
Das Landgericht (LG) Heilbronn hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 03.02.2015, Az. I 3 S 19/14, 3 S 19/14) eingehend mit der Frage befasst, ob die Aufzeichnungen einer in einem unfallbeteiligten Pkw installierten Dashcam im Zivilprozess als Beweismittel zum Hergang eines Unfalls verwertet werden können. Im Ergebnis hat das Landgericht Heilbronn – ebenso wie das Amtsgericht in der Vorinstanz – die Verwertung dieses Beweismittels zu Recht nicht zugelassen – und zwar mit guten Gründen.
Sachverhalt der Entscheidung – Beweislage und Verfahren
Die Halterin eines unfallbeschädigten Pkw verklagte nach einem Verkehrsunfall die Unfallgegnerin und deren Kfz-Haftpflichtversicherer auf Zahlung von Schadenersatz. In der Sache ging es um einen geradezu „typischen“ Kreuzungsunfall: Der Ehemann der Klägerin wollte mit dem Pkw seiner Ehefrau aus einem Industriegebiet auf die bevorrechtigte Landesstraße einfahren. Er kam aus einer untergeordneten Zufahrt, während die Fahrzeuge auf der Landesstraße – so auch die Unfallgegnerin – Vorfahrt hatten. Im Bereich der Straßeneinmündung zur Landesstraße kam es dann zum Zusammenstoß mit dem bevorrechtigten Fahrzeug. Wie in derartigen Verkehrsunfallprozessen üblich richtete sich die Klage neben der Unfallgegnerin als Halterin und Fahrerin auch im Wege der Direktklage nach § 115 VVG gegen deren Kfz-Haftpflichtversicherung.
Neben dem Ehemann der Klägerin gab es keine weiteren Zeugen. Im Fahrzeug der Klägerin war aber eine Dashcam des Modells F 900 LHD einer 2,5“-Full-HD-Videokamera mit Nachtsichtmodus und HDMI-Anschluss installiert, mit welcher der gesamte Unfallhergang aufgenommen und aufgezeichnet wurde.
Das AG Besigheim hat die Klage in erster Instanz (Urteil v. 23.05.2014, Az. 7 C 907/13) abgewiesen. Das LG Heidelberg wies die hiergegen gerichtete Berufung zurück.
Anspruchsgrundlagen, Haftungslage und Haftungsausschlüsse
Da sich der Verkehrsunfall beim Betrieb des Fahrzeugs der zweitbeklagten Unfallgegnerin ereignete, wurde die Klage auf die Halterhaftung und die Haftung als Fahrerin des unfallbeteiligten Fahrzeugs nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG gestützt sowie i.V.m. § 115 Abs. 1 Ziff. 1 VVG in Bezug auf die Kfz-Haftpflichtversicherung.
Diese Ersatzpflicht war auch nicht bereits nach §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 1 Satz 2 StVG ausgeschlossen. Denn die Unfallgegnerin und deren Kfz-Haftpflichtversicherung vermochten den ihnen obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis beziehungsweise den Nachweis fehlenden Verschuldens nicht zu führen. Es war keineswegs bewiesen, dass auch ein Idealfahrer, auf den in diesem Rahmen abzustellen ist, den Verkehrsunfall nicht hätte vermeiden können. Der erstinstanzlich vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige hatte in seinem mündlichen Gutachten zwar ausgeführt, dass sich bei der vorliegenden Spurenlage aus technischer Sicht ein Reaktionsverzug der Unfallgegnerin nicht ermitteln lasse. Damit war jedoch der Nachweis nicht geführt, dass die Unfallgegnerin die Kollision auch bei optimaler Reaktion nicht hätte verhindern können. So konnte die Unfallgegnerin den Nachweis fehlenden Verschuldens nicht führen.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- beziehungsweise Mitverschuldensbeiträge für die Entstehung des Verkehrsunfalls gelangte das Berufungsgericht gleichwohl zur Alleinhaftung des Ehemanns der Klägerin, der den Pkw zum Unfallzeitpunkt geführt hat. Die Klägerin musste sich nach §§ 9, 17 StVG, 254 BGB das Verschulden des Fahrers ihres Kraftfahrzeugs anspruchsmindernd zurechnen lassen.
Nach Ansicht des Gerichts fiel dem Ehemann der Klägerin ein schuldhafter Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs. 1 StVO zur Last. Gegen ihn sprach bereits der Anscheinsbeweis, da er, unmittelbar bevor er mit dem Fahrzeug der Unfallgegnerin kollidiert ist, aus der untergeordneten Zufahrt vom Industriegebiet auf die bevorrechtigte Landesstraße eingefahren ist. Stoßen an einer Straßeneinmündung zwei Kraftfahrzeuge zusammen, spricht nach der Rechtsprechung der Anscheinsbeweis regelmäßig für eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung des Wartepflichtigen.
Hingegen war es der Klägerin nicht gelungen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, wobei es durchaus hätte entscheidend auf die (dann aber nicht zugelassene) Verwertung der Videoaufnahmen aus der Dashcam ankommen können.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Ehemann der Klägerin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt, selbst wenn er sich langsam in die bevorrechtigte Landesstraße hineingetastet hätte, die heranfahrende Unfallgegnerin so rechtzeitig erkennen können, dass er sein Fahrzeug noch auf dem rechten Fahrstreifen zum Stillstand hätte bringen und den Unfall damit vermeiden können. Daher führte die nach §§ 9, 18 Abs. 3, 17 StVG, 254 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge angesichts dieses Pflichtverstoßes zu einer Alleinhaftung des Ehemanns der Klägerin. Dagegen war zulasten der Unfallgegnerin neben der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs kein relevanter Pflichtverstoß zu berücksichtigen.
Eine weitere Aufklärung des Unfallhergangs war nicht möglich – aber mit Dashcam?
Eine weitere Aufklärung des Unfallhergangs war nicht möglich. Auch der erstinstanzlich beauftragte Gerichtssachverständige hatte nicht ausgeschlossen, dass unter Berücksichtigung der Videoaufzeichnung aus der Dashcam weitere Erkenntnisse für die technische Rekonstruktion des Unfalls gewonnen werden könnten. Insoweit hatte sich die Klägerin zum Beweis für den von ihr behaupteten Unfallhergang – insbesondere mit dem Ziel der Erschütterung des zur Alleinhaftung ihres Ehemanns führenden Anscheinsbeweises – auf die Inaugenscheinnahme dieser Videoaufzeichnung berufen. Sowohl das erstinstanzliche Gericht alsw auch das Berufungsgericht ließen jedoch eine Verwertung der Videoaufnahmen aus der Dashcam als Beweismittel im Ergebnis nicht zu.
Aus den Entscheidungsgründen: keine Verwertung von Dashcam-Aufnahmen
Videoaufzeichnungen, die ohne Kenntnis des Betroffenen angefertigt wurden, sind lediglich nach den Grundsätzen über die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel ausnahmsweise zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung ist mangels einer ausdrücklichen Regelung in der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Verwertbarkeit aufgrund einer umfassenden Interessenund Güterabwägung zu entscheiden. Dabei haben für die Beurteilung dieser Interessenabwägung auch mehrfach gegebene Verstöße gegen einfachgesetzliche Normen Indizwirkung und stehen somit der Verwertung der Videoaufnahmen aus der Dashcam als Beweismittel entscheidend entgegen.
Zum einen führte das Berufungsgericht an, dass die Videoaufzeichnungen aus der Dashcam die Unfallgegnerin in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzen würde. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Ausfluss des grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und umfasst das Recht am eigenen Bild. Der Unfallgegnerin stand hiernach die Befugnis zu, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen.
Eine Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist zwar durch konkurrierende Grundrechte Dritter möglich. Aber auch unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3 GG, des Gebots effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, wonach Gerichte im Rahmen eines fairen Verfahrens gehalten sind, angebotene Beweise auch zu berücksichtigen, kam dem nicht generell ein überwiegendes Gewicht zu. Es lagen nämlich keine weiteren Gesichtspunkte vor, die das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung als schutzbedürftig erscheinen lassen. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht das Persönlichkeitsrecht durch eine permanente, verdachtslose Überwachung selbst dann als verletzt an, wenn die Aufzeichnungen nicht verbreitet werden sollen. Ein derartiger Eingriff könne höchstens dann zulässig sein, wenn schwerwiegenden Beeinträchtigungen, wie etwa Angriffe auf die Person, nicht in anderer Weise zumutbar begegnet werden könne. Entsprechend urteilte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur verdeckten Videoüberwachung am Arbeitsplatz, die nur im Fall des konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers als das einzig verbleibende Mittel zulässig ist (BAG v. 21.06.2012, Az. 2 AZR 153/11).
In dem zur Entscheidung stehenden Fall erkannte das Gericht kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Beweissicherung durch Verwertung der Videoaufnahmen aus der Dashcam. Die gebotene Interessenabwägung an der Verwendung der Videoaufnahmen im Prozess fiel daher zulasten der Klägerin aus, weil dem wesentliche Grundrechte der Unfallgegnerin entgegenstanden.
Zwar sind fotografische oder videotechnische Abbildungen von Passanten und Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen, die lediglich als „Beiwerk“ des Stadt- oder Straßenbilds mit erfasst werden, von diesen zunächst auch ohne Weiteres hinzunehmen. Wenn es aber um die gezielte und verdeckte Fertigung von Bildaufnahmen geht, muss dann etwas anderes gelten, wenn die Betroffenen nicht absehen können, ob Aufzeichnungen gefertigt werden.
Dies war nach Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend der Fall. Der Ehemann der Klägerin machte mit der im Pkw installierten Dashcam umfassende heimliche Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsgeschehens. Eine solche großflächige Beobachtung von öffentlichen Straßen stellt aber schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar, weil durch die hier vorgenommene permanente Aufzeichnung mit der Videokamera eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird. Die Videoaufzeichnung des Ehemanns der Klägerin war zudem zeitlich nicht von vornherein auf das konkrete Unfallgeschehen eingegrenzt. Vielmehr wurde ein zeitlich separierter Teil der Aufnahmen nachträglich zur Beweissicherung bestimmt. Technische Vorrichtungen der Kamera zur spezifizierten Beweissicherung, bei der im Rahmen einer Ringspeicherung innerhalb zu bestimmender Zeitabstände die alten gespeicherten Aufnahmen gelöscht werden, waren zudem auch nicht vorhanden.
Auf den jeweiligen Videofilmen wurde darüber hinaus festgehalten, wann ein Betroffener die jeweilige Straße mit welchem Verkehrsmittel und gegebenenfalls auch in welcher Begleitung passiert. Grundsätzlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene sich nur kurzzeitig, wie bei einer auf einen bestimmten, festen Ort gerichteten Kamera, im Aufzeichnungsbereich aufhält, da es der Ehemann der Klägerin selbst in der Hand hatte, wie lange er einen Betroffenen aufzeichnet und was er anschließend mit der gespeicherten Aufnahme macht.
Darin liegt nach Ansicht des Gerichts eine gravierende Missachtung der Befugnis der Betroffenen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen. Wollte man dies anders sehen und der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könnte, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde dies bedeuten, dass innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass nicht nur in seinem Pkw, sondern auch an seiner Kleidung befestigen würde, um damit zur Dokumentation und als Beweismittel zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann permanent zu filmen und zu überwachen. Damit aber würde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch aufgegeben.
Zudem sah das Berufungsgericht in der permanenten, anlasslosen Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dashcam einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG, wobei die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mittels Videoüberwachung nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen zulässig sei. Zwar war das Anliegen der Beweissicherung legitim. Jedoch überwogen die schutzwürdigen Interessen der Unfallgegnerin, da die dauerhafte Offenbarung privater Daten im vorliegenden Fall nicht freiwillig geschah.
Ferner sah das Gericht auch einen Verstoß gegen § 22 Satz 1 KunstUrhG, wonach Bildnisse ferner nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen, soweit die Abgebildeten nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG nicht nur als „Beiwerk“ einer bestimmten Örtlichkeit erscheinen. Diese Befugnis geht aber nicht so weit, dass die gezielte Aufnahme der Betroffenen diese in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen darf.
Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungsbeziehungsweise Mitverschuldensanteile
Im Ergebnis hält auch das Berufungsgericht bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- beziehungsweise Mitverschuldensanteile der Unfallbeteiligten eine volle Haftung der Klägerin für gerechtfertigt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begeht, allein für den Unfallschaden haftet, wenn nicht dem anderen Unfallbeteiligten neben dessen Betriebsgefahr weitere die Betriebsgefahr erhöhende Verursachungsbeiträge oder ein Verschulden nachgewiesen werden können. Die Betriebsgefahr des anderen tritt in diesem Fall zurück. Genau so lag der Fall aber hier. Da der Ehemann der Klägerin einen gravierenden schuldhaften Vorfahrtsverstoß begangen hatte und der zweitbeklagten Unfallgegnerin kein relevanter Pflichtverstoß anzulasten war, hatte die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs hinter der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs völlig zurückzutreten. Dies führte im Ergebnis zur Alleinhaftung (des Ehemanns) der Klägerin.
Schlussfolgerungen für die Fuhrparkpraxis
Die Entscheidung des LG Heilbronn stellt klar, dass eine prozessuale Verwertung von heimlichen Videoaufnahmen einer Dashcam, die ohne Kenntnis des Betroffenen angefertigt wurden, wegen der damit verbundenen Verletzung von Grundrechten der gefilmten Personen in der Regel unzulässig ist.
Vor diesem Hintergrund macht die Anschaffung von Dashcams für Fuhrparkfahrzeuge wohl jedenfalls für den Einsatz im deutschen Rechtsraum keinen Sinn, weil die hieraus resultierenden Videoaufnahmen in Unfallschadenprozessen vor deutschen Gerichten für eine Beweisführung in den meisten Fällen nicht zugelassen werden.
Etwas anderes kann eventuell ausnahmsweise dann gelten, wenn Videoaufnahmen – im Zusammenwirken mit einer im Fahrzeug montierten Blackbox als Unfalldatenschreiber – zeitlich und technisch von vornherein auf das konkrete Unfallgeschehen eingegrenzt werden.
Ob sich derartige Investitionen jedenfalls im Hinblick auf Dashcams überhaupt lohnen, muss allerdings infrage gestellt werden. Denn wenn die Videoaufnahmen in technischer Hinsicht erst ab dem Zeitpunkt einer Kollision einsetzen, dann fehlt in den Aufzeichnungen das für die spätere rechtliche Beurteilung relevante Geschehen vor dem eigentlichen Zusammenstoß. Über die Tatsache der Kollision hinaus kann man dann wohl letztlich keine weiteren Erkenntnisse zum Unfallhergang erwarten. Und dann wäre nicht mehr bewiesen, als ohnehin schon feststeht, nämlich dass Fahrzeuge miteinander kollidiert sind. Das entscheidende „Wie“ des Zusammenstoßes entzieht sich dann dem Nachweis. Wohl dem, der einen „klassischen“ Unfallzeugen hat. Fuhrparkmanager sollten deshalb im Rahmen von Schulungen oder Informationen der Dienstwagennutzer zum richtigen Verhalten am Unfallort darauf achten, dass die Fahrer soweit möglich Beweise selbst (beispielsweise fotografisch) sichern, wozu es eben auch gehört, potenzielle Unfallzeugen anzusprechen und deren Namen und Anschriften zwecks späterer Schadenregulierung aufzunehmen, soweit sich dies nicht ohnehin aus dem polizeilichen Unfallbericht ergibt.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
Keine Handynutzung als Navigationshilfe oder zur Internetabfrage im Auto?
In der Praxis kommt es recht häufig vor, dass Nutzer von Firmenfahrzeugen, die nicht über ein im Fahrzeug stationär eingebautes Navigationssystem verfügen, die in ihrem (dienstlichen oder privaten) Mobiltelefon eingebaute Navigationshilfe verwenden. Derartige Systeme sind heutzutage so weit ausgereift, dass die Fahrtroute nicht nur optisch angezeigt wird, sondern auch Fahrtanweisungen akustisch durch eine automatische Stimme (gegebenenfalls über Bluetooth mittels Autoradio) ausgegeben werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine Internetverbindung des Mobiltelefons.
Wie eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 15.01.2015, Az. III-1 RBs 232/14, 1 RBs 232/14) klarstellt, fällt auch die Nutzung der Navigationsfunktion des Mobiltelefons unter das Verbot des § 23 Abs. 1a StVO. Diese Vorschrift regelt im Hinblick auf die Pflichten des Fahrzeugführers, dass derjenige, der ein Fahrzeug führt, ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen darf, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt hingegen ausnahmsweise nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.
Die Nutzung des Geräts als Navigationshilfe beinhaltet einen Abruf von Daten und stellt sich damit zugleich als „Benutzung“ dar. Ein derartiger Kommunikationsvorgang soll nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls im Zusammenhang mit einem Mobiltelefon unterbleiben.
Das OLG Hamm folgt dieser Argumentation. Denn der Begriff der Benutzung eines Mobiltelefons wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Eine Benutzung liegt nicht nur dann vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung von Bedienfunktionen. Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO beurteilt sich allein danach, ob das Gerät in der Hand gehalten wird oder nicht und die Handhabung des Geräts einen Bezug zu einer bestimmungsgemäßen Funktion desselben aufweist. Nach der gesetzgeberischen Intention soll die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO gewährleisten, „dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobiltelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Die Benutzung schließt neben dem Gebrauch im öffentlichen Fernsprechnetz sämtliche Bedienfunktionen ein“.
Hierzu zählt auch die Verwendung der Navigationshilfe, weil jegliche Nutzung untersagt wird, soweit das Mobiltelefon – wie im vorliegenden Fall festgestellt – in der Hand gehalten wird, sodass der Fahrzeugführer nicht beide Hände für die Fahraufgabe frei hat, wodurch wiederum erhebliche Gefahren im Straßenverkehr entstehen können. Auch die Nutzung des Mobiltelefons für Abfragen über das Internet fällt nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung unter § 23 Abs. 1a StVO. Das Amtsgericht ging in der Vorinstanz ersichtlich davon aus, dass der Betroffene vorliegend entweder einen Hilfsdienst über das Mobiltelefon gesucht oder dessen Navigationsfunktion benutzt hat. Es geht also von einer Benutzung in einem der beiden oben genannten Sinne aus, die beide gleichermaßen untersagt sind.
In der Fuhrparkpraxis macht es deshalb Sinn darauf zu achten, dass Mobiltelefone als Navigationshilfe während der Fahrt nur dann verwendet werden, wenn sie dabei nicht aufgenommen oder in der Hand gehalten werden müssen. Sind Handys in einer entsprechenden Haltevorrichtung im Fahrzeug (quasi stationär) befestigt, sodass sie den Fahrer nicht von seinen Fahraufgaben ablenken, dann ist auch die Verwendung als Navigationshilfe während der Fahrt unproblematisch und nicht verboten. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass auch bei einer stationären Befestigung ein allzu intensives Herumtippen auf dem befestigten Handy in der Praxis genauso gefährlich und ablenkend sein kann, wie die intensive Suche nach einem passenden Radiosender mit Verkehrsfunk, die häufig de facto zu einem sekundenlangen Blindflug mit hohem Unfallrisiko führen kann.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Nutzung des Handys am Steuer nach einer anderen Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 09.09.2014, Az. 1 RBs 1/14) jedenfalls bei einem automatisch abgeschalteten Motor ausnahmsweise erlaubt ist. Denn wenn das Fahrzeug steht und der Motor nicht in Betrieb ist, fallen Fahraufgaben, für die der Fahrzeugführer beide Hände benötigt, nicht an. Keinen Unterschied macht es, ob der Motor vorher vom Fahrer manuell durch Abschalten der Zündung oder bei einer ECO Start-Stopp-Funktion durch Abbremsen beziehungsweise den Stillstand des Fahrzeugs automatisch abgeschaltet worden ist.
Der Rat in der Praxis kann daher nur lauten: Die Navigation via Handy sollte vor Fahrtantritt noch vor dem Starten des Motors programmiert, gestartet und während der Fahrt dann nicht mehr manuell aufgenommen und bedient werden, selbst wenn das Mobiltelefon sich in einer stationären Befestigung befindet, sodass es vom Fahrer nicht in die Hand genommen werden muss. Moderne Navigationssysteme im Handy stellen sich automatisch auf Routenveränderungen ein, weshalb eine Bedienung während der Fahrt praktisch entfällt. Sollte dennoch eine Umstellung der Route während der Fahrt erforderlich werden, sollten Dienstwagennutzer darauf hingewiesen werden, zu diesem Zwecke mit dem Fahrzeug anzuhalten und erst bei abgeschaltetem Motor entsprechende Routenkorrekturen vorzunehmen.
Rechtsanwalt Lutz D. Fischer, St. Augustin
Kontakt: kanzlei@fischer-lohmar.de
Internet: www.fischer-lohmar.de
AUTOR
RECHTSANWALT LUTZ D. FISCHER aus St. Augustin berät und vertritt mittelständische Unternehmen, Unternehmerpersönlichkeiten sowie Privatpersonen im Wirtschafts-, Zivil-, Arbeits- und Verkehrsrecht und ist bundesweit als juristischer Dienstleister tätig. Ein besonderer Kompetenzbereich liegt im Bereich des Dienstwagen- und Fuhrparkrechts. Rechtsanwalt Fischer ist Mitglied der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein) und Autor zahlreicher Publikationen zum Dienstwagen- und Verkehrsrecht. Als freiberuflicher Dozent ist er für das Goethe-Institut in Bonn tätig und hält bundesweit Seminare zu „Dienstwagenüberlassung und Arbeitsrecht“ sowie zu „Professionelles Schadensmanagement im Fuhrpark“ für das Weiterbildungsinstitut CompendiumPlus aus Osnabrück.
RECHTSPRECHUNG
SCHADENRECHT
Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfall Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens verlangen.
Er kann allerdings nur die Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Ein gewichtiges Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrags bildet der Aufwand, den der Geschädigte in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung mit dem Sachverständigen erbracht hat. Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten jedoch erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden.
Danach ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht das von dem Sachverständigenbüro abgerechnete Grundhonorar in Höhe von 277,- Euro (netto) für erstattungsfähig erachtet hat. Der Geschädigte darf regelmäßig von der Erforderlichkeit des angefallenen Grundhonorars ausgehen, wenn es sich – wie hier – innerhalb des Honorarkorridors bewegt, in dem nach der BVSK-Honorarbefragung je nach Schadenshöhe zwischen 50 und 60 % der befragten BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen (HBV).
Der Geschädigte darf die Eingehung von „Nebenkosten“ bis zu einer Höhe von 100,- Euro für erforderlich halten, wenn der Sachverständige – wie hier der Fall – eine Pauschale in dieser Höhe abgerechnet hat. Die Nebenkosten in dieser Höhe ergeben sich unter Berücksichtigung des Aufwands, der unter Wahrung des sachverständigen Ermessensspielraums in Routinefällen regelmäßig nicht überschritten wird. Dem Geschädigten ist es deshalb unter schadensrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich nicht verwehrt, sich – ggf. auch erst nach erfolgter Begutachtung – auf eine pauschale Abrechnung der „Nebenkosten“ in dieser Höhe einzulassen, wenn – wie hier – keine sonstigen Gesichtspunkte gegen die Erforderlichkeit der Pauschale sprechen.
Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Ersatzfähigkeit von Nebenkosten privater Kfz-Sachverständiger steht dem nicht entgegen. LG Saarbrücken, Urteil vom 06.02.2015, Az. 13 S 185/14
Schadensersatz für Gutachten eines Kfz-Sachverständigen zur Unfallwageneigenschaft
Ein Kfz-Sachverständiger, der von dem Käufer eines Gebrauchtwagens beauftragt wird, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob das Fahrzeug einen Unfallschaden erlitten hat und ob dieser fachgerecht behoben wurde, darf sich bei der Prüfung der bei dem Unfall ausgelösten Airbags auf die Anzeige eines elektronischen Diagnosegeräts verlassen und ist nicht verpflichtet, durch zusätzliche Demontage von Fahrzeugteilen die Airbags freizulegen und auf ihre Funktionsfähigkeit zu testen.
Es ist nicht zu beanstanden, dass der beklagte Kfz-Sachverständige die Fahrzeugteile nicht ausgebaut hat, sondern sich auf eine Überprüfung der Kontrollleuchte und das Diagnosegerät verlassen hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass an den Airbags eine Manipulation vorgenommen worden wäre, waren nicht vorhanden. Auch der Gerichtssachverständige hat bestätigt, dass er sich in einer solchen Situation grundsätzlich auf das Diagnosegerät verlassen hätte.LG Darmstadt, Urteil vom 21.01.2015, Az. 25 S 89/14