PDF DOWNLOAD

Die Tatsache, dass der menschliche Fahrer noch immer in jeder Verkehrssituation die Hoheit über das Fahrzeug haben muss, hat einen rein juristischen Hintergrund. Das sogenannte Wiener Übereinkommen (aus dem Jahr 1968!) regelt, in welcher Weise der Straßenverkehr international standardisiert wird, und es gibt im Bereich des automatisierten Fahrens nur einen engen Spielraum beispielsweise bezüglich Haftungsfragen, wenn es doch einmal zu einem Crash kommt. Wer ist schuld? Mensch oder Maschine? 

Doch abgesehen von der juristischen Situation wäre die Fahrzeugsensorik derzeit noch nicht in der Lage, das Auto in jedem Verkehrsbereich vollautonom zu steuern, also so, dass der Fahrer zum Passagier avanciert. Aus heutiger Sicht müsste neben der umfangreichen Sensorik am Auto – dazu zählen Kamera, Laser und Radar – auch die Straßeninfrastruktur mit Sensoren ausgerüstet werden. Car-to-X und Car-to-Car (hier kommunizieren Autos mit Autos) werden entscheidende Treiber für das autonome Fahren sein. Aber was geht heute schon?

Eine der beliebtesten Optionen bei heutigen Neuwagen dürfte der aktive Tempomat sein. Er ist je nach Marke und Modell unterschiedlich leistungsfähig, beherrscht die automatisierte Längs- und Querführung. Das bedeutet im Klartext: Moderne Autos können im Verkehr mitschwimmen, ohne dass der Fahrer Brems- oder Gaspedal betätigen muss – nicht einmal das Lenkrad müsste er bedienen. Doch erkennt der technische Assistent ein Loslassen des Lenkrads, schaltet er nach maximal 30 Sekunden ab – eben wegen der unklaren juristischen Situation.

Die technische Umsetzung ist inzwischen exzellent, Gas und Bremse muss der Fahrer sogar auf einem langen Autobahnabschnitt nicht mehr bedienen. Wenn man – durch einen langsamer werdenden Vordermann – ausgebremst wird und die Spur wechselt, beschleunigt der Wagen prompt wieder auf das zuvor eingestellte Tempo. In der Anfangszeit war in einem solchen Fall mit dem Gaspedal nachzuhelfen. Kurven beherrschen die heutigen Systeme zwar auch, aber da man die Hand ohnehin am Lenkrad belassen muss, ist diese Funktion in der Praxis noch keine große Hilfe. Aber es ist gut, dass die Entwickler mit solchen Applikationen bereits Erfahrung sammeln, denn es wird der Tag kommen, an dem die rechtlichen Hürden ausgeräumt sein werden.

Die höchste Eskalationsstufe ist die automatische Überholfunktion – meist in der automobilen Oberklasse erhältlich. In diesem Fall muss der Fahrer bloß den Blinker setzen und wenn die Spur, auf die er wechseln möchte, frei ist, überholt das Auto per aktiver Lenkung selbsttätig. Auch dieses Feature ist für den praktischen Fahrbetrieb aktuell noch nicht so spannend, sorgt aber für erstaunte Passagiere bei der Vorführung. 

Wirklich nützlich kann das automatische Einparken sein. Schließlich sind weit mehr Autofahrer beim Längseinparken in der Stadt unsicherer als sie zugegeben würden. Das System funktioniert wie folgt: Man setzt den Blinker in der Richtung der freien Parktasche, dann detektiert die Sensorik die freie Lücke und zeigt an, ob der Parkplatz groß genug ist. Gibt das Display den Startschuss, hält man an und überlässt dem Fahrzeug die entsprechenden Manöver. Den erforderlichen Lenkwinkel wählt der Computer – die aktive Lenkung tut ihr Übriges, der Fahrer muss nur behutsam vor- und zurückfahren. Je nach Modell und Marke kann man diesen Vorgang auch von außen per Smartphone steuern. 

Während die bisher beschriebenen autonomen Fahrfunktionen in erster Linie dem Komfort dienen, gibt es anno 2021 auch zahlreiche Sicherheitsmerkmale wie die automatisierte Notbremsung. In diesem Rahmen sind viele verschiedene Szenarien bereits Realität – beispielsweise einfache Systeme, die nur bei geringen Tempi bis 30 km/h agieren und selbst bremsen, wenn der Fahrer es versäumt, um einen ansonsten verursachten Auffahrunfall zu verhindern.

Komplexe Systeme, die in der Oberklasse gestartet sind und sich langsam in die Mittelklasse ausbreiten, bremsen in vielen Gefahrensituationen autonom wie an Kreuzungen, wenn herannahender Verkehr droht, den man übersehen hat. Aber auch bei weniger dynamischen, indes nicht minder gefährlichen Szenarien können autonome Features Geld sparen und die Nerven des Flottenmanagers schonen, wie zum Beispiel der Rear Cross Traffic Alert mit Bremsfunktion. Wer kennt nicht diese Situation, wenn man sich rückwärts aus einer unübersichtlichen Einfahrt heraus auf die Straße tastet? Hier zieht das System im Zweifelsfall die Notbremse und bewahrt vor Schlimmerem.

Systemschwächen bei der Längsführung liegen derzeit noch darin, die Spur zu erkennen; auf breit ausgebauten Autobahnen klappt das naturgemäß besser als auf schmalen Landsträßchen mit womöglich noch schlechten Markierungen. Daher arbeiten verschiedene Anlagen mit einer Verfolgungsfunktion. Hier könnte Car-to-X massiv weiterhelfen, allerdings müssten dann sämtliche Fahrbahnen mit entsprechenden Transpondern ausgerüstet werden – das dürfte vor allem im ländlichen Raum noch eine ganze Weile dauern. So können passionierte Autofahrer noch immer einer rosigen Zukunft entgegenblicken. Dennoch: Das autonome Fahren wird voranschreiten. Den Fahrspaß wird es aber hoffentlich nicht rauben – solange man selbst entscheiden kann, wann man der Maschine das Steuer übergeben und wann man es selbst innehaben möchte.