Die Sache mit der Energie

Wie man es auch dreht und wendet, an der Krise kommt letztendlich niemand vorbei. Keiner weiß, wie lange sie dauern wird und welche Konsequenzen sich mittelfristig daraus noch ergeben. Ein Gutes aber hat diese Situation: Sie schärft den Blick für den verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen. Wo man früher noch großzügig drüber hinweg gegangen ist, wird man heute stutzig und wundert sich ob des verschwenderischen Umgangs insbesondere mit der Energie.

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Einen Bereich scheint die Krise vorerst ausgespart zu haben, nämlich den der Benzin- und Dieselpreise. Ja es scheint dort sogar genau in die andere Richtung zu gehen. Und schaut man sich das Gesamtbild des Autofahrers einmal genauer an, so gerät man geradezu ins Schwärmen: Die Pendlerpauschale ist wieder da (der Gerichtsentscheid wurde von unserer Bundeskanzlerin als richtiges Signal in konjunkturell schwierigen Zeiten gewertet…), die Abwrackprämie erleichtert einem den Abschied vom über Jahre ans Herz gewachsenen Gefährt und wenn dann ab 1. Juli, wie gerade vom Bundesrat bestätigt, der CO2-Ausstoß neben dem Hubraum zur Steuerberechnung herangezogen wird, kann man durch Anschaffung eines Kleinwagens richtig Geld sparen.

Erste Risse bekommt das Bild, wenn man denn tatsächlich einen Kleinwagen kaufen möchte, denn sie sind rar geworden und man wird an längst überwunden geglaubte Zustände aus DDR-Trabbi-Zeiten erinnert (wurde mir von Zeitzeugen berichtet, ich selbst war nicht dabei). Viele Monate vergehen, ehe man den Kleinen endlich sein Eigen nennen darf. Zum Glück kann man ja die Abwrackprämie „reservieren“, so dass einem da keine Nachteile entstehen, da sie ja nur für dieses Jahr vorgesehen ist.
Irgendwann beschleicht einen dann auch die Ahnung, die paradiesartigen Preise an den Tankstellen könnten vielleicht doch nur vorübergehend sein und in nicht allzu ferner Zukunft würde auch dort die Krise ihren Einzug halten. Am Rande erfährt man ja auch von klammen Ölscheichs, denen die Krise auch im Nacken sitzt und die sich mit milliardenschweren Stadtbauprogrammen in der Wüste auf Jahre hinaus verschuldet haben, nur fließt der Petrodollar nun nicht mehr wie geplant.

Wie auch immer, das Erdöl wird eh irgendwann versiegen und in dem Buch „Ausgebrannt“ von Andreas Eschbach kann man in diese Zeit schon mal hinein schnuppern. So schnell wie dort wird es bei uns aber hoffentlich nicht zur Neige gehen.

Wir haben also noch Zeit genug, über Alternativen nachzudenken. Fast täglich werden wir mit Erfolgsmeldungen überschüttet, die uns glauben machen wollen, dass eigentlich alles schon existiert und wir nur zugreifen brauchen. Doch dem ist beileibe nicht so und man sollte, insbesondere bei der Planung einer Flotte, sehr genau die Risiken der unterschiedlichen Entwicklungen anschauen.

Wie schnell sich die Lage ändern kann, hat man nicht nur bei der Finanzkrise gesehen, die auch im Automobilsektor drastische Auswirkungen haben wird und die ohnehin stattfindenden Entwicklungen nur beschleunigt. Man sah solcherlei „Umdisposition“ schon bei den Erwartungen in die Brennstoffzelle. Bis dann in der Presse Meldungen mit Titeln wie „Ein Hoffnungsträger enttäuscht“ kursierten.

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Ausgabe 2/2009

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Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Die hohen Energieaufwendungen für die Bereitstellung des „Energieträgers“ Wasserstoff ließen recht schnell von der Brennstoffzelle Abstand nehmen, obwohl noch reichlich daran geforscht wird und ein Einsatz in Fahrzeugen ja nicht ausgeschlossen ist.

Aber hier stößt man auf ein Kernproblem jedes automobilen Energiekonzeptes: Sinn macht ein Konzept nur, wenn eine flächendeckende und mengenmäßig ausreichende Versorgung gewährleistet ist. In der Geschichte hat es sich immer wieder gezeigt, dass es kaum ein Nebeneinander unterschiedlicher Systeme mit jeweils eigenem Support geben kann. Ein natürlicher Auswahlprozess lässt nur einen Sieger zur, der häufig sogar die technisch schlechtere Variante darstellt. Man denke nur an die verschiedenen Video-Formate wo Betamax keine Chance gegen VHS hatte (obwohl eigentlich besser), wo die DVD-RAM gegen die nun gängigen DVDs unterlag oder gerade erst der Sieg der Blu-ray Disc gegen die HD-DVD.

Momentan findet der Kampf in den Netzen statt: Über das Telefonnetz fernsehen ist heute genauso möglich wie über das Fernseh-Kabel telefonieren. Dort wird auch am Ende ein System obsiegen, über welches Kabel auch immer. Das Telefon ist aber am Ende sowieso schnurlos, wir merken dann nicht mehr, wo die Information eigentlich lang läuft.

So war es auch unwahrscheinlich, dass neben dem schienengebundenen Eisenbahnverkehr ein gänzlich anderes System wie der Transrapid gleichzeitig betrieben würde. Zwei unterschiedliche Systeme müssten gewartet werden und man hätte immer die Schnittstellenproblematik beim Übergang von einem System in das andere.

So wird man sich auch schwerlich vorstellen können, dass unsere Tankstellen einmal „Energievollsortimenter“ sein werden. Also sich die Brennstoffzelle komplett durchsetzt oder ein Nischendasein ohne nennenswerten Markteinfluss fristen wird. Dazu sind auch die „Zapfstellen“ für Wasserstoff mit 350 TEuro pro Stück zu teuer (Benzin 6 TEuro).

In einer Zeit des Übergangs wird viel ausprobiert und getestet, und vor allem viel kombiniert. Man möchte eben auf ein funktionierendes System mit vorhandener Infrastruktur aufsetzen. Schön ist es dann, wenn auch der Motor eigentlich erstmal so bleiben kann, wie er ist (oder nur geringe Veränderungen erfährt). Schon seit den 1970er Jahren kann man mit Autogas (LPG) fahren, das als Abfallprodukt („nasses Bohrgas“) in der Erdgas- und Erdölindustrie anfällt. Die Umrüstung eines Ottomotors ist nicht so teuer (bis 3.500 Euro), beansprucht aber Platz. In Deutschland stehen rund 4.750 Tankstellen zur Verfügung. Zur Not kann man aber auch wieder auf Benzin umschalten.

Schlechter sieht es beim Erdgas oder besser dem komprimierten Erdgas (CNG) aus. Hier gibt es in Deutschland nur knapp 800 Tankstellen. Allerdings ist aufgrund von leistungsstärkeren Motoren eine Belebung des Marktes zu erwarten, da die noch bis 31. Dezember 2018 geltenden steuerlichen Vorteile erheblich sind. Auch hier ist Benzin als Rückfallebene möglich und vergrößert die unbedingt notwendige Reichweite entsprechend.

Auch der Elektroantrieb traut sich noch nicht wirklich alleine auf die Strecke, er nimmt einen Verbrennungsmotor als Unterstützung für den nach spätestens 150 km schlapp machenden Akku. Die hybride Zukunft kommt etwas anders daher mit zwei unabhängigen Motoren, meistens Verbrennungs- und Elektromotor.

Die elektrische Zukunft, die viele für die aussichtsreichste halten, wirft aber noch eine Reihe grundlegender Fragen auf. Sollten wir also wirklich einmal alle mit Elektroantrieben dahinsurren, ist eine tief gehende Identitätskrise unvermeidbar. Definierten wir uns über Jahrzehnte über den säuselnden oder satten Sound unserer verbrennenden Antriebsaggregate, so kommen die in dieser Hinsicht deutlich geradezu langweiligen Motoren bisher von wenigen externen Herstellern, wie Bosch. Was aber nicht heißt, dass nicht Geräusche im Innenraum des Fahrzeuges entstehen, aber eben ganz andere.

In einer Zeit, wo wir versuchen, die Lärmbelästigung durch Verkehr zu reduzieren, kommen Bestrebungen wie von Lotus, den Elektrofahrzeugen aus Sicherheitsgründen „künstlich“ Motorgeräusche hinzuzufügen, um sie als Fußgänger früher zu hören, geradezu anachronistisch daher.

Die Automobilhersteller werden mittelfristig selber in die Produktion einsteigen wollen. Der Sound ist eben ein wichtiges Erkennungsmerkmal eines Fahrzeugs. Was tritt an seine Stelle? Allerdings traut man dem Braten (!) noch nicht so ganz, denn die Stromspeicher à la Lithium- Ionen-Akku haben noch nicht die hohen Qualitäten, die für einen Dauerbetrieb notwendig wären. Die Wärmeentwicklung ist ein Problem, bei Unfällen ist mit Kurzschlüssen und Brand zu rechnen.

Die Ladezeiten der Akkus sind ein weiteres Thema. Der Super-Tesla mit fantastischen Leistungswerten benötigt einen 400 kg schweren Lithium-Ionen-Akku, der 16 Stunden (!) Ladezeit braucht. Ein „normales“ Elektroauto braucht immer noch 1,5 bis 3 Stunden, da hilft nur der Vorhalt austauschbarer Akkus in entsprechender Menge, und zwar aufgeladen! Bei einem Einzelpreis von rund 10 TEuro ist ein ausgeklügeltes System an Versorgung vorzusehen. Für unsere gesamte Fahrzeugflotte kommt man da schnell auf 200 Mio. Stück. Wie dies funktionieren soll ist weitgehend unklar. Dazu werden aber erste Forschungsprojekte angedacht.

Der Ladevorgang an sich ist schon einen Blick wert. Wie wird in einem Mehrfamilienhaushalt aufgeladen? Wo ist (sind) die notwendigen Steckdose(n)? Es wird Ladestationen mit einer Leistung geben, die unser Stromnetz nicht zur Verfügung stellt. Aber da haben die Akkus ganz natürliche Grenzen. Zeit wird man in jedem Fall mitbringen müssen.

Auch die Entsorgung der Akkus muss organisiert werden. Wohin mit den Bergen an „verbrauchten“ Akkus? Umweltverträglich muss das auf jeden Fall sein. Die Anzahl der möglichen Ladezyklen ist ein weiteres Problem. Wie lange halten die Akkus durch

Auf jeden Fall müssen wir uns mobilitätsbezogen umstellen. Eine Zeit werden wir uns natürlich noch an der klassischen Antriebsform erfreuen können. Aber auch hier setzt ein Umdenken ein. Großvolumige Hubräume werden schon mit einem „Ansehensmalus“ bedacht, man schaut genauer hin, wie andere mit der Energie umgehen.

In den Schulen machen sich „Energie AGs“ breit, die überflüssige Energieverschwendung geißeln. Da geht es nicht nur um Energiesparlampen, sondern eben auch um die mobile Energie. Da rechnet sich ein Blick in die Bilanzen.

Will man jetzt einen Rat geben in Bezug auf die Investition in die Zukunft, sollte man zurückhaltend handeln. Erdgas ist kurz- bis mittelfristig (2018) bestimmt eine gute Alternative, wenn die Ankündigungen der Leistungen der Fahrzeuge stimmen, obwohl die Anzahl Tankstellen gering ist. Die Möglichkeit der Flexibilität in Bezug auf Benzin als Rückfallebene ist auch ein Argument. Aber damit täuscht man sich nur selbst, denn der „große Wandel“ wird stattfinden, so oder so.

Ich werde diesen aber wohl nicht miterleben. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum viele das Thema vor sich her schieben. Warten auf die große Idee ist angesagt. Wir werden jedenfalls die Mobilität mit anderen Augen (und Ohren) wahrnehmen in der Zukunft.

 

Professor Michael Schreckenberg, geboren 1956 in Düsseldorf, studierte Theoretische Physik an der Universität zu Köln, an der er 1985 in Statistischer Physik promovierte. 1994 wechselte er zur Universität Duisburg-Essen, wo er 1997 die erste deutsche Professur für Physik von Transport und Verkehr erhielt.

Seit mehr als 15 Jahren arbeitet er an der Modellierung, Simulation und Optimierung von Transportsystemen in großen Netzwerken, besonders im Straßenverkehr, und dem Einfluss von menschlichem Verhalten darauf.

Seine aktuellen Aktivitäten umfassen Online-Verkehrsprognosen für das Autobahnnetzwerk von Nordrhein-Westfalen, die Reaktion von Autofahrern auf Verkehrsinformationen und die Analyse von Menschenmengen bei Evakuierungen.

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