Barocke Räume für neueste Technologien
<p>Das Barockschloss Ettlingen bei Karlsruhe bot am 26. und 27. April die historische Kulisse für die zweitägige Fachtagung des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. (BBM). Doch die barocke Zeit war nicht das Thema der Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Bundesverband eMobilität e. V. (BEM), Electrive.net, der NOW GmbH und der Kanzlei Voigt ausgetragen wurde, sondern die Elektrifizierung der Unternehmensflotten und wie sich diese umsetzen lässt.</p>

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In etwas mehr als sechs Jahren soll es mindestens 15 Millionen batterieelektrisch betriebene Pkws in Deutschland geben, so das Sektorenziel Verkehr der Ampelkoalition für das Jahr 2030. Aktuell liegt der Bestand bei etwas mehr als einer Million E-Fahrzeuge, was wiederum bedeuten würde, dass in Deutschland täglich im Schnitt rund 5.000 rein elektrische Autos neu zugelassen werden müssten: „Von heute einer Million Fahrzeuge ist das ein steiles Ziel – aber Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität werden und hat das Potenzial dazu“, erklärte Charlotte Ojala, Managerin Elektromobilität Schulung und Qualifizierung bei der NOW GmbH, bei der ausgebuchten Veranstaltung in Ettlingen. Ein bloßes Ziel im Koalitionsvertrag sei für ein solches Vorhaben aber nicht ausreichend; vielmehr müsse ein Umdenken sowie ein Wandel in der Mobilität stattfinden. Auch Unternehmensflotten, die seit jeher gefragt sind, um neue Technologien in die breite Masse zu bringen, sind gefordert und beschäftigen sich daher nicht erst seit heute mit der Elektrifizierung ihrer Fuhrparks.
Die Intentionen der Unternehmen, Elektromobilität einzuführen, sind ganz unterschiedlich, wie sich im Workshop herausstellte: eigene Nachhaltigkeitsambitionen wie die Senkung der CO2-Emissionen, die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, das Image des Unternehmens sowie die Attraktivität als Arbeitgeber sind nur einige Beispiele, warum Fuhrparks elektrifiziert werden. Elektromobilität sei aber nicht nur eine Investition in die Zukunft, auch Kostenargumente wurden angeführt: Für Mitarbeiter sei ein reduzierter geldwerter Vorteil zu versteuern und die Unternehmen profitierten durch reduzierte Verbrauchskosten sowie seit einiger Zeit von den Fördermaßnahmen des Bundes.
Doch ein wirtschaftliches Desaster und Planungsunsicherheit sahen alle durch den Wegfall eben dieser Förderungen, der für Unternehmen ab September geplant ist: „Das ist sehr ungünstig für den Prozess, ändert aber nichts an unserer Entscheidung, den Weg konsequent zu gehen“, so Eugenia Becker, Projektleiterin Elektrifizierung bei Schwarz Mobility. Zusätzlich sorgen eingeschränkte Reichweiten der E-Autos in Verbindung mit der noch zu schwach ausgebauten Ladeinfrastruktur, lange Lieferzeiten und die Kosten nach dem Stopp der Förderungen für einige Bedenken unter den Flottenverantwortlichen. Bedenken seien auch bei vielen Mitarbeitern festzustellen: So gäbe es noch immer Vorurteile gegenüber der Elektromobilität und diese führten dazu, dass Elektrofahrzeuge grundsätzlich abgelehnt werden, weil sie womöglich nicht den privaten Anforderungen gerecht werden. Dem nicht genug wird auch der administrative Aufwand als zu hoch bezeichnet und so manches Angebot wie auch Serviceleistungen seien eher auf den Endkunden ausgerichtet. Die Kritik fängt an bei Bestellprozessen, geht über Lieferprozesse und die eigentliche Fahrzeugübergabe bis hin zu nicht gelösten Problemen bezüglich der Anforderungen der gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV). Einige BBM-Mitglieder berichteten, dass sie bestimmte Fahrzeughersteller aus diesen Gründen auslisten werden oder ausgelistet haben.
Den Hürden beziehungsweise Problemen stehen die Möglichkeiten, die sich in der Elektromobilität ergeben, gegenüber: So wurden beispielsweise Konzepte wie „Vehicle-to-Grid“ (V2G) und „Vehicle-to-Industry“ (V2I), die sich auf die Nutzung von Elektrofahrzeugen als Stromspeicher beziehen, durchweg als positiv empfunden und werden bei so manchem Unternehmen zukünftig eingesetzt. Zufrieden waren die Teilnehmer auch mit der Entwicklung der Modellvielfalt bei den batteriebetriebenen Pkw. Es seien zwar immer noch nicht alle notwendigen Fahrzeugmodelle als E-Variante erhältlich, die Hersteller seien aber auf einem guten Weg. Offen sind die meisten Teilnehmer auch für Angebote asiatischer Hersteller, wenn der Service stimmt und den Anforderungen von Fuhrparks gerecht wird.
Rechtliche Besonderheiten
Beim Einsatz von E-Fahrzeugen in der Unternehmensflotte sollte auf ein paar rechtliche Aspekte geachtet werden: Fahrzeugüberlassungsverträge, das Vorgehen bei der UVV, Versicherungsthemen sowie Besonderheiten bei Unfällen müssten laut Rechtsanwalt Roman Kasten, Kanzlei Voigt, im Blick behalten und bestehende Prozesse womöglich überarbeitet werden. „Die meisten Gefährdungen bestehen durch eine unzureichende Kenntnis in der Bedienung und im Umgang mit Hochvoltfahrzeugen“, unterstrich Kasten. E-Transporter im Fuhrpark sind noch ein weiterer Sonderfall. Das Segment hinkt den positiven Entwicklungen bei E-Pkws deutlich hinterher. „Wir sehen geringe Nutzlast, fehlende Anhängelast, geringe Real-Reichweite, eine nicht ausreichende öffentliche Ladeinfrastruktur und zu lange Ladedauer als Hürden“, sagte Christian Reiter, Fachreferent Nutzfahrzeuge beim BBM. Es könnte also in diesem Bereich noch einige Zeit vergehen, bis praxistauglichere technische Lösungen angeboten werden.

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Unterstützung bei der Elektrifizierung
Neben den Qualifizierungsangeboten des Mobilitätsverbandes und vielen Online-Tools bietet auch die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW GmbH) einige Hilfestellungen an. Die NOW GmbH koordiniert und steuert das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologie (NIP) der Bundesregierung und die Förderrichtlinien Elektromobilität sowie Ladeinfrastruktur (LIS) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Im Auftrag des BMDV unterstützt die NOW außerdem bei der Weiterentwicklung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) sowie der Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Clean Power for Transport, CPT). „Das Portfolio der NOW hat sich seit ihrer Gründung stark erweitert: wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz. Ziel ist, emissionsfreie Technologien zu fördern, übrigens nicht nur im Bereich der Mobilität“, berichtete Charlotte Ojala, die im Team Elektromobilität das Thema „Schulung und Weiterbildung“ betreut. Mit den Förderrichtlinien Elektromobilität sowie Ladeinfrastruktur fördert das BMDV bereits seit 2015 den Hochlauf der Elektromobilität in Deutschland und schafft eine strategische Basis für die Umstellung von Flotten.
Brückentechnologie Plug-in-Hybride
Für Diskussionen sorgte auch das als Brückentechnologie angepriesene Angebot an Plug-in-Hybriden (PHEV). Schon vor einigen Jahren hatte der BBM diese Fahrzeuge zur „Mogelpackung“ erklärt: Neben original verpackten Ladekabeln bei der Fahrzeugrückgabe fielen den Fuhrparkverantwortlichen vor allem realitätsfremde Verbrauchsangaben der PHEV negativ auf. „Wir wissen, dass es zwischen den WLTP-Werten und der Realität eine Diskrepanz gibt“, erklärte Marc-Oliver Prinzing, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität e. V. Zugleich stellte Prinzing in einer TCO-Betrachtung der Elektromobilität klar, welche negativen Auswirkungen der Wegfall der Förderung hat: „Gerade bei kleinen E-Fahrzeugen – die nachhaltigsten – schlägt das voll durch.“ Die Brückentechnologie Plug-in-Hybrid war dennoch wichtig, um mögliche Hemmschwellen beim Übergang zur Elektromobilität zu überwinden. Dr. Patrick Plötz, Leiter Geschäftsfeld Energiewirtschaft des Fraunhofer-Instituts für Systemund Innovationsforschung ISI, stellte spannende Forschungsergebnisse einer PHEV-Studie seines Instituts vor, welche die zuvor angesprochene Diskrepanz deutlich machte: So lagen die elektrischen Fahranteile bei Dienstwagen gerade mal bei 10 bis 20 Prozent; bei privat genutzten Fahrzeugen bei 40 bis 50 Prozent. Daraus folgen dreibis fünfmal höhere Kraftstoffverbräuche und Schadstoffemissionen als die WLTP-Typgenehmigung und Herstellerangaben bei Dienstwagen – 25 Prozent der Dienstwagen überschreiten die Angaben um mehr als das Dreifache. Allerdings gäbe es Steuerungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Einführung eines Tanklimits bei gleichzeitig unbeschränkten Ladebudgets. Nichtsdestotrotz scheinen die Tage der PHEV gezählt zu sein: Sinkende Nachfrage, unternehmerische Entscheidungen, die eine Nutzung der PHEV ausschließen, und Unsicherheiten bezogen auf die Dienstwagensteuer sind Anhaltspunkte hierfür. „Wir sehen derzeit den Anfang vom Ende der Plug-in-Hybride in Europa“, so Plötz.

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