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Auch wenn es im Februar und März noch einmal einen Kälteeinbruch gab, fiel der Winter 2022/2023 recht warm aus. In tieferen und mittleren Lagen gab es fast keinen Schnee und keinen Frost und damit weder Schneematsch noch Glatteis, was für viele Autofahrer durchaus erfreulich war. Jetzt, wo der Frühling langsam Einzug hält und die Tage länger werden, steht für viele der Termin zum Wechsel von Winter- auf Sommerbereifung an. Auch wenn die bekannte Faustregel von O(ktober) bis O(stern) eine gute Orientierung zum Reifenwechsel bietet, sollte sie nicht als verbindlich aufgefasst werden: Da Ostern in einem Zeitraum vom 22. März bis zum 25. April liegen kann (in diesem Jahr ist Ostersonntag am 09. April), sollten immer die jeweiligen klimatischen Verhältnisse beachtet werden.

In Deutschland gibt es weder eine generelle Winterreifenpflicht noch eine Sommerreifenpflicht. Lediglich eine situative Winterreifenpflicht (geregelt nach § 2 Punkt 3a der Straßenverkehrsordnung) schreibt die Benutzung von Winterreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Glatteis, Schneeglätte und -matsch sowie Eis- und Reifglätte vor. Die Unerlässlichkeit der Winterreifen für die Sicherheit bei solchen klimatischen Verhältnissen dürfte jedem klar sein. Viele fragen sich jedoch, ob die Winterreifen für den Sommer tatsächlich eingelagert und die Sommerreifen aufgezogen werden müssen. Könnte man sich nicht die Kosten für die Sommerreifen sowie für die Neukalibrierung des Reifendruckkontrollsystems (RDKS) sparen? Auf diese Frage ist klar mit Nein zu antworten. Die Gummizusammensetzung von Winterreifen ist deutlich weicher, was bei kalten Temperaturen für einen besseren Grip auf den Straßen sorgt. Für wärmere Temperaturen ab konstanten 7 Grad Celsius ist diese Zusammenstellung jedoch zu weich. Neben einem schwammigen Fahrgefühl, das durch die Verformung und Instabilität des Materials bei eben jenen höheren Temperaturen hervorgerufen wird, sprechen vor allem ein erhöhtes Unfallrisiko durch einen längeren Bremsweg sowie ein höherer Spritverbrauch und Reifenverschleiß für einen Wechsel der Reifen.

Das EU-Reifenlabel
Für Kraftfahrzeugreifen gilt EU-weit eine einheitliche Kennzeichnungspflicht mit dem sogenannten Reifenlabel, welches aus Buchstaben, Zahlen und Piktogrammen besteht und an die Energielabel von Elektrogeräten wie Kühlschränken oder Waschmaschinen erinnert. Das System dahinter basiert auf einer EU-Vorschrift, die am November 2012 in Kraft trat und die Kennzeichnung der Reifen anhand von drei Kriterien vorschreibt: den sicherheits- und umweltrelevanten Eigenschaften des Rollwiderstands, der Nassbremseigenschaft und dem Rollgeräusch. Ziel war es, die Verkehrssicherheit zu verbessern und den Kraftstoffverbrauch zu senken. Seit Mai 2021 gibt es neue Vorgaben für das Label, um dem Verbraucher mehr Informationen zu bieten, damit dieser einzelne Eigenschaften einschätzen und mit anderen Reifenmodellen vergleichen kann. Das neue Reifenlabel gilt für alle Reifen, die ab dem oben genannten Datum auf den Markt gekommen sind. Da es aber keine Verpflichtung zur Neubezeichnung gibt, ist das alte Label noch bei Reifen, die vor diesem Datum in Verkehr gebracht wurden, zu finden. Aber was genau ist nun auf dem Reifenlabel zu sehen? Oben stehen der Name des Herstellers und die genaue Artikelnummer. Darunter finden sich die Reifengröße, der Lastund Geschwindigkeitsindex sowie die Reifenklasse. Darüber steht ein QR-Code, über den weitere Informationen direkt abrufbar sind. Es folgen die Bewertungen des Rollwiderstands, der Nassbremseigenschaft und des Rollgeräusches sowie zwei zusätzliche Piktogramme, die bei Winterreifen und Ganzjahresreifen eine Rolle spielen. Dabei ist zu beachten, dass die Werte für exakt den angegebenen Reifentyp, die genaue Dimension, den Geschwindigkeitsindex und die Tragfähigkeit gelten. Der gleiche Reifentyp in anderer Größe, mit anderer Tragfähigkeit oder Höchstgeschwindigkeit kann andere Bewertungen aufweisen. Doch nun kurz zu den einzelnen Kriterien.

Rollwiderstand
Der Rollwiderstand bezeichnet die Kraft, die aufgebracht werden muss, um einen Reifen am Laufen zu halten. Dieser Wert hat damit einen direkten Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch: Je geringer der Rollwiderstand, umso weniger Energie muss aufgewandt werden und desto geringer ist der Verbrauch. Die Eigenschaft des Rollwiderstands, die somit besagt, wie viel weniger Sprit durch die Bereifung verbraucht wird, ist seit den neuen Vorgaben von 2021 in die Klassen A bis E eingeteilt (davor: Klassen A bis G): Pro Klasse erhöht sich der Verbrauch um circa 0,1 Liter auf 100 Kilometern. Da die meisten der heute angebotenen Reifen jedoch in die Klassen B oder C fallen, ist das tatsächliche Potenzial zur Kraftstoffersparnis geringer.

Nassbremseigenschaft
Dieser Wert gibt den Grip auf nasser Fahrbahn an. Er wird bei einer Vollbremsung mit 80 km/h auf nasser Straße gemessen und in die Klassen A bis E eingeteilt, wobei pro Klasse ein Unterschied von drei bis sechs Metern Bremsweg vorliegen kann. Der Bremsunterschied zwischen einem Reifen der A-Klasse und einem E-Klasse-Reifen kann somit bei 80 km/h bis zu 24 Meter länger sein, was den Einfluss auf die Sicherheit im Straßenverkehr deutlich macht. Dazu spielen natürlich Kfz-spezifische Faktoren eine Rolle bei den realen Leistungsunterschieden der Reifen.

Rollgeräusch
Das Rollgeräusch wird in Dezibel angezeigt und seit 2021 in drei Kategorien eingeteilt: mit A gekennzeichnete Reifen unterschreiten den Grenzwert um mehr als 3 dB (A), mit B gekennzeichnete Reifen unterschreiten den Grenzwert um bis zu 3 dB (A) und mit C gekennzeichnete Reifen überschreiten den zulässigen Grenzwert und sind damit nicht zulassungsfähig. Der Grenzwert ist jedoch nicht für jeden Pkw-Reifen gleich, sondern hängt von der jeweiligen Klassifizierung (C1 bis C3), der Reifenbreite und der Reifenart ab.

Piktogramme
Neu hinzugekommen auf dem Reifenlabel sind seit 2021 zwei Symbole, die vor allem bei Winterund Ganzjahresreifen zu sehen sind. Eines davon ist das bekannte Alpine-Symbol (dreigezackter Berg mit Schneeflocke), das die Erfüllung der Mindestanforderungen für Reifen für winterliche Straßen angibt. Zudem gibt es das Eisgriff-Piktogramm (ein stilisiertes Gebirge in einem Dreieck), welches den Grip auf Eis anzeigt und vorrangig für spezielle Winterreifen im skandinavischen Raum Verwendung findet.