Widerruf der Firmenwagenüberlassung aus wirtschaftlichen Gründen unzulässig
Bundesarbeitsgericht verschärft Anforderungen an Widerrufsvorbehalt

PDF Download
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.04.2010 (Az. 9 AZR 113/09) dürfen Arbeitgeber die Überlassung eines auch zur privaten Nutzung überlassenen Firmenwagens nicht aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen. Mit der Entscheidung verschärft das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der AGB-Kontrolle die Anforderungen an den Widerrufsvorbehalt bei der Dienstwagenüberlassung.
Welcher Fall lag der Entscheidung zu Grunde?
In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um eine Klausel in einem vorformulierten Vertrag, nach welcher der Arbeitgeber die Firmenwagenüberlassung an den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen konnte. Nach der aktuellen Entscheidung des BAG ist eine Klausel unwirksam, weil darin eine unzumutbare Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt, der nicht erkennen kann, wann die „wirtschaftlichen Gründe“ für einen Widerruf gegeben sind.
In der Sache ging es um eine Vertriebsmitarbeiterin, der vom Arbeitgeber ein Firmenwagen zur Verfügung gestellt wurde, welchen sie auch privat nutzen durfte. In der formularmäßigen Vereinbarung über die Dienstwagenüberlassung hieß es u.a., dass die Gebrauchsüberlassung aus „wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden kann”, was durch „geeignete jährliche Maßnahmen” sichergestellt werden sollte. Da die Mitarbeiterin mit ihrem Firmenwagen nur knapp über 50 % der pro Jahr prognostizierten Fahrleistung erreichte, widerrief der Arbeitgeber die Überlassung des Firmenwagens mit dem Argument, dass die geringe Nutzung des Dienstfahrzeugs unwirtschaftlich sei. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem BAG hatte Erfolg und die Widerrufsklausel wurde von den Richtern als unwirksam eingestuft. Die Angelegenheit ist jedoch noch nicht ganz abgeschlossen, da das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG Brandenburg zurückverwiesen wurde. Das LAG hat nun festzustellen, ob möglicherweise eine entsprechende Widerrufsregelung in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, welche dann ihrerseits nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen würde.
Was hat das BAG in den Entscheidungsgründen gesagt?
Das BAG hat den Widerrufsvorbehalt in den AGB des beklagten Arbeitgebers für unwirksam erklärt. Eine Klausel, nach der eine Leistung aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden kann, benachteiligt den Arbeitnehmer in unzumutbarer Weise. Der Arbeitnehmer kann nämlich nicht erkennen, wann ein Arbeitgeber die „wirtschaftlichen Gründe“ für einen Widerruf als gegeben ansieht. Unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzes ist es daher geboten, eine Regelung in den AGB abzufassen, dass der Arbeitnehmer auch weiß, was auf ihn zukommt, um sich hierauf einstellen zu können. Ansonsten wäre es in das Belieben des Arbeitgebers gestellt, in das Arbeitsverhältnis einzugreifen und dessen Bedingungen zu ändern. Aus diesem Grunde sah das BAG einen Verstoß gegen § 308 Nr.4 BGB i. V. m. § 307 Abs.1 BGB als gegeben an.
Welche Folge hat die Entscheidung für die Praxis der Dienstwagenüberlassung?
Mit der Entscheidung vom 13.04.2010 hat das BAG zunächst seine Rechtsprechung zum vertraglichen Vorbehalt eines Widerrufs von Firmenfahrzeugen konkretisiert. Das BAG bleibt dabei seiner Linie zur AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen gemäß den §§ 305 ff. BGB treu.
In der Praxis ist es üblich, dass Arbeitgeber insbesondere leitenden Angestellten und Außendienst- und Vertriebsmitarbeitern Firmenwagen überlassen, die – meist auf Grund einer vertraglichen Dienstwagenüberlassungsvereinbarung – regelmäßig auch privat nutzen dürfen. Die Überlassung zur privaten Nutzung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses stellt regelmäßig einen Gehaltsbestandteil dar. Es ist zwar grundsätzlich möglich, diesen Entgeltbestandteil durch vertragliche Regelungen zu widerrufen. Für eine solche – meist formularvertraglich vorgesehene – Widerrufsmöglichkeit ist aber erstens entscheidend, dass diese überhaupt vertraglich vereinbart wurde; ansonsten wäre ein derartiger Widerruf allein in das Belieben des Arbeitgebers gestellt. Zweitens muss aber die vereinbarte Widerrufsmöglichkeit der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB genügen. So hatte das BAG bereits im Jahre 2005 entschieden (BAG-Urteil vom 12.01.2005, Az. 5 AZR 364/04), dass eine Klausel, nach welcher der jederzeitige und unbegründete Widerruf der Privatnutzung zulässig ist, unwirksam sei. Auch 2005 hatte das BAG darauf abgestellt, dass in einer derartigen Vereinbarung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zu sehen sei, die gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 4/2010

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Nach der BAG-Rechtsprechung kann eine Widerrufsmöglichkeit daher nur dann wirksam vereinbart werden, wenn der Widerruf an sachliche Gründe gebunden ist und diese Sachgründe auch ausdrücklich in der Dienstwagenüberlassungsvereinbarung genannt sind. Zudem muss es sich stets um nachvollziehbare sachliche Gründe handeln: ein Widerruf kann also durchaus entweder auf betriebliche, betriebsorganisatorische oder wirtschaftliche Gründe gestützt werden oder auf Gründe, die in der Person des Nutzungsberechtigen liegen. Wichtig ist aber stets, dass die Voraussetzungen der Widerrufsgründe klar und nachvollziehbar sind. Mit anderen Worten ist nicht jeder Widerrufsgrund auch tauglich im Sinne einer AGB-Kontrolle, bloß weil er in einer Aufzählung einer Unzahl von Widerrufsgründen benannt ist. Damit soll letztlich gewährleistet werden, dass der Arbeitnehmer sich darauf einstellen kann, wann ihm sein zur privaten Nutzung zugeordneter Dienstwagen wieder genommen werden kann. Das Benachteiligungsverbot darf also nicht umgangen werden.
In der aktuellen BAG-Entscheidung wurden die Anforderungen an eine wirksame Nennung von Widerrufsgründen näher konkretisiert. Zu klären war die Rechtsfrage, ob ein Widerruf aus „wirtschaftlichen Gründen“ bereits eine ausreichend konkrete Formulierung für einen sachlichen Widerrufsgrund darstellt. Vorliegend war für den Arbeitnehmer aber nicht ersichtlich, welche Sachverhalte unter die Formulierung „wirtschaftliche Gründe“ fallen. Damit konnte der Arbeitnehmer nicht absehen, wann der Widerruf der Privatnutzung des Firmenwagens erfolgen kann – und wann nicht. Durch die pauschale Formulierung des Widerrufsgrunds konnte der Arbeitgeber im Prinzip willkürlich jederzeit entscheiden, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen er die „wirtschaftlichen Gründe“ für gegeben hält. Dass dies eine klare Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt, liegt auf der Hand. Zutreffend hat das BAG daher geurteilt, dass eine derartige Klausel den Arbeitnehmer unzumutbar benachteiligt und daher unwirksam ist.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass das BAG in seinem Grundsatzurteil die Anforderungen an die wirksame Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts deutlich angehoben hat. Während die Entscheidung für die Arbeitnehmer ein erhöhtes Maß an Planungssicherheit im Hinblick auf die Privatnutzung des Firmenwagens bedeutet, dürfte ein nicht unbeachtlicher Teil der bisher verwendeten Widerrufsregelungen unwirksam sein – mit der Folge, dass ein Widerruf ausgeschlossen wäre. Dies zu überprüfen, gehört jetzt zu den „Hausaufgaben“ der Fuhrparkverantwortlichen. Auf Seiten des Arbeitgebers und der Fuhrparkverantwortlichen ist bei der Formulierung von Dienstwagenüberlassungsverträgen nunmehr eine gesteigertes Maß an Sorgfalt erforderlich. So wird es auch künftig dem Arbeitgeber – und damit den von diesem beauftragten Fuhrparkverantwortlichen – überlassen bleiben, die sachlichen Kriterien für das Vorliegen „wirtschaftlicher Gründe“ zu formulieren. Derartige Sachgründe müssen deshalb so klar nachvollziehbar – um nicht zu sagen transparent – sein, dass es dem Arbeitnehmer ohne weiteres möglich ist, die Widerrufssituation einzuschätzen und sich auf künftige Veränderungen der Gegebenheiten bei der Dienstwagengestellung einzustellen.
Da Widerrufsregelungen wegen der Anforderungen an die Aufzählung der sachlichen Widerrufsgründe mitunter sehr umfangreich ausfallen können, sollte man gut überlegen, ob man damit einen Arbeitsvertrag „belastet“. Empfehlenswert ist vielmehr ein gesonderter Dienstwagenüberlassungsvertrag und – je nach Betriebsgröße – die Aufstellung von Widerrufskriterien in einer Betriebsvereinbarung. Auch durch eine Betriebsvereinbarung werden die entsprechenden Widerrufsgründe zum Bestandteil des Arbeitsvertrags. Allerdings unterliegen die Widerrufsgründe in einer Betriebsvereinbarung – ganz im Gegensatz zu einer Regelung im Individualarbeitsvertrag oder einer Dienstwagenüberlassungsvereinbarung – durch die Vereinbarung der Betriebsparteien keiner inhaltlichen AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB.
Es steht zu vermuten, dass in Sachen „Widerrufsgründe“ auch noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Die BAG-Entscheidung dürfte auch andere Arbeitnehmer ermutigen, sich ihre Rechte vor Gericht zu erstreiten. Weitere Gerichtsentscheidungen in diese Richtung werden sicherlich folgen.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
+++ Rechtsprechung +++
Bundesverfassungsgericht stärkt Richtervorbehalt bei Entnahme von Blutproben
Der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ohne richterliche Anordnung Blut entnommen. Ein Zeuge hatte die Polizei auf eine mögliche Trunkenheitsfahrt der Beschwerdeführerin aufmerksam gemacht. Eine halbe Stunde nach Hinweis des Zeugen war die Polizei bei der Wohnung der Beschwerdeführerin, die sich dort inzwischen aufhielt, eingetroffen und hatte sich nach erfolglosem Klingeln über einen Zweitschlüssel des Vermieters Zutritt zur Wohnung verschafft. Ein noch in der Wohnung durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,01 mg/l. Etwa 35 Minuten später wurde ihr auf dem Polizeirevier auf Anordnung eines Polizeibeamten von einem Arzt Blut entnommen.
Die Verletzung des Richtervorbehalts bei Anordnung der Blutentnahme führt nicht zwingend dazu, dass die Blutprobe als Beweismittel nicht verwertet werden darf. Ob ein solches Verwertungsverbot vorliegt, ist von den Gerichten im Strafverfahren zu prüfen. Die Anordnung einer Blutprobenentnahme ohne vorherige Einholung der richterlichen Zustimmung bewirkt ein Beweisverwertungsverbot, wenn die Polizeibeamten nicht einmal den Versuch unternommen haben, eine richterliche Entscheidung überhaupt herbeizuführen. Liegen bereits ein Atemalkoholwert und ein klares Ermittlungsergebnis vor, ist nicht ersichtlich, warum die Kontaktaufnahme zu einem Richter oder zumindest der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nicht möglich sein sollte. Zudem ist davon auszugehen, dass an einem Werktag zur Tagzeit noch ein Ermittlungsrichter, zumindest aber noch ein richterlicher Eil- oder Notdienst im Bezirk des Landgerichts zu erreichen gewesen sein wäre.
BVerfG, Beschluss vom 11.06.,2010, Az. 2 BvR 1046/08 (Pressemitteilung Nr. 45/2010 vom 1.7.2010)
Abmahnung – unberechtigte Nutzung eines Dienst-PKW
Leitsatz: Sind die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis nicht klar genug umschrieben, beruht eine Abmahnung, die erstmals die Nutzung eines Dienst-PKW untersagt, auf vermeintlichen Vertragsverstößen und ist unwirksam.
Das Arbeitsgericht Cottbus hat einen Arbeitgeber dazu verurteilt, eine Abmahnung wegen der unberechtigten privaten Nutzung eines Dienst-Pkw für den persönlichen Arbeitsweg aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Eine Abmahnung ist ungerechtfertigt, wenn sie entweder auf unzutreffenden Tatsachen beruht oder aber auf Tatsachen beruht, die vor Gericht nicht bewiesen werden können. Sie ist ferner unberechtigt, wenn sie unverhältnismäßig, weil sie trotz zutreffender Tatsachenfeststellung die Grenzen des vertraglichen Rügerechts durch Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile überschreitet. Dies gilt auch dann, wenn die Abmahnung nur vermeintliche Vertragsverstöße enthält, weil der Arbeitgeber eine unzutreffende rechtliche Wertung vorgenommen oder kein schutzwürdiges Interesse am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr hat.
Gemessen an diesen Gründen ist die Abmahnung der Arbeitgebers ungerechtfertigt, weil sie nur vermeintliche Vertragsverstöße enthält und weil sie unverhältnismäßig ist.
Unstreitig durfte der Kläger als Leiter der Betriebsstätte den Dienst-Pkw jederzeit für dienstliche Zwecke nutzen. Aufgrund der jahrelangen Nutzungsmöglichkeit des Dienst-Pkw konnte der Kläger für sich das Recht in Anspruch nehmen, den Pkw in Absprache mit den Kollegen zu nutzen. Der Kläger brauchte auch nach Aussagen des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung nicht vor jeder Benutzung den Vorgesetzten fragen. Der Kläger war letztlich selbst Vorgesetzter. Das Recht zur Nutzung des Pkws war demnach bereits arbeitsvertraglich durch praktische Übung entstanden.
Wenn die Beklagte nicht wünschte, dass der Kläger dienstliche Fahrzeuge nutzt, hätte sie dies dem Kläger untersagen müssen. Allein die Anweisung, sich an einem anderen Arbeitsort zu melden, um weitere Arbeitsanweisungen zu erhalten, und die Anweisung im zentralen Verkehrsmanagement zu arbeiten, bedeutet aus Sicht des objektiven Empfängers, dass der Kläger alle weiteren Rechte aus seinem Arbeitsvertrag innehat, sich lediglich zeitweilig der Arbeitsort und die Tätigkeit ändert. Ob eine etwaige Versagung der Nutzung des Dienst-Pkw wirksam wäre, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Die Beklagte hat die Nutzung des Dienstfahrzeuges jedenfalls nicht ausdrücklich untersagt. Sind aber die Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis nicht klar genug umschrieben, beruht eine Abmahnung, die erstmals die Nutzung eines Dienst-Pkws untersagt, auf vermeintlichen Vertragsverstößen (und ist unwirksam).
ArbG Cottbus, Urteil vom 02.06.2010, Az.: 2 Ca 181/10
Bereitstellung eines Parkplatzes durch den Arbeitgeber
Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts kann ein Arbeitgeber verpflichtet sein, einem Mitarbeiter kostenfrei einen Parkplatz zu überlassen, wenn die Entscheidung über den Entzug der Parkmöglichkeit eine unbillige Ermessensausübung durch den Arbeitgeber darstellt. Es ist zwar grundsätzlich zutreffend, dass es dem Arbeitgeber überlassen ist, in welcher Form er seine Verpflichtung erbringt; der Mitarbeiter kann ihm nicht vorschreiben, welchen Parkplatz er ihm zur Verfügung zu stellen habe. Gleichwohl kann der Arbeitgeber seine Entscheidung nicht nach freiem Ermessen, freiem Belieben oder Gutdünken ausüben, sondern diese Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber muss nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs.1 BGB getroffen werden.
Hess. LAG, Urteil vom 16.11.2009, Az. 17 Sa 900/09 (Quelle: Pressemitteilung des Gerichts Nr. 6/10 vom 30.06.2010)
Unbestimmtheit des gesetzliches Gebots zur Ausrüstung eines Kfz mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten geeigneten Bereifung
Leitsatz: Der Bußgeldtatbestand der §§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 3 a S. 1, 2 StVO ist wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig, soweit er einen Verstoß gegen das Gebot, ein Kraftfahrzeug mit einer an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung auszurüsten, ahndet.
Das OLG Oldenburg hatte über die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zu entscheiden, was unter einer „geeigneten Bereifung“ zu verstehen ist. Der Beschwerdeführer war der Auffassung, dass auch gut profilierte Sommerreifen bei winterlicher Witterung eine geeignete Bereifung darstellen.
In § 2 Abs. 3 a S. 1 StVO wird die Pflicht des Kraftfahrers normiert, die Ausrüstung seines Fahrzeuges an die Wetterverhältnisse anzupassen. Dazu gehört gemäß § 2 Abs. 3 a S. 2 StVO insbesondere eine geeignete Bereifung. Ordnungswidrig handelt gem. § 49 Abs. 1 Ziff. 2 StVO, wer gegen diese Pflicht verstößt. Wann ein solcher Verstoß vorliegt, d.h. was eine nicht geeignete Bereifung in diesem Sinn ist, ergibt sich aus der Norm selbst nicht. Anhand des reinen Wortlauts des § 2 Abs. 3 a S. 1 und 2 StVO kann der Fahrer eines Kraftwagens nicht erkennen, was von ihm verlangt wird. Das Tatbestandsmerkmal „der an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung“ nennt keine konkrete Bereifung für jeweils genau bezeichnete Wetterverhältnisse. Es stellt deshalb einen unbestimmten, wertausfüllungsbedürftigen Begriff dar.
Diese Ausfüllung lässt sich nicht aus anderen Normen ableiten. Weder gesetzliche noch technische Vorschriften regeln, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Dies gilt auch für Winterreifen. Für den Bürger als Normadressat von § 2 Abs. 3 a StVO ist nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls welche Reifen bei welchen Wetterverhältnissen als ungeeignet anzusehen sind.
Da der Bußgeldtatbestand gem. §§ 24 StGB, 2 Abs. 3 a S. 1, 2 , 49 Abs. 1 Ziff. 2 StVO seinem Wortlaut nach unbestimmt ist, durch andere Gesetze oder technische Vorschriften nicht konkretisiert wird, kein klares Verständnis seines Inhalts in Rechtsprechung und im Adressatenkreis besteht, und da das Ziel der Regelung auch durch bestimmte Rechtsbegriffe hätte erreicht werden können, ist er wegen Verstoßes gegen Art. 103 GG (Bestimmtheitsgebot) ungültig.
OLG Oldenburg, Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 09.07.2010, Az. 2 SsRs 220/09

Aktuelles Magazin
Ausgabe 4/2010

Sonderausgabe Elektro
Das neue Jahresspecial Elektromobilität.
Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026
0 Kommentare
Zeichenbegrenzung: 0/2000