Gib mal Gas!

Nachdem ich mich schon des Öfteren über die Perspektiven der verschiedenen Formen zukünftiger Antriebsenergie ausgelassen hatte, wollte ich dann auch mal am eigenen Leibe erfahren, wie es denn mit Erdgas als Alternative zum Erdöl aussieht. Bei einer Veranstaltung der Firma Hiepler (siehe vorige Ausgabe von FM) ergab sich ein Kontakt Fiat Deutschland, und so kam ich für zwei Wochen zu einem Testwagen Fiat Grande Punto Natural Power. Diese Kolumne befasst sich mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen und vor allen Dingen den netten Erlebnissen.

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Im Vorfeld hatte ich keinerlei direkte Berührung mit Gas im Antriebbereich überhaupt (obwohl wir zu Hause mit Erdgas heizen und kochen). Ich wollte auch vollkommen „unvorbereitet“ an das Projekt herangehen, um eine möglichst neutrale Einschätzung abgeben zu können. Ich machte mir lediglich Gedanken, ob „Gas geben“ eigentlich ein Hinweis auf diese natürliche Form der Antriebsenergie ist. Allerdings musste ich schnell mit Bedauern feststellen, dass da mehr der Vergaser im Spiel war denn Gas in seiner reinen Form.

Das Fahrzeug wurde bei uns zu Hause abgeliefert, als ich gerade mit dem Hund unterwegs war. So bekam ich nicht mal eine Einweisung in die spezifischen Eigenarten des Gasantriebs.

Also ging ich frohen Mutes ans Werk und betrachtete den Fiat Grande Punto von allen Seiten. Meine erste Frage war natürlich, wo das Gas denn eingefüllt würde. Ich öffnete die Tankklappe (Foto) und suchte nach dem Gasanschluss. Auf den ersten Blick konnte ich nichts erkennen und fürchtete schon, dass man vielleicht einen falschen Wagen geliefert hätte. Doch ein genauerer Blick über den Einfüllstutzen für das Benzin ließ mich dann doch noch einen weiteren Anschluss erkennen, der wenig spektakulär aussah, obwohl dort mit einem Druck von 200 bar befüllt werden sollte. Doch dazu später mehr.

Meine erste Fahrt empfand ich dann als vollkommen normal und ich konnte keinen Unterschied zu einem Benziner feststellen. Der Fiat ist sehr gut verarbeitet und macht einen kompakten Eindruck. Spätestens jetzt wäre eine gewisse Grundinformation hilfreich gewesen, denn ich hatte diesen kleinen, unauffälligen Schalter auf der Mittelkonsole übersehen, der über Gas oder Benzin entscheidet. Das schöne an Gasfahrzeugen ist nämlich, dass sie vollkommen unproblematisch zwischen Benzin und Gas wechseln können, lediglich ein kleines Ruckeln deutet den Übergang an. Das gilt für Auto- (LPG) wie für Erdgas (CNG). Ich fuhr also noch mit Benzin.

Bei Benzinbetrieb leistet der Motor 77 PS, bei Gasbetrieb 70 PS. Der Unterschied ist kaum merklich, lediglich in den unteren Drehzahlbereichen gibt es einen kleinen „Hänger“. Toll ist auch, dass bei Versiegen des Gasvorrates automatisch auf Benzin umgeschaltet wird. Hier zeigt sich nun eine spezielle Eigenart des Grande Punto: Er fasst (in zwei Tanks) 15 kg Gas, aber 45 l Benzin! Also ist er eigentlich ein Benziner mit optionaler Gasversorgung. Das Ganze klärt sich dann dadurch auf, dass in Italien Gasfahrzeuge beim Kauf zusätzlich  nanziell unterstützt werden, der Betrieb aber wohl in vielen Fällen eher über Benzin erfolgt. Belegt wird das über die Zahl der Erdgasfahrzeuge und -tankstellen in Italien und Deutschland: Italien hat bei rund 500.000 Erdgasfahrzeugen ca. 650 passende Tankstellen, während es in Deutschland bei nur 80.000 Erdgasfahrzeugen immerhin ca. 850 Erdgastankstellen gibt. Allerdings nur 14 Tankstellen davon sind an der Autobahn, wobei es 2008 schon 150 gewesen sein sollten. Für längere Strecken ein echtes Problem, das aufgrund der Rückfallebene Benzin nicht sonderlich ins Gewicht fällt. Für Autogas gibt es übrigens deutschlandweit um die 3.000 Tankmöglichkeiten.

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Ein Problem bei den Erdgastankstellen ist, dass sie von fast 600 Betreibergesellschaften unterhalten werden, was zu einer großen Preisspanne von 75 bis 110 Cent pro kg H-Gas (Kilogramm ist die Bemessungsgröße für Gas) führt. Man sollte dabei erwähnen, dass Erdgas in zwei verschiedenen Gütestufen angeboten wird: als L-Gas (Low-Gas) sowie als H-Gas (High-Gas), was auf die unterschiedlichen Energiedichten hinweist und sich folglich auch im Preis niederschlägt.

Leider gibt es für Erdgas (noch) keine Tankkarten, auch bei den Werkstätten ist eine besondere Gasprüfung gefordert. Fährt man mit Gas, achtet man erst überhaupt auf die kleinen Zusatzschilder an Tankstellen, die Erd- oder Autogas ankündigen. Der Unterschied zwischen Erd- und Autogas ist derweil erheblich. Autogas (LPG, Liqui ed Petroleum Gas) ist „nasses“ Gas, das demzufolge als Flüssiggas daherkommt, während Erdgas (CNG, Compressed Natural Gas) unter hohem Druck komprimiert wird. Auf dem Punto findet sich auch als einziger Hinweis auf der Heckklappe der Hinweis „Natural Power“ und keine große Aufschrift wie bei vielen Fahrzeugen von Verkehrsbetrieben oder Behörden.

Meine Hauptfrage war nun: Wie rechnet sich die Fahrt mit Erdgas? Dazu habe ich den Erdgastank einfach leer gefahren und gemessen, wie weit ich damit gekommen bin. Und wie viel die neuerliche Betankung kostet. Den Schalter auf der Mittelkonsole in der richtigen Stellung („off“) ging es also auf die Strecke. Zuvor musste aber noch geklärt werden, wo der „Gasstand“ angezeigt wird. Denn neben dem normalen Anzeiger für den Benzinstand gibt es eine digitale Anzeige mit vier Balken für den Gasstand. Der erste (höchste) Balken verabschiedet sich schon nach knapp 40 Kilometern und böse Ahnungen werden wach, ob das so weitergeht.

Weit gefehlt, die Balken erweisen sich als immer inhaltsreicher. Anscheinend ist die Anzeige nichtlinear an den Inhalt gekoppelt. Daran gewöhnt man sich sehr schnell. Was aber einen bleibenden Eindruck hinterlässt, ist die Tatsache dass man Kilometer um Kilometer fährt und die klassische „Tanknadel“ sich um keinen Millimeter nach unten bewegt. So würde man sich das immer wünschen!

Doch irgendwann ist auch der Spaß vorbei und das Gas ist alle. Mit 15 kg bin ich immerhin rund 350 km weit gekommen. Dann war Tanken angesagt. Zu meiner Überraschung gab es in rund einem Kilometer Entfernung von meinem Wohnort eine Erdgastankstelle. Also bin ich hingefahren und wollte mir einfach mal erklären lassen, wie das denn geht. Mein Frage an die Kassiererin, ob sie mir dies zeigen könne, wurde mit der Antwort abgeschmettert „Das weiß ich auch nicht. Da müssen Sie auf einen aus der Werkstatt warten!“ So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Allerdings konnte ich kurzerhand jemanden aus der Werkstatt  ott machen und der führte mich dann in die Geheimnisse des Erdgastankens ein.

Bei einem Druck von 200 bar und mehr ist Vorsicht geboten. Bei meiner Recherche zu Gasfahrzeugen wurde mir dann auch die Geschichte von dem Fahrer erzählt, der den Unterschied zwischen Autogas und Erdgas offensichtlich nicht kannte und die 200 bar auf den Autogas brachte, mit dem finalen Resultat, dass er sich nun über verschiedene Gasarten keinen Gedanken mehr machen muss...

In den Vorratstanks erreicht der Druck sogar Werte von 300 bar. Es wird gesagt, dass bei einer Abrechnung über den Druck im Sommer natürlich weniger Gewicht im Tank landet als im Winter. Da sollte aber technisch noch was möglich sein. Bei einem von mir bezahlten Preis von 98 Cent pro Kilogramm habe ich für hundert Kilometer 4,20 € bezahlt, jeder kann sich selbst den Vergleichswert für Benzin ausrechnen. Man sollte dabei allerdings bemerken, dass die Steuervorteile für Gas nur bis 2018 gelten, das ist aber noch lange hin...

Mein zweiter Besuch an der gleichen Tankstelle ließ mir weitere Aspekte der Erdgasmobilität schmerzlich erfahren. Die Erdgaszapfsäule steht als erste in einer Reihe von normalen Benzin- und Dieselzapfsäulen. Ich musste also ganze vorne halten, während alle Zapfsäulen dahinter frei waren. Auf der „Gegenfahrbahn“ tankte ein LKW, zwischen mir und dem Lkw war kein Durchkommen. Nun kam es, wie es kommen musste, und jemand wollte Benzin tanken. Wüste Beschimpfungen waren die Folge mit allerlei Fingerzeigen, warum ich alles blockiere. Es gibt aber auch nette Erlebnisse, die Verbundenheit der Erdgasfahrer unter sich. Ein kurzer Austausch der Tankdaten, wobei in Deutschland die Erdgasfahrzeuge eher „gaslastig“ ausgelegt sind, sowie allgemeine Befindlichkeiten. Man gehört irgendwie zu einer verschworenen Gemeinschaft, die eine eigene Sprache spricht.

Ein Hauptargument für Erdgas ist noch gar nicht zur Sprache gekommen: die Emissionen. Besonders hervorstechend ist dabei die fast vollständige Vermeidung von Russpartikeln (Feinstaub). Bei den Kohlendoxid-Emissionen sieht alles auch sehr gut aus mit erheblichen Reduktionen, allerdings muss man dabei fairerweise die Förderung, den Transport sowie die Verarbeitung mit einrechnen – das gilt aber umgekehrt natürlich auch für Diesel und Benzin. Das Bild wird dadurch natürlich relativiert, es ist aber immer noch sehr günstig.

Wie sieht es nun mit den Kosten aus? Den Aufpreis von 2.700 € für den Gasantrieb lassen es sich nur weniger als ein Prozent der Punto-Kunden wert sein, in diese Technologie zu investieren. Man kann sich selber ausrechnen, wann die Investition sich rentiert. Bei nur drei Euro weniger pro einhundert Kilometer hat man den Break even point bei 90.000 km Fahrleistung erreicht. Das schaffen heutige Fahrzeuge ohne mit dem Tankschlauch zu zucken.

Die verbleibenden Erdgasvorkommen weltweit sind erheblich. Für mindestens 50 Jahre sollte das noch reichen. Als Überbrückung zu was auch immer, vielleicht Elektromobilität, die dann mal ef zienter sein wird? Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass die Gasversorgung, wie in der Presse häu g dargestellt, in gewisser Hinsicht an einer „seidenen Leitung“ hängt. Doch darüber entscheiden am Ende politische Großwetterlagen.

Meine Fahrt mit dem Grande Punto Natural Power geht nach zwei Wochen nun langsam dem Ende entgegen. Ein tolles Auto mit ausgereifter Technik. Man merkt, dass hier jahrelange Entwicklungsarbeit drin steckt. Es macht am Ende richtig Spaß, die Möglichkeiten auszunutzen, zu optimieren. Und Navis helfen einem ja auch dabei. Leider aber muss ich den Punto jetzt wieder abgeben. Gerne hätte ich ihn behalten. Und Erdgasantrieb ist für mich kein unbeschriebenes Blatt mehr.

 

Professor Michael Schreckenberg, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt.

Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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