
So weit ist es also schon gekommen – wo Diesel drinsteckt, steht nicht mehr Diesel drauf. Der Mercedes ML 350 BlueTEC ist so ein Fall. Dass man mit der Farbe Blau besondere Reinheit assoziiert, haben einige Autohersteller längst erkannt und ihren Saubermännern ein entsprechendes Badge verpasst. Und die Daimler- Selbstzünder mit dem „BlueTEC”-Schriftzug stoßen tatsächlich äußerst reinliche Abgase aus. Sie erfüllen dank AdBlue®-Einspritzung die strenge Euro 6-Norm. Wie kommt es dazu? In den Abgasstrom werden kleine Mengen einer flüssigen Harnstofflösung eingegeben, so dass Ammoniak entsteht. Ein spezieller SCR-Katalysator reduziert zusammen mit dem Ammoniak den größten Teil der giftigen NOx zu Stickstoff und Wasser. Freilich bleibt das Thema CO2, oder umgangssprachlich ausgedrückt: der Verbrauch. Aber keine Sorge – der Blick in die technische Daten stimmt ziemlich freundlich.
Wir reden immerhin von einem sechszylindrigen 2,2-Tonner mit drei Litern Hubraum und 258 Pferdchen. Glaubt man den Papieren, ist eine Sechs vor dem Komma kein Problem. Dass die Hersteller immer ein bisschen knapper kalkulieren, als die Praxis am Ende zeigt, ist eine Binsenweisheit. Aber selbst die Acht vor dem Komma verzeiht man dem mächtigen 350er. Zumal der sanfte 4x4 mit seinem souveränen Antriebsstrang derart überzeugt, dass man ungern aussteigt. Klar ist der Common-Rail kein wütiger Hektiker, der überbordende Fahrleistungen in den Asphalt brennt. Aber auf dem mächtigen Drehmomentberg, der ab niedrigen 1.600 Touren 800 Umdrehungen lang zur Verfügung steht, hebt der ML seine leider kühlerfigurlose Nase und marschiert druckvoll in die Vertikale. Wer den Brocken durchbeschleunigt, erreicht nach etwas mehr als sieben Sekunden die 100 km/h-Marke – das ist noch heute ein Wert, der selbst soliden Sportwagen gut zu Gesicht steht. Bei 224 Sachen gewinnt der Luftwiderstand die Oberhand gegenüber dem Triebwerk.
Von dem hört man innen übrigens kaum etwas. Selbst bei Drehzahlen jenseits der 3.500 Touren bleibt der Hightech-Diesel äußerst zurückhaltend. Okay, wenn man bei ausgeschalteter Lüftung penibel genau hinhört, ist die Verbrennungsart zu identifizieren. Dass die Verantwortlichen aus der M-Klasse ein besonders komfortables Gefährt machen wollten, wird schnell klar: Üppige Sessel hinterlassen sowohl beim Einsteigen als auch nach dem Aussteigen viele Stunden später freundliche Mienen bei den Passagieren. Hinzu kommen ausladende Platzverhältnisse in der ersten und zweiten Reihe. Dass die Knie großgewachsener Personen Kontakt mit den Vordersitzlehnen aufnehmen, ist unwahrscheinlich. Auch dürfte das Haupt selten an den Dachhimmel stoßen; vielfache elektrische Verstellmöglichkeiten der Vordersitze garantieren ein kommodes Plätzchen vor dem großen Volant.
Ach ja, die Bedienung ist bei einem Fahrzeug dieses Kalibers natürlich etwas aufwendiger. Ein guter Teil der Funktionen lässt sich mit dem gut zur Hand liegenden Controller in der Mittelkonsole ansteuern, während die wichtigsten Features direkt per Taste anwählbar sind. Nur bei den Assistenzsystemen – und davon gibt es als 2.250 Euro netto kostendes Paket zusammengefasst eine ganze Reihe (darunter Spurerkennung, aktiver Tempomat und Totwinkelwarnung) – muss das Multifunktionslenkrad herhalten. Warum der Tageskilometerzähler ebenfalls über jene Knöpfe genullt wird (recht kompliziert), bleibt im Dunkeln. Wieso nicht einfach per separater Drucktaste? An Schaltern fehlt es der M-Klasse jedenfalls nicht – wer die 1.700 Euro (netto) teure Airmatic bestellt, bekommt prompt noch einen Regler dazu, um Fahrzeuglevel sowie Dämpferhärte zu wählen.
Richtig ungemütlich wird der große Mercedes aber auch außerhalb der Komfort-Stellung nicht. Sogar hartnäckige Querfugen stecken die Luftfeder-Elemente souverän weg und wiegen ihre menschliche Fracht wie in Watte. Und das, obwohl der ML sogar ein verhältnismäßig guter Querdynamiker ist. Die Lenkung vermittelt ein wohldosiertes Maß an Leichtgängigkeit und ist dabei frappierend präzise. Wer noch etwas zügiger über die Landstraße witschen möchte, muss zum automatischen Wankausgleich greifen – Kostenpunkt: saftige 3.100 Euro. Interessenten mit dem Wunsch, doch einmal von den asphaltierten Wegen abzuweichen, sind mit dem Offroadpaket gut bedient. Es enthält nebst 100-Prozent-Mittelsperre auch eine Geländeuntersetzung. Dagegen sind temperierte Cupholder eher in den Bereich der Gimmicks zu verorten – für 210 Euro ist man dabei.
Wie eignet sich die M-Klasse als Nutztier? Satte 3,5 Tonnen zulässige Anhängelast sind ein mächtiges Wort, und das Laderaumvolumen kann sich ebenfalls sehen lassen mit über 2.000 Litern. Vor allem überzeugt die Einfachheit, mit der die Fondsitze umgelegt werden können; die leichte Laderaumabdeckung ist unproblematisch zu entfernen – so soll es sein. Etwas problematischer für viele Geldbörsen ist sicherlich der Grundpreis: Unter 49.700 Euro netto geht nichts beim Sechszylinder- Diesel – dafür ist er gut ausgestattet mit dem kompletten Sicherheitsprogramm inklusive adaptivem Bremsassistenten plus Kollisionswarnung, der vollen Luftsackausrüstung und Presafe. Natürlich wird die Kraft obligatorischerweise über die 7G-Tronic an beide Achsen geleitet – dabei handelt es sich um eine geschmeidig schaltende Siebengang-Automatik. Moderne Entertainment-Systeme versüßen den Aufenthalt an Bord – digitaler Radioempfang kostet 410 Euro, ein TV-Tuner ist gegen 990 Euro Aufpreis zu haben. Soundsysteme liegen im Preisrahmen zwischen 840 und 4.150 Euro (netto). Dagegen sind die elektronischen Lotsen schon ab günstigen 800 Euro zu haben. Bluetooth-Freisprechanlage sowie Radio sind im Serienumfang enthalten.