Es kommt auf die Region an

Der Ganzjahresreifen macht seinen Weg, auch in den Fuhrparks

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Kein Reifen wird so kontrovers diskutiert wie der Ganzjahres- oder Allwetter-Reifen. Ein Testbericht anti jagt den nächsten pro. Die Gegner führen wesentlich Sicherheitsaspekte ins Feld, die Befürworter die stetige Erderwärmung und den Rückzug des Winters aus Deutschland. Beide Seiten haben irgendwie, irgendwo und irgendwann recht, was unter dem Strich diesen Reifen im Gespräch – und übrigens auch in der Nachfrage hält. Abseits aller Für und Wider ist eine Tatsache nicht von der Hand zu weisen: Inzwischen werden solche Pneus von mehr als einem halben Dutzend Reifenherstellern angeboten. Was ist also dran am Ganzjahresreifen

Eigentlich hat der Klimawandel diese Innovation ins Spiel gebracht, und allein vor diesem Hintergrund betrachtet, bleiben Produkt-Philosophie und Produkteigenschaften weiterhin zeitgemäß. Wer beispielsweise erlebt hat oder noch weiß, dass der Rhein bei Köln 1929 noch zugefroren war, dass dort im Winter 1963 noch Eisschollen schwammen und der letzte wirklich harte Winter im Bonner Umland mit Temperaturen von minus 20 Grad aus dem Jahr 1985 datiert, für den sind die Analysen der Meteorologen nur noch das „quod erat demonstrandum“. In weiten Teilen des Rheinlandes beispielsweise ist der Winter längst passé, die drei oder vier Tage geschlossene Schneedecke machen es auch nicht mehr, ganz zur Not lassen sich an diesen Tagen noch die hier gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.

Die Erwärmung schreitet weiter voran
Nur der Vollständigkeit halber seien aber auch noch einmal einige Hinweise der Klimaforscher zitiert. So war bereits der Winter 2007 als der wärmste seit Beginn der Temperatur-Aufzeichnungen gemeldet worden. Nach einem gerade veröffentlichen WWF-Report übersteigt die Bedrohung durch die Erwärmung der Arktis jetzt aber alle bisherigen Vorhersagen, der rapide Rückgang des Eises würde auch Temperatur und Niederschläge in Europa und Nordamerika beeinflussen. Laut einer im August erschienenen Pilotstudie des Deutschen Wetter Dienstes (DWD) werde es immer unwahrscheinlicher, dass das 2 Grad-Klimaschutz-Ziel in der Begrenzung des weiteren Temperaturanstieges eingehalten werden könne. So sei auch der April 2009 gerade der wärmste seit 1890 gewesen. „Winter ade“, dieser Trend wird sich also eher noch verstärken. Und so mag es denn auch nicht wirklich einleuchtend sein, warum drei oder vier Tage geschlossene Schneedecke (vielleicht) einen zweimaligen, saisonalen Wechsel Sommer-/ Winterreifen erfordern sollen.

Schon der Privatkunde, der nur ein Fahrzeug umrüsten muss, kann auch dafür beim Reifenhändler nebenan noch zwei bis drei Stunden in der Warteschlange stehen, weil sich immer noch viele erst dann spontan zur Umrüstung entschließen, wenn die ersten Schneeflocken fallen. Für den Fuhrparkmanager einer bundesweit operierenden, drei- oder vierstelligen Flotte, dem im Falle Delegation der Halterhaftung bei einem durch falsche Bereifung verursachten Unfall im Winter die Anlastung einer Teilschuld drohen kann, bleibt der alljährliche saisonale Reifenwechsel bis hin zur Sicherstellung, dass auch der letzte Firmenwagenfahrer den richtigen Gummi aufgezogen hat, die Hohe Schule der Organisation. Genau aus diesem Grund hat die Deutsche Post beispielsweise als Betreiber einer fünstelligen Flotte inzwischen weitestgehend Allwetter-Pneus im Einsatz – überall dort, wo es geht.
Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass der Ganzjahresreifen vom gegenwärtigen Entwicklungsstand her bis in seine Eigenschaften hinein einstweilen eine Kompromisslösung zwischen Sommer- und Winterreifen bleibt. Und es gibt durchaus aktuelle Testberichte, die zu dem Ergebnis kommen, er sei ein schlechter Kompromiss. So hat gerade im Mai 2009 der Touring Club Schweiz (TCS) innerhalb eines umfangreichen Versuchs die Fahrleistungen von Sommer-, Ganzjahres- und Winterreifen unter die Lupe genommen.

Längere Bremswege mit Ganzjahresreifen
Danach stand beispielsweise der Pkw mit Sommerreifen nach einer Vollbremsung aus 100 km/h auf trockener Straße nach 38 Metern, während er mit Ganzjahresreifen bestückt 14 Meter mehr benötigte. „Das eigentlich Gefährliche war“, erläuterte Marcel Bachmann als Leiter der Reifentests, „dass der Wagen mit Ganzjahresreifen an dem Punkt, an dem der Wagen mit Sommerreifen zum Stillstand kam, noch eine Restgeschwindigkeit von 52 km/h auf dem Tacho hatte.“

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Auf verschneiter Straße benötigte der Ganzjahresreifen verglichen mit einem Winterreifen 13 Meter mehr Bremsweg aus 40 km/h bei einer Restgeschwindigkeit von 22 km/h am entsprechenden Punkt. Selbst bei den Versuchen auf nasser Straße zeigte sich nach Angaben des TCS, „dass eine Ganzjahresbereifung deutliche Sicherheitslücken hat“: Beim Bremsen aus 80 km/h musste er sich bei warmen Temperaturen dem Sommerreifen mit einem um sieben Meter längeren Bremsweg und auf kalter Straße dem Winterreifen mit einem um vier Meter längeren Bremsweg geschlagen geben. Als „gefährlich“ stufte der TCS auch hier wieder die Restgeschwindigkeiten ein: Sie betrug beim Stillstand des Sommerreifens noch 31 km/h, beim Stillstand des Winterreifens noch 24 km/h. „Fußgänger und Radfahrer“, verdeutlichte Marcel Bachmann, „würden wohl bei diesen Geschwindigkeiten nach einem Zusammenstoss zumindest schwerere Verletzungen davon tragen, selbst bei Pkw-Insassen bestünde noch ein Verletzungsrisiko.“

Der TCS kann aus seiner Sicht auch keine nennenswerten Kosteneinsparungen durch Ganzjahresreifen nachvollziehen. Häufig fielen hier die Anschaffungskosten per Reifensatz sogar höher als für Sommer- und Winterreifen zusammen aus, gleichzeitig würden sie den Kraftstoffverbrauch um rund fünf Prozent erhöhen und in der Laufleistung zwischen zehn und 15 Prozent schlechter als Sommer- und Winterreifen abschneiden.

Unbedingt beachten: „Schneeflockensymbol“
Seitens der Continental AG wird darauf verwiesen, dass den Ganzjahresreifen die teure Winterreifenmischung fehle und dass sie daher im Wintereinsatz nur unwesentlich mehr als Sommerreifen leisten könnten. Wer aus Kostengründen ganzjährig nur eine Reifensorte fahren wolle, sollte dann besser auf Winterreifen zurückgreifen. Dem widerspricht die Deutsche Goodyear als Marktführer bei Ganzjahresreifen. Echte Ganzjahresreifen verfügten selbstverständlich über eine Gummimischung, die bis zu 50 Grad minus flexibel bleibe, und könnten außerdem bei hohen Plusgraden wie Sommerreifen eingesetzt werden. Der Bundesverband Reifenfachhandel wiederum empfiehlt, beim Kauf von Ganzjahresreifen unbedingt auf das „Schneeflockensymbol“ zu achten, nur das bürge für die Wintertauglichkeit, die auch von Gesetzes wegen akzeptiert würde. Das weit verbreitete „M+S-Symbol“ für Tauglichkeit bei Schnee und Matsch tauche inzwischen immer häufiger auch auf nicht wintergeeigneten Reifen auf.

Im Rahmen einer Blitzumfrage wollte Flottenmanagement bei Fuhrparkmanagern in Erfahrung bringen, wie der Ganzjahresreifen momentan gesehen wird. Im einzelnen wollten wir wissen:
1.) In weiten Teilen des Landes haben sich die winterlichen Straßenver - hältnisse auf ganz wenige Tage reduziert, wenn sie denn überhaupt vorkommen. Stellt sich da nicht die Frage, ob der saisonale Reifenwechsel im Fuhrpark vom Aufwand her noch zeitgemäß ist?
2.) So Sie die erste Frage ganz oder eingeschränkt bejahen, worin sehen Sie noch die gravierenden Nachteile von Ganzjahresreifen

„Spürbare Verringerung der Prozesskosten“
Zu 1.): Es stellte sich heraus, dass der Ganzjahresreifen im Fuhrparkbetrieb durchaus seinen Weg macht. So hat sich beispielsweise die Mainova AG als regonaler Energieversorger im Rhein-Main-Gebiet mit moderaten Temperaturen schon vor Jahren für die Nutzung von Allwetter-Pneus an allen Dienstwagen entschieden. Ausgenommen seien nur User Chooser- Fahrzeuge und in Höhenlagen operierende Servicefahrzeuge. „Unsere Erfahrungen hiermit sind durchaus positiv“, resümiert Fuhrparkmanager Marco Petznick. „Auch verzeichnen wir eine spürbare Verringerung der Prozesskosten im Vergleich zum halbjährlichen Reifenwechsel.“

Auch die DeTeFleetServices in Bonn empfiehlt ihren Kunden, aus wirtschaftlichen Gründen Ganzjahresreifen zu nutzen. Bei der HVB UniCreditGroup mit Sitz in München sind die bundesweit stationierten Poolfahrzeuge generell mit Ganzjahresreifen ausgestattet mit den Ausnahmen Bayerischer Wald und Schwarzwald. Auch Stephan Faut, Fuhrparkleiter bei der apetito AG in Rheine, sieht in Gebieten, die fast gar nicht von Schnee oder Eis betroffen sind, bei Wenigfahrern keine Notwendigkeit, ständig umzurüsten.

„Überwiegend halte ich den saisonalen Reifenwechsel in unserer Region für nicht mehr vertretbar, da die Witterung einen echten Winterreifen überflüssig macht und die Kosten für den Wechsel nicht mehr akzeptabel sind“, pflichtet auch Hans-Josef Kissel für die EWR Netz GmbH in Worms bei. „Nur bei überregional agierenden Mitarbeitern, wie Vorstand, Geschäftsführer oder Vertrieb, wird bei uns noch zweispurig gefahren.“

Zu 2.): Die Gegner von Allwetter-Pneus betonen vornweg Sicherheits-Aspekte. „Wir sehen die Sicherheit unserer Mitarbeiter/-innen als höchste Priorität an,“ unterstreicht Beate Roelvinck für Heinz Ketchup in Düsseldorf, „so dass wir den saisonalen Wechsel nach wie vor für zeitgemäß, ja, für unverzichtbar halten.“ Auch für Dieter Prohaska, Fuhrparkmanager der adidas AG in Herzogenaurach, gibt es keinen Grund vom saisonalen Wechsel abzurücken, da viele seiner Kollegen in alpinen Gegenden unterwegs wären und dort nur mit Winterreifen die Sicherheit für Fahrer und Fahrzeug gewährleistet sei. „Bei uns hat die Geschäftsleitung schon vor mehr als 20 Jahren aus Sicherheitsgründen bestimmt, dass rechtzeitig vor Wintereinbruch Winterreifen montiert werden müssen, insbesondere bei den persönlich Dienstwagenberechtigten, die häufig im Außendienst unterwegs sind“, erklärt Ludwig Appelhans für Oerlikon Saurer in Krefeld. „Der Aufwand des zweimaligen Ummontierens jährlich kostet zwar Geld, allerdings sind bei uns mehrheitlich pro Fahrzeug auch zwei Rädersätze zur Verfügung, so dass nur die Räder getauscht werden müssen.“

„Exorbitanter Verschleiß bei hohen jährlichen Laufleistungen“
Abseits der Sicherheitsbedenken werden aber auch andere, gravierendere Nachteile des Ganzjahresreifens hervorgehoben. So sei bei höher motorisierten Fahrzeugen der Einsatz von Allwetter-Pneus oft durch das fehlende Reifenangebot hinsichtlich Größe und Geschwindigkeitsdindex nicht umsetzbar. Auch könne durch das schlechtere Abrollverhalten gegenüber Sommerreifen der Verbrauch um 0,5 bis 1,0 Liter höher ausfallen. Durch die weichere Gummimischung zeige sich gerade bei wärmeren Jahreszeiten eine stärkere Abnutzung, was einen früheren Wechsel als ursprünglich geplant erforderlich mache. „In unserem Fuhrpark liegt die durchschnittliche jährliche Laufleistung sogar bei 60.000 Kilometern jährlich“, bestätigt auch Stephan Faut seitens der apetito AG. „Genau hier zeigt sich dann der meines Erachtens größte Nachteil des Ganzjahresreifens, der eben nicht für eine bestimmte Jahreszeit entwickelt ist, in Form eines exorbitanten Verschleißes.“

Fazit: Der Ganzjahresreifen hat inzwischen zweifellos seine Daseinsberechtigung. Im Hinblick auf weitere, stetige Temperaturanstiege auch in Mitteleuropa liegt er sogar voll im Trend. Seine Fahreigenschaften im Vergleich zu Sommer- und Winterreifen bleiben nach gegenwärtigem Entwicklungsstand Kompromisslösungen, offenbar sind die Bremswege länger als bei jeweiliger Saison-Ausrüstung. Hier sollte aber in der Beurteilung auch die Kirche im Dorf gelassen werden. So werden beispielsweise bei geschlossener Schneedecke oder vereister Fahrbahn kaum Radfahrer unterwegs sein und sich auch Fußgänger prinzipiell vorsichtiger bewegen. Nicht zuletzt ist gerade bei schwierigen Witterungsbedingungen das Risiko auch vom Grad der angepassten Fahrweise abhängig. Oder, wie es dieser Tage ein Reifen-Ingenieur auf den Punkt brachte: „Für blindwütige Fahrweise können wir gar keinen Reifen bauen.“

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