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Die Energieversorgung mit fossilen Kraftstoffen ist teuer und kann zu Belastungen der Umwelt führen. Diese Probleme haben erneuerbare Energien nicht, daher soll der Strombedarf in Deutschland bis zum Jahr 2030 zu 80 Prozent über diese Form gedeckt werden. Jedoch stellt sich auch hier eine große Herausforderung: Der Ertrag erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind schwankt, die Stromerzeugung aus diesen Quellen ist daher volatil. Um das Stromnetz nun zu stabilisieren, sind Zwischenspeicher eine geeignete Lösung, aus denen der Strom bei Bedarf abgerufen werden kann. Diese sind in Form von E-Auto-Batterien bereits millionenfach vorhanden und könnten so eine effiziente Nutzung von erneuerbaren Energien sicherstellen. Denn in Spitzenzeiten, wenn zusätzlicher Energiebedarf besteht, könnten sie Strom an das Netz zurückgeben. Aber fangen wir zunächst mit dem Beispiel einer Fotovoltaikanlage an, an der das Prinzip anschaulich erklärt werden kann.

Wer eine solche Fotovoltaikanlage sein Eigen nennt, kann damit sein Eigenheim bis zu einem gewissen Grad selbst mit Strom versorgen und ist unabhängiger vom Energieversorger. Jedoch produziert die Anlage teilweise Strom, wenn dieser nicht benötigt wird, und steht still, wenn Bedarf vorherrscht. Wohin also mit dem überschüssigen Strom? Wenn man sich keinen Energiespeicher in Form einer Großbatterie zulegen will, macht es Sinn, das eigene E-Auto als Energiespeicher zu nutzen und den hier gespeicherten Strom bei Bedarf in das Hausnetz einzuspeisen. So wird der Strom tagsüber gespeichert und kann nachts wieder abgegeben werden. Wenn man diese Situation nun weiterdenkt, wäre die nächste Stufe, Strom nicht nur in das eigene Hausnetz, sondern in das gesamte Stromnetz einzuspeisen. Da die erneuerbaren Energiequellen in der Regel je nach Tages- oder Jahreszeit unterschiedliche Mengen erzeugen, steht der Strom aus diesen Quellen nur unregelmäßig zur Verfügung. Werden E-Autos als Zwischenspeicher genutzt, kann die unbeständige Einspeisung abgepuffert und eine schwankende Energieproduktion ausgeglichen werden, indem die in den Akkus gespeicherte Energie einfach wieder in das Stromnetz zurückgeführt wird. Zudem wird Bedarfsspitzen entgegengewirkt und der Druck auf das Netz wird reduziert. Der Strom steht so dann zur Verfügung, wenn er benötigt wird. Die Vorteile für den E-Auto-Besitzer liegen dabei auf der Hand: Neben einer größeren Unabhängigkeit vom Energieversorger kann Strom zu einem günstigen Preis während der Nebenverkehrszeiten geladen und gespeichert werden und dann zu höheren Erlösen in Zeiten verstärkter Nachfrage wieder veräußert werden.

Funktionsweise
Strom kann, ganz generell gesprochen, in zwei Richtungen fließen: aus dem Netz in einen Speicher und anschließend aus dem Speicher wieder heraus. Viele Geräte haben bereits diese alltägliche Funktion, jeder Akku eines Smartphones oder Laptops speichert Strom und gibt ihn anschließend wieder ab. Doch was, wenn der Strom wieder zurück in das Netz eingespeist werden soll? Bei einer E-Auto-Batterie ist dafür ein Zwischenschritt nötig, da das Fahrzeug mit Gleichstrom (DC) fährt, im Stromoder Hausnetz aber Wechselstrom (AC) vorherrscht. Daher wechselt ein Gleichrichter, der sich in der Wallbox oder im Bordladegerät des Fahrzeugs befindet, den Wechselstrom in Gleichstrom, wenn das BEV geladen wird. Für die Einspeisung zurück in das Netz ist nun entsprechend ein Wechselrichter notwendig, der den Strom wieder umwandelt.

Für das nach diesem Grundprinzip ablaufende bidirektionale Laden unterscheidet man grundsätzlich drei Varianten. Bei der ersten und einfachsten Variante, die schon in vielen Elektroautos vorhanden ist, findet man einfach eine Schuko-Steckdose, über die elektrische Geräte problemlos betrieben werden können. Diese praktische Möglichkeit wird Vehicle-to-load (V2L) oder Vehicle-to-Device (V2D) genannt. Bei der zweiten, Vehicle-to-Home (V2H), wird das E-Auto wie oben bereits beschrieben als Batteriespeicher genutzt, in dem Strom zwischengespeichert wird, um später dann wieder in das Hausnetz zum Eigenverbrauch zurückzufließen. Mit der heutzutage vorhandenen Batteriekapazität kann ein Haushalt über mehrere Tage mit Strom versorgt werden, wenn dieser ganz ausfallen sollte oder die PV-Anlage keinen Strom produziert. So kann der Verbrauch ohne zusätzlichen Speicher, der wiederum Ressourcen und Platz benötigt, optimiert werden. Bei der dritten und letzten Variante werden Elektroautos nicht bloß für den eigenen Strombedarf genutzt, sondern aktiv zur Stabilisierung des gesamten Stromnetzes eingebunden, indem der Strom nicht nur in das heimische, sondern gesamte Netz eingespeist wird. Um Elektroautos auf diese Weise als Leistungsreserve nutzen zu können, müssen diese durch intelligente Steuerung zusammengeschlossen werden. Damit kann dann ein Beitrag zur Stabilisierung der Energieversorgung während der Bedarfsspitzen am Morgen oder Abend, wenn in vielen Haushalten Licht und Herd benötigt werden, oder ein Ausgleich bei schwankender Stromproduktion geleistet werden.

Technik
Bidirektionales Laden klingt einfach, ist aber komplex, da alle Komponenten ineinandergreifen müssen. Da ist natürlich das Fahrzeug auf der einen und eine passende Ladestation auf der anderen Seite. Was jetzt noch fehlt, ist ein intelligentes Energiemanagementsystem. Damit wird erfasst, wann wie viel Strom im Haushalt benötigt wird, und – wenn eine PV-Anlage vorhanden ist – wie viel selbst erzeugter Strom gerade zur Verfügung steht. Dazu sollte natürlich der Ladestand des Akkus im Fahrzeug ermittelt werden und wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt hier abgegeben werden kann. Schließlich möchte man ja nicht auf halber Strecke liegen bleiben. Bei der Einspeisung in das gesamte Stromnetz muss das Beund Entladen einer größeren Anzahl von Fahrzeugbatterien natürlich mit dem Angebot und der Nachfrage nach Strom synchronisiert werden. Das System sollte hier also entsprechend angepasst sein.

Dafür sind Rahmenbedingungen mit entsprechenden regulatorischen Voraussetzungen erforderlich, damit alle beteiligten Komponenten durch einen passenden Kommunikationsstandard miteinander agieren können. Eine entsprechende Norm ist bereits vorhanden: Seit April 2023 regelt die ISO 15118-20 die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladeeinrichtung; diese müsste dann um die Aspekte des bidirektionalen Ladens erweitert werden. Produzenten von E-Autos und Wallboxen könnten so normkonforme und damit miteinander kompatible Produkte herstellen.

Hindernisse
So weit, so gut: Es gibt jedoch auch einige Probleme. Zurzeit gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Elektroautos und Wallboxen, die überhaupt die Funktion des bidirektionalen Ladens unterstützen (siehe Tabelle). Hier ist die Industrie gefragt, die zudem herstellerübergreifendende Regeln entwickeln muss, welche die technischen Unterschiede der verschiedenen Fahrzeuge, wie beispielsweise die Batteriegröße oder die interne Spannung im Bordnetz, berücksichtigen. Denn es soll ja zu keiner Fehlfunktion und damit zu einem Schaden an der Batterie kommen. Dies gilt natürlich auch für die im Haus installierte Technik. Weiterhin muss die Gesetzeslage angepasst werden: E-Autos gelten als Pkw, nicht als Batteriespeicher, für die es rechtliche Vorschriften gibt. Genauso muss eine mögliche Versteuerung geregelt werden: Was ist, wenn steuerbegünstigt am Arbeitsplatz geladen und dann zu Hause eingespeist wird? Hierzu zählt auch die Abrechnung mit dem Stromanbieter, die ähnlich einer PV-Anlage aussehen könnte.

Auch stellt sich grundsätzlich die Frage, ob das häufigere Be- und Entladen als bei normaler Nutzung nicht zur beschleunigten Alterung des Akkus beiträgt. Dazu muss gesagt werden, dass die Belastung wesentlich geringer ist als beim Schnellladen. Wenn man davon ausgeht, dass die Nutzungsdauer eines Lithium-Ionen-Akkus bei bestenfalls 20 Jahren liegt, könnten Elektroautos relativ problemlos für V2H oder V2G genutzt werden. Vorausgesetzt es gibt eine intelligente Steuerung, welche die Zyklen und Belastung der Batterie mitberücksichtigt.

Als Letztes muss über die Kosten gesprochen werden. Eine zum bidirektionalen Laden fähige Wallbox dürfte dreibis viermal teurer sein, dazu kommen die entsprechende Technik im Auto und ein geeignetes Lastmanagement. Damit sich diese Investition amortisiert, dürfte der Bedarf im eigenen Haus zu niedrig sein, sodass es Jahre oder Jahrzehnte dauern würde, bis dies der Fall wäre. Wirtschaftlicher gestaltet sich dagegen die V2G-Option, da der Strom, der am Markt verkauft wird, zu höheren Erlösen führt.