
Das Auffinden von Ladesäulen für batterieelektrische Fahrzeuge ist derzeit ein bisschen wie eine Schnitzeljagd. Vor allem in fremden Gegenden muss man suchen, um welche zu finden. Schließlich entdeckt man vereinzelte Säulen auf versteckten Parkplätzen nicht so einfach wie eine gut sichtbare Tankstelle. Zum Glück gibt es ja zahlreiche Apps, die zum gewünschten Ladepunkt führen. Noch besser ist es, wenn das integrierte Navigationssystem gleich bei der Routenplanung entsprechende Lader berücksichtigt – funktioniert aber noch nicht bei jedem Auto gut. Hier steckt noch jede Menge Entwicklungspotenzial – auf diesen Trichter kommen die Autohersteller allerdings gerade erst.
Eigentlich sollte man denken, dass in jeder Gemeinde und Stadt zumindest eine einzige Schnellladesäule mit einer Ladeleistung von wenigstens 50 Kilowatt stehen würde – aber das ist (noch) nicht der Fall. In fast jedem Landkreis findet sich allerdings durchaus ein Schnelllader, so dass man mit ziemlich jedem aktuellen Elektroauto gut durch die Republik rollen kann – mehr oder weniger reibungslos je nach Batterie. Und in der Flotte läuft ohnehin nichts unter 50 kWh Akkukapazität. Die Mehrheit der BEV (batterieelektrische Vehikel) innerhalb dieser Zielgruppe dürfte sogar mit Stromspeichern in der Größenordnung zwischen 70 und 100 Kilowattstunden operieren. In diesem Bereich wird es dann schon komfortabler.
So reicht der Saft einer standesgemäßen Businessklasse heutzutage für rund 500 Kilometer. Allerdings muss man sich in der Fahrweise ein wenig zügeln. Man kann natürlich mit vielen leistungsstarken BEV auch weit jenseits der Richtgeschwindigkeit operieren, aber dann muss natürlich mehr Ladezeit einkalkuliert werden. Gutes Stichwort: das Kalkulieren von Ladezeit. Hier gibt es bei den verschiedenen Fahrzeugen noch eklatante Unterschiede, worauf man eingestellt sein muss.
Die Ladeleistung besitzt nur eine begrenzte Aussagekraft, das sollte man wissen. Denn es kommt darauf an, wie lange die Ladeleistung aufrechterhalten wird. Gibt der Hersteller bei einem Fahrzeug beispielsweise an, es könne mit 200 kW laden, so bezieht sich das lediglich auf die Peakleistung. Das heißt, der Akku wird immer dann besonders schnell geladen, wenn er recht leer ist. Ab einem Füllstand (SoC = State of Charge) von 70 Prozent rauschen bei vielen Autos die Ladeleistungen in den Keller. Um den Sachverhalt noch einmal zu verdeutlichen: Es gibt Autos mit einer werksseitig angegebenen Ladeleistung von 250 KW, deren Akku womöglich länger lädt als der eines anderen Fahrzeugs mit 150 kW Werksangabe. Und zwar deshalb, weil die 150-kW-Ausführung ihre Ladeleistung womöglich viel länger hält als die mit 250 kW angegebener Leistung. An dieser Stelle ist ein Umdenken erforderlich, weil das konventionelle Tanken immer gleich schnell funktioniert – vom günstigen Kleinwagen bis zur sündhaft teuren Luxuskarosse.
Und noch eine Problematik beschäftigt Menschen mit batterieelektrischen Fahrzeugen: die Abrechnung. Während man an der Tankstelle mit verschiedenen Zahlungsmitteln hantieren kann – von Bargeld bis zur Kreditkarte –, nehmen die meisten aktuellen Ladesäulen nur spezielle Karten von Ladestromanbietern. Mittelbis langfristig wird sich das natürlich ändern. Ladesäulen, die ab Juli 2023 an den Start gehen, müssen per Gesetz zumindest Kreditund EC-Karten lesen können. Doch selbst wer über eine Roamingkarte verfügt, die nahezu alle Schnellladesäulen abdeckt, sollte das Restrisiko einkalkulieren, dass immer mal wieder eine Säule nicht im Ladeverbund der Karte ist, die man nutzt. Allerdings passiert es in der Praxis ebenso immer wieder mal, dass sich eine Ladesäule nicht aktivieren lässt, obwohl man eine Karte des relevanten Ladeverbunds nutzt. In einem solchen Fall hilft es allerdings, die Hotline anzurufen. In der Regel wird die entsprechende Ladesäule in Echtzeit aus der Ferne freigeschaltet. Ach ja, und noch eine kleine Kuriosität sei erwähnt. Wird die Ladesäule ferngesteuert, und man hat weder eine funktionierende Karte noch eine Taste am Fahrzeug, um den Ladevorgang zu unterbrechen (ja, das gibt es tatsächlich), bleibt nur der erneute Anruf bei der Hotline, um die Säule zu deaktivieren.
Als Faustregel gilt übrigens, dass man im Schnitt alle 50 Kilometer eine Gleichstrom-Ladesäule findet. Strenggenommen funktioniert das Reisen durch Deutschland also selbst mit Elektroautos, die nur über kleine Batterien verfügen. Fakt ist: Die Elektromobilität ist noch nicht so aufgestellt, dass man Ladesäulen in der Menge vorfindet wie Tankstellen. Es geht allerdings in erster Linie darum, nicht zu stranden – und das wird nicht so leicht passieren. Dass man auch mal 30 Kilometer zu einem Ladepunkt fahren muss, darf Nutzer von Elektromobilität nicht abschrecken. Immerhin befindet sich die Ladeinfrastruktur erst seit wenigen Jahren im Aufbau.
Wie sich die Elektromobilität entwickelt, vermag niemand vorherzusagen – aber ein wesentlicher Knackpunkt ist: Wie kommt man unterwegs klar? Unterwegs geladen wird künftig wohl nur noch mit Gleichstrom. Und selbst Ladepunkte mit weniger als 150 kW Ladeleistung gelten heutzutage schon als traurige Lösung, die nicht mehr State of the Art ist. Wechselstrom dürfte künftig uninteressant werden.
Zu den großen Schnelllademarken in Deutschland gehören EnBW, Ionity, Aral Pulse, Shell Recharge, EWE Go, E.On, Allego, Comfort Charge und Aldi. Um in Deutschland ein flächendeckendes Ladenetzwerk zu realisieren, hat die Bundesregierung das Instrument der nationalen Leitstelle für Ladeinfrastruktur geschaffen. Im Rahmen des so genannten Deutschlandnetzes werden eintausend Ladestandorte vorgestellt, die die Leitstelle ausschreibt. Ziel ist es, an diesen Standorten Ladepunkte mit einer Leistung von 300 kW zu installieren. Außerdem formuliert der Plan die Zielsetzung, dass ein Ladestandort in ganz Deutschland binnen zehn Minuten erreicht werden kann. Die Preisobergrenze soll bei 44 Cent je Kilowattstunde liegen. Der Aufbau dieses Deutschlandnetzes ist dem Bund zwei Milliarden Euro wert.
Die Preisgestaltung ist ein gutes Stichwort – so günstig kommt man vor allem am Schnelllader nicht weg. Während an der herkömmlichen Tankstelle die Preisdifferenzen vor allem an der Spritsorte festgemacht werden, unterscheidet sich der Strom selbst qualitativ nicht – aber die Geschwindigkeit, mit der er in den Fahrzeugakku kommt, macht durchaus einen monetären Unterscheid. Je höher das Tempo, also die Ladeleistung, desto teurer der Ladevorgang. Langsames Laden mit Wechselstrom ist durchaus mit etwa 40 Cent pro kWh abgegolten, aber sogenannte HPC-Lader belasten das Portemonnaie durchaus stärker. Bis zu 80 Cent je kWh sind keine Seltenheit. Ein mittelgroßes Elektroauto verbraucht zwischen 17 und 23 kWh je 100 Kilometer – also kann man leicht ausrechnen, mit welchen Kosten unterwegs zu rechnen ist.
Allerdings geht der Trend ganz klar in Richtung schnelles Laden – zumindest unterwegs. Denn schnelles Laden heißt: Man kann im oder am Auto warten. Binnen rund 25 Minuten wird im Idealfall Strom für um die 250 Kilometer nachgeladen. Langsames Laden mit Wechselstrom macht es erforderlich, das Auto abzustellen – man hält sich in der Regel nicht am Fahrzeug auf. Denn hier kann ein Ladevorgang (Ladeleistung in der Regel 11 bis 22 kW) mehrere Stunden betragen. Das Unpraktische daran: Man findet einfach selten eine Ladesäule, die sich ausgerechnet an dem Punkt befindet, wo man gerade zu tun hat.
Auch das Laden selbst will gelernt sein. Erfahrene Elektroautofahrer wissen, dass sie erst einen Ladevorgang starten, wenn der Akku möglichst leer ist. Denn nur ein leerer Akku lädt schnell. Ab einem Ladestand von 80 Prozent hilft die schnellste Ladesäule auch nicht mehr weiter.
In der Praxis bedeutet das: Lieber die Ladevorgänge in kleine Portionen aufteilen statt einen langen Ladestopp einzulegen. Es macht Sinn, nur bis 70 oder maximal 80 Prozent zu laden, um dann nach einiger Zeit die nächste Station anzufahren.
Es gibt noch ein paar weitere Fallstricke, auf die ein E-Automobilist unterwegs vorbereitet sein sollte. Nicht jeder Ladestandort hat rund um die Uhr geöffnet. Das haben Tankstellen zwar auch nicht, aber sie sind aktuell jedenfalls immerhin weiter verbreitet. Zuverlässige Ladestandorte sind immer die, die an Raststätten, auf Parkplätzen oder auf dem Gelände von Tankstellen zu finden sind. Auch jene an Restaurants unterliegen meist keinen Einschränkungen hinsichtlich der Öffnungszeit. Problematischer sind die Betriebsgelände beispielsweise von Baumärkten – wobei auch hier ein Umdenken stattfindet, immer mehr Betreiber halten ihre Zugänge zu den Stromspendern auch nachts frei.
Innenstädte sind tendenziell keine dankbaren Ladestandorte, wobei sich diese Situation gerade ganz massiv ändert. Gut auszumachen ist dies am Beispiel Köln. Noch vor rund einem Jahr gab es im Stadtgebiet nur zwei kümmerliche 50-kW-Säulen. Heute lassen sich recht einfach zusätzlich mindestens fünf Standorte mit 150 kW Ladeleistung und mehr finden. In München und Frankfurt findet eine ähnliche Entwicklung statt. Es muss sich natürlich auch noch etwas an der Fahrzeugtechnik tun. So darf die Ladeleistung keine Frage mehr von Luxus sein. Aber genau das ist aktuell noch der Fall. Je teurer die Autos und je größer die Akkus, desto schneller lassen sie sich laden. Hier müssen die Ingenieure ran. Zumal ja große Batterien auch dem Umweltgedanken widersprechen, weil viel Akku auch viel Rohstoff frisst. Und in der Praktikabilität wären kleine Akkus mit schneller Ladefähigkeit kaum von Nachteil.
Grundsätzlich muss aber mal eine Lanze für die Elektromobilität gebrochen werden. Was die Kritiker dieser Technologie immer vergessen, ist, dass Deutschlands dichtes Tankstellennetz auch nicht binnen drei Jahren auf die Beine gestellt wurde. Nur noch einmal zur Erinnerung: Vor nicht einmal fünf Jahren ist man mit einem batterieelektrischen Fahrzeug noch hilflos umhergeirrt – nicht sicher wissend, ob man die nächste Ladesäule noch erreichen würde. Dieser Zustand hat sich in der letzten halben Dekade wirklich massiv verbessert.
Uneinig sind sich Experten, wie groß der Bedarf an Ladesäulen wirklich ist. Die Tendenz geht allerdings dahin, dass sich schnelles Laden in Zukunft durchsetzen wird. Laden wird sich also dem Tanken annähern, und dann muss es auch nicht mehr so viele Ladepunkte geben. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, damit Elektromobilität auch für Kunden interessant wird, die zu Hause keine Lademöglichkeit haben, und diese Interessenten findet man zumeist in den Städten.
Um das Kapitel „Unterwegs laden“ abzurunden, sei noch ein wichtiger Hinweis am Schluss gegeben. Gerade Vielfahrer sind ja darauf angewiesen, ihr Auto in einer fremden Umgebung über Nacht mit Strom zu versorgen. Hier sollte man sich am besten beim Hotel erkundigen, ob ein Ladeplatz zur Verfügung steht. Denn solange das schnelle Laden noch in den Kinderschuhen steckt, kann es ein bedeutender Zeitvorteil sein, morgens mit komplett geladenem Akku in den Tag zu starten. Und so werden wir noch einige Zeit über Tricks und Tipps sprechen, wie man möglichst zeiteffizient mit dem Elektroauto unterwegs ist, bis es zur absoluten Normalität wird. Bis dahin: gute Fahrt!