Zukunft durch Technik

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Die Elektrifizierung des Automobils findet nicht nur im Motorraum statt. Die Industrie entwickelt bereits eine Fülle von elektronischen Helfern, die in den nächsten zehn Jahren Einzug in unseren Alltag halten könnten. Einiges davon klingt heute noch wie Science Fiction, aber 1968 war ein etwa handygroßer Kommunikator, mittels dem zwei Menschen mit Bild und Ton über weite Distanzen kommunizieren konnten, auch noch Science Fiction – und nur für wenige Menschen, wie den Autoren der Serie „Enterprise“, vorstellbar.
1968 war auch das Jahr, in dem die sogenannte Wiener Straßenverkehrs-Konvention (WÜ-68) erstellt wurde, eine Übereinkunft, welche die Verantwortung für ein Kraftfahrzeug zwingend dem Fahrer auferlegt. Demnach dürfen Assistenzsysteme dem Fahrer nur assistieren, ihn jedoch nicht bevormunden oder selbsttätige Manöver ausführen in einer Situation, in der der Fahrer noch die Beherrschung über das Fahrzeug haben könnte. Auch müssen Assistenzsysteme vom Fahrer jederzeit übersteuert werden können, denn dieser hat ja die letztendliche Verantwortung. Und genau hier liegt ein Problem für vieles, was heute bereits denkbar ist. Denn heute ist dank leistungsfähiger und vernetzter Computer technisch viel mehr machbar, als man sich 1968 auch nur vorstellen konnte.
90 Prozent der Unfälle gehen auf menschliches Fehlverhalten zurück
Angesichts der Tatsache, dass sich etwa 90 Prozent aller Unfälle im deutschen Straßenverkehr auf menschliches Fehlverhalten zurückführen lassen und dass viele davon durch moderne Assistenzssysteme vermeidbar wären (siehe auch GIDAS-Datenbank), sollte die nunmehr über 40 Jahre alte Wiener Konvention vielleicht doch modernisiert werden. Das große Ziel wäre, dass die Hersteller Autos bauen dürfen, die so intelligent sind, dass Unfälle ganz vermieden werden können – unabhängig vom Fahrer.
Neben der Wiener Konvention gibt es natürlich auch noch die Frage der Produkthaftung, gerade in Ländern wie den USA, die in dieser Hinsicht mitunter voll neben der Spur laufen: Man denke nur an das legendäre Kaffee-Urteil gegen McDonalds, bei dem der Fastfood-Anbieter letztlich an eine Kundin für deren selbstverschuldete Verbrühung mit heißem Kaffee (im Auto umgekippt) knapp 200.000 Dollar Schmerzensgeld (plus nochmals etwa die gleiche Summe an Strafe an den Staat) zahlen musste. Aber Autos und damit auch Assistenzsysteme werden nun einmal weltweit verkauft, daher wollen sich die Hersteller mit elektronischen Helferlein nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, solange die rechtliche und versicherungsrechtliche Seite nicht wasserdicht ist.
Dabei gibt es wirklich spannende Systeme, die technisch bereits weitgehend realisiert sind und die wir innerhalb der nächsten 10 Jahre, teilweise leider auch erst später, erwarten dürfen. Einen kleinen Überblick bot uns Audi auf einer Technik-Schau, bei der neue Systeme präsentiert wurden. Hier wurde uns auch der Anteil des juristischen Aufwandes in der Gesamtentwicklung genannt: Er beträgt etwa die Hälfte.

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Ausgabe 1/2012

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Ein kleiner Überblick über die spannendsten Neuerungen:
Stauassistent
Stau und zähfließender Verkehr nervt und ermüdet den Fahrer, macht ihn vielleicht sogar aggressiv. Warum sollte der Fahrer sich in einer solchen Situation nicht anderweitig beschäftigen dürfen? E-Mails lesen beispielsweise, telefonieren oder Kaffee trinken, wenn er sich traut? Die Adaptive Cruise Control mit Stopp&Go-Funktion und der Erweiterung der Querführung kann das ermöglichen. Dank des Zusammenspiels von Videokamera, Radarsensoren und Ultraschall-Sensoren kann der Fahrer ab einem Tempo von unter 60 km/h die Funktion aktivieren – das Auto fährt dann vollautomatisch auf seiner Spur und lenkt auch selbständig. Bislang ist geplant, dass die Funktion ohne einen zumindest minimalen Fahrereingriff nur weniger als eine Minute aktiv bleibt (das Auto bleibt dann mit einem Warnhinweis einfach stehen). Technisch machbar ist jedoch bereits, wenn es eine Neufassung beziehungsweise Ergänzung der Wiener Konvention erlauben würde, dass sich das Auto auch eine Stunde oder länger völlig autonom im Stau mitbewegt.
Pilotiertes Parken
Breite Autos und schmale Garagen oder Parklücken vertragen sich nicht gut. Wenn in der heimischen Garage dann noch Fahrräder stehen, kann es richtig eng werden beim Aussteigen. Der Parkpilot kann dieses Problem lösen: Man steigt einfach schon vor der Garage aus, das Auto fährt auf Knopfdruck und sensorüberwacht in die Garage und später dann auch ebenso wieder hinaus. Auf der Endposition stellt der Parkpilot die Zündung ab, verriegelt die Türen und sendet noch eine Bestätigungsmeldung an den Fahrer. Das wird es schon in einigen Jahren zu kaufen geben.
Technisch möglich wäre prinzipiell bereits das völlig autonome Parken mit eigenständiger Parkplatzsuche des Fahrzeugs: Bereits jetzt erkennen Sensoren, ob eine Parklücke groß genug ist, und bereits jetzt gibt es die teilautomatische Einparkfunktion, die nur deshalb teilautomatisch ist, weil wieder einmal der Fahrer selbst entscheiden soll. Denkbar ist, dass künftig der Fahrer vor einem speziellen oder auch normalen Parkhaus oder sogar in der Stadt einfach aussteigt und dem Auto die Suche nach einem Parkplatz und das Einparken überlässt. Auf Knopfdruck kommt das Auto dann später wieder zum gewünschten Startpunkt oder sucht den Fahrer per GPS. Knight Rider lässt grüssen.
Automatische Vollverzögerung
Bereits heute bremsen viele Fahrzeuge vollautomatisch, wenn ein Unfall nicht mehr vermeidbar und der Fahrer nicht mehr in der Lage ist, selbst einzugreifen. Dadurch werden Unfälle deutlich abgemildert, aber eben nicht vermieden, was technisch eigentlich möglich wäre. Audi entwickelt mit dem Pre Sense City ein System, das im Stadtverkehr im Geschwindigkeitsbereich bis 65 km/h in Notsituationen die Aufprallgeschwindigkeit um 30 km/h verringert; bis 30 km/h verhindert das System den Unfall sogar komplett autonom. Pre Sense City reagiert dabei nicht nur auf fahrende und stehende Fahrzeuge, sondern dank ausgeklügelter Sensortechnik auch auf Fußgänger oder beispielsweise Kinder, die hinter parkenden Autos plötzlich auf die Fahrbahn laufen.
Auch bei Geschwindigkeiten jenseits der 65 km/h, also auf der Landstraße und auf Autobahnen, hilft künftig das Pre Sense System: Mittels eines Lasers mit großem Öffnungswinkel berechnet das System beispielsweise an einem Stauende, ob der Fahrer noch ausweichen könnte – wenn nicht, warnt das System frühzeitig und führt dann unter Umständen auch eine Vollbremsung durch. In bestimmten Situationen ist so sogar eine Unfallvermeidung bei hohen Ausgangsgeschwindigkeiten darstellbar, auch im Einklang mit der Wiener Konvention. Rein technisch können die Sensorsysteme jedoch schon heute mehr. Es bleibt zu hoffen, dass gerade hier die rechtlichen und haftungsrechtlichen Hürden für den weitreichenderen Einsatz der Assistenten bald gelöst werden – denn das würde wirklich Leben retten.
Kreuzungsassistent
Der Seitenaufprall ist in Europa die zweithäufigste Ursache aller Verkehrstodesfälle; ein guter Teil dieser Unfälle spielt sich an unübersichtlichen Kreuzungen und Einmündungen ab. Der Audi Kreuzungsassistent wurde entwickelt, um Unfälle zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen abzumildern. Dafür erfassen zwei Radarsensoren sowie eine Videokamera mit Weitwinkelobjektiv die Bereiche vor dem Fahrzeug und seitlich davon. Wird ein sich seitlich näherndes Fahrzeug erfasst, erhält der Fahrer eine Warnmeldung.
In ferner Zukunft liegt noch die verbesserte Variante des Kreuzungsassistenten mit der Carto- X-Kommunikation, bei der die „potenziellen Unfallgegner“ bereits via W-Lan Kontakt haben, bevor eine Kamera oder Radaranlage auch nur nah genug an der Einmündung ist. Hierzu würde jedoch eine flächendeckende Einführung der Car-to-X-Kommunikation oder zumindest fest installierte Sensoren an besonders gefährlichen Einmündungen benötigt.
Rückwärtiges Ausparken
Dieses System funktioniert im Prinzip wie der Kreuzungsassistent, nur eben beim rückwärtigen Ausparken: Sensoren am Heck messen und interpretieren Abstand und Geschwindigkeit der erkannten Fahrzeuge und warnen den Fahrer bei Gefahr.
Warnung beim Türöffnen
Immer wieder werden beim Öffnen von Fahrzeugtüren Fahrradfahrer unsanft von ihrem Gefährt gerissen oder vorbeifahrende Fahrzeuge zu riskanten Ausweichmanövern gezwungen. Die in Entwicklung befindliche Ausstiegswarnung von Audi mildert dieses Problem erheblich ab: Bei der Berührung des Türöffners scannt der Radar des ohnehin vorhandenen Side Assist, ob sich ein anderes Fahrzeug oder Fahrrad in kritischem Tempo nähert und warnt dann entsprechend den Fahrer, die Türe zu öffnen.
Neue Lichttechnologien
Mitlenkendes Licht, Abbiegelicht und adaptives Fernlicht gehören inzwischen fast schon zum Standard des typischen Dienstfahrzeugs. Neu bei Audi wird die Matrix Beam Technologie sein: Das LED-Licht wird dabei in eine Vielzahl seperater Quellen aufgeteilt. Ganz ohne Mechanik und – mithilfe von Kamera und Navigationsdaten computergesteuert – erzielt Audi damit eine stets optimale Ausleuchtung der Fahrstrecke, ohne den gegenkommenden Verkehr zu blenden.
Die Weiterentwicklung des Matrix Beam ist dann das AFS, welches für „Advanced Frontlighting System“ steht. Damit werden wichtige Einzel- Objekte im Sichtbereich des Fahrers durch gezieltes Anstrahlen hervorgehoben, beispielsweise Menschen oder Tiere auf der Fahrbahn, die vom Nachtsichtsystem erkannt wurden, ebenso wie Verkehrsschilder oder Baustellenmarkierungen.
Auch vor den Heckleuchten macht die neue Lichttechnik nicht Halt: Ein Sichtsensor erkennt die Sichtweite der Heckleuchten und intensiviert die Leuchtkraft bei schlechter Sicht – dadurch wird der Hintermann nicht mehr motiviert, näher an das eigene Fahrzeug heranzufahren, um den „Anschluss“ – beispielsweise bei beginnendem Nebel oder Regen – nicht zu verlieren. Für Nebel gibt es sogar noch eine besonders interessante Neuentwicklung: das Laser-Nebelschlusslicht. Abhängig von dem Abstand des Hintermannes sieht dieser entweder ein mehr oder weniger normales Schlusslicht, eine rote Linie (wie eine Stopp-Linie) auf der Straße oder gar ein Dreieck, ähnlich wie ein Warndreieck. Ein weiterer Vorteil des Laser-Nebelschlusslichts: Klart der Nebel auf und der Fahrer vergisst, wie leider häufiger auf deutschen Straßen, das Nebellicht auszuschalten, blendet der Laser den Hintermann nicht.

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