Car Policy – die Dienstwagenordnung im Fuhrpark

VerhalÜber die hohe Kunst der Flottenpolitik

Car Policy – die Dienstwagenordnung im Fuhrpark

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Car Policy – die Dienstwagenordnung im Fuhrpark

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In der Fuhrparkbranche spricht man völlig selbstverständlich von der „Car Policy“. Die „Car Policy“ gehört ja schließlich zum täglichen Brot der Fuhrparkmanager. Dabei hat jeder Fuhrparkprofi im Hinterkopf, dass er damit seine Fahrzeugflotte steuert. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass dieser Fachbegriff weder gesetzlich definiert, noch sonst irgendwie rechtlich geregelt ist. Ist guter Rat nun teuer? Der nachfolgende Beitrag zeigt auf, was man unter der „Car Policy“ konkret zu verstehen hat, wie man diese rechtlich einordnet und welche Besonderheiten es in der Fuhrparkpraxis zu beachten gilt.

Car Policy – was ist das?
Mit der „Car Policy“ wird die die Organisation der Fuhrparkaufgaben im Unternehmen geregelt. Bei der „Car Policy“ handelt es sich um ein unternehmensinternes Regelwerk, aus dem hervorgeht, welcher Mitarbeiter unter welchen Voraussetzungen ein Geschäftsfahrzeug erhalten und nutzen kann. Für den Flottenverantwortlichen ist also zunächst entscheidend, dass er in der „Car Policy“ stets nachschlagen kann, welche Kriterien nach den unternehmensinternen Vorgaben für die Dienstwagenüberlassung überhaupt gelten sollen. Er findet hier die Vorgaben für die Fahrzeugauswahl und –ausstattung unter praktischen betrieblichen Aspekten nach betriebswirtschaftlichen Vorgaben. Denn in der „Car Policy“ ist nicht nur die Fuhrparkstruktur – abgestimmt auf die praktischen Bedürfnisse und den Mobilitätsbedarf des Unternehmens – festgelegt. Ihre Inhalte und Vorgaben sind auch ganz entscheidend für die Kosten des Fuhrparks. So kann eine maßgeschneiderte und austarierte „Car Policy“ dem Fuhrparkunternehmen bares Geld sparen.
Zugleich offenbaren sich hier stets auch unternehmens(- politische) Ziele, zu deren Prüfstein die „Car Policy“ bisweilen wird. Die „Car Policy“ sollte stets so zugeschnitten sein, dass sie alle Anforderungen des Unternehmens optimal erfüllt und zum anderen auch die Dienstwagengewährung als nicht unwichtiger Mitarbeiter- Motivationsfaktor erhalten bleibt. In der Praxis ist genau dies nicht immer eine ganz leichte Aufgabe, neben der allgemeinen Unternehmensphilosophie auch die verschiedenen Effektivitäts-, Image- und Umweltziele unter Kosten- und Motivationsaspekten unter einen Hut zu bringen. Das ist die hohe Kunst der Flottenpolitik.

Was sollte eine gute „Car Policy“ im Einzelnen beinhalten?
Mit der „Car Policy“ wird die Fahrzeugauswahl und –vergabe geregelt, es wird also festgelegt, welcher Personenkreis berechtigt ist, einen Firmenwagen zu erhalten. Genauer gesagt wird geregelt, welcher Mitarbeiter welcher Hierarchiestufe Anspruch auf welchen Dienstwagen haben soll.

Ferner wird festgeschrieben, welche Fahrzeugkategorien mit welchen Referenzfahrzeugen zur Auswahl zur Verfügung stehen. So gibt es durchaus Analysen darüber, welche Hierarchieebenen welche Fahrzeuge und Modelle fahren. Diese Auflistungen helfen aber in der Praxis bei der Erstellung einer neuen „Car Policy“ nur begrenzt weiter. Eine „Car Policy“ sollte deshalb schon bei der Fahrzeugauswahl die Unternehmenskultur widerspiegeln, aber auch die Wertschätzung des Unternehmens gegenüber seinen Mitarbeitern (beispielsweise durch preisliche Obergrenzen) zum Ausdruck bringen, wobei ein gewisser Individualismus zulassungswürdig erscheint, vor allem dann, wenn damit zugleich die Hierarchieebenen und deren Bedeutung für das Unternehmen bei der Fahrzeugauswahl abgebildet werden.

Der Fuhrpark kann auch völlig markenneutral nach Leistungsklassen, Fahrzeugpreisen und –kosten gestaltet sein. Ein nicht unwichtiger Aspekt und Kostenfaktor ist die Regelung, welche Ausstattungsmerkmale die Fahrzeuge haben sollen, wobei auch direkt festgelegt werden sollte, welche Zubehörteile nicht zugelassen oder zuzahlungspflichtig sind. Hierher gehört auch eine Regelung über den Mitbestimmungsumfang der Mitarbeiter bei der Fahrzeugwahl und -ausstattung. Ein weiterer denkbarer Regelungsinhalt sind die Mindestanforderungen an Fahrzeuge hinsichtlich der Sicherheitsausstattung und – sofern ein Corporate Design maßgeblich ist – die Farbwahl. Schließlich ist der Nutzungsumfang zu regeln, es muss also bestimmt werden, ob eine private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens besteht und in welchem Umfang, oder ob dieser nur dienstlich genutzt werden darf.

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Stets empfiehlt sich die Kalkulation einer Referenzrate, vor allem dann, wenn der Mitarbeiter eine gewisse Wahlfreiheit hat (sogenanntes User-Chooser-Prinzip). Hierfür haben sich in der Praxis zwei Modelle bewährt: das Referenzfahrzeugmodell, bei dem bestimmte Fahrzeugtypen mit bestimmter Ausstattung vorgegeben werden oder das Referenzratenmodell, das bestimmte Leasingraten vorsieht, zumeist im Full-Service- Leasing. Sinnvoll ist es auch, spezielle Hinweise für Leasingfahrzeuge in die „Car Policy“ mit aufzunehmen, wobei im Regelfall die Verhaltensmaßregeln und Informationspflichten aus dem Leasingvertrag auf den Dienstwagennutzer übergewälzt werden. Daneben werden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, in der „Car Policy“ die eigentlichen Prozessabläufe im Fuhrpark definiert, wie beispielsweise die Modalitäten der Anforderung eines Dienstfahrzeugs, dessen Übernahme und Rückgabe.

Die „Car Policy“ sollte schließlich auch eine Klausel enthalten, aus der hervorgeht, welche Kosten vom Unternehmen getragen werden und für welche Kosten der einzelne Fahrzeugnutzer jeweils selbst aufkommen muss. Regelmäßig wird das Unternehmen alle Betriebskosten des Fahrzeugs übernehmen. Kosten, die der Dienstwagennutzer jeweils selbst tragen muss, sind üblicherweise Kosten für Fahrzeugschäden oder für Strafzettel aus Ordnungswidrigkeiten des Fahrers. Ferner kann auch über die Kosten für eine Garagennutzung sowie Parkgebühren an dieser Stelle eine passende Vereinbarung getroffen werden.

Wie ist die „Car Policy“ rechtlich einzuordnen?
Der Begriff „Car Policy“ ist kein Rechtsbegriff. Er ist im deutschen Recht auch nicht mit einer bestimmten juristischen Bedeutung oder Begriffsdefinition unterlegt. Vielmehr handelt es sich um einen typisch neudeutschen Anglizismus ohne spezielle juristische Einordnungsmöglichkeit, der sich in der Praxis der aufstrebenden Branche des Flottenmanagements entwickelt hat. Vielfach werden die Begriffe „Car Policy“, Dienstwagenordnung oder Firmenwagenrichtlinie synonym verwendet. Zu beachten ist, dass die „Car Policy“ jedenfalls arbeitsrechtlich durchaus von Bedeutung ist.
Die „Car Policy“ beziehungsweise deren Synonyme „Dienstwagenordnung“ oder „Firmenwagenrichtlinie“ dürfen zunächst nicht mit dem einzelnen Dienstwagenüberlassungsvertrag verwechselt werden, der zwischen dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern abgeschlossen wird und in dem die jeweiligen Rechte und Pflichten des Mitarbeiters in Bezug auf das zur Nutzung überlassene Geschäftsfahrzeugs individuell geregelt werden.

Die „Car Policy“ kann eine größere „Reichweite“ haben. Vor allem dann, wenn Dienstfahrzeuge flächendeckend gewährt werden, kann dieser Umstand in Unternehmen, in denen es einen Betriebsrat gibt, Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auslösen. Diese betriebsverfassungsrechtliche Frage der Mitbestimmungsrechte ist juristisch nicht unumstritten und so verwundert es kaum, dass es Landesarbeitsgerichte gibt, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bejahen und solche, die es verneinen. Trotz dieser unterschiedlichen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist aber festzuhalten, dass der Betriebsrat selbstverständlich keinen Einfluss auf das Kostenbudget und die Auswahl der Firmenfahrzeuge für die Geschäftsleitung eines Unternehmens nehmen kann. Mitbestimmungsrechtlich relevant wäre aber durchaus der Aspekt, dass zwischen Außendienstlern und Innendienstlern wie beispielsweise einem Key-Accounter keine Unterschiede gemacht werden dürfen.

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die „Car Policy“ statt in einer Dienstwagenordnung oder Firmenwagenrichtlinie auch in Form einer Betriebsvereinbarung abzuschließen. In solchen Fällen wäre die „Car Policy“, weil sie dann in die individuellen Regelungen mit den Arbeitnehmern eingreift, dem Individual-Arbeitsvertrag, insbesondere auch den darin enthaltenen Dienstwagenüberlassungsregelungen sowie gesonderten Dienstwagenüberlassungsverträgen rechtlich grundsätzlich übergeordnet (sogenanntes „Rangprinzip“). Aber es gibt keine Regel ohne Ausnahme: Ist etwa der vorhandene Individual- Arbeitsvertrag für den Mitarbeiter günstiger, dann gilt eben diese günstigere Regelung. Hier wiegt das sogenannte Günstigkeitsprinzip stärker als das Prinzip der Rangfolge, was die kollektivarbeitsrechtliche Regelung einer „Car Policy“ als Betriebsvereinbarung durchaus schon einmal in einzelnen Punkten aushebeln kann.

Was sind die rechtlichen Vor- und Nachteile einer „Car Policy“?
Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber wegen der inhaltlichen Überschneidungen einer ausgeklügelten und detaillierten „Car Policy“ mit separaten Dienstwagenüberlassungsverträgen die eigentlichen Regelungen im Dienstwagenüberlassungsvertrag knapp halten kann, weil auf die Vorgaben der vorhandenen „Car Policy“ inhaltlich Bezug genommen werden kann. Es sollte aber darauf geachtet werden, dass schon in der „Car Policy“ auch die Halterpflichten klar und verständlich auf die Fahrzeugnutzer delegiert werden.

Wird die „Car Policy“ als nicht mitbestimmte Dienstwagenordnung beziehungsweise Firmenwagerichtlinie vom Arbeitgeber vorgegeben, dann kann das Unternehmen einseitig den Inhalt der Regelungen bestimmen. Außerdem sind einseitige Abänderungen durch das Unternehmen jederzeit möglich. Dies erhält eine besondere Flexibilität bei Fuhrparkentscheidungen. Von Nachteil ist aber, dass sich eine solche Regelung am Kontrollmaßstab für Allgemeine Geschäftsbedingungen der §§ 305 ff. BGB messen lassen muss. Hier besteht außerdem die Gefahr, fehlerhaft auf Arbeitsverträge zu verweisen.

Demgegenüber bietet eine Betriebsvereinbarung den Vorteil, dass die Kontrollregelungen des AGB-Rechts nicht gelten und wegen der Mitwirkung des Betriebsrats eine entsprechend hohe Akzeptanz der Fuhrparkregelungen bei den Mitarbeitern besteht. Doch auch hier gibt es durchaus Nachteile: Immerhin muss der Inhalt der „Car Policy“ mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden. Natürlich ist für eine Einigung auch ausreichend, wenn der Betriebsrat die „Car Policy“ einfach abnickt. Einseitige Änderungen durch das Unternehmen sind jedoch dann nicht mehr möglich. Und ein letzter Punkt ist relevant, den man je nach Perspektive als Vor- oder Nachteil werten kann: Eine Betriebsvereinbarung gilt nicht für Geschäftsführer, Vorstände und Leitende Angestellte.

Wie wird die Car Policy umgesetzt?
Wie bereits dargestellt, wird also die „Car Policy“ entweder durch eine Dienstwagenordnung Nebeloder Firmenwagenrichtlinie vom Unternehmen einseitig vorgegeben oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmensleitung beziehungsweise dem damit beauftragten Fuhrparkleiter sowie dem Betriebsrat ausgehandelt. Unabhängig davon, in welche rechtliche Form die „Car Policy“ gegossen wird, sind die gewissen Mindestinhalte zu berücksichtigen, die sowohl bei einer mitbestimmten wie auch bei einer nicht mitbestimmten „Car Policy“ relevant sind (siehe unsere Checkliste). Last but not least sollte eine „Car Policy“ immer vom Nutzer durch seine Unterschrift schriftlich anerkannt werden; dies kann durch eine entsprechende Erklärung im Arbeitsvertrag oder im Dienstwagenüberlassungsvertrag geregelt werden.

Änderungen der „Car Policy“
Die „Car Policy“ sollte in regelmäßigen Abständen unbedingt aktualisiert und überarbeitet werden, um die Wirtschaftlichkeit des Fuhrparks langfristig zu gewährleisten. So können beispielsweise entsprechende Anpassungen durch veränderte Anschaffungskonditionen, Modellwechsel oder etwa die Einführung vollkommen neuer Fahrzeugtypen und -modelle notwendig werden. Hierbei gilt es zu beachten, dass vom Betriebsrat mitbestimmte „Car Policies“ gegebenenfalls bei solchen Änderungen auch der Zustimmung bedürfen.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, Lohmar
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de

Eine Muster-Car-Policy zum Download finden Sie auf unserem neuen Webportal „www.flotte. de“-> Recht&Steuern -> Formulare/Muster

 

Rechtsprechung

Handyverbot am Steuer gilt auch bei Nutzung eines Mobiltelefons als Navigationshilfe
Ein Autofahrer hielt während der Fahrt mit seinem PKW ein Mobiltelefon in der Hand, um es als Navigationssystem zu nutzen. Das Amtsgericht verhängte wegen vorsätzlicher Nutzung eines Mobiltelefons eine Geldbuße von 70 Euro. Der hiergegen gerichtete Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb in der Sache jedoch ohne Erfolg. Nach § 23 Abs.1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Der Begriff der Benutzung schließt die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen des Mobiltelefons ein. Hierunter fällt auch die Wahrnehmung der von Geräten neuerer Bauart zur Verfügung gestellten vielfältigen Möglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten. Auch die Nutzung der Funktion eines Mobiltelefons als Navigationshilfe ist daher im Straßenverkehr als unzulässig anzusehen. Denn auch die Nutzung als Navigationshilfe erfordere ein Aufnehmen oder Halten des Geräts mit der Folge, dass die Gefahr mentaler Ablenkung vorhanden ist und die Hände des Fahrers vorübergehend nicht am Lenkrad verbleiben können.
OLG Köln, Beschluss vom 26.6.2008, Az. 81 Ss-Owi 49/08

Unglaubhafte Darstellungen zum Geschehen lassen vorgetäuschten Versicherungsfall vermuten
Wenn es um einen Versicherungsfall aufgrund von Vandalismus geht, trifft den Versicherer die volle Beweislast, dass der Schaden nicht auf Handlungen betriebsfremder Personen beruht. Indizien für einen vorgetäuschten Versicherungsfall sind vorliegend die Feststellungen, dass der Versicherungsnehmer einer Vollkaskoversicherung unglaubhafte Angaben zum Geschehen macht und bereits mehrfach entsprechend strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Außerdem wurde das Fahrzeug nicht repariert.
OLG Köln, Urteil vom 3.6.2008, Az. 9 U 35/07

Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss können grundsätzlich auch Auslandstaten wie eine Trunkenheitsfahrt in Polen sein.
Voraussetzung für eine Verwertbarkeit einer im Ausland begangenen Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften unter Alkoholeinfluss ist, dass diese in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen ist, wie dies bei einer entsprechenden Zuwiderhandlung im Inland gefordert werden müsste.
Das Gericht wies darauf hin, dass eine fahrerlaubnisrechtliche Verwertung von im Ausland gewonnenen Atemalkoholmessergebnissen auch dann in Betracht kommen dürfte, wenn die dortigen Messgeräte und das dortige Messverfahren nicht genau den für die deutschen Behörden geltenden Bestimmungen entsprechen sollten. Nach Übersetzung der polnischen Schriftstücke fehlten jedoch jegliche Angaben über den Vorgang der Messung, die Art des Messgerätes, die Einhaltung von Warte- und Kontrollzeiten oder über die an der Messung beteiligten Polizeibediensteten. Insbesondere fehlte ein Messprotokoll. Vielmehr wurde dem betroffenen Autofahrer lediglich eine Entscheidung der polnischen Staatsanwaltschaft über die Einziehung des Führerscheins und ein an das Kraftfahrt-Bundesamt gerichtetes Schreiben der polnischen Bezirksstaatsanwaltschaft, in dem – ohne nähere Erläuterung – ein Messwert von 0,60 Milligramm pro Liter Atemluft genannt war. Nach Ansicht des Gerichts konnte dieser Messwert jedenfalls nicht als Nachweis eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes unmittelbar verwertet werden. Alleinige Grundlage für die Annahme einer Zuwiderhandlung kann er damit nicht sein.
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.03.2008, Az. 1 M 204/07

Trunkenheit am Steuer muss nicht immer zum Führerscheinentzug führen
Handelt es sich bei einer Autofahrt im alkoholisierten Zustand um ein „notfallbedingtes Augenblicksversagen“ um „der Feuerwehr zu helfen“, kann dies das Strafmaß erheblich senken und auf eine Entziehung der Fahrerlaubnis verzichtet werden. Für den ausnahmsweisen Verzicht spricht vor allem, dass der angeklagte Trunkenheitsfahrer sofort freiwillig durch Selbstanzeige bei der Polizei die Verantwortung übernommen hat und außerdem keinerlei Voreintragungen bestehen, die auf ein Alkoholproblem hindeuten. Ferner hat der Angeklagte inzwischen durch Umstrukturierung und Delegation für künftige Notfälle Vorkehrungen getroffen, sich mit einem Verkehrspsychologen des TÜV ausführlich beschäftigt und erfolgreich einen TÜV-Nachschulungskurs absolviert.
AG Hameln, Urteil vom 06.02.2008, 11 Cs 7471 Js 89812/07

Kein Nachbesichtigungsrecht der Versicherung bei Vorliegen eines Sachverständigengutachtens
Eine Verpflichtung des Geschädigten, sein Fahrzeug nachbesichtigen zu lassen, ist vom Gesetzestext nicht gedeckt. Nach § 158d Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hatte die beklagte Versicherung zwar das Recht, vom Kläger Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich war. Bereits nach dem Gesetzestext schuldete der Kläger allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der beklagten Versicherung. Es ist zwar zutreffend, dass eine solche Verfahrensweise einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten dürfte, andererseits ist eine solche Verpflichtung vom Gesetzestext nicht gedeckt und schuldet der Geschädigte auch keine Begründung dafür, warum er davon absehen will.
Im vorliegenden Fall ist es so gewesen, dass der Kläger der Beklagten ein mit Lichtbildern des Fahrzeugs und aller daran festgestellten Schäden versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen überlassen hat, in welchem nicht nur die Schäden beschrieben sind, sondern auch deren genaue Lage am Fahrzeug und ihr Umfang, ferner die zur Beseitigung erforderlichen Arbeiten. Dies genügt der dem Geschädigten in § 128d Abs. 3 S. 2 VVG auferlegten Pflicht. Denn zu einer ausdehnenden Interpretation der gesetzlich normierten Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten besteht kein Anlass. Die Überlassung eines beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlegung von Belegen. Bereits insoweit macht das Gesetz allerdings Einschränkungen, indem diese Pflicht ihre Grenze an der Zumutbarkeit findet.
AG Solingen, Urteil vom 02.09.2008, Az. 11 C 236/05

Keine Haftung für Brandschaden am Fahrzeug nach Einbau von Nebelscheinwerfern
Eine Werkstatt haftet nicht für ein durch Brand zerstörtes Fahrzeug, wenn zwar die Brandursache aus der Fahrzeugelektrik stammt, der Brand jedoch nicht wegen des fehlerhaften Einbaus von Nebelscheinwerfern entstanden ist. Den Beweis, dass die Nachrüstung des Fahrzeugs mit Nebelscheinwerfern für die Brandentstehung ursächlich war, hat die Klägerin nach den Ausführungen aller mit dem Fall befassten Sachverständigen nicht führen können. Vielmehr steht fest, dass die Nebelscheinwerfer ordnungsgemäß an das Relais angeschlossen worden sind; andere Fehlerursachen, für die der Beklagte verantwortlich sein könnte, sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausgeschlossen. In diesem Fall trägt die Werkstatt für den Brand keine Verantwortung.
(Brandenburgisches OLG, Urteil vom 05.02.2008, Az. 11 U 4/05)

Falsche Angaben zur Laufleistung eines gestohlenen Pkws können den Versicherungsschutz kosten
Wer dem Kaskoversicherer eine zu geringe Laufleistung seines gestohlenen Pkws mitteilt, riskiert den Versicherungsschutz. Das gilt auch dann, wenn der Versicherungsnehmer die Laufleistung mit „ca.“ angibt, die Circa-Angabe aber mehr als 10 % unter den tatsächlich gefahrenen Kilometern liegt. Wegen einer solchen Falschangabe wies das LG Coburg die Klage eines Diebstahlsgeschädigten gegen seinen Kaskoversicherer ab. Diese Falschangabe ist geeignet, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden.
(LG Coburg, Urteil vom 23.03.2007, Az. 14 O 122/07)

Doppelte Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers bei Regress möglich
Der Versicherer kann im Versicherungsfalle Rückgriff beim Versicherungsnehmer nehmen, wenn dieser den Versicherungsfall durch eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung herbeigeführt hat. Ein Rückgriff ist weiter möglich, wenn im Anschluss an den Versicherungsfall die Aufklärung seines Hergangs und/oder mit ihm die Ermittlung des Umfangs der Haftung des Versicherers erschwert oder vereitelt wird. Dementsprechend ist, wenn Obliegenheitsverletzungen „vor“ und „im“ Versicherungsfalle gegeben sind, eine zweifache Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers nicht ausgeschlossen.
(AG Aachen, Urteil vom 06.07.2007, Az. 11 C 125/07)

Kein „Augenblickversagen“ bei Tempo 132 km/h statt der vorgeschriebenen 100 km/h
Wer die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit 132 km/h erheblich überschreitet, kann sich nicht auf das Vorliegen eines „Augenblickversagens“ wegen Übersehen eines Verkehrschildes berufen. Ein solcher Wahrnehmungsfehler entlastet den Betroffenen nämlich dann nicht, wenn dieser Fehler seinerseits als grob pflichtwidrig angesehen werden kann. Eine so hohe Geschwindigkeitsüberschreitung ist nicht mit einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit zu erklären, sondern deutet vielmehr auf eine bewusste Geschwindigkeitsüberschreitung hin und damit auf grob pflichtwidriges Verhalten.
(OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.06.2007, Az. 1 Ss 25/07)

Verwendung falsch geeichter Messgeräte bei Geschwindigkeitskontrolle
Wird eine Geschwindigkeitskontrolle mit Fahrzeugen durchgeführt, in denen zwar formell richtig, materiell aber wohl falsch geeichte Messgeräte genutzt werden, ist eine sachverständige Klärung notwendig. Steht dieser Aufwand außer Verhältnis zu der verhängten Sanktion einer reinen Geldbuße ohne Fahrverbot, ist das Verfahren einzustellen.
(AG Lüdinghausen, Beschluss vom 27.03.2007, Az. 10 OWi 89 Js 18/07 -5/07)

Keine Schadensersatzpflicht des Landes bei Verkehrsunfall wegen erkennbarer Straßenschäden
Der Kläger befuhr eine Bundesstraße, die sich im Bereich der Unfallstelle – an zahlreichen Flickstellen erkennbar – in einem schlechten Zustand befindet. Ausgangs einer lang gezogenen Rechtskurve verlor der Kläger die Kontrolle über sein Fahrzeug, rutschte auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem entgegenkommenden Pkw. Beide Fahrzeuge gerieten in Brand. Mit seiner Klage hat der Kläger vom Land wegen der Zerstörung seines Fahrzeugs Schadensersatz verlangt. Zur Begründung führte er aus, die Fahrbahnoberfläche sei im Bereich der Unfallstelle unsachgemäß repariert worden. Das Landgericht wies die Klage ab. Einem Fahrzeugführer steht kein Schadensersatzanspruch zu, da das Land keine ihm gegenüber bestehende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Zwar obliegt dem Land die Verkehrssicherungspflicht bezüglich der fraglichen Straße. Diese muss so hergestellt und erhalten werden, dass sie keine unvorhersehbaren Gefahren birgt. Damit konzentriert sich die Verpflichtung jedoch im Wesentlichen auf die Abwendung solcher Gefahren, mit denen ein Verkehrsteilnehmer nicht zu rechnen braucht. Auf der anderen Seite muss sich ein Straßenbenutzer grundsätzlich den Straßenverhältnissen anpassen und eine Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet.
(LG Osnabrück, Urteil vom 14.06.2007, 5 O 793/07)

Keine Entziehung der Fahrerlaubnis wegen vorhandener Eintragungen in das Verkehrszentralregister
Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht schon deshalb anordnen, weil sie unter Bezug auf sämtliche in das Verkehrszentralregister eingetragenen Tatsachen Zweifel ableitet, dass der Betroffene geeignet sei, ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Solche Erwägungen reichen nicht aus, um von dem für den Regelfall vorgesehenen Maßnahmenprogramm abzuweichen oder nicht jedenfalls zu erwägen, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.
(OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 02.08.2007, Az. 16 B 1071/07)

Zur Untersagung der Nutzung einer ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland
Das Gebrauchmachen von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland darf erst dann untersagt werden, wenn der Betroffene die ihm gebotene Gelegenheit, seine aktuelle Kraftfahreignung nachzuweisen, nicht genutzt hat, er also z.B. trotz entsprechender Aufforderung kein positives medizinisch-psychologisches Gutachten über seine aktuelle Fahreignung beigebracht hat.
(OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.07.2007, Az. 16 B 823/07)

Entziehung einer polnischen Fahrerlaubnis zum Gebrauch im Inland ist rechtmäßig
Eine Ordnungsverfügung, mit der das Recht aberkannt wird, von einer im EG-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, verstößt nicht gegen diejenigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, nach denen von EG-Mitgliedstaaten ausgestellte Führerscheine gegenseitig anzuerkennen sind. Diese Verfügung greift nicht in das Recht ein, in den übrigen EG-Staaten Kraftfahrzeuge führen zu dürfen. Dies ist erst recht der Fall, wenn das EG-Gemeinschaftsrecht in missbräuchlicher Absicht im Wege eines sogenannten Führerscheintourismus genutzt wird.
(VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13.06.2007, Az. 7 L 536/07)

Sofortige Vollziehbarkeit der Aberkennung einer tschechischen Fahrerlaubnis
Auch wenn sich der Hauptwohnsitz in Tschechien befindet, ist die Fahrerlaubnis wegen Alkoholmissbrauchs zu entziehen, solange sich der Fahrzeugführer tatsächlich regelmäßig in Deutschland aufhält und seine Ehefrau dort wohnt. Ein solcher Missbrauch liegt dann vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Auch wenn bei einem Kfz-Fahrer über acht Jahre kein einschlägiges Fehlverhalten festgestellt werden kann, ist dies unbeachtlich, soweit er innerhalb dieses Zeitraums nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war.
(VG Bayreuth, Beschluss vom 18.04.2007, Az. B 1 S 07 158)

Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nachweis der Ungeeignetheit durch Fahrprobe
Die Entziehung einer Fahrerlaubnis erweist sich als rechtmäßig, wenn eine Fahrprobe ergeben hat, dass der Betroffene nicht (mehr) als geeignet angesehen werden kann. Auf eine lange Zeit, in der der Fahrerlaubnisinhaber unbeanstandet gefahren ist, kommt es nicht an. Die dargestellten Fahr- und Verhaltensfehler rechtfertigen erkennbar die abschließende negative Bewertung des Gutachters. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass die Klägerin fast 60 Jahre – wie sie vorträgt – unbeanstandet gefahren sei. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist in einem solchen Fall zum Schutz sowohl des Betroffenen als auch der anderen Verkehrsteilnehmer unabwendbar.
(VG Gelsenkirchen vom 04.07.2007, 7 K 365/07)

Entzug der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens ist auch bei mehrere Jahre zurückliegender Tat rechtmäßig
Der Entzug der Fahrerlaubnis erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig, wenn der Fahrerlaubnisinhaber ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) über seine Kraftfahreignung nicht beigebracht hat, obwohl er ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,91 Promille geführt hat. Die Verpflichtung zur Beibringung des Gutachtens besteht auch dann, wenn die Tat schon über sieben Jahre zurück liegt und der Fahrerlaubnisinhaber seit dieser Tat wieder als Berufskraftfahrer ohne festgestellten Verstoß am Straßenverkehr teilnimmt.
(VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 03.07.2007, Az. 7 L 643/07)

Medikamente am Steuer: Alkoholkonsum trotz Antibiotikaeinnahme
Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, wird eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet. Wurden vor einem Unfall ein Flachmann Weinbrand getrunken und am Tag bereits Herztabletten und Antibiotika eingenommen, deuten diese Umstände auf Alkoholmissbrauch. Das Verwaltungsgericht lehnte es daher ab, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung wiederherzustellen sowie den Antragsgegner zu verpflichten, den Führerschein wieder herauszugeben.
(VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.05.2007, Az. 7 L 262/07)

Für den Ausschluss der Kraftfahreignung reicht schon der einmalige Konsum harter Drogen
Die Einnahme von Kokain schließt die Kraftfahreignung aus. Dies gilt unabhängig davon, ob unter der Wirkung dieser sogenannte harten Droge ein Kraftfahrzeug geführt worden ist oder nicht. Die Kraftfahreignung fehlt außerdem nicht nur bei Kokainabhängigkeit. Vielmehr ist schon der einmalige Konsum harter Drogen ausreichend.
(VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.06.2007, Az. 7 L 569/07)

Fristversäumung für Drogenscreening aus beruflichen Gründen
War der Führerscheininhaber aus beruflichen Gründen ortsabwesend und hat ihn deshalb die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, nicht innerhalb der Frist erreicht, so war er aus nachvollziehbaren Gründen gehindert, die Untersuchung fristgerecht durchzuführen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann dabei nicht von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen des Betroffenen ausgehen.
(VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss vom 29.03.2007, Az. 6 L 248/07.NW)
 

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