PDF DOWNLOAD

Flottenmanagement: Herr Dr. Wissing, wir freuen uns, dass Sie in diesen unruhigen Zeiten kurz Zeit für uns gefunden haben. Was unsere Zielgruppe natürlich am meisten interessiert, ist: Wie geht es denn weiter mit der Förderung von Elektromobilität für Unternehmen, insbesondere nach dem September 2023, wenn die derzeitigen Förderungen auslaufen. Ist da etwas geplant oder soll die Elektromobilität künftig ein „Selbstläufer“ werden?

Dr. Volker Wissing: Die Elektromobilität hat den Durchbruch zum Massenmarkt geschafft. Ende 2022 haben wir die Marke von zwei Millionen E-Pkw im Bestand erreicht, davon mehr als eine Million mit rein batterieelektrischem Antrieb. Die Förderprogramme der Bundesregierung zeigen ihre Wirkung und sind speziell für Flottenbetreiber attraktiv. So haben wir allein über die Förderrichtlinie Elektromobilität des BMDV seit 2015 knapp 20.000 Fahrzeuge und gut 9.000 Lademöglichkeiten bewilligt und dafür 425 Millionen Euro bereitgestellt. Weitere Förderaufrufe werden folgen, gerade erst haben wir neue Aufrufe für die Beschaffung von Fahrzeugen und der zugehörigen Infrastruktur gestartet. Das steigende Interesse zeigt: Unsere Förderung ist erfolgreich. Aber klar ist auch, dass die Förderung von E-Autos kein Dauerzustand sein kann. Der Markt muss sich selbst tragen. Dazu gehört unbedingt ein passendes Ladeangebot. Deshalb müssen wir den Ausbau der Ladeinfrastruktur weiter beschleunigen. Hier sind auch die Energiewirtschaft und die Kommunen gefragt. Die Automobilindustrie muss mehr attraktive Modelle anbieten und ihre Lieferzeiten verringern. Die Tendenz geht in die richtige Richtung. Im April 2023 wurden 13 Prozent mehr E-Pkw zugelassen als im Vorjahresmonat. Und das trotz des Wegfalls der Förderungen für Plug-in-Hybride, trotz reduzierter Fördersummen beim BAFA-Umweltbonus, trotz erschwerter Rahmenbedingungen wie Lieferschwierigkeiten und dem starken Anstieg der Rohstoffund Energiepreise – die Nachfrage wächst weiter.

Flottenmanagement: Gerade Unternehmen können es sich nicht leisten, wenn Außendienstoder Servicemitarbeiter lange auf eine freie Ladesäule warten müssen oder weite Wege dafür in Kauf nehmen müssen. Was sieht der Masterplan für den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur vor?

Dr. Volker Wissing: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur muss sich an den Bedürfnissen und dem Mobilitätsverhalten der Menschen orientieren – und nicht umgekehrt. Laden muss so einfach sein wie tanken. Dafür brauchen wir in allen Regionen Lademöglichkeiten, die nutzerfreundlich sind, und genau dort, wo sie nachgefragt werden. Dafür habe ich den Masterplan Ladeinfrastruktur II mit 68 Maßnahmen vorgelegt. In der Bundesregierung arbeiten wir ressortübergreifend an der Umsetzung. Es geht etwa darum, mehr Flächen für den Ausbau zu erschließen, die Ladeinfrastruktur nahtlos in das Stromsystem zu integrieren und den Ausbau vorausschauend zu planen und auszuführen sowie die dahinterliegenden Prozesse zu beschleunigen. Wir brauchen eine Netzanschlussgarantie für Ladepunkte. Wir müssen schneller und besser werden beim Ausbau der Stromnetze und der erneuerbaren Energien. So schaffen wir optimale Rahmenbedingungen für den weiteren Hochlauf der Elektromobilität.

Flottenmanagement: Sie kämpfen auch in der EU um die Anerkennung von E-Fuels als nachhaltigem Kraftstoff, sowohl für Bestandsfahrzeuge als auch potenziell für Neufahrzeuge. Wie soll das in der Praxis aussehen, und woher soll das nachhaltig produzierte E-Fuel kommen?

Dr. Volker Wissing: Wir stehen für Technologieoffenheit. Neben der Elektromobilität dürfen wir uns keinem Weg verschließen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Deshalb setzen wir auch auf E-Fuels, schon allein für die Bestandsflotte. In Europa sind wir uns einig, dass Verbrennerfahrzeuge auch über 2035 hinaus neu zugelassen werden dürfen, wenn sie ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden. Dafür haben wir uns mit der Europäischen Kommission auf einen zweistufigen Prozess geeinigt. Zunächst werden die Genehmigungsvorschriften für Fahrzeuge eingeführt, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden. Ich erwarte, dass die Kommission ihre Zusagen einhält und schnellstmöglich einen entsprechenden Legislativvorschlag vorbereitet und dem zuständigen Technischen Ausschuss zur Diskussion vorlegt. Dann sind die Hersteller am Zug, innovative technische Lösungen zu entwickeln, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge nur mit E-Fuels fahren. Parallel wird die Europäische Kommission einen Weg aufzeigen, wie E-Fuels-only-Fahrzeuge bei den Flottenzielwerten berücksichtigt werden. Diesen Prozess werden wir eng begleiten. Mit dieser Regulierung schaffen wir Klarheit und signalisieren, dass wir E-Fuels im Straßenverkehr brauchen. Das ist die grundlegende Voraussetzung, dass sich ein Markt entwickelt. Wir möchten den Markthochlauf zudem aktiv unterstützen und arbeiten dafür an neuen Förderinstrumenten, um die Produktion von E-Fuels im industriellen Maßstab anzureizen.

Flottenmanagement: Das 49-Euro-Ticket wird als Ersatz für das Jobticket gehandelt. Erwarten Sie durch diese Maßnahme einen deutlichen Anstieg der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel? Welche Gedanken stehen hinter dieser Änderung?

Dr. Volker Wissing: Das Deutschlandticket ist eine Erfolgsgeschichte. Wenn ich ins Ausland reise, ist es oft das erste Gesprächsthema. Wie habt ihr das geschafft? Was sind eure Erfahrungen? Wie kriegen wir das auch hin, einen einzigen Tarif fürs ganze Land? Die Verkaufszahlen zeigen, dass das Interesse groß ist. Besonders freue ich mich darüber, dass viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten einen Zuschuss zum Deutschlandticket geben. Das macht es noch attraktiver. Unser Ziel ist es, einen Anreiz für klimafreundliche Mobilität zu setzen. Zugleich wollen wir den Regional- und Nahverkehr weiter verbessern und das Angebot stärker an den Bedürfnissen ausrichten. Das Deutschlandticket war aus meiner Sicht ein erster, sehr wichtiger und eindrucksvoller Schritt hin zu einem modernen und zukunftsfähigen ÖPNV.

Flottenmanagement: Auch wenn Elektromobilität und E-Fuels die Debatten dominieren– welche Maßnahmen sind denn geplant, um die öffentlichen Verkehrsmittel gerade im ländlichen Raum und kleineren Städten zu stärken?

Dr. Volker Wissing: Zur Verbesserung des Angebots wollen wir mit den für den ÖPNV zuständigen Bundesländern und den Kommunen einen Ausbau- und Modernisierungspakt schließen. Erstmals verständigen wir uns mit Ländern und Kommunen über die künftige Ausrichtung des ÖPNV sowie über zentrale Aspekte wie Mindeststandards und Qualitätskriterien, Erreichbarkeit, Attraktivitätssteigerung, Digitalisierung, Vernetzung sowie Kapazitätsverbesserungen. Die Gespräche zu diesem Pakt hatten bereits begonnen, bevor der schreckliche russische Angriffskrieg auf die Ukraine eine Entlastung der Bürger und damit das 9-Euro-Ticket notwendig gemacht hat. Daraus hat sich das Deutschlandticket entwickelt und jetzt wollen wir die Arbeiten zum Ausbau- und Modernisierungspakt wieder aufnehmen und noch in diesem Jahr gemeinsam mit den Ländern etwas vorlegen.

Flottenmanagement: Es stehen ja große Investitionen für den Erhalt der Mobilität an. Was planen Sie für den bundesweiten Schienenverkehr und wie wollen Sie die Sanierung insbesondere der zahlreichen in die Jahre gekommenen Brücken – seien es Eisenbahnoder Pkw-Brücken – angehen. Braucht es einen „Doppel-Wumms“ für die Infrastruktur?

Dr. Volker Wissing: Es ist richtig, wir schieben einen jahrelangen Investitionsstau vor uns her. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Sanierung von Brücken, Schienen, Straßen, Wasserwegen und auch Radwegen sträflich vernachlässigt. Das müssen wir korrigieren und wir haben bereits entscheidende Schritte getan. Für die Schiene habe ich die Modernisierung der Hochleistungskorridore initiiert und auf den Weg gebracht. Wir investieren Milliarden für ein besseres Netz und mehr Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit bei der Bahn. Wir sanieren nicht unterm rollenden Rad, sondern sperren ganze Strecken, um vom Gleisbett über die Weiche bis zur digitalen Signalanlage alles mit einem Mal zu modernisieren, damit wir auf diesen Hochleistungskorridoren dann über viele Jahre nicht mehr sanieren müssen. Bei der Straße wollen wir in weniger als zehn Jahren ein zusammenhängendes Kernnetz von besonders wichtigen Autobahnabschnitten durchgängig mit leistungsfähigen Brücken schaffen – damit es für die künftigen Anforderungen der zunehmenden Verkehre gerüstet ist. Insgesamt geht es um 4.500 Brücken. Wir müssen hier Tempo machen.

Mit dem Genehmigungsbeschleunigungsgesetz, das Anfang Mai im Kabinett beschlossen wurde, haben wir den Grundstein gelegt. Damit werden wir Planungs- und Genehmigungsprozesse deutlich schneller, effektiver und digitaler gestalten. Für den Ersatzneubau von Brücken schaffen wir dringend notwendige Erleichterungen. Bauliche Erweiterungen sollen in Zukunft einfacher möglich sein, wenn sie im Vorgriff auf einen späteren Ausbau des Streckenabschnitts stattfinden. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass für ausgewählte Schienen- und Straßenprojekte das überragende öffentliche Interesse festgelegt wird. Diese Projekte erhalten so bei der Abwägung in den Genehmigungsprozessen ein höheres Gewicht als bisher. Dadurch können Entscheidungen schneller getroffen und Verfahren schneller abgeschlossen werden.

Flottenmanagement: Nach dem Scheitern der Pkw-Maut ist es ruhig geworden um das Thema. Dürfen wir davon ausgehen, dass derzeit nicht an einem Nachfolgemodell gearbeitet wird, oder ist da etwas Neues in der Planung?

Dr. Volker Wissing: Um unsere Klimaziele zu erreichen, setzen wir auf den beschleunigten Hochlauf der Elektromobilität. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg. Auch bei den Nutzfahrzeugen möchten wir klimafreundliche Antriebe unterstützen und fördern. Dafür führen wir eine CO2-Differenzierung bei der Lkw-Maut ein. Wir erhoffen uns davon eine hohe Steuerungswirkung. Natürlich lassen wir die Transportbranche bei der Umstellung der Flotten nicht allein. Dafür gibt es unser Förderprogramm für klimafreundliche Nutzfahrzeuge und zugehörige Tankund Ladeinfrastruktur. Zur Abwicklung des Förderaufrufs 2022 stellen wir etwa eine Milliarde Euro bereit. Die Nachfrage ist groß. Mit dem Aufruf 2022 hat sich die Zahl der Anträge im Vergleich zum Aufruf des Vorjahres mehr als vervierfacht. Jedes neue klimafreundliche Fahrzeug bedeutet weniger CO2-Emissionen und mehr Klimaschutz.