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Änderung des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr von 1968
Euphorische Meldungen über die Möglichkeit des Einsatzes von selbstfahrenden Roboterfahrzeugen, also völlig fahrerlosen autonomen Fahrzeugen, sind allerdings verfrüht. Der Bundestag hat zwar am 29. September 2016 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 08. November 1968 (WÜ68) angenommen. Und der Bundesrat hat diesem Gesetzentwurf am 04. November 2016 zugestimmt und beschlossen, keinen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zu stellen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde also im Rahmen aktueller gesetzgeberischer Aktivitäten „lediglich“ ein – in Bezug auf das automatisierte Fahren – aktuell geänderter völkerrechtlicher Vertrag durch ein sogenanntes Vertragsgesetz in deutsches Recht umgesetzt. Es fehlt außerdem noch an der Ausfertigung dieses Gesetzes durch den Bundespräsidenten sowie der Verkündung im Bundesgesetzblatt.

Bei genauer Betrachtung wird man dort allerdings noch nicht sehr viel zu lesen bekommen. Denn im Prinzip wird lediglich auf die letzten Änderungen des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 08. November 1968, die im internationalen Rahmen bereits am 26. März 2014 erfolgt und mit Zirkularnote des Generalsekretärs der Vereinten Nationen vom 01. Oktober 2015 notifiziert wurden. Nach dem Wiener Übereinkommen war bislang geregelt, dass jedes Fahrzeug in Bewegung einen Führer haben muss (Art. 8 Abs. 1 WÜ68) und dass der Fahrzeugführer sein Fahrzeug jederzeit beherrschen können muss, insbesondere bezüglich der (angepassten) Geschwindigkeit (Art. 8 Abs. 5 WÜ68). Ferner muss der Führer eines Fahrzeugs alle anderen Tätigkeiten als das Führen seines Fahrzeugs vermeiden (Art. 8 Abs. 6 WÜ68). Jeder Fahrzeugführer muss zudem sein Fahrzeug unter allen Umständen beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen (Art. 13 Abs. 1 WÜ68). So weit, so gut. Dies hat auch weiterhin Bestand.

Die Regelung, dass jedes Fahrzeug in Bewegung einen Fahrer haben muss, hat bislang autonomes Fahren ausgeschlossen. Neu ist insoweit Art. 8 Abs. 5b des Wiener Übereinkommens, nach dem Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben, zulässig sind, wenn sie entweder den internationalen technischen Regelungen für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile entsprechen (siehe Genfer Abkommen vom 20. März 1958 und 25. Juni 1998) oder wenn sie jederzeit vom Fahrer übersteuert oder desaktiviert werden können. In Kraft getreten sind diese Änderungen des Wiener Übereinkommens schon seit dem 23. März 2016.

Diese recht harmlos klingende Ergänzung hat es in sich. Sie bedeutet in Wahrheit eine internationale rechtliche Revolution zur Wegbereitung für das (hoch-)automatisierte und auch für das autonome Fahren. Diese Änderung ist nichts anderes als der regulatorische Rahmen für aktuelle Fahrerassistenzsysteme. Positiv ist daran, dass es künftig mehr Rechtssicherheit für die Nutzer von Assistenz- und automatisierten Fahrsystemen in Kraftfahrzeugen geben wird.

Hier ist beispielsweise auch an eine Reihe nützlicher und bereits in Fahrzeugen gängiger Fahrerassistenzsysteme zu denken. Dabei ist ein differenzierter Blick auf die Technik durchaus angebracht. Denn unter Fahrerassistenzsystemen versteht man generell Systeme, die den Kraftfahrer bei Wegfindung und Fahraufgabe unterstützen oder den Bedienungskomfort verbessern sollen. Dabei sollen sie insbesondere in vielen Fällen auch den Fahrer in schwierigen Situationen unterstützen. Entsprechende Assistenzsysteme sind denkbar in vielerlei Hinsicht, bezogen auf fahrzeuginterne Abläufe, aber auch bezogen auf das externe Verkehrsgeschehen. Dabei kommt es auch künftig immer wieder zu begrifflichen Teilüberschneidungen mit Telematiksystemen, bei denen es um die Übermittlung und Zusammenführung von Daten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit geht. Besonders bedeutsam beim hochautomatisierten Fahren sind hier Regelungssysteme, die je nach Einflussmöglichkeit des Fahrers auf das System durch schlichtes Ein- und Ausschalten unterschieden werden in übersteuerbare (wie der Tempomat) und nicht übersteuerbare (wie ABS) Systeme.

Dabei dienen Fahrerassistenzsysteme durchaus als Vorstufe des autonomen Fahrens, denn die Technik unterstützt die menschliche Wahrnehmung durch Informationen. Das Fahrzeug bezieht seine Eingangsdaten im Prinzip im Wesentlichen aus visuellen Informationsquellen, die auch dem Fahrer zur Verfügung stehen, und ermöglicht damit eine schnelle Reaktion des Fahrzeugs, wobei der Fahrer aber letztlich selbst entscheidet. Systeme zum automatisierten Fahren können als Zusammenfassung verschiedener Assistenzfunktionen verstanden werden, die Fahraufgaben für den Fahrer in speziellen Situationen oder zeitlich begrenzt übernehmen, also sowohl die Position des Fahrzeugs auf der Straße verändern (Querführung) als auch die Fahrzeuggeschwindigkeit regulieren (Längsführung). Und in manchen Fällen (ABS) kommen sie erst zum Einsatz, wenn der Fahrer bereits die Kontrolle über sein Fahrzeug zu verlieren droht. Autonomes Fahren bedeutet hingegen das selbstständige, zielgerichtete Fahren eines Fahrzeugs im realen Verkehr ohne Eingriff des Fahrers. Die Reaktion des Fahrzeugs erfolgt selbständig über Algorithmen ohne die aktive Einwirkung des Fahrers.

Trotz zahlreicher Definitionsversuche gibt es bislang noch keine auch rechtlich gesicherte Begrifflichkeit für selbstfahrende Kfz. Dies liegt an fließenden technischen Übergängen, der Komplexität der Steuerungsvorgänge sowie an differenzierten Einflussmöglichkeiten des Fahrers.

Bislang bietet sich eine grobe dreistufige Unterscheidung an:
- teilautomatisiert: Der Fahrer muss die automatischen Funktionen ständig überwachen und darf keiner fahrfremden Tätigkeit nachgehen.
- hochautomatisiert: Das automatische System erkennt seine Grenzen selbst und fordert die Übernahme durch den Fahrer rechtzeitig an. Fahrfremde Tätigkeiten des Fahrers sind begrenzt möglich.
- vollautomatisiert: Das System kann alle Situationen autonom bewältigen; eine Überwachung durch den Fahrer ist nicht erforderlich. Fahrfremde Tätigkeiten sind dem Fahrer möglich. Ebenso ist in dieser Stufe fahrerloses Fahren möglich.

Dabei ist sichtbar, dass hier eine schrittweise Übertragung der Fahraufgaben des Menschen auf diverse technische Systeme erfolgt. Für die rechtliche Bewertung wird künftig allerdings eine entscheidende Rolle spielen, inwieweit der Mensch schrittweise seine Verantwortung an einen Computer oder technische Systeme überträgt.

Neuerungen im internationalen Straßenverkehrsrecht
Mit der aktuellen Änderung des Wiener Übereinkommens von 1968 werden jetzt erstmals Fahrzeugsysteme erlaubt, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben (Fahrerassistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen). Der Fahrer trägt aber weiter die Verantwortung und muss das System überwachen.

Genau betrachtet gibt es trotz Umsetzung der Änderungen des Wiener Übereinkommens von 1968 durch das aktuelle Vertragsgesetz zu seiner Umsetzung noch keinen verbindlichen Rechtsrahmen für das automatisierte Fahren in Deutschland. Hier sind weitreichende Folgeänderungen auch im deutschen Straßenverkehrsrecht notwendig, die aber nicht Gegenstand des Vertragsgesetzes sind.

Hierzu hatte bereits der 53. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2015 in Goslar empfohlen, dass „für eine vollständige oder dauerhafte Ersetzung des Fahrers durch ein System die derzeitige Änderung des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr von 1968 nicht genügt. Ob dies auch für fahrfremde Tätigkeiten gilt, ist unklar. Hier ist der Gesetzgeber aufgefordert, für Klarstellung zu sorgen.“

Dementsprechend hat auch schon während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens am 30. September 2016 die von Bundesverkehrsminister Dobrindt eingesetzte Ethik-Kommission zum automatisierten Fahren in ihrer ersten Sitzung im BMVI ihre Arbeit aufgenommen. Die Ethik-Kommission soll Leitlinien für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme entwickeln. Und genau dort liegt „der Hund begraben“.

Automatisiertes und autonomes Fahren versus Datenschutz
Änderungs- und Ergänzungsbedarf besteht zuerst beim geltenden Datenschutzrecht. Denn die zunehmende Automatisierung der Fortbewegung von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenraum setzt zunächst die Verfügbarkeit großer Datenmengen zur Steuerung der Verkehrsvorgänge voraus. Allerdings wird auch im automatisiert fahrenden Fahrzeug eine nahezu unübersehbare Datenmenge in elektronischen Hilfsmitteln und Steuergeräten produziert, wie beispielsweise durch Bordcomputer, Unfalldatenspeichersysteme und last, but not least Internetverbindungen. Das datenschutzrechtliche Problem dabei ist, dass hier eine Datenspeicherung stattfindet, von der weder der Fahrer noch der Halter des Fahrzeugs regelmäßig etwas erfahren. Nach aktuellen Untersuchungen des ADAC wissen im Prinzip nur die Fahrzeughersteller im Detail, welche Daten in aktuellen Autos erzeugt, verarbeitet, gespeichert und gesendet werden.

Dabei stellt sich die Frage, wem diese Daten gehören. Da nach deutschen Recht kein zivilrechtliches Eigentum an Daten möglich ist, mangels deren Körperlichkeit und auch die sogenannten Immaterialgüterrechte nicht per se auch personenbezogene Daten umfassen, wird es künftig entscheidend um Datennutzungsbefugnisse innerhalb des Rahmens datenschutzrechtlicher Vorschriften nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen (L-DSG) der einzelnen Bundesländer gehen. Rechtlicher Ausgangspunkt ist dabei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in seiner Ausprägung als individuelles Recht auf Verfügung über und Kontrolle von persönlichen Daten (Volkszählungsurteil des BVerfG vom 15.12.1983, Az. 1 BvR 209/83).

So ist beispielsweise in § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt, wie es um die Datennutzungsbefugnisse im Rahmen von Arbeitsverhältnissen bestellt ist. Hier geregelt ist die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Vielfach relevant ist insoweit jedoch eine Einwilligung, sodass die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung nur dann in Ordnung geht, wenn der Betroffene wirksam seine Einwilligung diesbezüglich erklärt hat oder wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift eine entsprechende Erlaubnis beinhaltet. Wie bereits bei der datenrelevanten Nutzung des Internetanschlusses wird hier das Problem bestehen, dass möglicherweise Einwilligungen aus „Bequemlichkeit“ oder aus Unkenntnis erteilt werden. Das seinerzeit hier zur Verbesserung entworfene Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drs. 17/4230) ist durch Ablauf der Wahlperiode erledigt und wurde nicht wieder aufgenommen. Änderungen im Datenschutzrecht sind allerdings bitter nötig.

Daten und Beweisführung
Denn hier stellt sich auch die Frage, wie Daten aus Fahrzeug künftig im Rahmen der Beweisführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren wie auch der zivilrechtlichen Schadenregulierung zum Einsatz kommen können. Beim automatisierten Fahren wird es künftig darauf ankommen, dass Einzelheiten eines Unfallhergangs praktisch nur unter Rückgriff auf elektronische Datensätze zu klären sind. Deshalb bedarf es der Entwicklung technischer Vorrichtungen, welche die Daten nach einem Schadensfall sichern und gegen nachträgliche Veränderungen wirksam schützen. Allerdings bietet auch schon heute das Recht die Möglichkeit, bei Anhaltspunkten für Straftaten die Sicherstellung und Beschlagnahme entsprechender Datenspeichersysteme nach § 94 StPO vorzunehmen.

Dass die Rechtsprechung hier mitunter an die Grenzen des Datenschutzrechts stößt, sieht man auch nicht zuletzt an den aktuellen Dashcam- Entscheidungen, die sich im Ergebnis und auf den ersten Blick durchaus widersprechen. So nimmt das Landgericht Heilbronn an, dass Dashcam- Aufnahmen nicht als Beweismittel verwertbar sind. Zur Begründung wird angeführt, dass Aufzeichnungen einer Dashcam im Zivilprozess nicht als Beweismittel zum Unfallhergang verwertet werden können, weil dies das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzen würde. Und dieses umfasse eben auch als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Recht am eigenen Bild (LG Heilbronn, Urteil v. 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14, 3 S 19/14). Dementsprechend hatte auch schon zuvor das Verwaltungsgericht Ansbach im Betrieb einer Onboard-Kamera einen Verstoß gegen § 6 BDSG gesehen (VG Ansbach, Urteil vom 12.08.2014 , DAR 2014, 663 ff.).

Demgegenüber hat das Landgericht Landshut Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel für verwertbar gehalten, weil es nicht darauf ankomme, ob gegen das BDSG verstoßen wurde. In seiner letzten Entscheidung sah das Landgericht Landshut das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht als betroffen an, weil in dem durch die Dashcam-Aufnahmen sichtbaren Fahrzeug (mit amtlichem Kennzeichen) der Fahrer letztlich nicht zu erkennen war. Daher sei nicht von einem gravierenden Grundrechtseingriff auszugehen. Umgekehrt sei der Geschädigte beweislos. Derartiges, so das Gericht, sei nur schwer zu vermitteln, zumal das Interesse des Schädigers eigentlich nur darin bestehe, dass ein streitiger Verkehrsunfall nicht aufgeklärt werden soll. Dieses Interesse ist nicht schützenswert (LG Landshut, Beschluss vom 01.12.2015, Az. 12 S 2603/15). Dementsprechend wird es auch künftig entscheidend darauf ankommen, inwieweit durch technische Fahrerassistenzsysteme Daten aufgezeichnet werden, deren Verwendung in Persönlichkeitsrechte des Fahrers eingreifen. Hier besteht Justierungsbedarf im Datenschutzrecht.

Verkehrsordnungswidrigkeiten und Verkehrsstrafrecht
Gerade im Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten und Verkehrsstrafrecht wird es künftig entscheidend auf den Begriff des Kraftfahrzeugführers ankommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 27.07.1962, 4 StR 215/62) kann Kraftfahrzeugführer nur sein, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Dementsprechend ist die Eigenschaft des Kraftfahrzeugführers nicht infrage gestellt, wenn sich der Autofahrer eines von ihm betätigten Fahrerassistenzsystems bedient (beispielsweise Tempomat). Anders sieht es jedoch aus, wenn der Fahrer sämtliche zur Fortbewegung des Fahrzeugs erforderlichen Vorgänge einem autonomen System überträgt: Wer mithilfe technischer Systeme vollständig autonom fährt (also fahren lässt), ist nicht mehr Kraftfahrzeugführer. Künftige Gesetzgebungsvorhaben werden also zu berücksichtigen haben, dass je nach Art und Weise der verwendeten Fahrerassistenzsysteme eine unterschiedliche Zurechnung der Verantwortlichkeit erfolgen muss. Ob und in welchem Umfang der Einsatz nur einzelner Fahrerassistenzsysteme Einfluss auf die strafrechtliche Zurechnung hat, diese den Kfz-Führer im Ergebnis also entlasten können, ist bislang noch nicht entschieden.

Dabei gibt es allerdings auch heute schon Gerichtsentscheidungen mit Bezug zu technischen Hilfssystemen, die zu dem Schluss führen, dass selbst ein Defekt eines Assistenzsystems im Regelfall den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens oder gar den eines groben Pflichtenverstoßes nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG nicht entfallen lässt. So hat das OLG Hamm entschieden, dass eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung bei defektem Tempomat eine Ordnungswidrigkeit darstellt (OLG Hamm, Beschluss vom 21.04.2006, Az. 2 Ss OWi 200/06). Ein Autofahrer bleibt trotz eingeschaltetem (defektem) Tempomat verpflichtet, die von ihm gefahrene Geschwindigkeit zu kontrollieren und so die Einhaltung von Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit zu gewährleisten. Im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat er zumindest gegen diese Kontroll- und Überwachungspflicht (fahrlässig) verstoßen, weil er sonst die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit sofort auf die zulässige hätte reduzieren müssen.

Ähnliches gilt auch für die Sorgfaltspflichten des Autofahrers beim Rückwärtsfahren trotz Verwendung einer Einparkhilfe (PDC). Bei Verwendung einer Einparkhilfe darf sich der Fahrzeugführer nicht darauf verlassen, dass diese zuverlässig bei jedem Hindernis ein Warnsignal abgibt. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs, insbesondere beim Rückwärtsfahren, sind hohe Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab des Kraftfahrzeugführers zu stellen. Dieser darf sich nicht auf die Einparkhilfe allein verlassen. Er muss sich zusätzlich durch eigene Beobachtungen (durch Blick in den Rückspiegel, Umschauen, gegebenenfalls Aussteigen aus dem Fahrzeug) vergewissern, wie weit ein Rückwärtsfahren ohne Anstoß möglich ist (AG München, Urteil vom 19.07.2007, Az. 275 C 15658/07).

All diese Entscheidungen zeigen bereits heute, dass es maßgeblich auf die Kontrollaufgaben des Fahrzeugführers im Zusammenhang mit dem Einsatz technischer Systeme ankommt, wenn es um die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Autofahrers geht.

Schaden- und Haftungsrecht
Änderungsbedarf besteht beim automatisierten Fahren auch im Zusammenhang mit den Regelungen zur Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen. Man braucht kein Prophet zu sein, um sagen zu können, dass selbst bei Einsatz von Fahrerassistenzsystemen und dem autonomen Fahren künftige Verkehrsunfälle nicht vollständig vermieden werden können. Dies zeigt sich bereits an den Auffahrunfällen auf Google-Fahrzeugen in den USA (weil diese so langsam fahren). Die Unfälle werden künftig also anders geartet sein und es wird stets der Blick auf die Verantwortlichkeit des Fahrers bezüglich der Kontrolle über seine Assistenzsysteme zu werfen sein.

Das bedeutet Anpassungsbedarf insbesondere bei den Regelungen zur

  • Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG
  • Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 StVG
  • allgemeinen Deliktshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB,§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetzverletzung (z. B. StVO, StVG, StVZO, StGB usw.)
  • Produkthaftung nach § 1 ProdHaftG
  • Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB

Bei der Schadenregulierung geht es im Wesentlichen um die Haftung für den Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Hierbei gilt nach ständiger Rechtsprechung für das gesamte Verkehrsrecht ein einheitlicher Halterbegriff (BVerwG v. 20.02.1987, Az. 7 C 14/84): „Verantwortlicher Halter eines Fahrzeugs ist regelmäßig derjenige, der tatsächlich, vornehmlich wirtschaftlich über die Ingebrauchnahme des Kfz, also über die Gefahrenquelle Kfz bestimmen kann.“

Bereits bei der Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG geht es letztlich um eine Gefährdungshaftung für die Betriebsgefahr aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs, wobei für die Haftung kein Verschuldensnachweis erforderlich ist, sofern der Unfall/Schaden bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist. Sind einzelne, vom Fahrzeugführer übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme in Betrieb, verbleibt es bei der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG. Und auch beim autonomen Fahren besteht die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG wegen der Betriebsgefahr unverändert fort. Eine Einschränkung der Halterhaftung nach § 7 Abs. 2 StVG durch ein unabwendbares Ereignis oder höhere Gewalt kommt jedenfalls bei technischen Fehlfunktionen von Fahrerassistenzsystemen sowie beim autonomen Fahren nicht in Betracht.

Ganz anders wird es allerdings für die Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 StVG aussehen. Auch hier handelt es sich um eine Gefährdungshaftung für Unfälle bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Dabei haftet auch heute schon der Kraftfahrzeugführer für ein vermutetes Verschulden. Daher ist auch ein Entlastungsbeweis des Fahrers möglich (Exkulpation). Künftig wird auch hier eine Rolle spielen, ob derjenige, der in einem autonomen oder hochautomatisierten Fahrzeug hinter dem Steuer sitzt, noch als Kraftfahrzeugführer anzusehen ist. Je nach den Umständen des Falles darf sich der Fahrzeugführer dann auf die Information, die ihm Fahrerassistenzsysteme vermitteln, nicht ungeprüft verlassen. Auch hier wird es künftig eine Rolle spielen, dass der Fahrer die von ihm eingesetzten Systeme überwacht. Allerdings wird es ein praktisches Problem sein, rechtzeitig bei einer Übernahmeaufforderung durch das System zu reagieren, weil aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass es bis zu 15 Sekunden dauern kann, bis eine Person, die nicht hundertprozentig mit Fahraufgaben beschäftigt ist, in der Lage ist, die Fahraufgabe wieder zu übernehmen.

Ähnliches gilt für die Haftung des Fahrzeugführers nach § 18 StVG beim autonomen Fahren. Tritt das zum Schaden führende Ereignis während der autonomen Phase des Fahrens ein, ist zweifelhaft, ob die Eigenschaft als Kraftfahrzeugführer gegeben ist. Es dürfte jedoch künftig eine Haftung für Unterlassen bei einem fehlenden Eingriff des Fahrzeuginsassen möglich werden, wenn er sich vorsätzlich oder fahrlässig der Erkenntnis verschlossen hat, dass eine Fehlfunktion vorliegt oder das System aus anderen Gründen eine Übernahme der Fahrzeugführung verlangt. Insoweit wird es künftig auf Pflichten zum Einschreiten ankommen, und die müssen vermutlich erst weitgehend neu geregelt werden.

Daher hatte bereits der 53. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2015 in Goslar einige diesbezügliche Lösungsansätze vorgeschlagen: Der Fahrer muss selbst entscheiden können, ob er solche Systeme nutzen möchte. Abschaltbarkeit und Übersteuerbarkeit sind zu gewährleisten, wobei der menschlichen Fähigkeit, das funktionierende System über einen längeren Zeitraum zu überwachen, natürliche Grenzen gesetzt sind. Dies muss technisch aufgegriffen und normiert werden. Der Fahrzeugführer muss zudem jederzeit wissen, in welchem Automatisierungsgrad sich das Fahrzeug befindet und welche Handlungsund Überwachungsanforderungen bestehen. Zusätzliche Systeme, die dem Fahrer Probleme an den Fahrsystemen melden, ihn bei der Problembehandlung unterstützen und Fehlgebrauch entgegenwirken, können die Sorgfaltsanforderungen an den Fahrer nach und nach verringern. Ab dem hochautomatisierten Fahrbetrieb ist der Fahrer bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Sanktionen und der Fahrerhaftung frei zu stellen. Der Opferschutz darf darunter nicht leiden. Zur Klärung von Haftungsansprüchen nach Schadensfällen in jeglichem automatisierten Fahrbetrieb müssen Systemhandlungen und Eingriffe des Fahrers beweissicher dokumentiert werden. Datenschutz und Datensicherheit sowie Transparenz für den Nutzer sind dabei zu gewährleisten. Gegen vorhersehbaren und gefährlichen Fehlgebrauch müssen technische Maßnahmen ergriffen werden. Gegen Manipulationen von außen ist entsprechend dem Stand der Technik Vorsorge zu treffen.

Produkthaftung und Produzentenhaftung
Die Produkthaftung nach § 1 ProdHaftG und die Produzentenhaftung nach § 823 BGB werden künftig eine genauere Betrachtung erfordern.

So geht es auch bei der Produkthaftung nach § 1 ProdHaftG um eine verschuldensunabhängige Haftung für das Inverkehrbringen eines fehlerhaften Produkts. Dabei ist ein Produkt aber noch nicht fehlerhaft, wenn es später ein verbessertes Produkt gibt. Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produktes sind die berechtigten Sicherheitserwartungen (§ 3 ProdHaftG) relevant. Dabei ist, betrachtet man das Strategiepapier zum autonomen Fahren aus dem Bundesverkehrsministerium, mit dem Bestreben der Erhöhung der Verkehrssicherheit davon auszugehen, dass künftig sehr hohe Sicherheitserwartungen an Hersteller von autonomen Fahrzeugen zu stellen sind.

Eine Haftung ist dann denkbar für Konstruktionsfehler, bei denen das Produkt (autonomes Fahrzeug oder auch ein Einzelteil wie ein Autopilotensystem) schon vom Konzept hinter dem gebotenen Sicherheitsstandard zurückbleibt; für Fabrikationsfehler, bei dem ein Produkt vom Sicherheitsstandard abweicht, den sich der Hersteller selbst auferlegt hat (wie Einbau eines defekten Sensors), sowie für Instruktionsfehler, bei denen der Hersteller eine Warnung vor denjenigen Gefahren unterlässt, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder naheliegendem Fehlgebrauch drohen. Daher müssen Hersteller neuartiger Fahrerassistenzsysteme den Benutzer sehr genau und verständlich über die Wirkungsweise und die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des jeweiligen Systems informieren. Und das wird dann künftig auch im Fuhrpark Auswirkungen haben, wenn es letztlich um den Nachweis der Fahrerunterweisung geht.

Zwar gibt es auch heute schon Regelungen über den Ausschluss der Produkthaftung (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG), wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Allerdings bestehen hier recht hohe Voraussetzungen für die Enthaftung. Denn die subjektive Erkenntnis des Herstellers ist irrelevant, weil der Stand der Wissenschaft und Technik maßgeblich ist. Hersteller neuartiger autonomer Fahrzeuge müssen also beispielsweise mit in diesem Bereich tätigen Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten.

Daneben steht die Produzentenhaftung nach § 823 BGB, bei der der Hersteller eines autonomen Fahrzeugs oder von Fahrzeugteilen nach allgemeinen deliktischen Grundsätzen haftet. Anders als bei der Gefährdungshaftung ist hier eine verschuldensabhängige Haftung gegeben. Da der Verschuldensnachweis nur äußerst schwer zu führen ist, besteht eine Beweislastumkehr, dem Hersteller obliegt also der Entlastungsbeweis. Dies hat zur Folge, dass eine Produktbeobachtungspflicht besteht. Dies schließt besonders auch künftig die Überwachung der Software autonomer Fahrzeuge ein, um deren Funktionsweise und Sicherheit sicherzustellen.

Alles in allem bleibt damit festzuhalten, dass seit Ende März 2016 international ein völkerrechtlicher Rahmen für das automatisierte und das autonome Fahren durch das Wiener Übereinkommen zum Straßenverkehr von 1968 besteht. In Deutschland gibt es hingegen noch keine nationalen Rechtsregeln zum automatisierten oder zum autonomen Fahren. Es bedarf zuerst der Umsetzung durch einzelne Gesetze und Verordnungen, und das nicht nur im Bereich des Straßenverkehrsrechts. Die Ergebnisse, die gegenwärtig die vom Bundesverkehrsminister eingesetzte Ethik-Kommission erarbeitet, werden künftig als Maßstab in zukünftige Gesetzgebungsvorhaben einfließen. Die Compliance im Fuhrpark beinhaltet deshalb zurzeit die Verfolgung (und spätere Umsetzung) der Aktivitäten des Gesetzgebers.

Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer.legal
Internet: www.fischer.legal

 

AUTOR

RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.