48 Volt

Die Autoindustrie entwickelt sich rasant. Nur vom Bordnetz des Autos ließen die Ingenieure bisher weitestgehend die Finger. Jahrelang war das 12-Volt-Netz im Fahrzeug Standard, doch das könnte sich jetzt ändern. 48 Volt sollen es in Zukunft sein. Immer mehr Hersteller integrieren es zusätzlich zum 12-Volt-Standardnetz. Flottenmanagement erklärt die Hintergründe.

48 Volt
48 Volt

1 /2

48 Volt
48 Volt

PDF Download

Ein Blick zurück: Bereits vor 50 Jahren hatten sämtliche VW-Käfermodelle (Ausnahme VW 1200) eine Bordspannung von zwölf Volt. In der damaligen Zeit war dies auch vollkommen ausreichend, denn die Autos benötigten nicht viel Strom. Das änderte sich im Laufe der Jahre durch diverse Assistenzsysteme, Komfort- und Sicherheitseinrichtungen. „Mit dem heutigen Stand der Technik sind die 12-Volt-Bordnetze an der Grenze ihrer Möglichkeiten angelangt. In Summe lasten die sogenannten statischen Verbraucher – vor allem bei niedrigen Temperaturen – die Lichtmaschine, die bis zu drei kW Leistung aufbringt, komplett aus“, so Audi in einer Mitteilung. Daher setzen die Ingolstädter nun vermehrt auf das 48-Volt-Bordnetz (unter anderem beim neuen Audi A8). Bernhard Klein, Leiter Entwicklung und elektrische Fahrzeuge beim Zulieferer Continental, sagt: „Die 48-Volt-Technologie lässt sich mit wenig Aufwand in die Architektur konventionell angetriebener Fahrzeuge integrieren und bietet Funktionen, die bisher nur bei den Hochvolt-Hybridsystemen mit 300 bis 400 Volt zu finden sind.“

Bereits Anfang 2000 waren Autohersteller und Zulieferer im Austausch über ein zusätzliches Stromnetz von 42 Volt. Allerdings konnten sie sich damals nicht auf einen technischen Standard einigen, zudem war das Thema durch neu entwickelte hocheffiziente Datenverarbeitungssysteme und hochintelligente Steuerungen vorerst nicht mehr akut. Erst in den letzten Jahren gab es wieder verstärkte Entwicklungen und Ansätze für ein zusätzliches Netz. Mittlerweile ist die „48-V-Initiative“ global geworden und immer mehr Hersteller bringen 48-Volt-Mild-Hybride (Erklärung siehe Kasten) auf den Markt. Und das hat vor allem zwei Gründe: Zum einen benötigen (teil-)autonome Funktionen der modernen Fahrzeuge immer mehr Strom, zum anderen werden die Emissionsnormen immer strenger (eine Teilelektrifizierung kann bei der Einhaltung der Werte helfen).

Autonomes Fahren und Emissionsnormen
Das Beratungsunternehmen Frost & Sullivan bestätigt diese Punkte in seiner Studie zu den Auswirkungen des 48-Volt-Bordnetzes auf die automobile Wertschöpfungskette. Eine der Kernaussagen: Durch die Einführung autonomer Fahrzeuge mit einer Vielzahl von elektronischen Komponenten würde die 12-Volt-Bordspannung so gut wie unbrauchbar für den Automobilbetrieb. So sei beispielsweise ein redundantes Energiesystem eine Grundvoraussetzung für das autonome Fahren. „Damit muss das Fahrzeug immer ausfallsicher zum Stillstand gebracht werden können“, erklärt Alexander Kruse, Funktionsverantwortlicher für Mild-Hybrid-Systeme bei Audi gegenüber ATZextra. Ein 48-Volt-System würde dies gewährleisten. Mit den strengeren Emissionsnormen nennen die Autoren einen weiteren Punkt, der für die Einführung der neuen Spannungsebene spräche. Denn um diese zu erfüllen, müssten die Autobauer Komponenten im Fahrzeug elektrifizieren.

Premium- versus Massenmarkt
Die Studie unterscheidet dabei zwischen dem Pkw-Massenmarkt und dem Premiumsektor. „OEMs wie Mercedes-Benz, Audi, Volkswagen werden bis 2025 komplett auf das 48-Volt- Hybridsystem umgestellt haben und Plug-in- Hybrid-Elektrofahrzeuge und Elektrofahrzeuge über ihre gesamte Produktpalette anbieten“, lautet die Einschätzung von Manish Menon, Mobility Research Analyst bei Frost & Sullivan. „Audi und Volkswagen versuchen, die Fahrzeugleistung hinsichtlich Fahrwerk und Lenkung zu verbessern und werden voraussichtlich Fahrwerkteile wie Roll-Stabilisatoren und elektrische Stoßdämpfer als 48-Volt-Anwendungen anbieten. OEMs im Massenmarkt wie Ford und General Motors nehmen eine abwartende Haltung ein und werden 48 Volt wahrscheinlich über ihre Modellpalette hinweg und weniger als Ausstattungsvariante anbieten“, vermutet Menon.

Vorteile 48-Volt-Netz
Michael Weber, Senior Manager Powernet bei Daimler, sieht die Vorteile des 48-Volt-Bordnetzes nicht allein in der höheren Spannung, sondern auch in den Kabeln. Durch geringere Leitungsquerschnitte würden eine geringere Wärmeentwicklung und weniger Verluste entstehen. Zudem könnte durch die 48-Volt-Kabel bei gleichem Leitungsquerschnitt viermal so viel Leistung transportiert werden wie durch 12-Volt-Kabel. So sinke auch das Fahrzeuggewicht, erläutert der Daimler-Manager.

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 5/2017

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

Rudolf Stark, Leiter des Geschäftsbereichs Hybrid Electric Vehicle bei Continental, sieht den generellen Vorteil in Bezug auf den Komfortgewinn und die Verbrauchsreduzierung für alle Fahrzeugklassen als sehr interessant an. Seit Ende 2016 rüstet der Zulieferer die Dieselvarianten der Renault-Modelle Scénic und Grand Scénic mit einem 48-Volt-Hybrid-Antrieb aus. Die Franzosen hoffen, mit dem Mild-Hybrid-System den kombinierten Kraftstoffverbrauch auf 3,5 Liter Diesel pro 100 Kilometer zu senken. „Zusätzlich hilft das 48-Volt-System vor allem in den höheren Fahrzeugklassen, die in der Regel gut ausgestattet sind, die Stabilität des Bordnetzes zu verbessern“, so Stark weiter.

Vorteil 12-Volt-Netz
Trotz der genannten Vorteile des 48-Volt-Netzes wird das 12-Volt-Pendant wohl nicht so schnell aussterben. Denn nicht bei jeder Komponente ist das 48-Volt-Netz sinnvoll. „Darum wird es auch zukünftig ein 12-Volt-Bordnetz geben, aus dem sich die statischen Verbraucher mit kleinerer Leistung versorgen können“, glaubt Michael Weber von Daimler.

Und auch wenn das 12-Volt-Bordnetz mittlerweile teilweise an seine Belastungsgrenze stößt, muss nicht zwangsweise eine neue Spannungsebene eingeführt werden. Vielmehr sprechen Experten davon, das vorhandene Bordnetz zu optimieren. Möglichkeiten gibt es genug – sei es durch zusätzliche Energiespeicher oder Effizienzsteigerungen bei den statischen Verbrauchern. Zudem könnten durch ein intelligentes Leistungsmanagement Lastspitzen vermieden werden. Oftmals sind diese Möglichkeiten (noch) die günstigere Alternative im Vergleich zu einem zweiten Netz an Bord des Fahrzeugs. Durch die zunehmende Automatisierung der Fahrzeuge dürfte es allerdings auch mit einem optimierten 12-Volt-Netz immer schwerer werden, den Strombedarf des Fahrzeugs decken zu können.

Fazit
Noch steckt das 48-Volt-Bordnetz in den Kinderschuhen, aber die Bestrebungen der Automobilhersteller und Zulieferer sind eindeutig darauf ausgerichtet. „Das 48-Volt-Bordnetz bietet dank seiner hohen Leistung viele Vorteile, darunter Verbrauchs- und CO2-Einsparung, Komfortverbesserung und mehr Fahrspaß“, fasst Michael Weber die Vorteile zusammen. Hinzu kommt: Da die Hochvolt-Ebene erst bei über 60 Volt beginnt, kann das Auto ohne besondere elektrotechnische Sicherheitsvorkehrungen gebaut und gewartet werden. Somit sind auch die Komponenten und Bauteile deutlich günstiger. Mit dieser Technik sollen bis zu 70 Prozent der Energie- und Emissionsvorteile eines Hochvolt-Systems erzielt werden können, bei nur 30 Prozent der Kosten. Experten zufolge bietet sich das Netz besonders für Oberklasseautos mit hohem Leistungsbedarf und im Kleinwagensegment für Einsparpotenziale an. „Die Mild-Hybride funktionieren hervorragend, mit Starter-Generatoren, mit über zehn Kilowatt und 48-Volt-Systemen; das haben in ein paar Jahren 50 Prozent aller Autos“, sagte der bekannte Ingenieur und Fahrzeugentwickler Prof. Fritz Indra unlängst in einem Interview mit dem Handelsblatt. Wir dürfen gespannt sein, ob er recht behält.

 

 

MILD-HYBRID-TECHNOLOGIE AM BEISPIEL DES NEUEN AUDI A8

Der Mild-Hybrid-Antrieb (MHEV) von Audi im neuen A8 setzt sich aus zwei zentralen Bausteinen zusammen. Einer von ihnen ist ein wassergekühlter Riemen-Starter- Generator (RSG) an der Stirnseite des Motors. Ein hochbelastbarer Keilrippenriemen verbindet diesen mit der Kurbelwelle. Der RSG bringt es auf bis zu 12 kW Rekuperationsleistung sowie auf 60 Nm Drehmoment. Die zweite Komponente ist eine Lithium-Ionen-Batterie mit 10 Ah Ladungsträgerkapazität und 48-Volt-Spannungslage. In der neuen großen Limousine ist das neu entwickelte 48-Volt-Netz das Hauptbordnetz. Das 12-Volt-Netz ist über einen DC/DC-Wandler an das Hauptbordnetz gekoppelt. Der Lithium-Ionen-Akku, im Gepäckraum untergebracht, hat etwa das Format einer großen Bleibatterie. Eine geregelte Luftkühlung sorgt für sein Thermomanagement. Die MHEV-Technologie auf 48-Volt-Basis ist besonders komfortabel und effizient. Wenn der Fahrer im Geschwindigkeitsbereich zwischen 55 und 160 km/h vom Gas geht, kann das Auto bis zu 40 Sekunden lang mit komplett ausgeschaltetem Motor segeln. Beim Rollen mit niedrigem Tempo beginnt die Start- Stopp-Phase schon bei 22 km/h. Die neue Technologie eignet sich für das Zusammenspiel mit Diesel- und Benzinmotoren gleichermaßen und kann den Verbrauch im Kundenbetrieb beispielsweise bei einem V6-Benzinmotor um bis zu 0,7 Liter pro 100 Kilometer senken.
(Quelle: Audi)

0 Kommentare

Zeichenbegrenzung: 0/2000

newspaper_img

Aktuelles Magazin

Ausgabe 5/2017

newspaper_img

Sonderausgabe Elektro

Das neue Jahresspecial Elektromobilität.

Beleuchtet alle Aspekte der batteriebetriebenen Mobilität im Unternehmen

countdown-bg

Der nächste „Flotte!
Der Branchentreff" 2026