Der Wegeunfall
Jedes Jahr werden rund 200.000 Wegeunfälle gemeldet. Als Wegeunfall bezeichnet man solche Unfälle, die sich auf dem Weg zur Arbeit und auf dem Weg von der Arbeit zurück ereignen. Schwerpunktmäßig handelt es sich dabei um Straßenverkehrsunfälle, welche mehr als die Hälfte der Wegeunfälle ausmachen. Nach dem vom Statistischen Bundesamt erfassten Zahlenmaterial und der Gesundheitsberichterstattung des Bundes waren die Wegeunfälle in den Jahren 1993 bis 2006 zwar insgesamt jedenfalls seit 1995 tendenziell rückläufig, hielten sich jedoch weiterhin auf diesem recht hohen Niveau. Wegeunfälle kommen also häufiger vor als man denkt und können jeden treffen, der sich im Straßenverkehr zur Arbeit begeben muss. Grund genug also, sich einmal mit der Rechtslage bei Wegeunfällen vertraut zu machen.

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Die Zahlen sprechen für sich – ein Blick auf die Statistik
Insgesamt haben die Wegeunfälle einen Anteil von 13 bis 16 Prozent an den gemäß § 193 SGB VII meldepflichtigen Unfällen, also solchen Unfällen, durch die eine versicherte Person entweder getötet oder so verletzt wird, dass sie mehr als drei Tage arbeitsunfähig ist. Sieht man sich die einschlägigen Statistiken einmal genauer an, so lebt man insoweit in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen am gefährlichsten, denn hier lagen die Wegeunfälle bei bis zu rund 35.000 Fällen pro Jahr.
Was genau ist ein Wegeunfall?
Wegeunfälle sind Unfälle, die Beschäftigte auf dem Weg zur oder von der Arbeit erleiden. Wichtig ist dabei, dass sich der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit oder zurück ereignet. Der Gesetzgeber hat den Weg von und zur Arbeit unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt. Wegeunfälle sind insoweit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII den Arbeitsunfällen gleichgestellt. Versichert sind insoweit auch Umwege, die zum Beispiel nötig werden:
• er Arbeitszeit unterzubringen (Kindergarten, Hort, Schule),
• bei Fahrgemeinschaften;
• bei Umleitungen oder
• weil der Arbeitsplatz über einen längeren Weg schneller erreicht werden kann.
Wer ist versichert?
Der Versicherungsschutz besteht ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Familienstand, Nationalität oder Einkommen bei einer ständigen, aber auch bei einer vorübergehenden Beschäftigung. Der Versicherungsschutz ist selbst dann gewährleistet, wenn der Betrieb vom Unternehmer noch nicht bei der Berufsgenossenschaft angemeldet wurde oder wenn der Unternehmer keine Beiträge an die gesetzliche Unfallversicherung gezahlt hat. Es sind darüber hinaus aber auch Personen gesetzlich unfallversichert, die in der beruflichen Aus- und Fortbildung sind. Auch selbständige Unternehmer können sich bei der Berufsgenossenschaft freiwillig versichern. In einigen Branchen sind sie durch Gesetz oder Satzung sogar pflichtversichert.
Wo beginnt und wo endet der versicherte Weg?
Wo der Arbeitsweg anfängt und wo dieser endet, ist genau festgelegt. Der Arbeitsweg beginnt im häuslichen Bereich des Versicherten, unabhängig davon, ob dieser nun ein Einfamilienhaus oder eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bewohnt. Der Versicherungsschutz beginnt und endet jedenfalls mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem der Versicherte wohnt. Stürzt der Betreffende auf dem Weg zum Auto noch im Treppenhaus, stellt dies keinen Wegeunfall dar. Bei Stürzen in der eigenen Garage ist aber durchaus zu differenzieren: bildet die Garage eine bauliche Einheit mit dem Wohngebäude und ist sie vom Hausinneren her zugänglich, dann ist sie Teil des häuslichen Bereiches, innerhalb dessen kein Versicherungsschutz besteht.
Kann die Garage hingegen – sei es trotz baulicher Einheit mit dem Wohngebäude oder sei es, dass sie an einer anderen Stelle auf dem Grundstück steht und mit dem Haus keine bauliche Einheit bildet – nicht von Gebäudeinneren her erreicht werden, dann besteht auch bei Unfällen in der Garage bereits Versicherungsschutz wie bei einem Stolperunfall im Vorgarten auf dem Weg zum PKW.
Die Arbeitsstelle bildet als Ort der Tätigkeit den anderen Grenzpunkt für den versicherungsrechtlich relevanten Weg zur Arbeit. Unter Arbeitsstelle ist das gesamte Betriebsgelände zu verstehen. Auch hier beginnt und endet der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Betriebs oder des Werkstores des Betriebsgeländes. Versichert sind aber auch alle mit der Arbeit verbundenen Dienstfahrten.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 2/2009

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Befinden sich Wohnung und Arbeitsstelle des Versicherten ausnahmsweise in demselben Gebäude, dann gelten nur solche Unfälle als Wegeunfälle, die sich auf den Wegen außerhalb der Wohnung ereignen. Natürlich ist der Versicherte aber auch anderweitig geschützt: so sind Unfälle, die sich bei versicherten Tätigkeiten in wesentlich zu betrieblichen Zwecken genutzten Räumen ereignen, als Arbeitsunfall anzusehen. Und für den Fall, dass der Betroffene beispielsweise aus betrieblichen Gründen Geschäftsunterlagen aus seiner Wohnung holen muss und sich dabei verletzt, besteht für diesen betrieblichen Gang auch innerhalb der Wohnung Versicherungsschutz.
Nur der direkte Weg ist versichert
Grundsätzlich ist der direkte, also der unmittelbare Weg, versichert, wobei dies nicht notwendig auch der kürzeste Weg sein muss. Zulässig ist es, jeden Weg zu benutzen, welcher bei vernünftiger Betrachtung geeignet ist, möglichst sicher und schnell das Ziel zu erreichen. Dem versicherten Beschäftigten bleibt deshalb freigestellt, ob er den direkten, kürzesten Weg beispielsweise durch die Innenstadt wählt oder ob er lieber eine außerstädtische Umgehungsstraße benutzt, weil der kürzere Weg beschwerlicher ist. Freigestellt ist auch die Wahl des Beförderungsmittels. Unabhängig davon, welches Verkehrsmittel der Versicherte benutzt, ist hier letztlich entscheidend, dass dieses – jedenfalls überwiegend – in der Absicht benutzt wird, damit den Weg zur oder von der Arbeit zurückzulegen. Dabei sind auch Wartezeiten – auf Taxi, Bus oder Straßenbahn – mit versichert.
Kann der Weg unterbrochen werden?
Was aber passiert, wenn der Versicherte auf dem Weg von oder zur Arbeit noch einige Besorgungen macht und beispielsweise morgens auf dem Weg zur Arbeit noch schnell die Tageszeitung und/oder ein paar Brötchen und den obligatorischen Becher Kaffee zum Mitnehmen kauft? Oder wenn man auf dem Rückweg nach Hause den Friseur aufsucht oder noch schnell das Auto tankt, weil man am nächsten Morgen früh raus muss? Wer für derartige private Tätigkeiten den direkten Weg verlässt, den er eigentlich sonst von oder zur Arbeit benutzt, hat jedenfalls vorübergehend keinen Versicherungsschutz. Das ohne betrieblich veranlasste Notwendigkeit erfolgende Aufsuchen einer Tankstelle zwecks Betankung des Fahrzeugs ist daher nicht versichert – dies gilt selbst dann, wenn das Auftanken erforderlich ist, um am nächsten Tag mit dem Fahrzeug wieder zur Arbeitsstätte zu fahren. Dabei werden von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angesetzt: so ist es beispielsweise zulässig den Versicherungsschutz zu verneinen, wenn der Betroffene die zum versicherten Ziel führende Straße unter Inkaufnahme eines Umwegs von 100 Metern verlässt, um an einem Automaten Geld abzuheben.
Hier gilt zusammenfassend folgendes: unterbricht der Versicherte seinen üblichen Arbeitsweg aus privaten oder eigenwirtschaftlichen Gründen, besteht während dieser Tätigkeit kein Versicherungsschutz. Der Versicherungsschutz wird unterbrochen, sobald der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum verlässt. Er lebt aber wieder auf, sobald der Versicherte nach Beendigung seiner privaten Erledigungen wieder auf den direkten Weg zurück kehrt. Aber auch in zeitlicher Hinsicht hat die Rechtsprechung eine eindeutige Grenze für derartige Fahrtunterbrechungen gezogen: wird der Arbeitsweg länger als 2 Stunden unterbrochen, entfällt danach der Versicherungsschutz.
Der Wegeunfall ist aber von den sogenannten Betriebswegeunfällen zu unterscheiden, bei denen die Arbeit gerade darin besteht, gewisse Wegstrecken zurück zu legen, so etwa beim Taxi- oder Kurierfahrer, beim Handelsvertreter oder beim Transporter- oder LKW-Fahrer. In diesen Fällen können auch längere Pausen bei Zurücklegung des Weges als etwa zwei Stunden den Versicherungsschutz nicht unterbrechen.
Umwege zur Unterbringung von Kindern
Eine große Zahl von Beschäftigten bringt ihre Kinder tagsüber in die Obhut eines Kindergartens, einer Schule, von Verwandten oder Tageseltern. Sie bringen die Kinder dann üblicher Weise auf dem Weg zur Arbeitsstätte dorthin und holen sie später von dort wieder ab. In vielen Fällen kann es dafür erforderlich sein, vom direkten Arbeitsweg abzuweichen. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und den Versicherungsschutz in solchen Fällen explizit auf Abweichungen vom versicherten Weg ausgedehnt, die zum Wegbringen oder Abholen der Kinder notwendig sind. Diese gesetzlich geregelte Ausnahme gilt aber nicht völlig uneingeschränkt, nämlich nur dann, wenn es wegen der beruflichen Tätigkeit der versicherten Person oder des Ehegatten erforderlich ist, die Kinder in fremde Obhut zu geben. In der Praxis wird dies relevant wenn entweder beide Elternteile berufstätig sind oder wenn das Kind nach einer Scheidung nur bei einem Elternteil lebt und dieser berufstätig ist. Nicht versichert ist der Umweg zum Kindergarten aber dann, wenn einer der beiden Elternteile nicht arbeitet und das Kind daher auch selbst versorgen könnte.
Wie steht es mit anderweitigen Umwegen? Wie ist jedoch der Versicherungsschutz zu beurteilen, wenn der Weg zur Arbeit ausnahmsweise einmal nicht von zu Hause aus angetreten wird, sondern von einem anderen Ort? Bei Wegen zwischen Arbeitsstätte und Wohnung besteht der geforderte innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit grundsätzlich, weil der Versicherte diesen Weg eben gerade wegen seiner Tätigkeit im Unternehmen zurücklegen muss. Im Versicherungsdeutsch werden Wege, die nicht von der Wohnung aus angetreten werden oder die nicht dort enden, als Wege vom beziehungsweise zum sogenannten „dritten Ort“ bezeichnet. Darunter versteht man einen Ort, der weder zum häuslichen noch zum betrieblichen Bereich des Versicherten gehört und der Versicherte dort einer privaten Tätigkeit nachgeht. Kommt es zum Unfall, muss im Einzelfall der Versicherungsschutz geprüft werden. Als Faustregel gilt aber folgendes: Der versicherte Weg beginnt bei Wegen von der Wohnung zur Arbeitsstätte über einen dritten Ort erst mit dem Verlassen des dritten Ortes, wenn der Aufenthalt dort mindestens eine Stunde gedauert hat. In diesem Falle ist der Weg vom dritten Ort zur Arbeitsstätte versichert, sofern sein wesentlicher Zweck die Aufnahme der versicherten Tätigkeit ist und er zudem auch in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Arbeitsweg von der Wohnung zur Arbeit steht. Auf keinen Fall versichert ist dabei aber der Weg von der Wohnung zum sogenannten dritten Ort. Besucht man also vor Arbeitsbeginn noch einen erkrankten Arbeitskollegen, so ist der Weg dorthin rein privat veranlasst und damit nicht versichert; der weitere Weg zum Betrieb ist hingegen versichert.
Wie sind Fahrten zur Zweitwohnung und Familienheimfahrten versichert?
Wenn die Wohnung und die Arbeitsstelle so weit voneinander entfernt liegen, dass ein tägliches Pendeln dazwischen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kommt in der Praxis häufig eine Zweitwohnung am Ort der Tätigkeit zum Zuge. Grundsätzlich sind nach den allgemeinen Grundsätzen der tägliche Weg von der Zweitwohnung zur Arbeitsstätte und zurück versichert. Aber auch Fahrten zur Familienwohnung sind versichert. Der Versicherungsjurist spricht insoweit vom „Mittelpunkt der Lebensverhältnisse für eine nicht begrenzte Zeit“. Gemeint ist folgendes: bei Verheirateten ist die Familienwohnung der ständige Aufenthaltsort des anderen Ehegatten. Bei unverheirateten Paaren sind hingegen die Umstände des Einzelfalles entscheidend; hier kann auch die Wohnung einer Verlobten oder einer Lebensgefährtin, aber auch die Wohnung der Eltern als Familienwohnung anzusehen sein.
Als versicherte Wege sind hier die Fahrten zwischen Arbeitsstelle und Familienwohnung sowie die Fahrten von der Zweitwohnung am Ort der Tätigkeit zur Familienwohnung und zurück anzusehen; die Länge des Wegs ist dabei regelmäßig nicht entscheidend. Versicherungsschutz besteht daher
• sowohl für die erste Fahrt von der Familienwohnung zum Ort der Tätigkeit, um dort die Arbeit aufzunehmen
• als auch für die letzte Fahrt zurück, nachdem das Beschäftigungsverhältnis beendet wurde,
• sowie zwischendurch für Besuchsfahrten.
Wegfall des Versicherungsschutzes? – Zweifelsfälle und Streitpunkte
Kein Unfallversicherungsschutz besteht für denjenigen, der infolge Alkoholgenusses verkehrsuntüchtig ist und dies allein die wesentliche Unfallursache darstellt.
Darf die Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz aber auch dann versagen – also die Zahlung der Verletztenrente, von Pflegegeld, von Heilbehandlung oder von Hinterbliebenenleistungen verweigern – weil der versicherte Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit beispielsweise bei Rot über die Ampel in die Kreuzung gefahren ist und hierdurch den Unfall verursacht hat? Ein verbotswidriges Verhalten schließt den Versicherungsschutz jedenfalls nicht aus. Wie aber steht es in Fällen, in denen eine sogenannte Wegegefahr (wie Glatteis in der Kurve) und gleichzeitig eine Alkoholbeeinflussung mit Restalkohol des Versicherten nach einer Betriebsfeier zusammen kommen. Darf dann auch der Versicherungsschutz versagt werden? Hier ist es ausreichend, wenn die Wegegefahr wesentlich mitursächlich für den Unfall geworden ist. In diesem Fall ist Versicherungsschutzes zu bejahen.
Eine der gefährlichsten Wegegefahren ist und bleibt die Übermüdung. Diese kann sich einerseits aus der Länge der zurückgelegten Wegstrecke ergeben. Dann ist ein Unfall durch diese Weggefahr direkt der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Andererseits kann der Versicherte den Weg bereits aus privaten Gründen übermüdet antreten, etwa weil er nachts nicht geschlafen hat. In diesem Fall kommt es auf die Umstände des Einzelfalles, ob ein Wegeunfall berufsgenossenschaftlich anzuerkennen ist. Im Zweifelsfalle sollte bei Streitigkeiten ein versicherungsrechtlich versicherter Anwalt zu Rate gezogen werden.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
Aktuelles Steuerrecht
Neue BFH-Rechtsprechung für Fahrten zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten
Nach einer am 25.02.2009 veröffentlichten aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind für Fahrten eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten nunmehr die Fahrtkosten in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen (BFH-Urteil 18.12.2008, Az. VI R 39/07).
Der BFH unterscheidet neuerdings genau zwischen Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) einerseits und Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten andererseits. Nach der neuen BFH-Rechtsprechung kann die den Abzug einschränkende Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nicht auf Fahrten des Arbeitnehmers zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten angewendet werden. Dessen Fahrtkosten sind vielmehr unabhängig von der Entfernung – ab dem ersten Kilometer – in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dieser Rechtsauffassung scheint sich inzwischen auch die Finanzverwaltung angeschlossen zu haben: die in R 38 Abs. 3 LStR 1999 bis 2007 angeführte Regelung zur 30 km-Grenze wurde in die LStR 2008 nicht übernommen. Die ältere Rechtsprechung des BFH, wonach Aufwendungen für Fahrten mit dem eigenen PKW zu verschiedenen Einsatzorten nur mit den Pauschsätzen anzusetzen sind, die auch Arbeitnehmer für Fahrten mit einer festen Arbeitsstelle beanspruchen können, ist damit als überholt anzusehen.
Rechtsprechung
Vorsteuerabzugsberechtigter Geschädigter ist bei Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs nicht verpflichtet, ein regelbesteuertes Fahrzeug zu erwerben
Der 6. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der beklagte Haftpflichtversicherer des Schädigers in vollem Umfang aus einem Verkehrsunfall haftet, bei dem das Fahrzeug des Klägers einen Totalschaden erlitten hat. Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger hatte ein gleichartiges, differenzbesteuertes Ersatzfahrzeug erworben. Die beklagte Versicherung regulierte den Fahrzeugschaden nur auf der Basis eines Netto-Wiederbeschaffungswerts unter Abzug einer Umsatzsteuer von 19 % für den Wiederbeschaffungswert und den Restwert.
Der BGH vertrat die Ansicht, es sei nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht dem Kläger Schadensersatz auf der Basis eines Brutto-Wiederbeschaffungswerts zugesprochen hat. Im Streitfall liegen nach Ansicht des BGH die Voraussetzungen nicht vor, unter denen die Rechtsprechung angenommen hat, dass die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht vom Schädiger zu erstatten ist, soweit der Halter eines für Geschäftszwecke benutzten Fahrzeugs nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Der Kläger hat ein differenzbesteuertes Fahrzeug angeschafft, so dass er nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. §§ 15 Abs. 1, 14 Abs. 4 Nr. 8, 14a Abs. 6, 14c, 25a Abs. 3, 4 UStG). Zudem werden selbst nach dem – bestrittenen – Beklagtenvortrag auf dem maßgeblichen Markt vergleichbare Fahrzeuge nur zu 30% regelbesteuert angeboten. Unter diesen Umständen ist es einem Geschädigten auch im Hinblick auf eine etwaige Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB nicht zumutbar, sich ausschließlich nach einem regelbesteuerten Fahrzeug umzusehen und ein solches zu erwerben, um zur Entlastung des Schädigers die Vorsteuerabzugsberechtigung geltend machen zu können.
BGH, Beschluss vom 25.11.2008, Az.VI ZR 245/07
Geschwindigkeitsübertretung und Lasermessung: bei Widerspruch im Messprotokoll ohne Fotodokumentation kein Beweis der Geschwindigkeitsübertretung allein durch die Aussage des messenden Polizisten
Gibt ein Polizist an, bei der Lasermessung habe sich im Messkreis um den Messpunkt im Scheinwerfer des betreffenden Fahrzeugs kein anderes Fahrzeug befunden, vermerkt aber hierzu in den Unterlagen, dass ein anderes Fahrzeug vorausgefahren ist, stellt dies einen unlösbaren Widerspruch dar. Somit verbleibt für die Überprüfung der konkreten Messsituation nur die Aussage des Polizisten. Diese allein reicht aber nicht, um die konkrete Situation eindeutig zu überprüfen, sodass eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nachzuweisen ist. Es war nicht auszuschließen, dass sich in unmittelbarer Nähe des Zielerfassungsbereiches der Laseroptik oder sogar innerhalb dieses Bereiches Teile des vorausfahrenden Fahrzeugs befanden, so dass die Messung aus technischen Gründen nicht verwertbar ist.
AG Herford, Urteil vom 12.09.2008, 11 OWi-53 Js 2782/07
Abschleppkosten müssen vorrangig vom Fahrer erhoben werden
Das VG Oldenburg hat mit Urteil vom 27. Februar 2009 der Klage der Halterin eines Pkw gegen einen Bescheid der Stadt Oldenburg über die Heranziehung zu Abschleppkosten stattgegeben. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Abschleppkosten jedenfalls nicht von der Klägerin, sondern allenfalls von deren Ehemann als Fahrer hätten erhoben werden dürfen. Der Stadt sei bekannt gewesen, dass nicht die Klägerin als Halterin des Fahrzeugs, sondern deren Ehemann das Fahrzeug verbotswidrig geparkt habe. Wenn aber feststehe, dass nicht der Halter, sondern ein anderer ein Fahrzeug verbotswidrig geparkt habe, und wenn der Name und die Anschrift dieses anderen der Behörde bekannt sind, hat die Behörde die Abschleppkosten vorrangig vom Fahrer zu verlangen. Auf den Halter darf in solchen Fällen nur zurückgegriffen werden, wenn die Inanspruchnahme des Fahrers aussichtslos ist (z.B. weil er insolvent ist). Dass die Stadt Oldenburg nach eigenen Angaben Abschleppkosten immer vom Fahrzeughalter verlangt, ist deshalb nach Auffassung des Gerichts mit diesen rechtlichen Anforderungen nicht vereinbar.
VG Oldenburg, Urteil vom 27.02.2009, Az. 7 A 35/09 (Pressemeldung des Gerichts vom 06.03.2009; Urteil ist noch nicht rechtskräftig).
Keine Hinweispflicht eines Autovermieters auf günstigere Angebote anderer Anbieter bei Vermietung eines Unfallersatzwagens
Bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall besteht keine Hinweispflicht des Autovermieters im Hinblick auf billigere Tarife. Eine solche Hinweispflicht bestand hier jedenfalls schon deswegen nicht, weil sich der berechnete Tarif im Rahmen eines betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Tarifs bewegt und damit erstattungsfähig ist; auf möglicherweise billigere Angebote anderer Anbieter brauchte die Klägerin nicht hinzuweisen. Insoweit fehlt es aber auch an der Zugänglichkeit des Geschädigten zu einem wesentlich günstigeren Tarif. Für die Frage der Zugänglichkeit ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen; dabei können sowohl objektive als auch subjektive Elemente eine Rolle spielen. Dass der Geschädigte besondere Kenntnisse von den Tarifen der Autovermietungsunternehmen hatte, ist nicht anzunehmen und von der Beklagten auch nicht dargelegt worden. Eine Marktforschung brauchte der Kläger vor der Anmietung nicht zu betreiben.
AG Rheinbach, Urteil vom 23.09.2008, Az. 5 C 140/08

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