
Flottenmanagement: Erst einmal: herzlichen Glückwunsch zu 30 Jahren Firmengeschichte! Wenn Sie an die Anfänge zurückdenken, was hat sich im Bereich der Softwarelösungen verändert und was hat bis heute Bestand?
Matthias von Tippelskirch: Anfänglich waren wir sehr stark im Bereich der Individualentwicklung unterwegs und haben die Software den individuellen Wünschen der Kunden entsprechend maßgeschneidert. Das Thema Fuhrparkmanagement kam 1995 erstmals richtig auf, als wir für die DEKRA ein Fuhrparkmanagementsystem entwickelt haben. Im Unterschied zu heute sind wir dabei sehr klassisch vorgegangen: Kundenbefragung zu den Workflows, diese Informationen in einem Pflichtenheft fixieren und dann in einer Software umsetzen. Die daraus entstandene Desktop-Software war dabei in einer Zwei-Schichten-Architektur aufgebaut. Heute verfügen wir über Webapplikationen, Mehrschichten-Architekturen und verteilte Systeme. Geblieben sind hingegen Datenstrukturen und auch Servicepartner. Diese wurden im Laufe der Jahre entsprechend den neuen Anforderungen erweitert.
Hans-Joachim Guth: 2010 hatten wir mit Easy+ ein erstes Cloudsystem, welches es den Fuhrparkbetreibern ermöglichte, online Fahrzeuge zu konfigurieren und zu bestellen – sprich den gesamten Bestellprozess von Fahrzeugen digital darzustellen. Das war möglicherweise damals noch zu früh, da zwar die Akzeptanz vorhanden war, aber eine solche Softwarelösung schlichtweg nicht so nachgefragt war. Dies hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert: Kunden sind sensibilisiert hinsichtlich der Kosten für eine eigene IT-Serverlandschaft und es besteht ein hohes Interesse daran, nur das zu zahlen, was man auch nutzt. Daher sind wir bestrebt, weitere Prozessbeteiligte ins Boot zu holen, damit Flottenverantwortliche ihre Fahrzeuge nicht nur verwalten, sondern digital managen können. Dabei kann es sich beispielsweise um Webservices handeln, die es ermöglichen, Leasingkonditionen bereits bei der Fahrzeugkonfiguration in Echtzeit bei den entsprechenden Leasinggebern abzufragen; natürlich ohne Medienbrüche.
Flottenmanagement: Den diesjährigen Carano Fleet Day haben Sie unter das Motto „30 Jahre digitaler Fuhrpark“ gestellt. Wo steht die Digitalisierung der Fuhrparkbranche derzeit?
Hans-Joachim Guth: Die Fuhrparkbranche steht noch eher am Anfang der Digitalisierung. Das liegt zum einen daran, dass die IT-Infrastrukturen in den Unternehmen wie auch bei den Servicepartnern nicht immer über die technologische Basis verfügen mit anderen Systemen zu kommunizieren. Da bei vielen Serviceprovidern jedoch sehr viel Wert darauf gelegt wird, diese Interaktionen zu ermöglichen und Prozesse zu digitalisieren, wird es für uns immer einfacher Daten der Serviceprovider in unseren Softwarelösungen zu verarbeiten. Auf dem Carano Fleet Day Mitte September konnte man einige Beispiele sehen, wie das Ganze funktionieren könnte. Wenn wir über einen Digitalisierungsschub sprechen, dann sind das vor allem Fahrzeugdaten, die von den Herstellern verfügbar gemacht werden. Auf dieser Grundlage können Prozesse, wie im Corporate Carsharing, weiter digitalisiert werden.
Matthias von Tippelskirch: Dass die Digitalisierung im Fuhrpark noch am Anfang ist, erkennt man auch daran, dass Geschäftsprozesse über Unternehmensgrenzen hinweg oftmals nur mit Medienbrüchen möglich sind. Das ist nicht optimal, weswegen wir uns mit unserer neuen Fuhrparkplattform Fleethouse auf die Fahne geschrieben haben, Servicepartner so zu integrieren, dass eine homogene Benutzerführung ermöglicht wird und alles digital abgewickelt werden kann. Das ist eine große Herausforderung, aber nicht unlösbar, wie wir mit dem Launch von Fleethouse in diesem Jahr bereits bewiesen haben. In den nächsten Monaten und Jahren werden weitere Servicepartner in Fleethouse integriert und somit wird Mehrwert für die Nutzer geschaffen.
Flottenmanagement: Könnten Sie bitte einmal kurz beschreiben, wie maßgeschneiderte Produktlösungen für Ihre Kunden entwickelt werden?
Matthias von Tippelskirch: Früher haben wir individuelle Software geschrieben und jede Funktion, die der Kunde wollte, maßgeschneidert zur Verfügung gestellt. Da musste immer ein Programmierer tätig werden. Heute können wir mit unseren leistungsstarken Applikationen wie unserer Fuhrparksoftware Fleet+ ein sehr hohes Maß an Konfigurierbarkeit bieten. Große Kunden verlangen diese hohe Flexibilität. In kleinen oder mittelgroßen Fuhrparks ist hingegen vor allem die Benutzerfreundlichkeit gefragt. Das heißt, der Umgang mit der Software muss einfach gestaltet sein, da viele Prozesse in diesem Kundensegment bereits standardisiert sind.
Hans-Joachim Guth: Die Digitalisierung ist oftmals der Schlüssel dafür, Prozesse neu zu denken. Sprich durch das Angebot eines einfachen Nutzungsszenarios innerhalb der Software zu überlegen, ob die eigenen Prozesse nicht durch diese Standardisierung optimiert werden können.
Flottenmanagement: Mit Fleethouse bietet Carano eine eigene Plattform an, die sich insbesondere an kleinere Flotten richtet. Welche Gründe, aber auch Ziele steckten hinter der Entwicklung einer weiteren Marke?
Hans-Joachim Guth: Fleet+ ist eine Lösung, die sich insbesondere an größere Fuhrparks richtet, in denen die Losgrößen ein bestimmtes organisatorisches Maß und die Einführung einer Software erfordern. Dies geht immer einher mit einer Projektsituation, in der wir uns konkret mit den Gegebenheiten des Kunden auseinandersetzen und auch versuchen, Inhouselösungen in die IT-Landschaft des Kunden zu integrieren. Kleinere Flotten hingegen haben eine andere Charakteristik und möglicherweise nicht die gleichen organisatorischen Probleme mit den Fahrzeugen beziehungsweise sie sind nicht an bestimmte Restriktionen, was zum Beispiel die IT-Landschaft betrifft, gebunden. Daher ist Fleethouse eine Fuhrparkplattform, dank derer Flottenverantwortliche sich mit den Themen des Fuhrparkmanagements auseinandersetzen können, und dies so unkompliziert wie nur möglich. Denn man muss auch bedenken, dass bei kleineren Fuhrparks das Management der Fahrzeuge nicht zum Tagesgeschäft gehört.
Matthias von Tippelskirch: Der Großteil der gewerblich genutzten Fahrzeuge findet sich in kleineren Flotten wieder. Mit dieser Zielgruppe muss man anders agieren. Zum Beispiel spielt der Kostenaspekt eine wichtige Rolle. So haben große Kunden oftmals das Budget, auch individuelle Entwicklungen zu finanzieren. In kleineren Fuhrparks sind diese großen Budgets nicht gegeben. So wird unser zukünftig verfügbares Konfigurationstool komplett kostenlos sein, andere entscheidende Managementfunktionen erhält man hingegen gegen sehr geringe monatliche Gebühren.
Flottenmanagement: Flottenverantwortliche haben heutzutage Zugriff auf eine Vielzahl von Datenquellen. Wie können Sie Flottenverantwortliche bei der Organisation dieser Datenströme unterstützen?
Matthias von Tippelskirch: Was eine große Rolle spielt, ist unsere langjährige Erfahrung mit dem Thema Fuhrparkmanagement sowie unsere Expertise. Wir können auf Augenhöhe mit Fuhrparkverantwortlichen sprechen und bei der Konzeption unserer Applikationen vieles vorausdenken, wodurch standardisierte Lösungen auch ohne individuelle Anpassungen reibungslos ihre Aufgaben erfüllen. Die wesentliche Veränderung, die wir zum Teil bereits vorgenommen haben, ist, Schnittstellen zu anderen Systemen so zu gestalten, dass der Datenaustausch synchron in Echtzeit abläuft.
Hans-Joachim Guth: Bei der Organisation von Datenströmen ist es vielfach der Fall, dass es insbesondere kleineren Fuhrparks erst gar nicht möglich ist, an diesen Datenströmen zu partizipieren. Die Idee hinter Fleethouse ist es daher auch, dass selbst kleinere Flotten in die Lage versetzt werden, beispielsweise Ladeund Tankkarten adäquat zu verwalten, zu bestellen und wirklich zu managen –auf einer Oberfläche in Echtzeit. Dies bringt den Fuhrparkverantwortlichen möglicherweise zum ersten Mal in Kontakt mit einem Tankkartenanbieter, der ihm eine Full-Service-Lösung anbietet. Gleichzeitig erhält er die volle Transparenz über seine Daten und Kosten. Daher ist Fleethouse der Drehund Angelpunkt für diese Weiterführung der Digitalisierung und dient als Blaupause für unsere anderen Softwarelösungen.
Flottenmanagement: Bereits 2013 hatte Carano damit begonnen, erste Praxistests in der Elektromobilität durchzuführen. Welche Herausforderungen bestehen bei der Integration der Elektromobilität in Flotten noch heute?
Matthias von Tippelskirch: Man kann gut und gerne behaupten, dass die Elektromobilität in den Fuhrparks noch am Anfang steht, da lediglich in Ausnahmefällen eine Vielzahl von Elektrofahrzeugen in Flotten zu finden ist. Daher werden die Herausforderungen, welche die Elektromobilität für den Fuhrpark mit sich bringt, aktuell oftmals nicht gesehen. Denn Themen wie Fahrzeuglogistik und Lademanagement spielen im klassischen Fuhrparkmanagement in dieser Form kaum eine Rolle. Unsere Erfahrungen aus fast zehn Jahren Forschung zeigen aber, dass diese Aspekte entscheidend sind, um eine große Anzahl an Elektrofahrzeugen überhaupt sinnvoll einsetzen zu können: Stromkapazitäten müssen berücksichtigt und die Reihenfolge der Ladevorgänge muss koordiniert werden, sodass die Fahrzeuge am nächsten Tag wieder einsatzbereit sind.
Hans-Joachim Guth: Auf der IT-Ebene steht man dann vor der Herausforderung, Lastund Lademanagement miteinander in Einklang zu bringen. Bei Carano haben wir eine Corporate-Carsharing-Lösung, die für E-Fuhrparks funktioniert. Diese wurde bereits in Forschungsprojekten mit der BVG und weiteren Kunden erfolgreich angewendet. Gleichwohl stehen Flottenverantwortliche vor der Frage, welche Unternehmensfahrzeuge sich überhaupt durch ein elektromobiles Äquivalent darstellen lassen. Mit Fleethouse bietet sich dafür die perfekte Plattform: Alle Daten zu Leasingverträgen inklusive des Auslaufzeitpunktes sowie die Möglichkeit der Prognose, wie sich der Umstieg auf Elektrofahrzeuge auf die Flotte auswirkt, werden übersichtlich zur Verfügung gestellt.