Reine Normsache

Die Autohersteller dürfen ihre Fahrzeuge schon lange nicht mehr allein nach Lust und Laune bauen; Crashnormen und Abgas- Gesetzgebung zwingen die Konzerne zu teuren Investitionen und viel Forschergeist. Vor allem den Dieselmodellen wird es in den nächsten Jahren an den Kragen gehen.

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Kalifornien als Vorbild?
Die smoggeplagte Region handelte schon in den sechziger Jahren – eine Abgasgesetzgebung musste her, um die Fahrzeuge sauberer zu machen. Europäische Richtlinien regeln seit dem Jahr 1970 – damals noch im Rahmen der europäischen Gemeinschaft –, wer wie viele und vor allem welche Schadstoffe herauspusten darf. Vor allem Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen wurde der Kampf angesagt. Bis man die krebserregenden Partikel der Dieseltriebwerke anging, sollten noch fast zwei Jahrzehnte vergehen. Kein Wunder, wirklich große Stückzahlen erreichte der Selbstzünder erst mit Abkehr vom Kammersystem. Im Jahr 1982 beispielsweise lag der Dieselanteil am deutschen PKW-Markt bei kaum mehr als zehn Prozent. Spezifische Leistungen von in der Regel maximal 30 Pferdchen pro Liter und traktorähnliche Laufgepflogenheiten erstickten jeglichen Bedeutungsgewinn schon im Keim. Hinzu kamen schlechtes Kaltstartverhalten sowie das bescheidene Image. Also galt es zunächst, den Benziner zu entgiften; der Grundstein hierfür wurde Mitte der Achtziger gelegt. Zwar gab es damals noch keine ernsthaften Grenzwert-Debatten, doch elektronisch geregelte Katalysatoren mit Lambdasonde eroberten die Autowelt und avancierten zum technischen Muss eines jeden Neuwagen.

Dreiwege-Kat
Der so genannte Dreiwege-Katalysator wurde zum Schlagwort und war gleichsam eine wirksame Keule gegen Autofeinde aller Art. Kohlenstoffoxide werden mit Sauerstoff zu CO2 oxidiert, aus den Kohlenwasserstoffen wird mit Hilfe von Sauerstoff Wasser, und die unbeliebten Stickstoffoxide (NOx) werden zu Stickstoffen und Sauerstoff reduziert. Was macht nun die Lambdasonde? Bei der Verbrennung des Ottokraftstoffes entstehen hohe NOx-Werte, wenn der Sauerstoffanteil entsprechend hoch ist (Magerbetrieb) – ein Unsegen, weil der Motor gerade dann effektiv läuft und wenig verbraucht. Bei Anfettung des Gemisches sinkt der NOx-Anteil rapide, aber der Kraftstoffkonsum steigt dafür. Die beste Verbrennung findet bei „Lambda 1” statt – dies entspricht einem Kraftstoff-Sauerstoff- Anteil von 1:14,7 Kilogramm. Jetzt kommt die Lambdasonde ins Spiel, die die Abgaskonzentration permanent überwacht. Bei zu hohem Schadstoffgehalt werden Einspritzung und Zündung angewiesen, Parameter wie Luft- und Einspritzmenge zu korrigieren, so dass die Abgasqualität entsprechend verbessert wird. Dazu muss die Gemischaufbreitung natürlich mit der Sonde kommunizieren – ohne Elektronik nicht darstellbar. Im Grunde funktionieren heutige Systeme noch immer so. Mehr Rechenleistung, Optimierung der Ventilsteuerzeiten und erweiterte Kennfelder führen natürlich zu einer drastischen Reduktion der Schadstoffe.

Euro-Norm
Seit dem 1. Juli 1992 gilt die Euro 1-Norm und erlaubt bis zu 3.160 mg Kohlenstoffoxide pro Kilometer sowie 1.130 mg Kohlenwasserstoffe und NOx kumuliert. Eine weitere Verschärfung der Grenzwerte erfolgte dann am 1. Januar 1996 – mit der Euro 2-Norm. Maximal 2.200 mg Kohlenstoffoxide pro Kilometer sind nach dieser Norm zulässig, und die HC- sowie NOx-Werte mussten drastisch reduziert werden – auf 500 mg. Wenn am 1. September nächsten Jahres Euro 5 gültig wird, dürfen nicht mehr als 1.000 mg Kohlenstoffoxide pro Kilometer ausgestoßen werden, die NOx-Menge darf 60 mg nicht überschreiten, und die maximale Kohlenwasserstoffoxidmenge liegt bei 100 mg – Werte, die heutige Benziner ebenfalls problemlos schaffen. Auch die Euro 6-Norm wird nicht strenger – daran ist zu erkennen, dass der Ottomotor in Sachen Schadstoffausstoß recht ausgereift ist. Hier liegt der Schwerpunkt allein bei der CO2-Reduktion, was nichts anderes bedeutet, den Kraftstoffverbrauch drastisch zu senken, denn es drohen neuartige Begrenzungsvorhaben aus Richtung EU. Schließlich arbeitet man daran, den Durchschnitts- Flotten-Verbrauch einzugrenzen und die Autohersteller im Falle von Verstößen mit Bußgeldern zu belegen. Eine Einigung scheint derzeit allerdings noch in weiter Ferne.

Herausforderung Diesel
Dennoch ist der Blick in die Euro-Norm-Tabelle nicht ganz uninteressant. Demnach dürfte es für die Ingenieure eine Herausforderung sein, die kommenden Diesel-Generationen im Abgas-Limit zu halten. Denn für den Selbstzünder haben die EU-Verantwortlichen besonders scharfe Regelungen vorgesehen. Darf der Nagler bis nächstes Jahr im September noch 250 mg Stickoxide pro Kilometer verlieren, erlaubt die nächste Stufe nur noch 180 mg. Ab Herbst 2014 dürfen es gar nur noch 80 mg sein. Die zulässige Partikelmasse sinkt von 25 auf 5 mg, während die zulässigen Kohlenstoffoxidmengen mit 500 mg auch im neuen Jahrzehnt nur moderat begrenzt werden.
Was muss also passieren, um den Diesel sauber zu machen? Denn er soll ja nicht nur möglichst reines Abgas ausstoßen, sondern auch noch sparsam sein, um den Vorteil des Ölverbrenners auszunutzen. Klar, bei entsprechend fettem Gemisch ist die NOx-Problematik zu beherrschen – daher führt jeder moderne Commonrail-Diesel eine Nacheinspritzung durch. Und die Partikel? Filtersysteme allein reichen nicht, sondern die Rohemissionen müssen bereits heruntergebrochen werden.

Maßnahmenpakete
Massive Abgasrückführung beispielsweise führt zu weniger Rußpartikeln schon im unbehandelten Abgas. Um thermischen Problemen vorzubeugen, ist eine Wasserkühlung möglich, durch die außerdem die Verbrennungstemperatur sinkt, was das NOx- Aufkommen wiederum eindämmt. Es gibt natürlich noch die chemische Keule; das Stichwort lautet „AdBlue” und wird dem Dieselkäufer in den nächsten Jahren wahrscheinlich häufiger begegnen. Übersetzt heißt das: Es wird Harnstoff aus einem kleinen Tank in den Abgasstrom eingespritzt; die Substanz lässt die anfallenden Stickoxide blitzschnell zu Stickstoff und Wasser zerfallen. Wie auch immer man das Abgasproblem beim Diesel von morgen löst, er dürfte teurer werden – und ob die heute so geschätzte Wirtschaftlichkeit dann noch gegeben ist, bleibt derzeit offen. Vielleicht übernehmen hochaufgeladene Benziner mit wenig Hubraum eines Tages die Rolle mittlerer Diesel – durchaus auch in der unteren Mittelklasse. Auf Euro 5 jedenfalls scheint man derzeit eingestellt, zumindest bei den volumenträchtigen Modellen dürfte es auf absehbare Zeit keine Schwierigkeiten geben. Ob und wie sich die Motorenlandschaft im Laufe des nächsten Jahrzehnts verändern wird, darf mit Hochspannung verfolgt werden.
Fazit: Die Abgasnormen werden strenger, doch wirklich an den Kragen geht es allein den Selbstzündern. Den Benzinern wird vor allem der Durst abzutrainieren sein, während der Diesel in puncto NOx noch einiges dazulernen muss. Denn Euro 6 ist näher, als manchen Autokonzernen lieb ist – 2014 tritt sie in Kraft. Und beim Flotten-Durchschnitts-Ausstoß werkelt die EU kräftig an einer Lösung. Die sichere Frage ist nicht, ob diese kommt, sondern wann – und es gibt noch eine Menge zu tun.

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