IAA: Intime Auto- Anmerkungen

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Die Leitmesse der Automobilindustrie in Frankfurt im Land der Fahrzeugpioniere Daimler und Benz gilt international als Tendenz-Barometer der automobilen Zukunft. Wie gerne würde man dort erfahren, wohin die Reise mit dem Auto geht. Ob der Vielfalt der dargebotenen Konzepte ist am Ende diesmal jedenfalls eines klar: keine Tendenz in Sicht. Wer Orientierung für die selbst nähere Zukunft sucht, ist auf sich allein gestellt. Zu unterschiedlich sind die ausgestellten Entwicklungslinien in der Antriebstechnik, zu verschieden die Zielgruppen, zu futuristisch die gezeigten Designstudien.

Ein Besuch auf der Internationalen Automobil- Ausstellung ist sowieso Stress pur. Man soll ja nicht von der Annahme ausgehen, dass die ersten beiden Pressetage in irgendeiner Form ruhiger ablaufen als die für die Allgemeinheit geöffneten. Die Journalisten scheinen in ihrer Hatz nach Informationen, noch mehr aber nach Bildern, deutlich rücksichtsloser zu sein als das normale Publikum. Ein ständiger Kampf um die beste Perspektive ähnelt eher dem Ringen um die Pole-Position in der Formel 1 als einer entspannten Autoshow.

Dabei geht es hier nicht mal darum, wie viel, warum und wo wir fahren werden, sondern nur um das Wie. Hat nicht unser Bundesverkehrsminister Ramsauer gerade die Mittel für die Infrastruktur drastisch gekürzt? War da nicht eine andauernde PKW-Maut-Debatte mit vielen Dementis? Das spielt auf der IAA alles keine Rolle. Hier geht es hauptsächlich und ausschließlich um die schön(st)en Seiten der „individuellen Mobilität“. Diese wird unser Leben auf jeden Fall in den nächsten Jahrzehnten wesentlich und nachhaltig bestimmen, soviel scheint festzustehen. Daher ist die große Aufmerksamkeit für diesen Aufmarsch von tausenden PS und kWh durchaus nachvollziehbar.

Kommt man am allerersten Tag für die Presse, so sieht man eigentlich nichts von den so ersehnten Neuerscheinungen. Wie unter Leichentüchern werden die Objekte der Begierde versteckt, um dann nach und nach in aufwendigsten Pressekonferenzen unter erheblicher Musik- und Lärm-Entwicklung doch noch zum Leben erweckt zu werden, jeweils flankiert von grenzwertig schlanken, groß gewachsenen jungen Damen in eigentlich zu perfektem Outfit. Fragen zu dem ihnen zugewiesenen Objekt sind sie allerdings nicht in der Lage zu beantworten, ja, sie kennen teilweise nicht mal den Namen des neben ihnen stehenden Fahrzeugs.

Überhaupt herrscht auf der IAA überall eine Reinlichkeit oder besser Hygiene, von der ein privater Haushalt nur träumen kann. Natürlich werden Fingerabdrücke und Staub von den Fahrzeugen sofort mit publikumstauglichen Wedeln entfernt, aber selbst der Boden, meistens glänzendes Plastik, wird ständig auf Hochglanz gehalten, akrobatisch ein Fuß mit Wischer ummantelt, der andere, um überhaupt stehen bleiben zu können. Es scheint, als ob die Hälfte des insgesamt eingesetzten Personals nur in dieser Hinsicht tätig sei.

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Aktuelles Magazin

Ausgabe 5/2011

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Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Von verschiedenen Ausstellern wurde berichtet, dass die Vorbereitungen vor Ort schon seit Monaten gelaufen sind. Was dort geboten wird, lässt diese Arbeiten nur erahnen. Manchmal erübrigen sich die ganzen Aktivitäten kurzfristig: Saab war aus verständlichen Gründen nicht an dem angekündigten Stand vertreten.

Irgendwie scheint aber die ganze Veranstaltung immer noch etwas mehr für die männliche, Auto fahrende Bevölkerung zu sein. Denn wie ist es anders erklärbar, dass es zwar einen Ladies Corner und eine Kinderabteilung gibt, aber keine „Men Corner“? Dort gibt also der Autofanatiker seine Frau und Kinder ab, um sich in Ruhe die PS-haltigen Vitaminpillen einzuverleiben. Zu denken gibt einem nur, dass die armen Ladies in dem Corner mit einem (immerhin lackglänzenden) 2CV, also einer „Ente“ abgespeist werden. (Meine Frau meinte spontan, die hätten die meisten Frauen (in der lahmen Version) doch sowieso schon zu Hause …)

Zum ersten Mal war auf dieser IAA eine ganze Halle der Elektromobilität gewidmet. Wie groß waren die Erwartungen noch vor zwei Jahren. Aufbruchstimmung allerorten, das Ziel schien zum Greifen nahe. Doch trotz milliardenschwerer Investitionen entfernt sich die Vision weiter und weiter von der Realität. Durchhalteparolen wie „Die Zukunft ist auf jeden Fall elektrisch“ können nicht über den aktuellen Stand hinwegtäuschen. Alles steht und fällt zuallererst mit der Batterietechnik. Ich kann mich mit dem Begriff immer noch nicht anfreunden, für mich sind das nach wie vor Akkus, aber davon redet in der Szene keiner mehr, überall sind Batterien im Spiel.
Es hat sich jedenfalls überwiegend die Meinung durchgesetzt, dass die Elektromobile nichts für die Autobahn sind. Man redet dann ob der begrenzten Reichweite auch nur noch vom Einsatz in der Stadt. Wenn man da mit leerem Akku liegen bleibt, ist einem eher zu helfen. Das haben die Automobilhersteller auch begriffen und die Ansprüche deutlich gesenkt. Es scheint eine Annäherung zwischen Auto und Motorrad oder sogar Fahrrad stattzufinden. Kleinere Mobile sind jedenfalls der Renner bei den Designstudien.

Doch handeln wir uns damit nicht noch ganz andere Probleme ein? Im Straßenverkehr gibt es eine Zweiklassen-Gesellschaft, wie DER SPIEGEL unlängst berichtete, von „Straßenkampf“ und „Rüpel-Republik“ war die Rede. Die ökologisch ausgerichteten Verkehrsteilnehmer, insbesondere aber die Radfahrer, rüsten auf gegen die Autolobby. Sie beanspruchen vor allem den gleichen Verkehrsraum. Letztlich bin ich einem Velomobil, also einem als PKW verkleidetem Fahrrad, begegnet, das hat schon etwas von „Invasion von der Wega“. Die Aggressionen nehmen zu, und die automobile Abrüstung schlägt genau in die gleiche Bresche.

Kein Hersteller kann es sich heute leisten, nicht weiter in die Zukunft zu schauen. So finden diese automobilen Prophezeiungen auch bei den Besuchern den zweifellos größten Anklang. Wen interessiert die zum x-ten Male aufgewertete Version eines Standardmodells (ohne hier Namen zu nennen), wenn nebenan Science Fiction geboten wird? Nein, der Blick in die ferne Zukunft der Mobilität fasziniert mehr als alles andere. Doch er lässt einen auch erschrecken. Bei vielen der gezeigten Konzeptfahrzeuge hofft man, dass sie niemals Realität werden. Allzu ernst haben es die Entwickler damit wohl auch nicht gemeint, es ist wohl eher als Provokation gedacht.

Die Elektroträumereien sind meistens nur Versprechen oder Ankündigungen. Interessant ist auch, wie man versucht, Gewicht zu sparen. Da hat ein Fahrzeug dann nur noch drei, zwei oder gar einen Sitz. Der niedliche „Nils“ von VW ist einsam unterwegs, alleine muss er aufgrund von Platzmangel seine Runden drehen. Im Audi „Urban Concept“ können schon zwei Personen Platz nehmen, im „mia“ gar drei. Letzteres stammt von einer im letzten Jahr in Frankreich gegründeten neuen Elektromobil-Firma, die den Markt revolutionieren will. Das besondere an mia ist, dass es die Fahrzeuge schon gibt! Das Geschäftsmodell von mia ist auch ein gänzlich anderes als mittlerweile bei den meisten anderen Elektros. In der Breite setzt man übereinstimmend auf Batterie- (sorry, Akku-) Leasing, um den Kunden nicht zu sehr abzuschrecken und die elektrische Last von ihm zu nehmen. Gängig scheinen momentan Raten zwischen 70 und 80 Euro pro Monat zu sein. Bei einem Preis von fünf- bis zehntausend Euro für den Akku fast passabel. Bei mia kauft man den Akku in verschiedenen Versionen mit entsprechenden Reichweiten. Ob das Modell Anklang findet, wird man sehen.

Das Problem bei den extrem kurzen Wagen ist, dass hinter dem Fahrer keiner mehr sitzen kann, allenfalls Kinder mit kurzen Beinen. Daher sind die meister Hersteller der Ultraklein-Fahrzeuge dazu übergegangen, den Fahrer vorne allein zu platzieren und die beiden anderen Fahrgäste versetzt dahinter. Das spart Platz und ist noch einigermaßen bequem. Irgendwie bewegen wir uns damit schließlich rückwärts, saß doch (ganz) früher der Fahrer auch allein in der ersten Reihe.

Bei aller Tiefstapelei ist nach oben allerdings jede Menge Luft. Und diese Luft kann man sogar atmen, denn die Fahrzeuge gibt es fast alle zu kaufen. Bis auf das Mercedes-Benz Forschungsfahrzeug F 125!, das an 125 Jahre Auto erinnern soll und auf das Jahr 2025 ausgerichtet ist.

E10 findet auf der Messe eher nicht statt, dafür richtet sich das Augenmerk wiederum mehr auf die schon totgesagte Brennstoffzelle. War sie in der Elektroeuphorie weit an den Rand gedrängt worden, so erlebt sie aufgrund der nicht endenden Diskussion um die geringe Reichweite von rein elektrischen Fahrzeugen eine Art Wiedergeburt, denn dies ist nicht ihr Problem. Dafür gibt es aber genügend andere.

Die meisten Besucher drängeln sich aber weiterhin durch viel zu enge Gänge bei Maserati, Ferrari und natürlich Porsche. Überall auf dem Gelände begegnet man Elektro- (oder zumindest Hybrid-) Probefahrern mit ihren leise vor sich hinsummenden Elektromobilen, man muss schon genauer hinhören beim Überqueren der Straße. Da kommen einem dann schon Tränen in die Augen, wenn man an den möglichen Sound des neuen dachfreien Ferrari 458 Spider, des neuen Porsche 911 oder des neuen Maserati Kubang denkt. Leider dürfen die Motoren in den Hallen nicht laufen, und so summen, wenn überhaupt, auch nur wieder Elektros herum.

Eine Erfolgsstory setzt sich jedenfalls fort: die der SUV, der sportlichen, überdimensionierten Vehikel. Fahrzeuge, die für das Gelände geschaffen sind, sich in der Stadt aber so wohl fühlen. Sie scheinen kleiner, zahmer zu werden. Und es kann sich keiner mehr leisten, auf diesem Sektor zu passen. So hat in der Tat Maserati mit dem „Kubang“ auch dieses Terrain betreten, besser: befahren. Mag die Wirtschaft sich auch durch unwegsames Gelände bewegen müssen, bei der IAA gibt es das richtige Gefährt dafür!

 

Professor Michael Schreckenberg,
geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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