Geschäfte mit dem verteufelten Diesel

Geht es Ihnen auch so? Man schwelgt bisweilen in Erinnerungen und philosophiert darüber, wie schön doch früher alles war. Nun kann man sicher zweigeteilter Meinung darüber sein, was einem der verwässerte Blick durch die Nostalgiebrille zeigt, und tatsächlich ist heute nicht alles schlechter. So kann ich mich noch an meine Anfangszeit als Motorist erinnern und an meine unendliche Dankbarkeit dafür, dass an meinem 79er BMW 316 ein ausladendes Handschuhfach montiert war, welches meine stets wachsende Anzahl an Musikkassetten großzügig aufnehmen konnte. Im Zeitalter von Smartphones, MP3 und Streamingdiensten ist das heute sicher besser, was im Grunde übrigens ein gutes Beispiel für den technologischen Fortschritt ist.

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Mit dem Fortschritt ist natürlich auch das Thema Umwelt immer weiter in den Vordergrund gerückt. Die Abkehr vom verbleiten Normalbenzin ab dem 1. Februar 1988 und die Einstellung des verbleiten Superbenzins ab dem 1. September 1996 waren nicht zuletzt auch der Einführung der Katalysatorpflicht für alle Neuwagen mit Zulassung ab dem 1. Januar 1989 geschuldet.

Und Diesel? Die galten bis in die 90er Jahre als schadstoffarme Fahrzeuge und wurden lange nicht so hoch besteuert, wie dies heutzutage der Fall ist. Schnell erkannte man aber, dass der Autofahrer auch hier „gemolken“ werden kann, was sukzessive zu Preissteigerungen beim Kraftstoff und auch bei der Kfz-Steuer führte. Da kamen die kontinuierlich gestiegenen Anforderungen hinsichtlich der Senkung der Abgaswerte genau richtig, weswegen auch hier die Entwicklungen weitergingen. Und weiterhin war der Diesel, schon allein wegen der niedrigeren Verbräuche, das Maß der Dinge. Die Umstellung auf die spritsparende Direkteinspritzung (hier war übrigens nicht, wie immer falsch behauptet wird, die Marke mit den vier Ringen die erste mit einem Serien-Pkw am Markt, es war FIAT mit dem Croma 1987) brachte jedoch auch Nachteile beim Abgasverhalten mit sich. Rußpartikelemissionen und der stark gestiegene Stickoxid-Ausstoß mussten irgendwie bekämpft werden. Für die Partikelproblematik wurden zur Lösung Dieselpartikelfiltersysteme eingeführt, wobei anno 2005 der Peugeot 607 mit 2,2 HDI-Motor als erster Serien-Pkw der Welt mit diesem System ausgeliefert wurde.

Mit Beginn der Abgasnorm Euro 5 im Jahr 2009 ist der Partikelfilter Pflicht. Um dem Stickoxid-Problem entgegenzuwirken, kommt AdBlue zum Einsatz. Einfach erklärt wird AdBlue in den Abgasstrom eingespritzt und wandelt schädliches NOx in harmloseren Stickstoff und Wasser um. Für Fahrzeuge mit SCR-Katalysatortechnik (Selective Catalytic Reduction) ist diese Lösung vorgeschrieben, da sonst die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden können. Und um sicherzustellen, dass niemand trotz vorhandener Vorrichtung mal ohne AdBlue fährt, weil das Zeug zwischenzeitlich ziemlich teuer geworden ist, kann der Wagen mit leerem Vorratsbehälter nicht mehr gestartet werden. Abgesehen davon, dass jeder entsprechend stets den Füllstand im Auge behalten sollte, kommt man also um den Kauf der Substanz nicht herum. Übrigens: Mit Einführung der Euro-6-Abgasnorm am 1. September 2015 ist diese Art der Schadstoffsenkung praktisch unumgänglich.

Zusätzlich zu den Kraftstoffkosten, die zwar in jüngster Vergangenheit gesunken sind, aber nicht dem Niveau entsprechen, auf dem sie eigentlich sein sollten (siehe „Meine Meinung“ in der letzten Ausgabe), muss man die Kosten für AdBlue addieren. Pkw verbrauchen hier im Regelfall zwischen 1 und 5 Litern pro 1.000 km. Die Bandbreite lässt es bereits erahnen: Der Verbrauch hängt stark von der Fahrweise, vom Fahrzeugtyp/Motorisierung und nicht zuletzt auch vom Fahrzeughersteller ab. Letzterer stellt den Verbrauch in der Regel so ein, dass die Abgaswerte den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Wird der NOx-Wert nicht erreicht, wird die AdBlue-Zufuhr einfach erhöht.

Nach so viel Information atmen wir tief durch und gönnen uns eine kleine Verdauungspause. Fertig? Dann kann es ja weitergehen. Werfen wir nun mal einen Blick auf die Preisentwicklung von AdBlue. Vor Risiken und Nebenwirkungen... na, Sie kennen das ja aus der Werbung. Wir erinnern uns: Seit 2009 ist der Dieselpartikelfilter Pflicht, seit 2015 gilt Euro 6 für alle ab dann neu zugelassenen Fahrzeuge. Da AdBlue zu dieser Zeit noch nicht so umfangreich verbraucht wurde, blicken wir auf die letzten fünf Jahre zurück. Mehreren Quellen nach kostete der Liter AdBlue im Jahr 2020 noch – Achtung, jetzt wird’s schmerzhaft – circa 19 Cent pro Liter. Durch die Gaskrise 2022 schossen die Preise (Schwester, bitte die Morphinzugabe erhöhen!) dann um bis zum Zehnfachen durch die Decke. Im Onlinehandel waren die Preise sogar noch höher.

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Kleiner Exkurs: Was hat AdBlue mit der Entwicklung der Gaspreise zu tun? Gas wird für die Herstellung von Ammoniak benötigt. Ammoniak ist der Grundstoff für AdBlue. Als Konsequenz aus den hohen Gaspreisen haben die Ammoniakhersteller damals die Produktion drastisch reduziert oder teilweise sogar ganz eingestellt. So wirkten zwei Effekte negativ auf den Preis: Verknappung und steigende Bedarfe durch immer mehr Pkw, Lkw und landwirtschaftliche Fahrzeuge, die ohne AdBlue nicht bewegt werden können. Beiläufig muss auch erwähnt werden, dass manche Diesel-Pkw-Hersteller wegen des Dieselskandals die Dosierung erhöht haben, um so die gesetzlichen Vorschriften, die mit Euro 6 einen Maximalwert von 80 mg NOx pro km festlegen, am Ende einhalten zu können.

Nach dem Höchststand sind die Preise zwar wieder gesunken, haben aber das Niveau von 2020 nicht mehr erreicht. So kostet AdBlue an der Zapfsäule heute zwischen 0,99 und 1,49 Euro. Betrachtet man nun die Gaspreisentwicklung laut DESTATIS, so lag dieser 2020 bei 6,4 Cent/ kWh und erreichte 2022 mit Beginn des Ukraine-Krieges historische Großhandelspreise von bis zu 40 Cent/kWh. Zwischenzeitlich sind die Gaspreise auf durchschnittlich 12,36 Cent/kWh gesunken, wobei man hier die Gier unseres Staates berücksichtigen muss: Deutlich gestiegene CO2-Abgabe und die gestiegene Mehrwertsteuer wirken sich ebenso negativ auf den Preis aus wie die neue Einnahmequelle über die ständig steigenden Netzentgelte. Rechnet man diese Faktoren zusammen und berücksichtigt man dann noch den aktuell schwachen US-Dollar, wird auch hier klar, dass die heutigen AdBlue-Preise jenseits dessen liegen, was eigentlich fair wäre. Die durch die offensichtliche Profitgier der Hersteller und Lieferanten verursachten Schäden bei den wirtschaftlich ohnehin leidgeplagten Unternehmen, landwirtschaftlichen Betrieben und den Endverbrauchern kann man sich leicht ausrechnen.

Fazit: Wie schon bei den Kraftstoffpreisen ist auch beim Thema AdBlue jede Menge Spielraum für Preissenkungen. Durch die nostalgische Brille betrachtet: Früher waren Spritpreiserhöhungen um 4 Pfennig pro Liter eine der Hauptmeldungen in der Tagesschau. Heute scheint die Profitgier zum leidigen Übel geworden zu sein, das auch vor dem Dieselfahrer keinen Halt macht. Schöne moderne Zeit.

 

AUTOR

PETER INSAM ist seit rund 30 Jahren im Einkauf für Betriebsmittel und Investitionsgüter unterwegs, von denen er seit mehr als 25 Jahren die Geschicke verschiedener nationaler und internationaler Fuhrparks in Unternehmen aus verschiedenen Branchen gelenkt hat. Darüber hinaus sammelte er zahlreiche Erfahrungen im Rahmen von Auslandsaufenthalten in Frankreich und Australien. Seit Ende 2014 ist Peter Insam zudem Mitglied des Redaktionsbeirates von Flottenmanagement und gibt regelmäßig in der Rubrik „Meine Meinung“ tiefe Einblicke in die Arbeit eines Fuhrparkverantwortlichen und das Leben eines Autoenthusiasten.

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