
Flottenmanagement: Herr Martensen, seit November 2021 haben Sie die Position des Head of Sales bei Polestar Germany inne. Mit welchen Plänen sowie Vorstellungen sind Sie an diese Position herangetreten? Auf welche Erfahrungen können Sie dabei zurückgreifen?
Michael Martensen: Zu dem Zeitpunkt, als ich zu Polestar gestoßen bin, war die Marke bereits etwa zwei Jahre am deutschen Markt und – wie man so schön sagt – den Kinderschuhen schon etwas entwachsen. Dadurch war meine Vorstellung gefestigt, dass Polestar eine Marke ist, die vom Aufschwung der Elektromobilität zukünftig besonders profitieren kann (Anm. d. Red.: das erste Modell, der Polestar 1, war ein Plug-in-Hybrid). Inzwischen sind wir eine rein elektrische Marke, die hervorragend vom Trend zur Elektromobilität profitiert. Natürlich war 2022 für ein so junges wachsendes Unternehmen eine Herausforderung, der wir aber mit einer guten Verfügbarkeit unserer Fahrzeuge erfolgreich entgegentreten konnten. Ich persönlich glaube, dass meine Erfahrungen bei meinem vorherigen Arbeitgeber mir bei Polestar weiterhelfen. Schließlich handelte es sich dabei auch um eine stark wachsende Marke, die sich inzwischen hervorragend in Deutschland etablieren konnte. Und diese Erfahrungen in Verbindung mit einem sehr viel innovativeren Geschäftskonzept zu bringen, macht sicherlich den Reiz aus und ist nach wie vor herausfordernd.
Flottenmanagement: Polestar ist als eigenständige Marke erst seit 2017 auf dem Markt tätig und bringt mit dem Polestar 3 noch in diesem Jahr das dritte Modell in den Handel. Welche Vorteile, aber auch Herausforderungen birgt die Positionierung sowie Etablierung einer neuen Marke aus Ihrer Sicht?
Michael Martensen: Meiner Meinung nach hat Polestar gegenüber anderen neuen Marken den Vorteil, dass wir das Beste aus zwei Welten kombinieren. Auf der einen Seite sind wir ein agiles Start-up, das sehr innovationsgetrieben ist und von unserer Konzernmutter Geely gerade bei Themen wie Liquidität profitiert. Auf der anderen Seite können wir auf das Know-how von 100 Jahren Erfahrung im Fahrzeugbau von unserer zweiten Mutter Volvo zurückgreifen und müssen dadurch nicht alles neu erfinden.
Flottenmanagement: Jungen Marken wird nachgesagt, dass sie in der Lage sind, möglicherweise veraltete Strukturen neu zu denken und Innovationen leichter in den Markt zu bringen. Könnten Sie bitte einmal erläutern, wie sich Polestar hinsichtlich Vertrieb und Service von etablierten Automobilherstellern unterscheidet?
Michael Martensen: Gerade hier in Deutschland profitieren wir sehr stark von unserer Kooperation mit dem Volvo-Servicenetz. Das heißt, obwohl wir eine Direct-to-Consumer-Marke sind, ist uns klar, dass noch immer der persönliche Kontakt und auch die Möglichkeit, ein Fahrzeug persönlich erleben zu können, sehr wichtig sind. Es freut uns, dass wir dabei auf Volvo-Partner zurückgreifen können: einerseits auf die sieben Operatoren, die unsere Showräume betreiben, die sogenannten Polestar Spaces, und andererseits auf ein Servicenetz von über 200 Standorten mit etablierten Prozessen und den Möglichkeiten, unsere Kunden jederzeit mobil zu halten. Somit können sich unsere Kunden sicher sein, bei Fragen oder Wünschen immer einen Ansprechpartner vor Ort zu finden, der ihnen weiterhelfen kann.
Was uns von Marktteilnehmern unterscheidet, ist, dass wir uns bei allem, was wir machen, an den Kundenwünschen orientieren. Das fängt schon damit an, dass wir Polestar-Interessenten die Möglichkeit bieten, sich das Fahrzeug im Polestar Space anzuschauen und vor Ort auch eine Probefahrt zu machen, die komplett digital über die Website gebucht werden kann; eine Probefahrt von zu Hause zu starten, bei der das Fahrzeug bis vor die Haustüre geliefert wird, oder das Fahrzeug komplett digital auf unserer Website zu bestellen; Letzteres übrigens sowohl für Privat- als auch Gewerbekunden. Daneben gibt es unser Flottenportal, wo Bestellungen sowohl platziert als auch geändert werden können. Natürlich bieten wir zudem die klassische Betreuung über den Außendienst im Flottenbereich an. Somit überlassen wir es unseren Kunden, wie sie mit uns in Kontakt treten oder bestellen möchten. Eine unserer Stärken ist dabei der volldigitale Bestellprozess, denn dies ist eine sehr komfortable und transparente Lösung, bei der sich Kunden ganz in Ruhe informieren können. Wir sind davon überzeugt, dass all dies gemeinsam dafür sorgt, auch zukünftig sehr attraktiv für unsere Kunden zu bleiben.
Flottenmanagement: Mit einem Wachstum von 166,4 Prozent bei den Fahrzeugneuzulassungen im vergangenen Jahr holte sich Polestar in der Jahresbilanz des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) den Titel als die am schnellsten wachsende Marke auf dem deutschen Markt. Welche Bedeutung kommt den einzelnen Vertriebskanälen dabei zu? Und wie sieht die Bilanz für 2023 bisher aus? Können Sie von Verschiebungen bei der Bedeutung der Vertriebskanäle berichten und worauf sind diese zurückzuführen?
Michael Martensen: Für eine Premiummarke wie Polestar gewinnt das B2B- und Flottengeschäft an Bedeutung, gerade im Bereich Elektromobilität. Dazu trägt natürlich neben der staatlichen Förderung auch die attraktive Besteuerung von Dienstwagen bei. Ehrlicherweise begünstigt aber auch die Inflation den Trend zur Elektromobilität, da sie dadurch im Verhältnis zu herkömmlichen Antriebsarten bezahlbarer wird. Insofern sind das B2B- und Flottengeschäft Segmente, in denen wir stark wachsen und in denen wir ein attraktives Produktportfolio bieten können und auch in Zukunft bieten werden. Polestar 2 und 4 sind attraktive Modelle für Dienstwagenfahrer, die mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, hoher Qualität und einem guten Servicekonzept zu überzeugen wissen. Nichtsdestotrotz ist Polestar eine sehr emotionale Marke, die mit extrovertiertem Auftreten und sehr sportlichen Fahrleistungen auch private Liebhaber für sich gewinnen kann. Hierbei spielt uns sicherlich auch in die Karten, dass unsere Fahrzeuge im Straßenbild mit ihrem skandinavisch minimalistischen Design auffallen.
Flottenmanagement: Die Lieferfähigkeit von batterieelektrischen Fahrzeugen war im vergangenen Jahr ein absoluter Trumpf. Wie sieht die Lieferfähigkeit bei Polestar aktuell aus? Und welchen Einfluss haben reduzierte staatliche Förderungen sowie steigende Rohstoff- und Produktionskosten auf Ihr Preismodell?
Michael Martensen: Die Lieferfähigkeit ist und bleibt einer unserer Pluspunkte. Auch heute können wir vorkonfigurierte Fahrzeuge in drei bis vier Wochen liefern. Bei Werksbestellungen reden wir von fünf bis sieben Monaten. Mit dem Wechsel zum Modelljahr 2024 erhält der Polestar 2 noch einmal deutliche Produktverbesserungen, die sich in einer kleinen Preisanpassung zeigen, welche aber durch die Aufwertung des Produktes mehr als gerechtfertigt ist. Insofern glaube ich, dass wir unseren Kunden weiterhin ein sehr wettbewerbsfähiges und attraktives Gesamtpaket bieten.
Wenn wir auf die Bestellungen im Jahr 2022 zurückblicken, so haben wir damals unseren Kunden zugesichert, dass wir unseren Anteil am Umweltbonus und auch den Preis zum Bestellabschluss garantieren, selbst wenn das Fahrzeug nicht vor dem Jahreswechsel ausgeliefert werden konnte. Somit haben wir uns nicht wie einige andere Hersteller auf die Klausel berufen, dass jenseits vier Monaten Lieferzeit der Preis noch bei einer bestehenden Bestellung angepasst werden kann.
Flottenmanagement: Für das Modelljahr 2024 erhält der Polestar 2 ein umfassendes Update. Was sind aus Ihrer Sicht die Highlights der Produktaufwertung, insbesondere für gewerbliche Kunden?
Michael Martensen: Das markanteste Merkmal der Produktaufwertung ist das Frontdesign. Dabei sprechen wir aber nicht nur von einer Designanpassung, sondern von der Integration eines der herausragenden Features des Polestar 3, der SmartZone. An die Stelle des Kühlergrills ist die sogenannte SmartZone getreten, also ein Bereich, um Kameras, Radare und andere Technologien zu integrieren, die das Fahrerlebnis verbessern. Dieser Bereich wird auch zukünftig Bestandteil aller Polestar-Modelle sein. Aus Kundensicht ist aber sicherlich der komplett überarbeitete Antriebsstrang von Bedeutung: Die Fahrzeuge verfügen über einen neuen effizienteren Motor wie den Dual-Motor und auf Wunsch unserer Kunden wurde die Single-Motor-Variante nun auf Hinterradantrieb umgestellt. Dies zeigt nochmals, dass wir als Marke nicht nur Premium und Fahrdynamik predigen, sondern auch bemüht sind, allen Kundenwünschen im Lifecycle eines Fahrzeugs gerecht zu werden. Gleichwohl sind die Long-Range-Varianten mit einer etwas vergrößerten Batterie ausgestattet, sodass wir jetzt beim Long-Range-Single-Motor bei einer Reichweite von 630 Kilometern angekommen sind; ein Wert, der in diesem Fahrzeugsegment sehr wettbewerbsfähig ist.
Flottenmanagement: Ende des vergangenen Jahres wurde der Polestar 3 der Öffentlichkeit präsentiert. Wie unterscheidet sich der ElektroSUV vom Polestar 2? Mit welchen Innovationen wird der Fünfsitzer im vierten Quartal 2023 an den Start gehen und welche Zielgruppen sollen mit ihm angesprochen werden?
Michael Martensen: Für uns ist der Polestar 3 ein großer Schritt, da wir mit unserem ersten Elektro-SUV ein sehr attraktives Marktsegment betreten. Und hier möchten wir natürlich mit einem Einstiegspreis von circa 90.000 Euro und einer umfangreichen Ausstattung eine attraktive elektrische Alternative zu herkömmlichen Premium-SUV bieten. Optisch verkörpert der Polestar 3 unsere neue Designsprache und wirkt dadurch noch einmal deutlich eigenständiger. Auf der technologischen Ebene findet sich nicht nur die zuvor angesprochene SmartZone, sondern auch der NVIDIA-Core-Prozessor, der die Rechenleistung des Fahrzeugs nochmals deutlich steigert und damit auch Voraussetzung ist, um zukünftig eine noch stärkere Autonomie im Fahren zu erreichen. Daneben haben wir erstmalig Google HD Maps und das LiDAR-System mit an Bord. Nicht zuletzt verfügt er auch über all das, was den Polestar 2 so beliebt macht: Sprich die Over-the-Air Updates und einen sehr guten CO2-Fußabdruck sowohl bei der Herstellung des Fahrzeugs als auch beim Betrieb des Fahrzeugs, denn das ist etwas, das immer wichtiger wird und immer weiter in den Vordergrund rückt.
Flottenmanagement: Nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie sowie Lieferverzögerungen befeuert, wird bei Unternehmen sowie Dienstwagennutzern der Ruf nach mehr Flexibilität immer lauter. Mit welchen Angeboten kann Polestar hier aufwarten?
Michael Martensen: Uns ist wichtig, dass ein Polestar in jeder Mobilitätsanforderung genutzt werden kann und dieser auch gerecht wird. Das heißt, wir arbeiten sowohl mit Autovermietern als auch Abo-Anbietern zusammen und können unseren Kunden damit Angebote für die kurzoder mittelfristige Mobilität unterbreiten wie auch über die klassischen Wege Leasing, Barkauf oder Finanzierung. All das können wir unseren Kunden bereits heute anbieten und möglicherweise ist zukünftig auch Raum für ein eigenes Auto-Abo.