Wer hätte das gedacht?
Neue Tarifstruktur in der gewerblichen KFZ-Versicherung bringt Prämiensenkungen bei Transportern von bis zu 20 Prozent Immer mehr Versicherer setzen die Empfehlung des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur neuen Tarifstruktur in der gewerblichen Kfz-Versicherung um. Zum Herbst dieses Jahres wird Gerling sowie voraussichtlich die Mehrzahl der deutschen Versiche-rungsunternehmen diese umgesetzt haben. Nachfolgend werden die neue Struktur sowie deren Auswirkung dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen liegt.

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Im Wesentlichen ergeben sich folgende drei Änderungen:
* Neue Definition zur Abgrenzung Lieferwagen und Lkw
* Neue Tarifierungsmerkmale
* Neue SFR-Staffel
Neue Definition zur Abgrenzung von Lieferwagen
Bislang wurden Lieferwagen definiert als Lkw mit einer Nutzlast von bis zu einer Tonne. Künftig versteht man unter Lieferwagen Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen. Damit wurde ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung mit anderen wichtigen Regelungen vorgenommen, die ebenfalls das Gesamtgewicht als Definitionsmerkmal zugrunde legen wie z.B. die EU-Führerscheinklasse B, die Höchstgeschwindigkeitsregelungen laut StVZO und die Fahrzeugklassen-Bestimmung in der EU. Positiver Nebeneffekt ist, dass in Verbindung mit den neuen Zulassungspapieren die Ermittlung der notwendigen Risikodaten etwas einfacher wird, da in diesen Papieren die Nutzlast nicht mehr ausgewiesen wird und daher ermittelt werden muss. Aufgrund der neuen Definition wächst die Gruppe der Lieferwagen um ca. 320.000 Jahreseinheiten (+ 28%). Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Lkw im Werknahverkehr (ca. 275.000) und Werkfernverkehr (ca. 35.000). Aufgrund der kalkulatorischen Zusammenfassung dieser Risiken mit den bisherigen Lieferwagen kommt es für die "neuen" Lieferwagen zu Prämienabsenkungen von bis zu 20%.
Durch die neue Definition werden die bisher bekannten Wagniskennziffern (WKZ) durch neue ersetzt. So wird aus der WKZ 202 (Lieferwagen) die WKZ 251 (Lieferwagen im Werkverkehr) und die WKZ 261 (Lieferwagen im Güterverkehr). Ähnliches gilt auch für Lkw mit einer Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen und für Sattelzugmaschinen.
Neue Tarifierungsmerkmale
Eine wesentliche Änderung bedeutet die Einführung des neuen Tarifmerkmals "Aufbauart". Bei Lieferwagen, Lkw sowie Anhängern / Aufliegern wird nun differenziert zwischen den Aufbauarten Plane und Spriegel, offener Kasten, geschlossener Kasten, Kipper sowie sonstigen Aufbauarten. Aufgrund des deutlich unterschiedlichen Schadenbedarfs je Aufbauart erfolgt eine erhebliche Spreizung der Prämie. In der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung beträgt die Differenz bis zu 30 % und in der Vollkaskoversicherung bis zu 65 %.
Bei Lkw über 3,5 Tonnen ist zu beachten, dass die Tarifierung künftig wie bisher bei Lieferwagen und Sattelzugmaschinen über das Merkmal "Kilowatt" und nicht mehr über die Nutzlast erfolgt. Die Ausprägung des Merkmals "Kilowatt" (Stärkeklassen) weicht bei den einzelnen Fahrzeuggruppen jedoch voneinander ab.
Bei Anhängern und Aufliegern wird künftig statt der Nutzlast das Gesamtgewicht zur Tarifierung berücksichtigt. Dies entspricht der Vorgehensweise zur Abgrenzung der Lieferwagen.
Aufgrund der Angleichung der Schadenbedarfe zwischen Fahrzeugen im Nah- und Fernverkehr wird diese Trennung künftig nicht mehr vorgenommen. Dadurch reduzieren sich die Prämien für den Fernverkehr um bis zu 5% und im Nahverkehr erhöhen sie sich um bis zu 5%.

Aktuelles Magazin
Ausgabe 4/2006

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Neue SFR-Staffel
Die Einführung der neuen SFR-Staffel stellt neben der Einführung des Tarifmerkmals "Aufbauart" die zweite gravierende Änderung dar. Für viele gewerbliche Risiken (z. B. Lieferwagen, Lkw, Sattelzugmaschinen) wird von der bisherigen "kurzen" SFR-Staffel bis SF 3 auf die "lange" Staffel bis SF 10 umgestellt. Zu beachten ist aber, dass sich die niedrigsten Beitragssätze nicht wesentlich ändern werden. Im Rahmen der Gerling Kfz-Versicherung bleibt es in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung beispielsweise bei 40%. In der Vollkasko-Versicherung sinkt der Beitragssatz bei Gerling von 55% auf 50%. Einige Versicherungsunternehmen werden darüber hinaus sowohl in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung als auch in der Vollkasko-Versicherung eine Malusklasse einführen. Durch die Verlängerung der SFR-Staffel wird die Tarifprämie (100%-Prämie) um bis zu 25% gesenkt.
In der praktischen Umsetzung der neuen SF-Staffel können sich ggf. Probleme bei der Ermittlung der SF-Klassen ab SF 6 ergeben, da diese nicht bei allen Gesellschaften aus den Dokumenten ersichtlich sind. Hier können ältere Dokumente oder der Versicherer Auskunft geben.
Prämienvergleich
Da man in der Praxis den Vergleich aber mit der bisherigen (aktuellen) Prämie vornimmt, sind die beschriebenen Einzeleffekte nicht separat erkennbar, sondern nur deren Kombination. Hinzu kommt, dass mit einer Einführung eines neuen Tarifes regelmäßig auch eine Neukalkulation vorgenommen wird, die die Prämie ebenfalls beeinflusst. Die Grafik (links unten) verdeutlicht dies. Hier wurde einmal die Prämie nach alter und einmal nach neuer Struktur mit all ihren Auswirkungen dargestellt. Bei positiver Risikosituation führt dies je nach Schadenfreiheitsklasse zu günstigeren Prämien.
Risiko gerechter verteilt
Die Einführung der neuen Tarifstruktur wird in der ersten Zeit voraussichtlich zu erheblichen Fragen und Verwirrungen führen. Ein großer Vorteil ist jedoch, dass die neue Struktur die individuellen Risiken wesentlich besser bewertet und die Risikobedarfe gerechter verteilt werden. Somit profitieren gute Risiken künftig von einer geringeren Prämie als heute. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass ein Fuhrpark mit einem höheren Risikopotenzial mehr Prämie zahlen muss. Hierbei ist zu beachten, dass die neue Tarifstruktur in der Versicherungswirtschaft insgesamt nicht zu einer höheren oder niedrigeren Prämie führt. Es wird lediglich eine andere ? risikogerechtere ? Verteilung vorgenommen.
Der Autor Frank Liesen
Nach einer Lehre zum Versiche-rungskaufmann schloss Frank Liesen ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln ab. Der Diplomkaufmann trat 1997 in die Gerling Allgemeine Versicherungs-AG ein. Im Zuge verschiedener Um-strukturierungen veränderten sich seine Aufgabengebiete ebenso wie die Bezeichnungen der Abteilungen. Heute ist der Prokurist in der Abteilung "Versicherungstechnik Kraftfahrt" zuständig für Produkt- und Tarifentwicklung, Controlling, Under-writing und Fachfragen.

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