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Stetig steigende Kraftstoffpreise sollten eigentlich selbst jeden Skeptiker der neuen Antriebsarten zumindest ansatzweise an einen Wechsel zu eben solchen nachdenken lassen. Aber lohnt es sich wirklich?

Um dies zu beurteilen, reicht es nicht, nur die Technik und Leistung der Fahrzeuge zu vergleichen. Ebenso wichtig ist es, die Rahmenbedingungen rund um die Mobilität zu kennen. Wem nutzt es, dass er mit einem erdgasangetriebenen Auto eine vergleichbare Reichweite wie ein herkömmlich angetriebenes Fahrzeug hat, wenn die nächste Tankstelle dennoch erst außerhalb der Reichweite liegt. Und genau hier herrscht noch Ausbaupotenzial, vor allem im Bereich der Elektrofahrzeuge und deren Ladeinfrastruktur.

Dies erkannte auch die EU-Kommission und startete Anfang des Jahres eine Initiative mit konkreten Vorgaben für die einzelnen EU-Länder. Laut dieser sollen in Deutschland 150.000 Ladestationen bis zum Jahr 2020 geschaffen werden. Mit derzeit etwas mehr als 2.000 Ladestationen in Deutschland entspricht dieser Ausbau dem 75-fachen der heutigen Ladeinfrastruktur. Die Initiative betrifft aber nicht nur das Netz der Ladestationen. Ebenso soll das Netz der CNGTankstellen (komprimiertes Erdgas) so ausgebaut werden, dass die Entfernung zwischen zwei Tankstellen maximal 150 Kilometer beträgt. Bei Füllstationen von LNG (Flüssigerdgas) soll dieser Abstand entlang wichtiger Routen höchstens 400 Kilometer betragen. Autogas (LPG) punktet bereits heute mit einer funktionierenden Infrastruktur mit 6.500 Tankstellen an den Hauptverkehrswegen wie zum Beispiel Autobahnen und Bundesstraßen. Welches Potenzial in Autogas steckt, zeigte die Aufstellung des Reichweitenrekordes mit Autogas des Projektes S1000Plus. 1.365,5 Kilometer schaffte das Versuchsfahrzeug, ein Peugeot 5008, mit einer Tankfüllung von 120 Litern. Bei einem Preis von 80 Cent pro Liter entspricht dies Kraftstoffkosten von lediglich 96 Euro. Mit diesen Projekten wollen auch Tankstellenbetreiber wie beispielsweise die Westfalen AG vor Augen halten, was bereits heute mit Autogas möglich ist.

Eine mögliche Verschiebung des Fokus hin zum Erdgas aufgrund sinkender Nutzung von Erdöl, dessen Nebenprodukt das Autogas ist, wird langfristig eine Entkopplung des Erdgases vom Erdöl zur Folge haben. Auch Volkswagen erkannte diese Entwicklung und plant, zukünftig Erdgasfahrzeuge in allen Klassen anzubieten. Wichtige Klassen sind bereits heute besetzt (siehe auch Marktübersicht, Seite 72).

Ein im Vergleich zum Dieselantrieb teurerer Listenpreis amortisiert sich über die Laufzeit zügig, denn Erdgas ist im Vergleich zu Diesel rund 45 Prozent günstiger, und oftmals wird die Anschaffung eines Erdgasfahrzeuges zusätzlich durch lokale Energieversorger, wie zum Beispiel durch die Stadtwerke Bonn GmbH mit 500 Euro, gefördert. Auch die Umwelt bleibt bei dieser Rechnung nicht auf der Strecke. Im Gegenteil, Erdgasfahrzeuge verursachen circa 20 Prozent weniger CO2 als gleichwertige Dieselfahrzeuge. Bei der Verwendung von Bio-Erdgas (Biomethan) verringert sich der CO2-Ausstoß um bis zu 97 Prozent, denn Bio-Erdgas setzt nicht mehr Kohlendioxid frei, als die Pflanzen während ihres Wachstums über die Fotosynthese aufgenommen haben. Somit erreichen Erdgasfahrzeuge bereits heute die Werte der zukünftigen Euro- 6-Norm.

Aber auch der Ausbau der Wasserstofftankstellen und die Vereinheitlichung von Füllschläuchen zum Beispiel sind in der Initiative aufgenommen. Absicht der EU-Kommission ist jedoch primär die Reduzierung von Öl-Importen. Hierzu erklärte Siim Kallas, der für Verkehrsfragen zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission: „Die Entwicklung innovativer, alternativer Kraftstoffe bietet sich eindeutig als Lösung an, um die Ressourceneffizienz der Wirtschaft Europas zu verbessern, unsere übermäßige Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern und eine Verkehrsindustrie aufzubauen, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist.“

Ähnlich sieht es auch bei der Förderung der neuen umweltschonenden Alternativen in Deutschland aus. Diese scheint im direkten Vergleich zu einigen europäischen Nachbarländern nur sehr gering ausgeprägt zu sein. Mit dem Verkehrsteueränderungsgesetz wurde zwar die Steuerfreiheit für Elektrofahrzeuge von fünf auf zehn Jahre verdoppelt, diese soll damit das Ziel von einer Million zugelassenen Elektrofahrzeugen bis 2020 begünstigen. Aber der Effekt der Förderung hält sich derzeit noch in Grenzen. Deutschland fährt anderen europäischen Staaten in dieser Hinsicht hinterher. In Spanien zum Beispiel kann die Förderung in Abhängigkeit vom jeweiligen Regierungsbezirk bezogen auf eine Leasingnutzung mit 36 Monaten Laufzeit und einer Leistung von 90.000 Kilometern bis zu 4.500 Euro betragen. Einen Zuschuss von 1.000 Euro erhalten Unternehmen, Privatleute sogar 2.000 Euro, beim Kauf eines Hybridfahrzeuges in Frankreich. Zusätzlich sind die Steuern im Vergleich zu einem Dieselfahrzeug deutlich niedriger. Während in Dänemark der Kauf von elektrisch betriebenen Fahrzeugen dank Prämien und Steuervergünstigungen mit bis zu 36 Prozent unterstützt wird, kann man in Deutschland im Schnitt lediglich rund 1.800 Euro über die Zeit dank der zehn Jahre Kfz-Steuerbefreiung sparen. Dies entspricht bei einem Renault ZOE circa neun Prozent des Anschaffungspreises und bei einem Opel Ampera etwas mehr als vier Prozent. Hier sollte man sich aber auch vor Augen halten, dass selbst eine teilweise deutlich höhere Förderung im europäischen Umland nur kaum messbar höhere Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen zur Folge hat. Aber zusätzlich wirkt sich vor allem für Dienstwagenfahrer mit privater Nutzung der Fahrzeuge der meist deutlich höhere Anschaffungspreis bei der Dienstwagenbesteuerung negativ aus. Dieser Missstand lässt gerade im Flottengeschäft nicht viel Handlungsspielraum.

Darum ist es wichtig, zusätzliche Anreize zu schaffen. Diese müssen nicht zwangsweise einen monetären Effekt aufweisen, sondern sollten durch smarte Vorteile überzeugen können, da die Skepsis gegenüber den Elektrofahrzeugen nach wie vor noch sehr hoch ist. Hier ist die Fantasie der Verantwortlichen gefragt. Ideen wie die Nutzung der Busspuren oder freies Parken in den Innenstädten lassen vielleicht den einen oder anderen Zweifler doch ernsthaft überlegen. Ideen sind gefragt – auch hier kann man alternative Wege gehen!

Aber dies ist nur die eine Seite möglicher Förderungen, welche den Kunden direkt betrifft. Die andere Seite unterstützt beispielsweise den Aufbau der Infrastruktur, die Einführung von Standards und die Entwicklung der notwendigen Technologien. So wurden in den Jahren 2009 bis 2011 Projekte durch das Konjunkturpaket II mit insgesamt 500 Millionen Euro gefördert. Rund 130 Millionen Euro der Fördersumme wurden dabei für die Errichtung von acht Modellregionen (Berlin/Potsdam, Bremen/Oldenburg, Hamburg, München, Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Sachsen, Stuttgart) eingesetzt.

Ziel der Maßnahmen sollte es sein, das weite Themenfeld der Elektromobilität entlang der gesamten Wertschöpfungskette umzusetzen. Dies beinhaltet nicht nur die Unterstützung der Grundlagenforschung und Prototypenentwicklung, sondern auch anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsthemen in Demonstrationsvorhaben und Alltagsanwendungen. Mit diesen Maßnahmen als Grundlage will die Regierung ein Gesamtprogramm zur Elektromobilität bilden, das mit Beteiligung der Industrie, die Markteinführung von Elektromobilität mit Batterie und Brennstoffzelle sicherstellt und effizient umsetzt. Für die Modellregion München bedeutet dies zum Beispiel die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur zur Deckung des Strom-Mehrbedarfs. Der erwartete Strom-Mehrbedarf soll hier ausschließlich durch regenerative Energien gedeckt werden. In der Rhein-Ruhr-Region liegen die Schwerpunkte beispielsweise bei der Erprobung von Car-Sharing-Modellen, der Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte, dem Individualverkehr (Pkw-Flotten) sowie im Nutzfahrzeugbereich (Busse, Citylogistik, Abfallsammler und so weiter).

Aber natürlich tragen auch die Unternehmen selbst zum Ausbau der Akzeptanz der alternativen Antriebsarten bei. So bieten einige Unternehmen clevere Apps für die Suche alternativer Tankstellen und erleichtern damit den Umgang mit den noch nicht so stark verbreiteten Energielieferanten. Die App sollen beispielsweise eine intelligente Nutzung von Ladestationen bewirken, da diese im Gegensatz zur Betankung mit volumenabhängigen Kraftstoffen deutlich länger in Beschlag genommen werden müssen. Wartezeiten für die nächste frei werdende Ladestation können anhand der Apps minimiert werden, da es einige Apps den Besitzern der Elektrofahrzeuge ermöglichen, miteinander zu kommunizieren. Darüber können Time Slots für den Ladevorgang abgesprochen und somit die Auslastung der Ladestationen maximiert werden. Anhand dieser smarten Helfer ist der alltägliche Umgang mit den noch nicht so stark verbreiteten Energiespendern deutlich einfacher geworden, und sie tragen ebenfalls zur Steigerung der Akzeptanz dieser alternativen Kraftstoffe bei.

Aber auch immer mehr Stromanbieter fördern die Nutzung ihrer Energie zum Betreiben der Elektrofahrzeuge und setzen wie zum Beispiel Vattenfall auf reinen Naturstrom aus den eigenen Windkraftanlagen. In deren aktuellen Kampagnen gibt es sogar ein spezielles Angebot, welches sich gezielt an Fahrer des Volvo V60 Plug-in Hybrid richtet. Zahlreiche andere Energieanbieter haben ähnliche Angebote und stellen die notwendige Ladeinfrastruktur bereit. Aus diesem Grund gibt es auch dementsprechend viele unterschiedliche Möglichkeiten, den Ladevorgang zu bezahlen. Bei der Nutzung der Ladestationen ist man jedoch meist auf den eigenen Betreiber angewiesen, was wiederum die Auswahl der zu verwendenden Ladestation im Zweifelsfall stark einschränken kann. Abhilfe schaffen hier ähnlich wie bei Mobilfunkanbietern sogenannte Roaming-Verträge. Unternehmen wie die Hubject GmbH haben sich dieser Problematik angenommen und versuchen, für die Elektromobilität eine anbieterübergreifende Infrastruktur nutzbar zu machen.

Nach wie vor ist die Akzeptanz für die neuen Antriebsmöglichkeiten gegenüber den herkömmlichen Konzepten sehr gering. Die Zulassungszahlen zeigen zwar eine Steigerung, aber diese fällt im Verhältnis zu den Gesamtzulassungszahlen Monat für Monat sehr gering aus. Aber selbst Skeptiker könnten hier dennoch einen Wechsel dieser Einstellung voraussehen, wenn man die ständig steigenden Kraftstoffpreise in die Rechnung einbezieht. Denn irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die herkömmlichen Fahrzeuge an Attraktivität verlieren, und die Alternativen auch ohne Subventionierung attraktiv genug für einen Wechsel sind.