Guten Rutsch!

ESP als Retter in der Not oder Freifahrschein für die wilde Kurvenhatz? Was leistet die offenbar geniale Stabilitätskontrolle und was nicht? Die folgende Abhandlung beleuchtet typische Situationen und liefert Erklärungen.

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Frau Müller kommt gerade von einer alten Freundin und fährt mit ihrer Kompaktklasse nach Hause. Der bald endende Herbsttag ist stürmisch und regnerisch, Laub liegt auf der Straße; dennoch ist die ältere Dame recht fix unterwegs und geht etwas forsch in die Kurve. Plötzlich gerät sie kurz ins Rutschen, da fährt ein heftiger Ruck durch ihr Fahrzeug – es ist ja nichts passiert, der Wagen hat seinen Kurs gehalten.

Eigentlich wäre er zunächst mit der Vorderachse ausgebrochen und dann ins Schleudern geraten, doch ESP hat genau dieses verhindert, nur wie

Wenn man in der Fahrdynamik von Gierrichtung spricht, meint man das Drehen des Fahrzeugs um die Hochachse. Bricht der Wagen nun aus – egal, ob vorn oder hinten – dann verändert sich demzufolge die Gierrichtung, das Fahrzeug dreht sich also um die eigene Achse. Die Stabilitätshilfe nutzt einen kleinen Trick, um Korrekturen in der Gierrichtung vorzunehmen.

Indem einzelne Räder gezielt abgebremst werden, wird auf die Hochachse Einfluss genommen, so besteht die Möglichkeit, das Fahrzeug praktisch wieder auf den rechten Kurs einzudrehen. Um einen erfolgreichen ESP-Eingriff durchzuführen, müssen freilich bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Besteht beispielsweise keine griffige Verbindung zwischen Reifen und Boden, nützt das am schnellsten reagierende Stabilitätsprogramm nichts, weil nur dann korrigiert werden kann, wenn Moment übertragen wird. Und freilich kann auch nur korrigiert werden, wenn die Fliehkraft nicht das gesamte Fahrzeug aus der Kurve trägt. Reißt die Haftreibung sämtlicher Räder ab, also beider Achsen, dann landet die Fuhre eben doch im Graben – als Freifahrschein für unendlich hohe Kurvengrenzgeschwindigkeiten sollte die so häufig als Wunderwaffe gepriesene Stabilitätshilfe also keinesfalls verstanden werden, ein womöglich tödlicher Irrtum.

Wie funktioniert das System im einzelnen? Verschiedene Sensoren erfassen Signale wie Lenkeinschlag, Raddrehzahl, Gierrate und Querbeschleunigung. Über die Querbeschleunigung kann ermittelt werden, wie schnell eine Kurvenfahrt stattfindet, und der dazugehörige Lenkwinkel gibt Aufschluss darüber, ob die Windung neutral durchfahren wird oder gerade aus dem Ruder läuft. Sämtliche Daten werden in einem Steuergerät verarbeitet – jenes übrigens, das früher allein für das Antiblockiersystem zuständig war. Dort sind Sollwerte gespeichert, mit denen die jeweiligen Istwerte ständig abgeglichen werden, ein Abweichen löst entsprechende Eingriffe aus. Strenggenommen handelt es sich beim elektronischen Stabilitätsprogramm nicht um ein einzelnes System, sondern um das übergreifende Zusammenarbeiten mehrerer Systeme wie Antiblockiersystem, Antriebsschlupfregelung und eben der Giermomentregelung, welche letztlich das Ausbrechen des Wagens in kritischen Situationen verhindert.

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Fahrzeuge mit konventioneller Bremsanlage – und das sind bis auf wenige Lexus- sowie ein Mercedes-Modell alle neuen Autos – besitzen im Falle von ESP eine sogenannte Vorförderpumpe, mit deren Hilfe bei Bedarf Druck in den Hydraulikkreislauf des Bremssystems eingeleitet wird. Mittels eines komplexen Ventil- Systems können alle Räder unabhängig voneinander eingebremst werden, so dass eine wirkungsvolle Korrektur um die Hochachse möglich ist. Der Vorteil eines elektro-hydraulischen Bremssystems besteht darin, dass es schneller reagieren kann, weil es ohnehin darauf ausgelegt ist, dass der Bremsdruck nicht über die Körperkraft und den Hauptbremszylinder generiert wird, sondern über einen elektrischen Aktuator. Doch eine neue Dimension der elektronischen Stabilitätshilfe wird mit der immer häufiger zum Einsatz kommenden aktiven Lenkhilfe eingeläutet.

Schließlich ist Gegenlenken eine nützliche Maßnahme, um dem Ausbrechen eines in der Kurve zu schnellen Fahrzeugs entgegenzuwirken, allerdings ist dafür eine geübte Hand und viel Erfahrung notwendig. Die Elektronik kann das alles besser und neben berechneten Bremsungen, die freilich für die Hauptkorrektur um die Hochachse verantwortlich zeichnen, unterstützend eingreifen, indem entweder selbsttätig gegengelenkt wird oder lediglich Impulse ausgesandt werden, die dem Fahrer per vibrierendem Volant mitgeteilt werden und ihm die Richtung anzeigen, in die er lenken soll.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die Kritik an den mit immer mehr Elektronik ausgestatteten Fahrwerken üben. Sie sagen, das ESP sei für den Ingenieur eine Freikarte zum nachlässigen Arbeiten. Schließlich muss das Fahrwerk physisch nicht mehr so ausgefeilt werden, denn die Elektronik wird schon alles regeln. Nach der Auffassung von Kritikern muss mehr Sorgfalt in die Entwicklung der Fahrwerke gesteckt werden, damit auch im Falle des Versagens von elektronischen Komponenten stets hohe Reserven im Bereich der aktiven Sicherheit vorhanden sind.

Übrigens gehört Deutschland mit zu den Ländern mit dem höchsten ESP-Ausrüstungsgrad, ab der unteren Mittelklasse ist die Stabilitätshilfe in der Regel serienmäßig, Lücken gibt es noch im Kleinwagen- Segment, und vielen Kleinstwagen fehlt ESP gänzlich. Toyota will das ändern und bietet den Aygo künftig mit der Wunderwaffe an. Viele Kritiker sehen die Gefahr darin, dass gerade kleine Fahrzeuge von weniger erfahrenen Eignern gesteuert werden, da es sich häufig um Anfängerautos handelt. Aber wer nicht aus Übermut handelt, sondern sich tatsächlich mal verschätzt in der Kurve, den wird ESP möglicherweise retten – auch im Kleinwagen.

 

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