Risiko Reifenhotel

<p> Fuhrparks, die Fahrzeuge mit Winter- und Sommerreifen verwenden, m&uuml;ssen sich Gedanken dar&uuml;ber machen, was nach dem Reifenwechsel mit dem jeweils vor&uuml;bergehend nicht ben&ouml;tigten Reifensatz geschehen soll.</p>

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Ein derartiger Reifenwechsel findet üblicherweise jedes Jahr im Oktober sowie um Ostern herum statt. Denn Winterreifen werden nach einer gängigen Faustformel üblicherweise von „O bis O“ – Oktober bis Ostern – gefahren und dann gewechselt. Anders gesprochen werden also die Sommerreifen über den Winter eingelagert und Winterreifen über den Sommer. Zur Reifenwechselsaison bieten viele Kfz-Werkstätten und Reifenhändler an, die Reifen beziehungsweise die Kompletträder inklusive Felgen nach dem Radwechsel gegen eine Gebühr vorübergehend einzulagern, bis sie wieder benötigt werden. Mitunter sind diese Kosten auch in einem Full- Service-Paket des Leasingvertrags enthalten. Meist wird für diesen besonderen Service damit geworben, dass eine fachgerechte, materialschonende und platzsparende Lagerung der Räder erfolgt. Außerdem werden mitunter zusätzliche Leistungen (meist gegen gesondertes Entgelt) angeboten wie eine professionelle Felgenreinigung oder eine Prüfung von Felgen und Pneus. Was aber passiert, wenn das Reifenlager von Dieben ausgeräumt wird oder abbrennt? Wer haftet

Obhutspflicht beim Einlagern von Winter- und Sommerreifen
Die ersten Schwierigkeiten ergeben sich bereits dann, wenn über die Einlagerung der Reifen oder Radsätze überhaupt keine schriftliche Vereinbarung geschlossen worden ist: Ist die Einlagerung dann als Zusatzleistung zu anderen vertraglichen Leistungen anzusehen oder eine bloße Gefälligkeit, für die möglicherweise nur eingeschränkt für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz gehaftet wird? Selbst bei schriftlichen Vereinbarungen stellt sich meist im Nachhinein heraus, dass es doch so einige Haken und Ösen bei der Haftung gibt.

Grundsätzlich gelangt man auf den ersten Blick schnell zu der Annahme, dass bei einer Einlagerung der Reifen derjenige, der dies gegen Bezahlung erledigt, zumindest aus nebenvertraglichen Obhutspflichten für den Verlust oder die Beschädigung der eingelagerten Reifen haftet. Kommen also während der Lagerungsdauer die Reifen durch Diebstahl abhanden, werden beschädigt oder zerstört, muss zunächst einmal der Betriebsinhaber dafür geradestehen, wenn ihm obliegende Obhutspflichten verletzt worden sind. Allerdings ist bereits die rechtliche Einordnung dieser Pflichten schon etwas knifflig. Bei genauerer Betrachtung kommt es nämlich ganz auf die Details der Vereinbarungen an.

Werk(statt)vertrag oder Verwahrungsvertrag
„Es kommt darauf an“: Was wurde eigentlich zur Einlagerung der Reifen vereinbart? Wurde überhaupt etwas schriftlich aufgenommen, beispielsweise als „Auftrag“? Wird ein Reifenwechsel als gesonderte Werkleistung oder im Rahmen einer Inspektion, Reparatur oder Wartung vereinbart – dann liegt ein Werkvertrag vor. Oder wird ein Auftrag dazu erteilt, dass nach dem Reifenwechsel die abmontierten Kompletträder zusätzlich gewaschen, gereinigt und danach eingelagert werden sollen? In den allermeisten Fällen gibt es wenig Informationen im Auftragsformular. Steht aber bei einem solchen Auftrag der (Werk-)Erfolg, also der Reifenwechsel, im Vordergrund, dann handelt es sich rechtlich gesehen um einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB mit anschließender Verwahrung. Schließt sich aber die Einlagerung an die eigentliche Werkleistung an, erweitert dies den Pflichtenkreis desjenigen, der die Reifen einlagert und verwahrt. In juristischer Sicht kann man trefflich darüber streiten, ob durch die Einlagerung der ursprüngliche Werkvertrag nur um weitere rechtliche Verpflichtungen erweitert wird oder ob es sich dabei sogar um einen völlig eigenständigen Vertrag handelt.

Obhuts- und Verwahrungspflichten
Zu den Obhuts- und Verwahrungspflichten des Inhabers einer Kfz-Werkstatt nach Durchführung des Reparaturauftrags hat sich das LG Oldenburg (Urteil vom 26.10.1988, Az. 9 S 130/88) dahin gehend geäußert, dass dem Inhaber einer Kfz-Werkstatt die werkvertragliche Nebenpflicht obliegt, mit dem Eigentum des Kunden, das sich in seinem Gewahrsam befindet, pfleglich umzugehen. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Werkvertrags, also auch nach Durchführung von Reparaturarbeiten. Welche Sicherungspflichten mit dieser Obhuts- und Verwahrungspflicht konkret verbunden sind, bestimmt sich aber nicht allgemein, sondern ist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. So hat ein Kfz-Werkstattunternehmer jedenfalls durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der bereits reparierte Wagen eines Kunden gegen die Gefahr des Diebstahls von Autoreifen und Felgen gesichert ist. Daher kommt er seiner Verpflichtung nicht nach, wenn er das reparierte Fahrzeug an einem für jedermann zugänglichen Ort abstellt. Diese Entscheidung betrifft aber nur den Fall, dass Reifen und Felgen von einem bereits reparierten Fahrzeug gestohlen werden.

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Obhutspflichten treffen aber auch den Betrieb, der die Reifen- oder Radsätze „nur“ einlagert und dann kostenpflichtig verwahrt. Dies hat den Sinn, dass die überlassenen Reifen/Räder zum Ende der Verwahrung in demselben Zustand zurückgegeben werden wie zum Zeitpunkt der Einlagerung. Das ist auch sinnvoll, denn werden Räder und Reifen falsch eingelagert, ist es fraglich, ob sie danach noch brauchbar sind: So verformen sich stehend gelagerte Räder schnell so stark, dass sie nicht mehr rund sind, weil sie an der Standfläche eine deutliche Einbuchtung aufweisen. So sollen Kompletträder niemals auf der Lauffläche stehend gelagert werden, sondern immer liegend auf der Seitenwand.

Unter Kfz-Profis – Reifenhändlern und Werkstätten – wird deshalb zu Recht empfohlen, rechtlich zwischen dem Reifenwechsel (sei es gesondert oder im Rahmen einer anderen Leistung wie einer Inspektion) und der anschließenden Einlagerung strikt zu trennen; es sollten also immer zwei separate, schriftliche Vereinbarungen mit dem Kunden getroffen werden. Dies führt auch für den Kunden zu mehr Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Auftragsverhältnisse und der jeweiligen Kosten für die Einlagerung der Kompletträder beziehungsweise Reifensätze sowie bezüglich der weiteren Bedingungen für die Verwahrung, so unter anderem zu Dauer der Einlagerung, eventuellen Haftungsbeschränkungen und der Sicherung des Zahlungsanspruchs (Werkunternehmerpfandrecht). Von den Kfz-Innungen und Verbänden werden entsprechende Formulare angeboten.

Fuhrparkmanager sollten jedoch auf die Details der Einlagerung und der zugrunde liegenden Einlagerungsbedingungen (AGB) achten. Diese finden sich mitunter auf der Rückseite des Auftragsformulars im Kleingedruckten. Meist leistet die Werkstatt oder der Reifenhändler als Verwahrer Gewähr dafür, dass die Verwahrung mit der verkehrsüblichen Sorgfalt durchgeführt wird. Häufig wird dann aber zugleich eine Haftung für Verluste oder Beschädigungen der verwahrten Artikel durch höhere Gewalt ausgeschlossen. Während das bei höherer Gewalt einleuchten mag, weil der Einlagerer dafür nichts kann, ist meist ein weiterer Ausschluss der Haftung vorgesehen: So haftet der Verwahrer meist nach den Einlagerungsbedingungen nicht unmittelbar, sollte es zu einem Verlust oder einer Beschädigung der verwahrten Artikel infolge von Feuer und/oder Diebstahl kommen. In diesen Fällen werden Kunden gerne darauf verwiesen, dass sie zuerst Ansprüche gegenüber ihrer eigenen Kfz-Kaskoversicherung geltend machen müssen. Nur sofern die Ansprüche dort nicht oder nicht vollständig erstattet werden, tritt meist der Versicherer des Einlagerers ein. Eine Einschränkung oder ein vollständiger Ausschluss der Haftung ist rechtlich nur begrenzt zulässig, weil sonst der Vertragszweck der Verwahrung und die damit verbundene Obhut ausgehöhlt werden. Das führt dazu, dass entsprechende Einschränkungen seitens der Werkstatt in AGB, Aufträgen oder Verträgen keine Gültigkeit haben.

Was ist eigentlich bei Reifenverlust oder –beschädigung versichert?
Diese Vorgehensweise hat ihre Ursache meist in der Art und Weise, wie der Betrieb versichert ist, der die Reifen einlagert. So deckt beispielsweise die standardmäßige Betriebshaftpflichtversicherung des Reifenhändlers oder der Autowerkstatt, bei welchen die Einlagerung der Reifen erfolgt ist, weder das Verwahrungsrisiko noch das Diebstahls- oder das Vernichtungsrisiko durch Brandgefahren ab.

Vielmehr ist es so, dass diese Risiken durch eine gesonderte Betriebsinhaltsversicherung abgedeckt werden müssen. Und die kostet eben extra. Entsprechende Policen hängen unter anderem davon ab, ob die Reifen im Hauptgebäude selbst (wie im Keller) oder in einem Container auf dem Außengelände oder in einem eigens dafür angemieteten Gebäude gelagert werden. Auch die Betriebsinhaltsversicherung leistet meist nur den von der Teilkaskoversicherung nicht übernommenen Restbetrag, also beispielsweise die Summe einer eventuellen Selbstbeteiligung in der Kasko. Leistet die Kaskoversicherung des Fahrzeughalters nicht oder besteht keine Kaskoversicherung, muss allerdings die Betriebsinhaltsversicherung des einlagernden Betriebs für den Schaden vollständig aufkommen. Besteht jedoch keine Betriebsinhaltsversicherung und kann der einlagernde Betrieb den Schaden nicht selbst ausgleichen, hat der Fahrzeughalter das Nachsehen. Er muss dann seine eigene Teilkaskoversicherung in Anspruch nehmen und sich gegebenenfalls mit dem dort erstatteten Betrag zufriedengeben. Besteht keine Kaskoversicherung oder sind darin Verluste beziehungsweise Beschädigungen ausgeschlossen, geht der Fahrzeughalter im schlimmsten Fall leer aus und muss den Schaden oder Verlust selbst decken.

Der Umstand, dass eine Sache versichert ist, schließt aber rechtlich nicht unbedingt anderweitige Ersatzansprüche aus. Für die Rechtsbeziehung zwischen Fahrzeughalter und seinem eigenen Kaskoversicherer ist auf folgende Entscheidungen hinzuweisen: So kann es im Streit mit der Kfz-Kaskoversicherung um deren Leistungspflicht bei Diebstahl oder Unterschlagung von Reifen nach einer Entscheidung des AG Mülheim (Urteil vom 27.03.2008, Az. 10 C 2124/07) dahinstehen, ob die Fahrzeug- und Zubehörteile (hier: ein Satz Sommerreifen) unterschlagen oder ob sie gestohlen worden sind. In beiden Fällen ist die Kfz-Kaskoversicherung zur Leistung verpflichtet. Denn zur Teilkaskoversicherung, die in die Vollkaskoversicherung eingeschlossen ist, gehören die Absicherung des Pkw gegen Brand- und Unwetterschäden sowie gegen Diebstahlsgefahren. Denn die Vollkaskoversicherung umfasst üblicherweise alle Leistungen einer Teilkaskoversicherung und darüber hinaus neben selbst verschuldeten Unfallschäden am eigenen Fahrzeug auch mutwillige Beschädigungen durch fremde Personen.

Warum aber sollte man seine eigene Versicherung dafür in Anspruch nehmen, wenn doch derjenige, der die Reifen verwahrt hat, selbst dafür wegen Verletzung von Obhutspflichten bezüglich der eingelagerten Gegenstände haften muss

Praktische Empfehlungen für die Reifeneinlagerung
Wer nicht Ganzjahresreifen fährt und wer auch nicht auf den Wechsel von Sommer- auf Winterreifen verzichten mag oder kann, sollte sich gut überlegen, wo und wie er die Reifen saisonal lagert, während sie nicht für den Fahrbetrieb benötigt werden. Betreibt das Fuhrparkmanagement selbst ein eigenes Reifenlager, dann helfen Excel-Tabellen und Lagersoftware dabei, den Überblick über das Lagergut zu behalten.

In allen anderen Fällen mag die professionelle Einlagerung der bessere Weg sein. Dann sollte die Einlagerung aber jedenfalls schriftlich vereinbart und geregelt werden, sei es in einem Auftrag oder in einem Vertrag mit der Werkstatt oder dem Reifenhändler.

In diesem Falle sollte aber unbedingt ein Einlagerungsprotokoll beziehungsweise ein Reifenübergabeprotokoll erstellt werden, in dem detailliert festgehalten wird, was genau eingelagert wird. Völlig unzureichend ist es, nur die Anzahl der eingelagerten Reifen/Räder zu notieren. In einem solchen Einlagerungsprotokoll – kostenlose Exemplare gibt es zum Beispiel beim ADAC – sollten Marke/Fabrikat der Reifen beziehungsweise Räder inklusive Felgen dokumentiert werden. Dazu gehören Felgentyp, Größe, Fabrikationsnummer, Zustand, Reifengröße, DOTNummer und so weiter; auch das Reifenalter und der Zustand und Abnutzungsgrad oder eventuell vorhandene Beschädigungen an Reifen und Felgen sind dort festzuhalten. Ein besonderes Augenmerk sollte den Einlagerungsbedingungen (AGB) gelten, falls es welche gibt. Eine entsprechende schriftliche Vereinbarung gibt dem Fuhrparkmanager den Nachweis, wo sich die Reifen/Räder befinden und in welchem Zustand sie sind. Und der einlagernde Betrieb bekommt hiermit gegenüber einer eventuell vorhandenen Versicherung einen Nachweis über das Lagergut.

Kommt es zum Schaden, stellt sich die Frage, wer was beweisen muss. Der Einlagernde muss im Schadenfall darlegen und beweisen, dass er nicht für das Abhandenkommen oder die Beschädigung der Reifen/Räder verantwortlich ist. Eine Beweislaständerung zulasten des Kunden in den AGB ist nicht zulässig, weil dies dem Vertragszweck zuwiderläuft, ganz davon abgesehen, dass der Fahrzeughalter ohnehin praktische Probleme hätte, einen Beweis anzutreten, weil er während der Dauer der Verwahrung nicht über seine Reifen/Räder verfügen kann.

Auch die Schadenhöhe ist begrenzt. Reifen oder Räder werden nämlich nach schadenersatzrechtlichen Grundlagen nicht zum Neupreis ersetzt. Selbst bei einer Haftung des Reifenhändlers oder der Werkstatt besteht regelmäßig nur ein Anspruch auf die Erstattung des Zeitwerts. Liefert der Einlagerer für den Verlust der gestohlenen oder verbrannten Reifen neuwertigen Ersatz, kann er hierbei einen angemessenen Ausgleich „neu für alt“ als Abzug geltend machen. Denn der Kunde darf sich am Schaden nicht bereichern; er darf durch den Schadenersatz nicht besser gestellt werden. Das wird aber nur dann relevant, wenn der einlagernde Kfz-Betrieb überhaupt (durch ein Protokoll) den Nachweis führen kann, in welchem Zustand die eingelagerten Reifen/ Räder waren und ob und inwieweit sie bereits Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen aufwiesen. Selbst der Kaskoversicherer des Kunden ersetzt auch nur den Sachschaden nach dem Zeitwert – es sei denn, es besteht eine (teurere) Versicherung zum Neuwert.

Wer im Schadenfall vom einlagernden Betrieb auf seine eigene Kaskoversicherung verwiesen wird, sollte nicht vorschnell die Flinte ins Korn werfen. Ein Blick in die schriftlichen Vereinbarungen sollte hier die nötige Klärung bringen. Falls nicht, hilft der Gang zum Fuhrparkanwalt Ihres Vertrauens, um die Haftungslage zu klären.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin

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