schlüssels allenfalls dazu veranlasst werden, die Regulierung zurückzustellen, bis der Verbleib des vermeintlich fehlenden Schlüssels geklärt ist.

Im Zusammenhang mit den Schlüsseln geht das Interesse des Versicherers bei einem gemeldeten Fahrzeugdiebstahl regelmäßig dahin, alle vom Hersteller ausgelieferten und noch vorhandenen Fahrzeugschlüssel sachverständig untersuchen zu lassen, unter anderem darauf, ob Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deutet und weitere Nachforschungen nach sich zieht. Ferner ist für den Versicherer generell wichtig, prüfen zu können, ob alle Schlüssel vorhanden sind, weil das Fehlen eines Schlüssels Hinweise darauf geben kann, dass dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit er das Fahrzeug – zur Vortäuschung eines Diebstahls – von seinem Standort verbringt. Ob alle Schlüssel vorhanden und gegebenenfalls einem Sachverständigen zur Untersuchung übergeben sind, kann der Versicherer aber nicht feststellen, wenn der Versicherungsnehmer ihm die Existenz eines oder mehrerer Schlüssel verschweigt, indem er deren Anzahl zu niedrig angibt. Durch die zu hohe Angabe gefährdet der Versicherungsnehmer dagegen allenfalls sein eigenes Interesse an einer schnellen Schadenregulierung.

Das OLG Celle (Urteil vom 21.12.2010, Az. 8 U 87/10) hatte sich für die Kfz-Kaskoversicherung mit der Frage zu befassen, ob eine nachträgliche Gefahrerhöhung mit der dauerhaften Aufbewahrung des Kfz-Scheins im versicherten Fahrzeug bei Abgabe der Vertragserklärung im Zeitpunkt des Versichererwechsels vorliegt. Es entschied, dass es an einer (nachträglichen) Gefahrerhöhung im Sinne von § 23 VVG fehle, wenn der Fahrzeugschein – in dem Sonderfall eines Wechsels des Versicherers – sich bereits bei Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers im Fahrzeug befand.

Hinter der Idee der Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 1 VVG steht, dass eine Gefahrerhöhung die sogenannte „Äquivalenz“, also das angemessene Verhältnis von Risiko und Prämie, gefährdet, und deswegen entweder unterbleiben soll oder doch dem Versicherer mitgeteilt werden muss, damit dieser auf die Äquivalenzstörung insbesondere durch Prämienerhöhung oder Beendigung des Vertrages reagieren kann.

In dem zu entscheidenden Fall lag das Problem gar nicht in einer Äquivalenzstörung, weil sich das Verhältnis von Risiko und Prämie während der Laufzeit des Vertrages zu keiner Zeit geändert hatte. Die Störung lag vielmehr darin, dass von Anfang an Risiko und Prämie dann nicht in einem subjektiv äquivalenten Verhältnis standen, wenn man zugrunde legt, dass die Versicherer bei Vertragsabschluss davon ausgegangen ist, dass der Kfz-Schein nicht dauerhaft im Fahrzeug verbleibt, was freilich ohnehin nicht frei von Zweifeln ist, weil diese Unsitte durchaus verbreitet ist, was auch den Versicherern nicht verborgen geblieben sein kann. Ansatzpunkt für eine schon anfängliche Äquivalenzstörung ist aber nicht § 23 Abs. 1 VVG, sondern § 19 Abs. 1 VVG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich freilich für den Versicherer deswegen nichts, weil er nach dem Gefahrumstand gar nicht gefragt hatte. Die gesetzliche Regelung in § 19 Abs. 1 VVG geht aber dahin, dass fingiert wird, dass Gefahr-umstände, nach denen der Versicherer nicht in Textform gefragt hat, gar keine solchen sind.

Daher bedurfte die weitergehende Frage, ob die dauerhafte Aufbewahrung des Fahrzeugscheins im Fahrzeug eine nicht nur unerhebliche Gefahrerhöhung darstellt, keiner Entscheidung.

Auch das LG Berlin (Urteil vom 09.01.2013, Az. 42 O 397/11) hatte sich im Kontext der Kfz-Kaskoversicherung dem fahrlässigen Herbeiführen eines Kfz-Diebstahls durch Zurücklassen des Fahrzeugschlüssels in einer unverschlossenen Umkleidekabine zu befassen. Es entschied, dass dem Versicherungsnehmer eine grob fahrlässige Herbeiführung des Kraftfahrzeugdiebstahls vorzuwerfen ist, wenn er den Fahrzeugschlüssel während eines Sportkurses in einer Sporttasche in einer nicht verschlossenen Umkleidekabine zurücklässt, wo er entwendet wird.

Das grob fahrlässige Verhalten des Versicherungsnehmers führt gemäß § 81 Abs. 2 VVG zu einer Kürzung der Versicherungsleistung um 25 Prozent. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass nach E.6.1 und 6.2 AKB 2008 eine Verletzung der in E.1.3 geregelten Obliegenheit Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung im gesetzlichen Rahmen des § 28 VVG zur Folge hat. Nach § 28 Abs. 2 VVG führt ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit zur Leistungsfreiheit des Versicherers und ein grob fahrlässiger Verstoß zu einer Leistungsverkürzung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis. Ausgangspunkt für die Quotenbildung ist das objektiv festzustellende Verschulden, welches durch subjektive Umstände verringert oder gesteigert werden kann. Nach dem Goslarer Orientierungsrahmen sind dabei beispielsweise normative Vorprägungen aus anderen Rechtsgebieten, wie die Frage, ob der Geschädigte seinerseits eine Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat begangen hat, zu berücksichtigen. Dies war vorliegend nicht der Fall. Das Verhalten des Versicherungsnehmers stellt sich in der gegebenen Situation vielmehr subjektiv als Fehlverhalten dar, welches den Gesetzgeber mit dazu veranlasst hat, die vormals gültige restriktive Rechtsfolge des vollständigen Verlustes der Versicherungsleistung zu ändern, da diese zunehmend als „ungerecht“ empfunden wurde. Der Versicherungsnehmer hat durch sein Verhalten keine dritte Person geschädigt oder gefährdet, er hat keine Vorschriften verletzt und auch keine Mehrfachpflichtverletzungen begangen. Es handelt sich „lediglich“ um einen gefahrgeneigten Umgang mit den Fahrzeugschüsseln. Dies rechtfertigt eine Leistungskürzung um nicht mehr als 25 Prozent. Insoweit kommt es bei Leistungskürzungen stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

Demgegenüber hatte sich das OLG Karlsruhe (Urteil vom 17.09.2013, Az. 12 U 43/13) mit der Leistungsfreiheit nach einem Brandschaden nach Einbauten zu befassen, also mit der Frage, ob der Versicherer dadurch leistungsfrei ist, wenn an einem Kraftfahrzeug nach Abschluss des Versicherungsvertrags Einbauten vorgenommen werden – ein nicht ganz untypischer Fall. Hier waren ein Musikverstärker, ein Navigationsgerät sowie Steuergeräte für geänderte Rückleuchten vom Versicherungsnehmer eingebaut worden. In der Folgezeit brannte das Fahrzeug dann wegen dieser (unerkannt) mangelhaften Einbauten vollkommen aus. Das OLG Karlsruhe urteilte, dass mangelhafte Einbauten in ein Kraftfahrzeug im Rahmen der Kraftfahrtversicherung nur dann eine subjektive Gefahrerhöhung darstellen, wenn der Versicherungsnehmer diese Mangelhaftigkeit kennt.

Eine Leistungsfreiheit nach § 26 VVG ergibt sich in dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall selbst dann nicht, wenn hier tatsächlich mangelhafte Leistungen vorliegen und diese für den Eintritt des Versicherungsfalls ursächlich gewesen sein können. Denn der beklagte Versicherer hätte auch dann nicht nachgewiesen, dass der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestattet haben. § 26 Abs. 1 VVG setzt voraus, dass der Tatbestand des § 23 Abs. 1 VVG erfüllt ist. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 VVG erschöpfen sich allerdings nicht in der objektiven nachhaltigen Erhöhung der Möglichkeit der Risikoverwirklichung. Eine gewollte Gefahrerhöhung setzt notwendig das Bewusstsein der vorgenommenen oder gestatteten Änderung der Gefahrenlage voraus. Der Handlungswille des Versicherungsnehmers beschränkt sich dabei nicht bloß auf die weitere Benutzung des versicherten Fahrzeugs schlechthin, sondern muss sich notwendig auch auf den nicht verkehrs- oder gebrauchssicheren Zustand erstrecken, in dem das Fahrzeug zu weiteren Fahrten benutzt wird. Das ist aber ohne Kenntnis des mangelhaften Zustandes des Fahrzeugs unmöglich. Dagegen muss der im Verhältnis zum Versicherer gefahrerhöhende Charakter zur Annahme einer subjektiven Gefahrerhöhung im Sinne von § 23 VVG vom Versicherungsnehmer nicht erkannt worden sein.

Den Versicherer trifft im Rechtstreit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur für das Vorliegen der objektiven Umstände, sondern auch für die Kenntnis des Versicherungsnehmers von diesen Umständen. Dies bedeutet, dass die beklagte Versicherung auch darzulegen und nachzuweisen hat, dass der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant bei Durchführung der Arbeiten oder zu einem späteren Zeitpunkt vor dem Versicherungsfall wusste, dass die vorgenommenen Einbauten zu einem die Sicherheit des Fahrzeugs gefährdenden, mangelhaften Zustand geführt hatten. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gelungen, zumal auch fernliegt, dass derartige, subjektiv der Aufwertung eines Fahrzeugs dienende Arbeiten in dem Bewusstsein einer unsorgfältigen und die Verkehrssicherheit herabsetzenden Ausführung abgeschlossen werden.

Es liegt auf der Hand, dass gerade das unerlaubte Entfernen vom Unfallort im Rahmen der Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Das LG Berlin (Urteil vom 28.02.2013, Az. 41 O 95/12) hatte sich insoweit mit der Leistungsfreiheit des Kfz-Kaskoversicherers wegen des Verlassens des Unfallortes bei behauptetem Unfallschock zu befassen.

Es urteilte, dass der Versicherungsnehmer die vertragliche Aufklärungsobliegenheit verletzt, wenn er nach dem Unfall den Unfallort verlässt. Er kann sich nicht mit der pauschalen Behauptung eines unfallbedingten Schocks entlasten. Denn ein solcher Zustand liegt nicht vor, wenn er in der Lage war, nach dem Unfall mit seiner Lebensgefährtin zu telefonieren und nach der Fahrt nach Hause den ADAC anzurufen. Außerdem hätte er nach dem Abklingen des Schocks alles tun müssen, was die Aufklärungspflicht fordert und noch getan werden kann. Er hätte sich bei der Polizei melden und die erforderlichen Angaben nachholen müssen.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen. So entschied das LG Duisburg (Urteil vom 15.03.2013, Az. 7 S 104/12), dass ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort den Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG nicht ohne Weiteres ausschließt, da es sich nicht zwingend um ein arglistiges Verhalten gegenüber dem Haftpflichtversicherer handeln muss. In den Entscheidungsgründen führte das Landgericht Duisburg aus, dass der Versicherer gegen den Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf Erstattung der anlässlich eines Unfalls an den Geschädigten gezahlten Versicherungsleistung habe, weil er nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung (Unfallflucht) von der Leistungspflicht befreit sei. Vorliegend ging es um den Fall, dass sich ein Beteiligter unstreitig unerlaubt vom Unfallort entfernt und damit eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung begangen hatte.

Ausnahmsweise schloss diese Obliegenheitsverletzung eine Leistungspflicht des Versicherers im Entscheidungsfall jedoch nicht aus, da demgegenüber der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis offensteht. Ein solcher ist auch nicht wegen Arglist des Versicherungsnehmers durch § 28 Abs. 3 S. 2 VVG ausgeschlossen, da ein arglistiges Verhalten nicht festzustellen ist, was zulasten des beweisbelasteten Versicherers geht.

Ein arglistiges Verhalten setzt voraus, dass der Versicherte der Obliegenheit bewusst und gewollt zuwiderhandelt und zugleich wenigstens in Kauf nimmt, das Verhalten des Versicherers dadurch zu dessen Nachteil zu beeinflussen. Der Versicherte muss daher einen aus seiner Sicht gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen. Dies war in dem vom Landgericht Duisburg entschiedenen Fall nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass sich der Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs vorsätzlich unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, lässt nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten zu Lasten des Versicherers zu. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, damit stets einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, gibt es nicht.

Das ist auch darauf zurückzuführen, dass der Unfallhergang von einem Zeugen beobachtet wurde, dessen Schilderung ohne Weiteres zu einer vollen Einstandspflicht des Versicherers führt, da eine Mitverursachung der Geschädigten nicht in Betracht kam. Unter diesen Umständen stellte sich das Entfernen vom Unfallort nicht als nachteilig für den Versicherer dar.

Der Versicherte kann den Kausalitätsgegenbeweis praktisch nur so führen, dass er zunächst die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt, die der Versicherungsnehmer dann ebenfalls zu widerlegen hat. Der Versicherer muss dazu die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen, indem er zum Beispiel vorträgt, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte. Gemessen an diesen Grundsätzen war in dem vom Landgericht Duisburg zu entscheidenden Fall dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis gelungen, weil sich aus dem Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das vorsätzliche unerlaubte Entfernen vom Unfallort Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers genommen hat. Mangels Leistungsfreiheit des Versicherers kam auch kein Regress gegen den Versicherungsnehmer in Betracht.

In einem ganz ähnlichen Kontext stehen auch Trunkenheitsfahrten. So wird nach einer Entscheidung des AG Münster (Urteil vom 26.05.2010, Az. 3 C 474/10) der Kfz-Haftpflichtversicherer in der Kfz-Haftpflichtversicherung im Innenverhältnis vollständig leistungsfrei, wenn ein Versicherungsnehmer im Zustand absoluter alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit (hier: 1,28 Promille) einen Verkehrsunfall verursacht.

AGB-Klauseln und Versicherungsvertrag
Das AG Bad Segeberg (Urteil vom 29.12.2011, Az. 17 C 294/10) hat klargestellt, dass wenn die Versicherungsbedingungen für den Fall einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers vorsehen, dass bei einer grob fahrlässig begangenen Obliegenheitsverletzung nur bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Vorschrift die Leistungspflicht des Versicherers bestehen bleibt und im Übrigen vollständig entfällt, die Versicherungsbedingungen insoweit wegen Verstoßes gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sind. Macht der Versicherer von der ihm in Art. 1 Abs. 3 EGVVG eingeräumten Möglichkeit zur Anpassung seiner Allgemeinen Versicherungsbedingungen keinen Gebrauch, bleibt es bei der sich aus dem Gesetz ergebenden Unwirksamkeit.

Es ist auch keineswegs überraschend, dass auch Gefahrerhöhungen im Rahmen der vertraglichen Klauselwerke mit Versicherern eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Das OLG Stuttgart (Urteil vom 25.07.2013, Az. 7 U 33/13) hat diesbezüglich entschieden, dass eine Vertragsstrafenklausel in einem Kfz-Versicherungsvertrag, wonach bei unterlassener Mitteilung eines Merkmals zur Beitragsberechnung (hier: Jahreskilometerleistung) der Versicherungsnehmer zur Zahlung einer zusätzlichen Jahresprämie verpflichtet wird, gem. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, wenn der Versicherer nicht gleichzeitig auf seine gesetzlichen Rechte wegen Gefahrerhöhung verzichtet.

Fazit: Umfassende Information im konkreten Einzelfall ist wichtig
Wer sich als Fuhrparkverantwortlicher im Zusammenhang mit der Schadenregulierung mit Kürzungen seitens des Versicherers zu befassen hat, tut gut daran, einen Blick auf den konkreten Einzelfall und seine genauen Umstände zu werfen, insbesondere darauf, ob das Verhalten des verantwortlichen Fahrers wirklich dazu beigetragen haben kann, die Regulierung des Versicherungsschadens zu erschweren oder etwaige Ansprüche des eigenen Versicherers zu vereiteln. Um keine Nachteile zu erleiden, ist es auch im Fällen, die auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, durchaus anzuraten, durch einen im Verkehrs- und Versicherungsrecht bewanderten Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Rechtsanwalt
Lutz D. Fischer, Lohmar
kanzlei@fischer-lohmar.de
www.fischer-lohmar.de

 

Autor

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer aus Lohmar berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht, unter anderem in der Fachzeitschrift „Flottenmanagement“, „Der Kfz-Sachverständige“ und „autorechtaktuell.de“. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zum „Professionellen Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.

 

 

Rechtsprechung

Fahrtenbuchauflage und erhöhte Mitwirkungspflicht eines Kaufmanns bei Fahrerermittlung
Zur angemessenen Aufklärung eines Verkehrsverstoßes gehört grundsätzlich, dass der Halter möglichst umgehend von dem Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.

Lehnt der Halter dagegen die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Eine erhöhte Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters liegt vor, soweit es um Verkehrszuwiderhandlungen geht, die im geschäftlichen Zusammenhang mit ihren betrieblich genutzten Fahrzeugen begangen worden sind. Bei geschäftlich genutzten Fahrzeugen ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt das entsprechende Fahrzeug genutzt hat, nicht aufgrund persönlicher Erinnerungen, sondern aufgrund von betrieblichen Absprachen beantwortet werden kann. Der Halter eines von mehreren Berechtigten zu nutzenden Betriebsfahrzeugs kann seiner für Kraftfahrzeuge kraft Gesetzes bestehenden Kennzeichnungspflicht nur dadurch genügen, dass er geeignete organisatorische Vorkehrungen hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der konkreten Fahrzeugnutzung trifft.
VG Düsseldorf, Beschluss vom 04.03.2013, Az. 14 L 296/13

Fahrtenbuchauflage: erhöhte Mitwirkungspflicht der Geschäftsleitung bei Verkehrsverstößen mit Firmenfahrzeug
Die Fahrtenbuchauflage findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs- Zulassungs-Ordnung (StVZO). Hiernach kann die zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO kann die Verwaltungsbehörde ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen.

Von einer Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers im Sinne von § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist auszugehen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Zu den angemessenen Maßnahmen gehört grundsätzlich auch, dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine verspätete Anhörung schließt eine Fahrtenbuchauflage allerdings dann nicht aus, wenn feststeht, dass die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist.

Dies gilt namentlich für die Fälle, in denen nach den gegebenen Umständen erkennbar ist, dass auch eine frühere Ermittlung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Kraftfahrzeughalter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung mitzuwirken. Insoweit ist es grundsätzlich Sache des Halters, Angaben zu der Person zu machen, die im fraglichen Zeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dabei obliegt es dem Halter insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Radarfoto erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Lehnt der Halter die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Die Zwei-Wochen-Frist gilt zudem nicht bei Verkehrsverstößen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind.

Geht es – wie hier – um Verkehrsverstöße, die mit dem Fahrzeug eines Kaufmannes im Sinne des Handelsrechts begangen worden sind, trifft die Geschäftsleitung eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Diese erhöhte Mitwirkungsobliegenheit rechtfertigt sich durch die handelsrechtlichen Verpflichtungen des Kaufmanns zur Führung und Aufbewahrung von Büchern, aus denen sich Geschäftsvorfälle „in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen“ (§ 238 Abs. 1, § 257 HGB), sowie aus dem Umstand, dass es unabhängig von der Reichweite dieser Vorschriften sachgerechtem kaufmännischen Verhalten entspricht, auch die Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Es fällt demgemäß in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Die Geschäftsleitung muss zumindest in der Lage sein, der Behörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden kann. Denn es kann nicht Aufgabe der Behörde sein, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung weitaus nähersteht. Ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, kann die Geschäftsleitung deshalb regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer ausfindig zu machen. Denn eine Firma muss in ihrer Eigenschaft als Kaufmann grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage sein, Geschäftsfahrten und Ähnliches anhand schriftlicher Unterlagen zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen.

Nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze liegt ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit nicht vor. Hatte die Antragstellerin mithin Kenntnis von dem Ermittlungsversuch bzw. hätte sie diese Kenntnis haben müssen, hätte es ihr oblegen, zeitnah auf schriftlichem, telefonischem oder persönlichem Weg gegenüber der ermittelnden Behörde Angaben zum Fahrer zu machen bzw. den potenziellen Täterkreis einzugrenzen.

Derartige Angaben erfolgten jedoch nicht, obwohl es der Antragstellerin als Formkaufmann auf Grundlage betriebsinterner Dokumentationen möglich gewesen wäre, den Fahrer, der das Kraftfahrzeug am Tattag geführt hat, innerhalb der dreimonatigen Verjährungsfrist zu benennen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Fahrerermittlungen erst nach Ablauf der Zwei-Wochen- Frist durchgeführt wurden. Denn abgesehen davon, dass die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Zwei-Wochen-Frist für die Benachrichtigung des Fahrzeughalters nur regelmäßig gilt und kein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a StVZO darstellt, findet sie – wie bereits ausgeführt – bei Verkehrsverstößen, die mit den Firmenfahrzeugen eines Kaufmannes im geschäftlichen Zusammenhang begangen wurden, keine Anwendung.

Da die Antragstellerin bis zum Ablauf der Verjährungsfrist ihrer gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist, war die Bußgeldbehörde folglich nicht gehalten, über den getätigten Ermittlungsansatz hinaus weitere zeitraubende Ermittlungen durchzuführen. Denn es ist nicht ihre Aufgabe, innerbetriebliche Vorgänge aufzuklären, denen die Geschäftsleitung nähersteht.

Insbesondere erweist sich die Fahrtenbuchauflage auch hinsichtlich ihrer Dauer von sechs Monaten als verhältnismäßig. Denn die Straßenverkehrsbehörde handelt regelmäßig ermessensfehlerfrei, wenn sie für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage auf die Einstufung der Schwere des zugrundeliegenden Verkehrsverstoßes durch das Punktesystem in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zurückgreift. Dabei ist die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage schon bei erstmaliger Begehung eines mit einem Punkt bewerteten Verkehrsverstoßes gerechtfertigt. Danach begegnet die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage für eine Dauer von sechs Monaten für einen gemäß Ziffer 7 der Anlage 13 zur FeV mit einem Punkt zu bewertenden Verkehrsverstoß im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit keinen rechtlichen Bedenken. VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2013. Az. 14 L 829/13

Kein Anspruch auf kostenfreie Nutzung des Dienstwagens für Privatfahren
Der Arbeitnehmer kann vom beklagten Arbeitgeber nicht verlangen, dass ihm der Dienstwagen für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Es fehlt an einer Anspruchsgrundlage. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

Aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 29.01.2003 folgt keine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Kläger den Dienstwagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen, um damit von seiner Wohnung zur Arbeit zu fahren. Der schriftliche Arbeitsvertrag enthält keinerlei Dienstwagenregelung.

Der Anspruch folgt nicht aus tariflichen Vorschriften. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 29.01.2003 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Damit richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien seit 01.10.2005 nach den Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-B), der den BAT ersetzt hat. Es handelt sich um eine Tarifsukzession. Weder der TVöD-B noch der BAT begründen tarifliche Ansprüche auf kostenfreie Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort.

Der Anspruch folgt nicht aus betrieblicher Übung. Dem steht schon das Schriftformgebot des § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD (früher: § 4 Abs. 2 Satz 1 BAT) entgegen. Nach dieser Tarifvorschrift sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart wurden. Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Schriftform iSd. § 126 BGB. Ihre Missachtung hat die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts zur Folge. Im Geltungsbereich des TVöD (früher: BAT) kann deshalb die wiederholte Gewährung einer Vergünstigung eine bindende Wirkung grundsätzlich nur dann entfalten, wenn der tariflichen Formvorschrift genügt wird.

Eine vertragliche Abrede über die kostenfreie Nutzung des Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort würde als Nebenabrede dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 TVöD unterliegen. Nach der Rechtsprechung des BAG, der die Berufungskammer folgt, ist die Zusage einer unentgeltlichen Beförderung des Arbeitnehmers von und zum Arbeitsplatz eine Nebenabrede. Der mit ihr verbundene vermögenswerte Vorteil wird nicht als Gegenleistung für die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitnehmers erbracht, sondern aus sozialen Gründen, weil der Kläger – wie er selbst einräumt – im ländlichen Raum nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seinem Arbeitsort gelangen kann. Es handelt sich um eine betriebliche Sozialleistung und nicht um eine vertragliche Hauptpflicht, für die § 2 Abs. 1 TVöD lediglich ein deklaratorisches Schriftformerfordernis enthält.

Der Anspruch folgt nicht aus § 612 Abs. 1 BGB. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Mit der Fahrt von der Wohnung zum Arbeitsort erbringt der Kläger keine Dienstleistung iSv. § 612 Abs. 1 BGB. Die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz sind erforderliche Handlungen des Arbeitnehmers, um die geschuldete Tätigkeit am Arbeitsplatz aufnehmen zu können. Nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen hat der Arbeitnehmer seine Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte selbst zu tragen.

Das Besitzrecht des Mitarbeiters am Dienstwagen gibt keinen Aufschluss über die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, ihn ab 01.10.2011 mit 0,22 Euro pro Kilometer an den Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort zu beteiligen. Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf kostenfreie Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten von seiner Wohnung zum Arbeitsort aufgrund der Dienstvereinbarung vom 27.09.2011. Es kann dahinstehen, ob diese Dienstvereinbarung von Anfang an rechtsunwirksam war, denn sie regelt eine Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer mit 0,22 Euro pro Kilometer und keinen Anspruch auf kostenfreie Nutzung. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.05.2013, Az. 10 Sa 25/13

BGH-Urteil zum Ersatz von Umsatzsteuer bei Ersatzbeschaffung
Ist bei der Ersatzbeschaffung von privat keine Umsatzsteuer angefallen, steht dem Geschädigten kein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer zu.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. Für den Ersatz der Umsatzsteuer kommt es aber – unabhängig von dem Weg, den der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat – darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist. Sie soll nur noch ersetzt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt, d. h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. Sie soll hingegen nicht mehr ersetzt werden können, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt.

Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache – etwa beim Kauf von privat – keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen. In diesem Fall ist sie auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nicht ersatzfähig, weil § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit die Dispositionsfreiheit begrenzt. Dementsprechend hat der erkennende Senat entschieden, dass eine Erstattung der Umsatzsteuer dann nicht erfolgt, wenn der Geschädigte weder eine umsatzsteuerpflichtige Reparatur hat durchführen lassen, noch bei der Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrzeugs von privat Umsatzsteuer angefallen ist. Dies gilt auch im Falle eines – hier vorliegenden – wirtschaftlichen Totalschadens. BGH, Urteil vom 02.07.2013, Az. VI ZR 351/12

Beweislastverteilung bei Beschädigung eines Fahrzeugs in einer Autowaschanlage
In Abweichung von der grundsätzlichen Beweislastverteilung ist für Schadensfälle, die sich in einer Waschstraße ereignet haben, anerkannt, dass von der Schädigung auf die Pflichtverletzung des Betreibers geschlossen werden kann, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Betreibers herrühren kann. Dieser Anscheinsbeweis kommt jedoch nur dann zum Tragen, wenn feststeht, dass der Schaden nur durch den automatisierten Waschvorgang in der Waschstraße selbst verursacht worden sein kann, also keine andere Schadensursache in Betracht kommt.

Der Betreiber der Waschanlage kann den Anscheinsbeweis hinsichtlich seiner Pflichtverletzung erschüttern, indem er nachweist, dass die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und er somit er seiner Verkehrssicherungspflicht genügt hat. Dies erfordert den Nachweis, dass er die Anlage so organisiert, betreibt, wartet, kontrolliert und beaufsichtigt hat, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar ist, um Beschädigungen der Fahrzeuge zu vermeiden.

Unabhängig von der Eigentümerstellung ist nach der Reparatur derjenige zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs legitimiert, der für die Reparaturkosten aufgekommen ist. LG Wuppertal, Urteil vom 13.03.2013, Az. 5 O 172/11

Disponent einer Logistikfirma muss Ladungssicherheit im Fuhrpark kontrollieren
An die Erfüllung der nach § 31 Abs. 2 StVZO dem Halter obliegenden Aufsichts- und Überwachungspflichten für die Einhaltung der aus den §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 Satz 1 StVO resultierenden Ladungssicherungsvorschriften sind strenge Anforderungen zu stellen.

Ihre Erfüllung setzt auch bei einer wirksamen Delegation auf qualifiziertes Personal (hier: Disponent) zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung mit Blick auf die besonderen Gefahren, die von entsprechenden Verstößen gegen die Ladungssicherheit für den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, nicht nur voraus, dass der insoweit Verantwortliche bei der Auswahl und Schulung der Fahrzeugführer die erforderliche Sorgfalt walten lässt und diese mit den notwendigen (Unter-)Weisungen versieht. Erforderlich ist vielmehr auch, dass die Beachtung der Weisungen durch gelegentliche – auch unerwartete – Kontrollen überprüft wird, weil nur so eine wirksame, nicht lediglich auf zufällig entdeckte Verstöße beschränkte, planmäßige Überwachung gewährleistet ist, welche auch präventiv wirkt.

Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen, der als Disponent einer Logistikfirma mit einem Fuhrpark von 25 Lastkraftwagen für die Einhaltung der Ladungssicherungsvorschriften verantwortlich war, am 05.02.2013 wegen fahrlässigen Zulassens der Inbetriebnahme eines Lastkraftwagens mit nicht vorschriftsgemäß gesicherter Ladung zu einer Geldbuße von 270 Euro, da er seiner Überwachungspflicht durch die Vornahme regelmäßiger Stichproben nicht ausreichend nachgekommen sei. Hiergegen legte der Betroffene – erfolglos – Rechtsbeschwerde ein. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

Der Betroffene führte keine regelmäßigen Stichproben bei den Fahrern durch, sondern wurde nur tätig, wenn er zufällig an einem Fahrzeug vorbeikam und ihm etwas auffiel. Damit blieb es dem Zufall überlassen, ob entsprechende Verstöße von ihm beim Gang über das Betriebsgelände festgestellt wurden oder nicht, was im Übrigen das Erkennen „verborgener“ Mängellagen, die nur bei einer gezielten Kontrolle auffallen, von vornherein ausschloss. Von einer wenngleich nur stichprobenartigen, jedoch insgesamt planmäßigen Kontrolle der Einhaltung der Ladungssicherungsvorschriften durch die Fahrer in dem insgesamt 25 Lastkraftwagen umfassenden Fuhrpark der Logistikfirma (GmbH), mit der etwaigen Verstößen wirksam vorgebeugt werden könnte, kann bei einem solchen Vorgehen des Betroffenen nicht ausgegangen werden. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.06.2013, Az. 2 Ss OWi 659/13

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